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16. Nicht deine Schuld | Miki/Robin

Es war an der Zeit, Tacheles zu reden.

Als wir endlich das Vogelschutzgebiet hinter uns gelassen hatten und in die Ortschaft gelangt waren, hielt ich fest entschlossen an der Uferpromenade an.

Es war zwei Uhr morgens und durch den kalten Küstenwind fror ich höllisch. Bibbernd schob ich mir deshalb die Hände unter die Achseln.

Kaja ging noch ein paar Schritte und blieb dann ebenfalls stehen.

„Also", begann ich. „Es kann jetzt jeder weiterhin sein eigenes Ding durchziehen oder wir helfen uns gegenseitig und kommen dadurch viel schneller ans gewünschte Ziel."

„Und was genau ist dein Ziel?", fragte Kaja mich ruhig. „Einen Geist zu fangen?"

„Ich will die Wahrheit hinter Patrick Endlers Suizid herausfinden und beweisen, dass Keno nicht verrückt ist."

„Nun, ich versichere dir, dass es kein Suizid war, sondern ein sehr mächtiger Fluch. Jemanden dazu zu bringen, sich selbst so etwas anzutun... diese Art von Flüchen dürfen schon seit vielen Jahrzehnten nicht mehr praktiziert werden. Und wenn er verflucht wurde, dann muss seine Blackbox das aufgezeichnet haben."

„Diese Blackbox, von der du da ständig sprichst... was genau ist das?"

„Eine Art Sicherheitskopie aller Segen und Flüche, die du selbst angewendet hast oder andere auf dich. Jedes Zirkelmitglied besitzt eine, zum Schutz und zur Kontrolle."

„Verstehe. Wenn du Patricks Blackbox findest, kannst du beweisen, dass er es nicht freiwillig getan hat, sondern Mord war."

„Ganz genau", bestätigte Kaja. „Und genau deshalb möchte ich nicht, dass du und Keno weiter involviert werdet. Ihr könnt euch weder schützen noch wisst ihr, mit wem ihr euch da eigentlich anlegt. Du musst doch inzwischen verstanden haben, was diese Flüche anrichten können. Es ist einfach zu gefährlich. Du hattest deinen Nervenkitzel, überlass den Rest mir."

Schweigend betrachtete ich sie. Sie trug ein schlichtes schwarzes Strickkleid, knöchelhohe Stiefeletten und einen moosgrünen Cardigan. Keine wirklich gut gewählte Einbrecherkleidung – aber vermutlich war das egal, wenn man jederzeit alles und jeden verfluchen konnte. Alles an ihr wirkte in dieser Nacht mystischer. Sie war wirklich eine Hexe. Oder wie sie selbst sagte, ein Hexenblut.

„Du willst ihn wirklich in dem Glauben lassen, dass er sich das alles nur einbildet? Für immer?"

„So ist es nun mal am besten."

„Das ist nicht deine Entscheidung. Keno verdient die Wahrheit."

„Nein, er verdient ein normales Leben. Und ein sicheres. Denn selbst wenn er die Wahrheit kennt, würde das nichts ändern. Menschen wie er... werden es immer schwer haben. Unwissenheit ist da ein Segen."

„Wieso? Er tut doch niemandem weh, oder? Warum darf er es dann nicht wissen?"

„Ich habe es dir schon erklärt. Seher ziehen den Tod an und verdünnen durch ihre alleinige Existenz den Schleier ums Totenreich. Wo Seher geboren werden, gibt es auch viele Rückkehrer. Je bewusster er sich dieser Fähigkeit wird, desto dünner wird der Schleier; es ist eine Aufgabe meines Zirkels, dieses Gleichgewicht zu wahren. Das ist nicht immer eine schöne Aufgabe, andere davon zu überzeugen, dass die Seher dieses Ortes allesamt verrückt sind. Doch wenn der Sehende selbst sich nicht davon überzeugen lässt... Kenos Grußmutter hat felsenfest an ihre Erscheinungen geglaubt und erst nach ihrem Tod, wurde das Gleichgewicht wiederhergestellt. Ich will verhindern, dass Keno dasselbe Schicksal ereilt. Es gibt inzwischen Medikamente, die seine Sicht einschränken können. Wenn er sie nur regelmäßig nehmen würde, würde vieles einfacher werden."

„Einfacher für euch", betonte ich daraufhin bitter. „Nicht für ihn. Ihn würden weiterhin alle für verrückt halten, er selbst sich inklusive."

