Kapitel 48, Teil 1
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Novel
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Camilla, Leila und George fehlten an diesem Abend beim Dinner. Die beiden hatten gebeten mit Camilla, die ich am Vorabend der Hochzeit nicht sehen sollte, zu Abend zu Essen und Papa hat es widerwillig gestattet. Ich hatte mich vorab mit Avel besprochen, wie wir Papa am besten in die Falle locken und meine Hände bedeckte bereits ein dünner Schweißfilm. Ich hoffe er bemerkte es nicht.
„Wie geht es Camilla?", fragte Étienne vorsichtig nach und ich warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. Im Moment spielte mir seine Frage in die Karten, aber ich bevorzugte es, wenn er den Mund hielt. Dabei konnte er weniger Schaden anrichten. „Sie ist müde und ...", ich zögerte einen Moment, bevor ich den Kopf über mich selbst schüttelte. Es war die falsche Zeit für Skrupel. Camilla musste geschützt werden und wenn ich Papa dazu belügen musste, sollte es so sein, „und sie hat Angst" Pagets Mundwinkel zuckten kaum merklich, aber ich beobachtete ihn zu genau, als das mir irgendetwas hätte entgehen können.
„Deshalb habe ich mich heute mit dem Oberkommandierenden besprochen und entschieden, dass es am besten ist, wenn Ihr die Ermittlungen überwacht", fasste ich zusammen und sah Papa auffordernd an. Ich war der Kronprinz und als er sich vor Mama verbeugt hatte, hatte er auch meiner Thronfolge zugestimmt. Einen Moment lang befürchtete ich, ihn an diese Tatsache erinnern zu müssen, aber er nickte bereits huldvoll.
„Das wird Camilla nicht gefallen", mischte sich Étienne wieder ein und ich zog die Augenbrauen nach oben. Das wäre eigentlich Avels Einwurf gewesen, aber bei Étienne wirkte die Sache viel unschuldiger. Wir wollten Papa davon überzeugen, dass Camilla alles tun wird, was ich verlange. „Sie tut, was ich sage", log ich, worauf mich mein jüngerer Bruder wütend anfunkelte.
„Sie lädt morgen das Parlament zum Empfang", wechselt Papa das Thema und ich brauchte einen Moment, bis ich begriff wovon er sprach. Der Volksvertreter und ich hatten beschlossen, dass es eine Geste des guten Willens wäre, wenn das Parlament die Kronprinzessin vor der Hochzeit und am besten gleich im Hochzeitskleid sehen würde.
„Ihre Leibwache wird den Empfang sichern"
„Sie sicherten auch den Ball und das schützte Camilla nicht"
„Ich kann den Empfang so kurzfristig nicht absagen, Papa"
„Du nicht, mein Sohn, aber deine Braut schon. Meines Empfinden nach hat sie sich in dieser Angelegenheit ohnehin bereits zu weit vorgewagt"
Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Étiennes Kopf rot wurde und trat ihm unter dem Tisch fest gegen sein Schienbein. Als er sich mir verärgert zuwandte, sah ich ihn durchdringend an. Er durfte es nicht schon wieder vermasseln. „Ich habe Camilla gestattet diesen Empfang zu geben, genauso wie ich das Parlament eröffnete und ich ihre Lobrede hielt. Bitte traut mir zu, meine Frau im Griff zu haben", erwiderte ich kühl und die Augenbrauen meines Vaters zogen sich kurz zusammen, bevor er nachgiebig nickte. Avel gegenüber von mir atmete unmerklich erleichtert aus – Papa glaubte uns.
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Camilla
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Eigentlichtrug ich Lavinias Kleid, aber die Anpassungen und kleinen Veränderungen undModernisierungen machten es dann doch zu meinem Kleid. Meinem Brautkleid. Ichgriff nach den Handschuhen und meinen Fächer, meinen letzten Accessoires, und begab mich anschließend gefolgt von meinem Hofstaat in den Ballsaal.
Onkel Nemours erwartete mich bereits und ich lächelte ihm nervös entgegen. Er ließ den Blick mit großen Augen über mich wandern und ich lächelte geschmeichelt. „Ich wünschte Dorian ...", als ihm bewusst wurde, was er sagen wollte, verstummte er sofort.
„Ihr seid hier und dafür bin ich Euch sehr dankbar"
„Ich kann Dorian nicht ersetzen"
„Nein, aber Ihr müsst Euch Mühe geben und dürft mir den ganzen Tag nicht von der Seite weichen. Mit Sicherheit hat Paget einige Überraschungen bereit und Novel ist ohnehin nicht ganz bei sich"
„Ich verspreche es, königliche Hoheit"
Ich lächelte ihn schmal an, bevor ich mir den Schweiß von der Stirn tupfte und anschließend den Wink gab, dass der Empfang der Parlamentsabgeordneten beginnen konnte. Ich fühlte mich mit der neuen Institution verbunden, da ich an der Gründung unmittelbar beteiligt war. Der Gedanke an Novels Gesicht, als er meinen Vorschlag hörte, ließ mich lächeln. Es war eine gute und vor allem notwendige Veränderung gewesen. Seit dem hatte sich viel im Volk beruhigt.
„Königliche Hoheit", der Volksvertreter und Vorsteher des Parlaments verbeugte sich, gefolgt von seinen 18 Kollegen vor mir. Mir verschlug es die Sprache, als ich die Aufstockung und die beiden Frauen in deren Mitte entdeckte. Sie hatte auf beide meiner Vorschläge reagiert – sowohl auf den Frauenanteil, als auch auf Vertreter aus Malheur und das innerhalb weniger Tage. Ich lächelte breit.
