Labyrinth zum Hot-dog Stand
"Das ist doch logisch, dass es heute voll ist. Papa, wir haben Samstag! Versuch dich zu entspannen und hab Geduld."
Leah übernahm energisch die Führung und steuerte gekonnt durch den Eingang. Schwedische Möbel waren nun mal hoch begehrt und ihre Eltern taten so, als wären sie noch nie hier einkaufen gewesen.
"Das verläuft sich hoffentlich da drinnen", brummte ihr Vater gerade Leahs Mutter zu.
"Ja Papa, wenn wir im Laden sind, verteilt sich der Menschenstrom auf die ganze Fläche." Das war eine glatte Lüge, aber sie hatte wenigstens die Hoffnung, dass diese Aussage ihren Vater beruhigen würde. Ihre Mutter war schlau genug zu schweigen und Leah war ihr sehr dankbar dafür, auch wenn sie dem strafenden Blick, den sie zugeworfen bekam, nicht ausweichen konnte.
"Das hier sind sie grauen Kerzenständer, die ich mir online schon ausgesucht hatte", rief sie über ihre Schulter und griff bereits in den großen Drahtkorb.
Genau in dem Augenblick, in dem sie wieder zu ihren Eltern sah, hörte sie ihren Vater schmerzerfüllt aufschreien.
"Autsch! Kannst du nicht aufpassen? Du bist doch nicht alleine hier und das ist keine Rennbahn für Kinderkarren!"
Ein jüngeres Mitglied einer Großfamilie hatte ihrem Vater einen der Wagen für Kleinkinder in die Waden gerammt.
Schnell griff der Vater der anderen Familie zur Karre und die dazugehörige Mutter entschuldigte sich, während sie das Kind, das den Unfall verursacht hatte, mit sich zog.
"Warum müssen wir uns eigentlich auf einem Samstag Mittag durch Sofas und Sessel quetschen, und zwar zur gleichen Zeit wie ungefähr alle Einwohner dieser Stadt?", fauchte Leahs Vater seine Frau an, während er sich die Wade rieb.
"Weil wir nur heute Zeit dafür haben. Hör jetzt auf zu meckern. Heute ist Leahs Tag und du hast dich vorher darauf gefreut, mit ihr Einkaufen zu gehen."
Leahs Mutter war inzwischen ebenfalls gereizt, wobei ihr Mann sie bestimmt mehr nervte, als die vielen Menschen um sie herum.
Leah seufzte und wünschte sich, Charly wäre mit ihr hier. Aber da am Ende des Tages ihre Eltern die Rechnung bezahlen würden, atmete Leah tief durch und ergab sich ihrem Schicksal.
"Da vorne steht das Sofa, das ich mir ausgesucht habe!", jubelte sie und konnte kaum abwarten, dass ihre Eltern ihr endlich folgten.
"Findest du das nicht ein wenig langweilig?", war die erste Reaktion ihres Vaters.
"Leah, das ist doch gar nicht dein Geschmack. Mausgrau und trist. Mal ehrlich, so was mochtest du doch noch nie leiden. Und gemütlich sieht es auch nicht aus", setzte ihre Mutter nach.
Das war ganz und gar nicht die Reaktion gewesen, die Leah sich erhofft hatte. Ihr Vater ließ sich gerade auf das Sofa fallen und klopfte skeptisch die Sitzfläche ab.
"Mama, da kommen die roten Kissen drauf,die ich dir gezeigt habe. Nein, die ich dir zeigen wollte. Aber wirklich: das wird großartig aussehen. Und wenn wir nachher unten sind, kommt noch die perfekte Fotografie in den Wagen. Die hab ich doch schon passend ausgesucht. Das wird so großartig in meiner Wohnung aussehen! Ich liebe dieses Sofa einfach! Papa, bitte!"
Leah wusste genau, welchen Blick sie jetzt aufsetzen musste und vor allem wusste sie, dass sie jetzt ruhig sein musste.
Ihre Eltern hatten bereits Blickkontakt miteinander aufgenommen, was ein gutes Zeichen dafür war, dass sie dieses Sofa bekommen würde.
Seufzend stand ihr Vater auf.
"Na gut, dann merk dir die Nummer für das Bestelllager."
"Papa, du bist der Beste!", jubelte Leah und gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange.
Sie konnte ihm genau ansehen, wie sehr er sich darüber freute, seine Tochter glücklich zu machen.
"Oh Papa, da drüben! Das ist genau der Couchtisch den ich dazu brauche. Du möchtest doch auch das ich gut eingerichtet bin. Ich soll mich doch wohlfühlen."
Schnell setzte sie ihren unschuldigen Blick ein, mit dem sie Papa immer zum Schmelzen brachte.
Ihr Vater ging schweigend auf den Tisch zu, musterte ihn, sah auf das Preisschild und schüttelte den Kopf.
"Leah-Maus, der ist wirklich schön, aber muss es denn unbedingt der Teuerste sein, der hier rumsteht?