„Es stimmt, sein Leben wird niemals gänzlich normal verlaufen können, aber die Zeiten haben sich geändert. Psychische Erkrankungen sind heutzutage viel anerkannter als früher."

„Er ist aber nicht krank. Er leidet und ihn mit Medikamenten ruhig zu stellen, ist sicherlich nicht zu seinem besten. Und wie hat diese bescheuerte Taktik überhaupt bei Alicia Ruíz funktioniert, hm? Als geborenes Hexenblut konntet ihr dem Mädchen doch schlecht einreden, dass sie sich das alles nur einbildet? Oh, hat sie nicht, oder? Musste sie deshalb sterben?"

Kaja betrachtete mich unsicher. „Du weißt von Alicias Unfalltod?"

„Allerdings. Ich weiß auch, dass Patrick Endler mit ihr im Auto saß und den Unfall überlebt hat – und zwar ohne größere Verletzungen davon zu tragen. Krasser Zufall, oder? Du bist die Expertin, klingt das für dich eher nach Segen oder Fluch?"

„Ich...", murmelte Kaja überfordert und senkte den Blick, „...weiß es nicht genau. Patrick hat manchmal Andeutungen gemacht, aber Alicias Tod ist innerhalb des Zirkels ein absolutes Tabuthema. Niemand will mit mir darüber reden, nicht einmal meine eigene Mutter."

„Tja, kein so schönes Gefühl, komplett im Ungewissen gelassen zu werden, oder? Wenn du offen für eine Kooperation gewesen wärst, hätte ich eine Idee gehabt, wie wir vielleicht doch noch an Patricks Endlers Blackbox gelangen könnten. Aber wenn du nicht willst... man sieht sich."

Ich wechselte die Straßenseite. Kaja blieb, wo sie war.

Mist, ich hatte gehofft, sie würde ihre Meinung nochmal ändern und mir nachlaufen. In dieser Sekunde zog es mir die Beine weg und ich landete auf hartem Asphalt.

„Autsch", murrte ich und betrachtete meine nun aufgeschürften Handinnenflächen.

„Hast du dir wehgetan?"

Kaja schnappte sich meinen Arm und half mir hoch. „Warst du das gerade?"

„Du denkst ernsthaft, ich hätte was? Deine Schnürsenkel verflucht? Sicher nicht. Du bist nur ein Tollpatsch."

Ich warf ihr einen mürrischen Blick zu, der allerdings ziemlich unbeeindruckt von ihr abprallte.

„Und wie genau gedenkst du einen Hinweis auf dem Verbleib der Blackbox zu bekommen?"

„Sieh an. Du bist also doch an einer Kooperation mit uns interessiert. Ganz einfach: Keno sieht Geister und kann mit ihnen kommunizieren. Fragen wir denjenigen, der es wissen muss. Jemand toten."

*

In dieser Nacht schlief ich beschissen.

Ich wälzte mich mehrmals umher, bis ich endlich wegdämmerte und dann hatte ich einen echt seltsamen Traum von früher.

Es war zwei Wochen vor Weihnachten und Onkel Naz tauchte überraschend in unserem Garten auf, wo ich gerade dabei war einen Hasen aus Schnee zu formen. Erst erkannte ich ihn gar nicht ohne buntgemustertes Bermudahemd und sonnengebräunter Haut. Er trug dicke, schwere Kleidung und seine ganze Ausstrahlung wirkte ungewohnt ernst. Das letzte Mal als er eine solch düstere Aura ausgestrahlt hatte, war bei der Beisetzung meines Onkels letztes Jahr gewesen. „Ist wieder jemand gestorben?", fragte ich unbehaglich, als er sich neben mich in den Schnee kauerte und mein Werk betrachtete. „Nein Robin, niemand ist gestorben. Ich möchte dir nur etwas Wichtiges zeigen."

„Was denn?"

„Ich kann es dir nicht sagen, du musst es selbst sehen, um zu verstehen. Es ist sehr wichtig, dass du es weißt und wir können nicht länger warten. Nicht einmal bis zum Sommer."

Ich runzelte die Stirn. „Bis zum Sommer? Also ist das, was du mir zeigen willst, auf deiner Insel?"

„Ja", bestätigte er ernst. „Komm, wir müssen sofort los."

„Was? Ohne Mama und Papa Bescheid zu sagen? Dann kriege ich sicher Riesenärger... und keine Geschenke."