„Es ist mir eine Ehre, dass Parlament persönlich begrüßen zu dürfen und bedanke mich bereits jetzt im Namen des Kronprinzen und mir für Ihre Zeit und Ihre Gaben", begrüßte ich sie und schielte unsicher zu Nemours. War das zu steif? Für höfische Verhältnisse sicherlich nicht, aber wie informell war Parlament?
„Es ist uns eine große Ehre, dass Ihr uns empfangt", erwiderte Degár den Gruß und ich lächelte schmal. Die Männer und die eine Frau bildeten eine geordnete Reihe und ich bereute, den Empfang ohne Novel abzuhalten. Er hatte eine Vorstellung von den einzelnen Männern und war generell bewährter in öffentlichen Reden.
Die Männer trugen die Farben ihrer jeweiligen Fürstentümer oder die Trachten ihrer Berufsgruppe, deshalb konnte ich mir vorab bereits ein Bild davon machen, was ungefähr auf mich zukam. Die ersten drei Männer empfing ich noch überwiegend steif, konnte meine Verzückung über die Geschenke aber kaum verbergen.
„Königliche Hoheit", ein Mann mit aufwendigen Goldschmuck, der Vertreter der Goldschmiede, und schütterem Haar verbeugte sich vor mir und überreichte sein Geschenk einem Saalhüter, der es meiner Obersthofmeisterin gab, die es wiederum mir reichte. Ich war dankbar für die kleine Pause, da ich immer einen Augenblick hatte, mit dem Mann zu sprechen – nach seinem Namen zu fragen und ihm für seinen Dienst zu danken.
Meine Obersthofmeisterin überreichte mir eine kleine Schachtel und ich starrte gebannt darauf. „Darf ich sie bereits öffnen?", fragte ich nach und der Goldschmied war einen Moment perplex, bevor er nickte und ich die Schachtel aufklappte. Ich öffnete einmal erstaunt den Mund, schloss ihn dann wieder und sah wieder auf ihn hinunter. Er hatte mir zwei Goldmünzen gebracht – eine mit Novels eingravierten Portrait und eine mit meinem. Ich nahm vorsichtig Novels Münze heraus, da sie so zart war, dass ich Angst hatte, sie zu zerbrechen. „Kommt", ich winkte den Schmied näher heran und starrte immer noch auf die Münze.
„Habt Ihr das angefertigt?", fragte ich neugierig. Der Kopf des Mannes hatte sich von seinen Wangen bis zu der Stelle, wo seine Haare beginnen sollten, gerötet. „Nein, königliche Hoheit", erwiderte er leise und ich war einen Moment enttäuscht, bevor ich mich wieder fasste. „Darf ich Euch um etwas bitten?", ich war mir nicht sicher, an wem ich die Frage wirklich richtete. Mein Blick pendelte zwischen Nemours entsetzten Blick und Degárs Überraschung hin und her.
Ich setzte bereits zu einer Entschuldigung an, aber der Schmied kam mir zuvor. „Natürlich, Majestät", erwiderte er eifrig. Ich sah zögerlich zu Degár. Das Letzte das ich wollte war, jemanden in Schwierigkeiten zu bringen. „Könntet Ihr mir die Münze an einer Goldkette befestigen?", fragte ich vorsichtig, worauf der Schmied die Augenbrauen hochzog, aber langsam nickte. „Natürlich werdet Ihr dafür entschädigt", setzte ich rasch hinterher, worauf sich seine Augenbrauen noch ein Stück weiter nach oben zogen. „Es ist mir eine Ehre, Majestät", erwiderte er, worauf Nemours neben mir dieses Mal deutlicher zusammenzuckte. Einmal die falsche Anrede war peinlich, aber zwei Mal schien Nemours offensichtlich zu missfallen. Als er dann auch noch entschlossenen Schrittes auf mich zu kam, um sich die Schatulle zurückzuholen, schien er einer Ohnmacht nahe. Nemours war nicht bieder, aber war gewohnt, dass die die Dinge in einer gewissen Ordnung funktionierten, die gerade maßgeblich gestört wurde.
Zum Glück wurde die peinliche Szene von Leilas und Georges Eintreffen unterbrochen. Ich gab Degár ein Zeichen, dass ich einen Moment brauchte und drückte Leila überschwänglich einen Kuss auf die Wange. George lächelte mich breit an, als er sich vor mir verbeugte. „Du scheinst hier ja keinerlei Unterstützung notwendig zu haben", stellte er fest und ich zuckte geschmeichelt mit den Achsen. „Kommt, ich zeige Euch die ersten Geschenke"
Leila und George nahmen ein Stück hinter mir Platz und die Reihe an Männern ging weiter und die Präsente und Gaben wurde immer ausgefallener. Von einem Konditor bekamen wie köstlichen Kuchen, denn wir sofort probierten, es gab Brot genauso wie Stoffe und weitere Reichtümer. Als sich eine kleine Pause ergab, da die Saalhüter ein Gemälde, ein besonders wertvolles Präsent, verstauen mussten, winkte ich meine Obersthofmeisterin zu mir: „Bitte verstaut die Lebensmittel in einer Kiste, damit ich sie dem Kronprinz noch heute zeigen kann. Den Rest lasst möglichst schnell hinterher schicken", wies ich sie leise an und gab auch Degár Bescheid, damit seine Abgeordneten wussten, wohin ich ihre Sachen zu schicken gedachte.
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