
Kapitel 5
Beth
Gleich hinter der Tür des grünen Salons sank ich wieder in einen Knicks. Die Erzherzogin war nur um ein Jahr älter als ich, aber in ihrer dunklen Robe könnten es genauso fünf sein. „Was wünscht Mama?", fragt sie, ohne sich weiter umzudrehen. Ich biss mir nervös auf die Lippe. Sie hielt mich für eine Hofdame der Kaiserin. Das lief überhaupt nicht gut. „Die Kaiserin bat mich Euch Gesellschaft zu leisten", log ich und hoffte, dass würde sie dazu bewegen, mich anzusehen. Denn ich wusste, dass sie mich bereits mit Novel gesehen hatte. Hoffentlich konnte sie sich an mich erinnern
„Und Ihr seid wer?", fragte sie gelangweilt. Endlich wandte sie sich ganz um. Ich durfte den Kopf nicht heben, deshalb konnte ich nicht erahnen, was sie dachte. „Gräfin Russo, Majestät" – „Die Favoritin meines Bruders?" – „Ja, Majestät" Jetzt trat sie endlich auf mich zu und reichte mir ihre Hand. Mir tat bereits der Rücken von der Beugung weh. Langsam wurde ich alt. „Bitte verzeiht, meine harsche Begrüßung, Gräfin. Ich dachte ihr seid eine Hofdame der Kaiserin", begrüßte sie mich und streckte mir gleich nochmal ihre Hand entgegen. Ergeben sank erneut vor ihr auf die Knie.
Als ich wieder auf die Beine kam, lächelte sie mich strahlend an und bot mir einen Platz auf der Sitzgruppe an. Aber ich merkte, dass ihre Freude aufgesetzt war. Das verunsicherte mich mehr, als ich zugeben wollte, da von ihrer Geschwisterschar noch nichts zu sehen war.
„Princesse?"
„Ja, Majestät?"
„Holt Erzherzog George von seinen Büchern weg, Princesse"
Ihre Hofdamen gackerte allesamt los. Leila strafte sie mit einem strengen Blick, worauf sie alle sofort die Köpfe senkten. Gerade, dass sie nicht vor ihr auf die Knie fielen.
„Bitte verzeiht, ich fühle mich heute Abend nicht besonders wohl. Aber ich bin mir sicher, dass wir gute Freundinnen werden"
„Ich kann mich zurückziehen, wenn Ihr Euch hinlegen wollt, Majestät"
„Nein, nein. Mama ist bei Familiendinners unerbittlich"
Wir verfielen wieder in Schweigen. Die Kaiserin erschien in mehr unerbittlich zu sein, als ich mir vorstellen konnte. Immerhin präsentierte die kaiserliche Familie ein erstrebenswertes Ideal. Und das ausnahmsweise nicht aufgrund ihres Reichtums.
Novel
Avel beschuldigte mich zu Recht. Während Leila sich von meinem Bruder und mir umarmen ließ, sank Beth in einen Knicks. Ich wünschte, sie würde das nicht ständig tun. Sich selbst so abwerten, obwohl sie eigentlich die mit dem reinsten Herzen war. Als Kronprinz reichte ihr die Hand und küsste jeden einzelnen ihrer Fingerknöchel. Sofort färbten sich ihre Wangen rot.
„Elisabeth", rief Avel und eilte auf uns zu. Natürlich knickste sie auch vor ihm. Er schnalzte missbilligend mit der Zunge, reichte ihr aber trotzdem die Hand. „Ich freue mich, dass mein Bruder endlich Nägel mit Köpfen macht" Sie rang sich ein halbherziges Lächeln ab. Nichts im Vergleich zu ihrem Strahlen wenn wir alleine waren. Ich hatte Recht gehabt. Hätte ich sie bloß weiter vor dieser Rasselbande versteckt gehalten, dann würde sie sich jetzt nicht so unwohl fühlen.
Plötzlich griff sie nach meiner Hand und schenkte mir ein Lächeln. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie mir so nahe gekommen war. Als Goerge auch noch durch die Tür schneite, entbrannte eine heiße Diskussion über unsere übliche Unpünktlichkeit. Beth legte ihren Kopf auf meine Schulter und lächelte mich selig an. Als bräuchte es nicht mehr als meine Aufmerksamkeit, um sie glücklich zu machen. Gott, wenn sie erst herausfindet, wer ich bin, wird ihr das bei Weitem nicht genügen.
„Habt Ihr Geschwister, Elisabeth?", fragte Leila und Beth riss sich von mir los. Sah dann wieder unschlüssig zu mir und holte tief Luft. „Ja, mein jüngster Bruder ist ... mit in Bonheur beim ... Soldat", stotterte sie und presste gequält die Lippen zusammen. Leila und ich tauschten ratlose Blicke aus. Ihr Bruder Gabrielle war auch einer meiner engsten Freunde. Wir sprachen, beziehungsweise machten uns öfters lustig über ihn. Es konnte also nicht das Thema sein, dass sie unruhig werden ließ. „Und deine anderen Brüder? Hast du eine Schwester" – „Sie sind ..." Sie stockte kurz und biss sich auf die Lippe. Was war bloß plötzlich los mit mir, „Revolution, Krieg ... ähm, sind noch in Italien"
Ich schüttelte stumm den Kopf über mich selbst. Elisabeth sprach kein Englisch. Zumindest nicht besonders gut. Bevor ich Leila darüber aufklären konnte, kam Mama ins Zimmer und bat uns zu Tisch. Ich merkte, wie erleichtert Beth neben mir war. Mir war bis jetzt noch nicht mal aufgefallen, dass ich kein einziges Mal mit ihr in meiner Muttersprache gesprochen habe. Englisch war eindeutig meine Muttersprache. Mama redete beinahe nur Englisch mit uns. Es sei denn Gäste sind dabei. Französisch diente mir ausschließlich zur Verständigung mit dem Hof und den Regierungsgeschäften. Wie töricht von mir, Beth nie danach gefragt zu haben.