„Du kriegst keinen Ärger, versprochen", behauptete er und nahm mich an der Hand. Meine Erinnerung verschwamm und als Nächstes sah ich mich und Onkel Naz auf seinem Boot aufs Meer hinausfahren. Ich stützte die Ellbogen auf der Reling ab und sah gelangweilt aufs Wasser. Im Winter machte es viel weniger Spaß, sich vorzustellen ein Pirat zu sein. Und ohne Keno war es sowieso nur halb so lustig.

Wir legten an und ich folgte meinem Onkel den verschneiten Pfad hinauf, der sich durch den Wald wand und an einer Steintreppe mündete. Im Gebäude brannte kein Licht, als Onkel Naz den alten Schlüsselbund aus der Manteltasche zog und aufsperrte. Auch drinnen war es eisig und überhaupt fiel weniger freundlich als in den Sommermonaten. Onkel Naz zog es sofort in die alte Bibliothek. Der Raum voller Bücher hatte mir schon immer irgendwie Trost gespendet. Der Geruch von altem Papier, aneinandergepresst wie Sardinen in der Dose.

Wie oft hatten wir hier schon gesessen und unsere nächsten Abenteuer geplant.

Liebevoll strich Onkel Naz mit dem Finger über vereinzelte Buchrücken. Und natürlich gab es hier auch noch die versteckte Tür. Ein geheimer Mechanismus, der den Zugang zu einer enggeschlungen metallischen Wendeltreppe freigab.

Onkel Naz wusste wahrscheinlich nicht, dass ich und Keno ihn schon des Öfters heimlich beobachtet hatten, wenn er hinter dieser geheimnisvollen Bücherwand verschwand. Wir hatten schon verschiedenes ausprobiert, aber das Geheimnis bisher noch nicht lüften können.

Doch jetzt gab Onkel Naz sein Geheimnis preis. Einfach so. Man musste scheinbar nur am richtigen Buchrücken ziehen, um die Mechanik in Gang zu setzen. Auf dem Rücken des dunkelgrünen Einbands stand in goldener Schrift: Malleus maleficarum.

„Mallis malificrum", las ich falsch ab und Onkel Naz korrigierte sanft: „Malleus maleficarum. Dieses Buch legitimierte 1486 die Hexenverfolgung. Es ist eine ewige Erinnerung für unsere Art wie Menschen mit Menschen umgehen, die sie nicht verstehen können."

Ich verstand nicht, was er mir damit sagen wollte und er schien dies ebenfalls zu realisieren. „Ich schätze, dafür bist du wohl noch etwas zu jung. Merk dir einfach das Buch mit dem grünen Einband und goldener Schrift."

Er zog an dem Buchrücken, bis dieses fast längs im Regal lag und ich beobachtete verblüfft, wie der geheime Mechanismus seinen Zauber wirkte. Ich hörte das Klicken, wie die Zahnräder ineinandergeschoben wurden. Das Ächzen und Knarren, als ein Teil des Bücherregals vorwärts glitt und den Vorraum freilegte. Staub wirbelte auf.

Es war wie ein Tor in eine versteckte Welt. Wie der Schrank nach Narnia oder die Backsteinmauer zur Winkelgasse.

Zögerlich folgte ich meinem Onkel und trat in den etwa drei Meter breiten und drei Meter langen, quadratischen Raum hinein. Es gab ein vergittertes Fenster, durch das man hinunter aufs Tal blicken konnte. Ein schwarzer, eingeschneiter Wald erstreckte sich quasi endlos bis an die Küste. Einen Moment war ich gebannt von dem Anblick und konnte mich nicht bewegen.

„Robin", sagte Onkel Naz und riss mich aus meiner Trance.

Leicht unwillig riss sie die Augen los und stieg hinter ihm her die Wendeltreppe empor.

Die Wendeltreppe mündete in einer Dachkammer, die weder besonders groß, noch spektakulär war. Es gab nur eine alte Truhe und einen Schreibtisch, welcher direkt unter einem kreisrunden Fenster positioniert wurde.

Ein beklemmendes Gefühl überkam mich, als ich an den Schreibtisch herantrat, auf dessen schöner Maserung, sich Unmengen zerknülltes Papier tummelte.

„Was ist das hier für ein Ort?", fragte ich unsicher in die Stille hinein.

„Mein Arbeitszimmer", antwortete Naz. „Komm her."

Er kniete auf dem Holzboden, wo mit weißer Kreide sorgfältige Kreise, Vierecke und unterschiedliche spitz zackige Sterne aufgezeichnet wurden. An manchen Ecken standen abgebrannte Kerzenstummel.

