17. Noch ein Bletchley?!
[Marcus]
Verschwitzt und ausgepowert, aber grinsend lief Marcus mit geschultertem Besen hoch zum Schloss. Er mochte das leichte Ziehen in seinen Muskeln, das sich nach einem besonders harten Training bei ihm einstellte, und das war es heute eindeutig gewesen. Auch wenn es sich heute eher auf die Bauchmuskeln beschränkte, weil er und Oliver manchmal einfach nicht ernst bleiben konnten, wenn sie zusammen Quidditch spielten. Und so hatten sie auch heute mehr gelacht und herumgealbert als ernsthaft trainiert.
Es tat gut, jemanden zu haben, der das Training nicht immer allzu ernst nahm. Der Leistungsdruck in der Mannschaft forderte ihn zwar sehr, und das im positiven Sinne, aber die Gelassenheit und das lockere Spiel mit Oliver, zusammen mit der ganz natürlichen Konkurrenz, die sich beim Quidditch zwischen ihnen eingestellt hatte, waren es, die ihm immer wieder vor Augen führten, warum er diesen Sport so sehr liebte.
Mit diesem Gedanken und der warmen Abendsonne im Rücken wollte Marcus gerade das Schlossportal passieren, als er mit Vaisey, seinem Teamkapitän zusammenstieß.
»Flint. Dich suche ich.«
Gerade heraus und direkt wie immer.
»Was gibt's?«, erwiderte Marcus und reckte unbewusst ein wenig das Kinn. Es nervte ihn, dass ihn der andere Slytherin noch immer um fast einen Kopf überragte.
»Auswahlspiele. Samstag, 10 Uhr. Dieses Jahr sind wir die Ersten.« Vaisey lächelte schmal. »Ich erwarte die ganze Mannschaft dort unten. Wir brauchen einen neuen Hüter.«
»Alles klar«, erwiderte Marcus und versuchte, zu überspielen, dass er das gar nicht mehr auf dem Schirm gehabt hatte. Er hatte immer das Gefühl gehabt, ihre Mannschaft sei komplett, seit er im Team war.
»Schade, dass Bletchley seine Abschlussprüfungen doch noch geschafft hat«, fuhr Vaisey ungerührt fort. »Ich hätte ihn gern noch eine Saison länger dabei gehabt. Wird schwierig werden dieses Jahr. Die Bewerber letztes Jahr waren erbärmlich.«
»Vielleicht ist ja bei den Neuzugängen jemand dabei, mit dem man weiter arbeiten kann. Dann brauchen wir nächstes Jahr nicht schon wieder einen neuen Hüter«, erwiderte Marcus und hoffte, dass Vaisey die unterschwellige Kritik an seiner Mannschaftsaufstellung nicht in den falschen Hals bekam.
»Die meisten jungen Spieler taugen nichts«, entgegnete Vaisey.
»Mich hast du auch ins Team geholt«, sagte Marcus provokant.
Vaisey blickte ihn aus verengten Augen an. »Du warst die Ausnahme«, erwiderte er dann, doch bevor Marcus sich deswegen stolz fühlen konnte, fuhr er fort: »Aber seh dir mal diese Pfeife von Zweitklässler an, die Weasley letztes Jahr in sein Team geholt hat. Hat sich im ersten Spiel von einem Klatscher ausknocken lassen.« Er lachte gehässig auf.
Marcus biss die Zähne zusammen und verkniff sich den Kommentar, dass Oliver in seinen Augen der wahrscheinlich beste junge Hüter war, den die Schule in den letzten Jahren hervorgebracht hatte. Vaisey musste ja nicht unbedingt wissen, dass Marcus, wenn Oliver einen guten Tag hatte, Probleme damit hatte, auch nur einen Quaffel an ihm vorbeizubekommen.
»Ach, und wo wir schon mal beim Thema Hüter sind ...« Vaiseys Augen wurden schmal. »Mit wem hast du da unten gerade trainiert?«
Marcus spürte, wie seine Herz einen Schlag aussetzte. Wie viel hatte Vaisey gesehen? »Ähm ...«, begann er vorsichtig und überlegte fieberhaft. Wo war Adrian, und wie groß waren die Chancen, dass er und Vaisey sich gerade über den Weg gelaufen waren? Er betete, dass dem nicht so war und setzte alles auf eine Karte. »Adrian Pucey, aus meinem Jahrgang.«
Für einige quälend langsam verstreichende Sekunden herrschte Stille. Dann nickte Vaisey langsam und mit gerunzelter Stirn. »Verstehe ... er macht sich nicht schlecht als Hüter. Schick ihn mal zu den Auswahlspielen vorbei.«
Marcus nickte hastig und mit klopfendem Herzen. Er dankte Merlin dafür, dass keiner von ihnen ihre Quidditchmontur getragen hatte. Olivers roten Umhang erkannte man von weitem. »Mach ich.«
~ • ~
»Komm schon, Adrian. Du bist gut. Du packst das schon.« Marcus redete ununterbrochen auf Adrian ein, während sie nebeneinander über das morgendliche Schlossgelände liefen, jeder seinen Besen geschultert, und auf dem Weg zum Quidditchfeld.