Abgesehen davon passt er gar nicht zu deinem" Traumsofa", weil er schlicht zu groß ist." Er machte eine kurze Pause und Leah hielt den Atem an. Jetzt etwas zu sagen, wäre ein fataler Fehler. "Nein, da mußt du jetzt einfach mal auf meine Erfahrung vertrauen, dieser Tisch wird nicht gekauft! "
Jetzt war es Leah, die mit finsterer Miene durch die Möbel schlich.
Wenn ihr Vater so deutlich "Nein" sagte, dann brauchte sie es gar nicht weiter versuchen.
Nach langem hin und her einigten sie sich am Ende auf einen anderen Couchtisch, der wirklich besser zu dem Sofa passte. Das hätte Leah allerdings niemals zugegeben.
Als sie durch den Bereich der Küchen schlenderten, überkam ihre Mutter scheinbar ein Kaufrausch. So schnell, wie die gelbe Tüte sich mit Handtüchern, Vasen, Topfuntersetzern und einer Gießkanne füllte, konnte Leah gar nicht gucken.
Immerhin war die Laune ihrer Mutter jetzt besser, was fast ansteckend auf Leah wirkte.
Endlich kamen sie in den Restaurant-Teil, wobei Leahs Vater unglücklich um sich schaute.
"Jetzt schieben sich die Mengen nicht mehr durch Möbel, sondern durch die Metallabsperungen in Richtung Essensausgabe. Und wir sind schon wieder mitten drin."
Seine Frau nahm ihn kurz in den Arm und küsste ihn flüchtig. "Du wirst es überleben, glaub mir."
Sie zwinkerte Leah zu. Ihre Mutter war tatsächlich in Shopping Laune und hatte sich auf Leahs Seite geschlagen.
Nachdem sie ihr Essen gewählt und bezahlt hatten, balancierten sie ihre gefüllten Tabletts durch den Essensbereich.
Sie fanden einen kleinen Tisch direkt am Fenster und setzten sich.
Papa beobachtete während des Essens die Menschen um ihn herum. Das tat er gerne. Er saß einfach da und beobachtete.
Leah liebte es, in solchen Momenten ihn zu beobachten und überlegte sich, was er wohl gerade dachte.
Plötzlich wurde es ganz kribbelig in ihrem Bauch. Schlagartig wurde ihr bewußt, daß ihre Mädchenzeit zu Ende war! Sie zog zu Hause aus und könnte Ihre Eltern, samt ihren Macken und Eigenarten bald nicht mehr täglich beobachten. Leah wurde sentimental und sah traurig von ihrem Vater zu ihrer Mutter.
D
ie hatte scheinbar Leah beobachtet und bemerkt, was in ihr vorging. "Meine Kleine. Jetzt ist es so weit. Du bereitest deine Abnabelung vor."
Leah verschluckte sich fast.
In ihrem Kopfkino sah sie schleimige Nabelschnüre samt Mutterkuchen in Krankenhaus-behandschuhten, blutigen Hebammen-Händen vor Augen.
Das ihre Mutter aber auch immer so eklig sein musste.
"Mama! Das ist wieder so ein Wort aus dem Mittelalter. Echt jetzt?"
Papa nickte Mama ernst zu "Nun verlässt uns auch die Jüngste und wird selbständig. Na ja, so war es bei den Großen auch schon. Geburt, Baby, Kleinkind, Kindergartenkind, Schulkind, Teenager", er hatte mit den Fingern mitgezählt, "und nun ist sie selbst eine junge Erwachsene, die zu Hause auszieht und sich von Mutter und Vater löst, um selbständig zu werden, selbst eine Familie zu gründen und von vorne anzufangen. "
Mama lächelte Papa mit feuchten Augen an.
Entsetzt sah Leah ihre Eltern an.
Ihr eigener rührseliger Moment hatte sich inzwischen kreischend verabschiedet!
Ihre Mutter rief Kreißsaal-Fantasien hervor und ihr Vater quasselte von Familiengründung.
Ihre Eltern waren einfach zu verrückt und abgedreht! Beihnahe peinlich! Gut, dass das niemand um sie herum gehört hatte!
"Äh, ja. Rührend." Sie rückte ihren Stuhl vom Tisch ab und griff nach ihrem Tablett. "Können wir weiter?" Sie vermied es, ihre Eltern direkt anzusehen und stellte erleichtert fest, dass ihre Mutter begann, ihre Sachen zusammen zu räumen.
Ihr Vater allerdings schien seinen Gedanken noch nachzuhängen.
"Komm Papa, vielleicht finden wir die Großfamilie im unteren Bereich, dann können wir uns rächen", versuchte Leah ihren Vater mit einem Scherz von seinen komischen Gedanken abzubringen.
Von ihrer Mutter brachte es ihr wieder einen finsteren Blick ein, aber ihr Vater bewegte sich endlich.
Auf dem Weg zum Rückgabeband schüttelte sie noch einmal den Kopf über das verrückte Gespräch mit ihren Eltern.
Vielleicht hatte sie Glück und fanden die Großfamilie.
Allerdings würde sie ihnen dann vielleicht doch nicht in die Waden fahren, sondern den vielen Kindern mitleidige Blicke zuwerfen, weil garantiert auch sie mit verrückten Eltern gesegnet waren.
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