Irgendwie mochte ich diesen Ort nicht. Hier herrschte nichts von der typischen Wärme des Anwesens. Ich mochte auch diesen Onkel Naz nicht, der seit unserer Begegnung im Garten nicht einmal gelächelt hatte.

Alles fühlte sich falsch an.

„Du musst jetzt gut aufpassen, Robin", betonte er. „Vielleicht kann ich es dir nur dieses eine Mal zeigen."

„Warum kannst du es mir nicht lieber im Sommer zeigen? Mir ist kalt und ich will nach Hause."

Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich wirklich lieber bei meinen Eltern sein wollte anstatt hier bei Onkel Naz.

Aber es stimmte. Er machte mir nämlich gerade ein bisschen Angst.

„Ich werde diesen Sommer wahrscheinlich nicht hier sein", meinte er daraufhin überraschend, holte ein Billigfeuerzeug aus seiner Jackentasche und zündete zwei der Kerzenstummel an.

„Wie meinst du das? Wo bist du?"

„Es gibt Dinge, um die ich mich kümmern muss. Und das wird dauern."

„Wie lange? Wann kommst du zurück?"

„Ich weiß es nicht und jetzt pass gut auf. Damit das Fach sich öffnet, müssen zuerst zwei Bedingungen erfüllt werden. Es müssen zwei sich gegenüberliegende Kerzen brennen, innerhalb des sechszackigen Sterns hier, und zwar im verkehrten Uhrzeigersinn. Verstehst du? Es ist wichtig, in welcher Reihenfolge du sie anzündest."

Ich verstand überhaupt nichts und nickte nur.

„Die zweite Bedingung ist die Zeit. Es funktioniert nur in der Morgen- oder Abenddämmerung." Sein Blick glitt hinüber zur Dachluke, wo das Sonnenlicht langsam schwand.

„Wenn du es in der Morgendämmerung tust, muss das erste Morgenlicht das Hexagramm berühren. Wenn du es wie jetzt abends machst, wartest du ab bis das Sonnenlicht daraus verschwunden ist. Dann sprichst du die Worte: Hairesis maima est opera maleficarum non credere."

Ungläubig starrte ich ihn an. Erwartete er wirklich von mir, dass ich mir einen so schwierigen Satz merkte? Das war doch total unmöglich.

Kaum waren seine Worte verklungen, floppte etwas aus dem Boden. Eine leichte Erhebung, gegen die Onkel Naz nun mit beiden behandschuhten Händen behutsam drückte. Der Boden klappte auf und gab einen Hohlraum frei. Darin befand sich ein Laptop.

„Auf diesem Laptop, findest du alles was du über dich und deine Familie wissen musst. Ich habe unzählige Lehrvideos darauf abgespeichert und alles Wissen aufgeschrieben, was ich mir über die Jahre angeeignet habe. Es ist sehr wichtig, dass du gut darauf achtgibst. In den falschen Händen könnte dieses Wissen gefährlich sein."

„Warum sagst du mir das alles? Ich will das nicht hören."

„Ich weiß, dass dich das gerade noch überfordert. Aber eines Tages wirst du es wissen müssen. Auch wenn deine Eltern im Moment noch glauben, deine Unwissenheit würde dich schützen, sehe ich das anderes. Ich vermute schon länger, dass du die Auren anderer Menschen lesen kannst. Eine sehr seltene Fähigkeit innerhalb unserer Blutlinie. Du kannst nicht leugnen, was du bist. Irgendwann wirst du diese Antworten brauchen. Dieser Ring..." Er zog sich einen abgenutzten, massiven Silberring vom Mittelfinger und hielt ihn empor. Der Schein des Kerzenlichts spiegelte sich darin. „Gehörte Katharina Hanen. Eine der ersten Frauen, die 1444, in Hamburg des Hexenzaubers angeklagt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Ihre jüngere Schwester Margarete nahm ihn nach ihrem Tod an sich und floh damit nach Spanien. Später heiratete sie Philipp Sienna. Dieser Ring wird seitdem seit Jahrhunderten von Generation zu Generation in unserer Blutlinie weitergegeben. Und mit meinem Tod wird er als Nächstes dir gehören."

„Ich will ihn aber eigentlich gar nicht", flüsterte ich unglücklich und Onkel Naz lächelte traurig. „Keine Bange, ich habe nicht vor früh zu sterben. Du kriegst ihn erst, wenn ich alt und grau bin. Versprochen."