Ja, er hatte es geschafft, Adrian dazu zu überreden, an den diesjährigen Auswahlspielen teilzunehmen. Nicht als Hüter. Natürlich nicht. Adrian fing grundsätzlich nur jeden zweiten Ball, den man ihm zuwarf. Doch Adrian war ein verdammt guter Flieger. Und genau aus diesem Grund redete Marcus bereits seit über einem Jahr auf ihn ein, er solle es doch auch einmal als Jäger versuchen. Bisher ohne Erfolg. Doch diesmal hatte sich Adrian breit schlagen lassen, als Marcus ihm erzählt hatte, dass Vaisey sie beim Training gesehen hatte und ihn gerne in der Mannschaft hätte. Das war zwar irgendwie die verdrehte Wahrheit, da Vaisey ja streng genommen Oliver gesehen hatte und ihn obendrein eigentlich als neuen Hüter wollte, doch diese Information hatte Marcus seinem Freund gegenüber geflissentlich ausgelassen. Musste Adrian ja nicht wissen, dass Vaisey ihn nie trainieren hatte sehen. Und Marcus konnte nun wirklich nichts dafür, dass Vaisey Oliver für Adrian gehalten hatte. Nun gut, eigentlich schon, er hatte ihm die Lüge ja verzapft, aber das Missverständnis, das sich daraus ergeben hatte, war ihm sehr gelegen gekommen. Und immerhin wäre Vaisey zufrieden. Marcus hatte, wie verlangt, Adrian zu den Auswahlspielen geschickt und war sehr stolz auf sich.
Adrian hingegen schien inzwischen gar nicht mehr so glücklich über seine Situation. Er war sehr blass um die Nase geworden und strich sich immer wieder nervös die braunen Haare aus der Stirn. »Oh Mann, Marcus, ich glaub einfach nicht, dass du mich wirklich hierzu überredet hast.«
Marcus grinste selbstzufrieden und schlang einen Arm um Adrians Schulter. »Weißt du, Adrian, ich will ehrlich zu dir sein. Du bist nicht der beste Jäger, den ich kenne. Und letztes Jahr hättest du es wahrscheinlich auch nicht in die Mannschaft geschafft. Die Konkurrenz war einfach zu stark.« Er deutete grinsend auf sich selbst und wich instinktiv aus, bevor Adrian ihm einen Stoß in die Rippen versetzen konnte.
»Trottel.«
Marcus schwieg nur und beobachtete zufrieden, wie Adrian leise lachte und dann den Kopf hob und eine Spur zuversichtlicher zu den Ringen am Quidditchfeld hinauf blickte. Er wusste doch immer, wie er ihn aufmuntern konnte.
Adrian schaffte es. Mit viel Glück zwar, da einige der diesjährigen Bewerber wirklich grottig waren, doch dass er und Marcus inzwischen im Spiel gut harmonierten, hatte sich bezahlt gemacht, als sie zu dritt als Jägergespann geflogen waren – Vaisey, Marcus und Adrian –, um zu testen, wie gut sie im Zusammenspiel funktionierten. Und hilfreich war auch gewesen, dass Marcus inzwischen wusste, wie er Adrian die Bälle zuzuwerfen hatte, damit er sie auch wirklich fing.
Und obwohl ihr Mannschaftskapitän verwirrt schien, dass Adrian als Jäger statt als Hüter vorflog, hatte sich die Angelegenheit spätestens dann erledigt, als ein junger Zweitklässler für die Hüterposition antrat, der Marcus vage bekannt vorkam.
Auch Vaisey sah zum zweiten Mal an diesem Tag sehr irritiert aus, als der Junge ihm seinen Namen nannte. »Bletchley?«, wiederholte er mit gerunzelter Stirn, und Marcus sprach den ersten Gedanken aus, der ihm durch den Kopf ging:
»Noch ein Bletchley? Wir hatten doch gerade erst schon einen Bletchley als Hüter. Er ist letztes Jahr von der Schule gegangen.«
»Ich weiß«, entgegnete der Jüngere und streckte Marcus selbstbewusst die Hand entgegen. »Das war mein Bruder. Ich bin Miles Bletchley.«
Er grinste schief, und Marcus konnte nicht umhin, festzustellen, dass er ausgesprochen gut aussah.
Abgesehen davon, wie sich kurz darauf herausstellte, sah der junge Hüter nicht nur gut aus, sondern flog auch seine gesamte Hüter-Konkurrenz in den Schatten. Auch wenn Marcus davon eher wenig mitbekam, da ihm nämlich aufgefallen war, dass Bletchley für einen Dreizehnjährigen ziemlich durchtrainiert aussah. Erst als Adrian ihn darauf ansprach und wissen wollte, warum er denn die ganze Zeit grinste, riss sich Marcus zusammen und versuchte, sich wieder auf die anderen Bewerber zu konzentrieren. Und nicht auf Miles Bletchley, der gerade selbstzufrieden lächelnd nicht weit von ihnen auf der Tribüne Platz genommen hatte, und der irgendwie wirklich verdammt gut aussah, und der – ihm zuzwinkerte?
Marcus gab auf. Das Grinsen bekam er heute definitiv nicht mehr aus seinem Gesicht.
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