Mama bat uns wie jeden Donnerstag zu Tisch, um uns über unsere akademischen Fortschritte auszufragen, über die sie ohnehin regelmäßig schriftlich informiert wurde. „Habt Ihr ebenfalls Nachricht von Camilla bekommen?", fragte sie in die Runde und der Großteil von uns nickte. Camilla schrieb nicht an alle sechs von uns regelmäßig. Manchmal adressierte die Briefe an mehrere von uns oder schrieb nur Layla über das höfische Leben in Italien.
„Die Lage scheint sich langsam zu beruhigen. Ich möchte Camilla gerne besuchen, Mama", ergriff Leila das Wort, worauf ich überrascht die Augenbrauen hochzog. In Italien durften Frauen noch nicht studieren. Schlug sie gerade vor, ihr hart erkämpftes Studium zu unterbrechen? „Du darfst in Italien nicht studieren", sprach Mama das völlig offensichtliche aus. „Ich möchte ein Semester Pause machen. An der Universität nimmt mich ohnehin niemand Ernst" – „Nein! Es reicht, wenn sich Camilla in Gefahr begibt" Mama erhob nur äußerst selten die Stimme gegen uns und deshalb breitete sich betretenes Schweigen aus.
„Wart Ihr bereits in Italien, Majestät?", fragte Beth meine Schwester. Ihre Augen begannen sofort zu leuchten und sie berichtete in den schillerndsten Farben von ihrem Besuch bei Cousin Edward. Das waren die wenigen Momente, in denen sie noch glücklich sein konnte. Wenn sie von ihrem Studentenleben, dass sie unbedingt führen wollte, entkommen konnte.
„Seit der Revolution ist das anders, Majestät"; erwiderte Beth schlicht. Ihre Stimme klang unendlich traurig. „Was meint Ihr?", fragte Leila. Ihre Stimme war zwischen pikiert und furchtbar neugierig. Mama hatte sich in ihrem Stuhl entspannt. Hoffend, dass Beth Leila das ausreden könnte. Doch sie zuckte nur hilflos mit den Schultern und wandte sich ihrer Vorspeise zu. „Das interessiert uns alle. Immerhin waren wir jeder von uns bereits in Italien", munterte Avel sie auf und wir beide tauschten einen Blick aus. Er hatte Französisch gesprochen. Er kannte sie besser als ich annahm.
„Der Kaiser verwandelte unser wunderschönes Land in ein Militärlager. Wir verhandeln nicht mehr, wir kämpfen nur noch. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Erzherzog Maximilian zurückzieht und die Heere zurückkehren, wie 1848. Wir sind nur mehr ein Bruchteil von dem, dass wir vor den Revolutionen waren"
„Haben Eure Brüder gekämpft?"
„Natürlich. Bis zum bitteren Ende"
Eine unnatürlich Stille senkte sich über den Raum. Wir kannten Krieg hier nicht. Zumindest meine Geschwister nicht. Ich konnte mir allerdings gut vorstellen, wie es war, im Krieg zu sein. Dazu wollte mich Mathew ausbilden lassen. Dazu hat er mich ausbilden lassen. Zu einem Kämpfer.
„Das ist kein Tischthema", stellte George leise fest, worauf wir alle gleichzeitig auflachten. Wenn selbst George das feststellte, war es ernst. Er sprach ansonsten immer über sein Medizinstudium. In allen Einzelheiten. „Ich möchte nicht, dass du nach Italien reist, weil unsere Position in den Geheimgesellschaften nach wie vor stark angefochten wird", nahm Mama trotzdem wieder das Gespräch auf. Ich sah besorgt zu Avel. Mama setzte das Ganze immer mehr zu, da es in der Vergangenheit kaum Länder gegeben hat, zu denen wir eine so enge Beziehung gepflegt hatten, wie zu Italien.
„Dorian hat das nicht getan!", beharrte Leila, worauf Mama Tränen in die Augen stiegen. Sie nickte schwach. Ob sie bereits erahnte, dass sich der Ministerrat nach Papa umsah? Als könnte Dorians Platz irgendjemand einnehmen. Als Layla sich nicht beruhigen wollte, griff Beth unter dem Tisch nach ihrer Hand. Zuerst riss Layla erschrocken die Augen auf, bevor sie lächelte.
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Hey ihr Lieben!
Tut mir leid, dass letzte Woche kein Kapitel kam. Ich bin leider krank geworden und hatte noch dazu gestern meine erste große Uni-Prüfung und deshalb ging sich das alles nicht aus :/
Hättet ihr dafür heute gern noch ein Kapitel? :)
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