Das beruhigte mich etwas, dennoch war das alles schwer zu verdauen. Und wenn ich ehrlich war, verstand ich es immer noch nicht.

„Und da ist noch etwas...", wisperte er zögernd und ich konnte ihm ansehen, wie schwer es ihm fiel, weiterzusprechen.

„Was?", hauchte ich fragend und mein Atem zeichnete sich weiß vor mir in der Luft ab. Die Sonne war gänzlich untergegangen und die Kälte fraß sich immer tiefer ins Gemäuer hinein. Einzig der zuckende Kerzenschein hielt die hereingebrochene Dunkelheit noch fern.

„Es ist wegen Keno."

„Was ist mit ihm?", fragte ich sofort besorgt.

Onkel Naz holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. „Ich will nur, das du weißt, dass es nicht deine Schuld ist."

„Was... ist nicht meine Schuld?"

„Wenn ich jetzt länger fort sein werde... verliere ich auch meinen Einfluss auf den Zirkel. Und leider denken viele Mitglieder... und auch meine Schwester, deine Mutter... dass es besser wäre, wenn eure Freundschaft sich langsam im Sand verläuft. Wahrscheinlich wirst du deshalb in einiger Zeit den Wunsch verspüren, die Freundschaft zu ihm zu beenden. Aber das ist eigentlich nicht dein Wunsch, sondern der von anderen."

„Was... was sagst du denn da?", wisperte ich nun komplett überfordert. „Keno ist mein bester Freund. Er wird immer mein bester Freund sein."

„Ja. Und tief in dir wirst du das immer wissen. Kein Fluch kann daran etwas ändern. Und irgendwann, wenn du dann alt genug bist und nie vergisst, was ich dir heute Abend gezeigt und gesagt habe, kannst du diesen Fluch brechen. Alles, was du dazu brauchst, findest du auf dem Laptop."

„Onkel Naz... mir gefällt nicht, was du da sagst. Das alles klingt so seltsam... ich will jetzt wirklich nach Hause... zu Mama und Papa und ich will auch nicht, dass du jemals wieder behauptest, dass Keno und ich vielleicht irgendwann keine Freunde mehr sein werden! Das wird nicht passieren! Wir bleiben immer Freunde! Das haben wir uns sogar versprochen!"

„Ich weiß und es tut mir so leid, dass ich künftig nicht mehr für euch beide da sein kann."

„Warum sagst du das so traurig, als wäre das ein Abschied für immer?", schluchzte ich verzweifelt und konnte plötzlich die Tränen nicht mehr zurückhalten, die nun warm meine Wangen hinunterglitten.

Kurz zögerte er, bevor er sehr leise, wirklich kaum hörbar, antwortete: „Weil es vielleicht einer ist."

Das war zu viel.

Ich drehte mich um und rannte los.

„Robin!", hörte ich Onkel Naz noch meinen Namen rufen, doch da war ich schon wieder in der Bibliothek und lief so schnell ich konnte aus dem Anwesen, welches ich seitdem nie wieder betreten hatte.

*

Ich erwachte schweißgebadet aus diesem Traum und setzte mich ruckartig auf.

„Was...?"

Verwirrt blinzelte ich in die Dunkelheit meines Zimmers und realisierte erst nach und nach, die warme, zähflüssige Substanz, die mir das Kinn hinunterglitt.

Ich tastete nach dem Lichtschalter und knipste es an. Meine Hände waren blutbefleckt. Leicht panisch, tastete ich mein Gesicht ab. Ich hatte noch nie Nasenbluten. Noch nicht einmal als Kind. Aber jetzt blutete ich wie ein abgestochenes Schwein.

Mit den Händen meine untere Gesichtshälfte umklammernd, tapste ich ins angrenzende Badezimmer und spuckte erstmal das geronnene Blut, welches sich in meinem Mundraum angesammelt hatte, ins Waschbecken.

Was für ein abgefuckter Traum...

Ich schloss kurz die Lider und sah Onkel Naz sofort wieder in diesem versteckten Geheimraum knien, umgeben von zwei brennenden Kerzenstummeln. So klar als wäre ich wirklich dort gewesen.

Das war doch ein Traum, oder? Klar. Was sollte es sonst sein?

Eine Erinnerung.

Vergiss das niemals, Robin.

Doch genau das hatte ich getan. Dieses letzte seltsame Gespräch mit Onkel Naz, war bis eben völlig aus meinen Erinnerungen verschwunden.

Aber wie... und wieso?


***

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