Kapitel 46
______________________________________
Novel
______________________________________
Überall um uns herum hatten sich Adelige versammelt, die uns unauffällig aufmerksam beobachteten. Ich reichte Camilla meine Hand zum Tanz, worauf sie mich ehrlich anlächelte und sich von mir in Walzerposition bringen ließ. „Wenn alles wieder ruhig ist, sollten wir einen kleinen Ball geben, wo wir wirklich tanzen können", flüsterte ich ihr ins Ohr, worauf ihr Lächeln noch breiter wurde. „Wir könnten eine Soiree mit Tanz veranstalten", schlug sie leise vor, worauf ich begann zu Lächeln. Das war eine der wenigen Kleinigkeiten, die sie mit Beth gemeinsam hatte – ihre Liebe zum Theater und zur Musik, auch wenn Camillas Begeisterung auf einem ganz anderen Niveau war.
Darauf blieb es still zwischen uns. Camilla war wegen der gestrigen Szene immer noch befangen und ich wusste nicht, wie ich das Eis brechen konnte. Es hatte sich angefühlt, als hätten wir uns tatsächlich wieder angenähert, aber seit dem Zwischenfall mit Gabrielle schien sich Camilla wieder zurückzuziehen. „Sag doch bitte etwas", ergriff ich die Initiative. Camilla wandte kurz den Kopf zu mir und ihr Lächeln war plötzlich verkniffen. Sie war eindeutig besser darin, die Initiative zu ergreifen. „Du erinnerst dich, dass ich das Parlament zum Empfang morgen gebeten habe, oder? Ich möchte sichergehen, dass du meine Gäste nicht erneut auslädst", reagierte sie und ich geriet vor Schreck aus dem Takt. Ich trat einen zu großen Schritt nach hinten, riss Camilla mit die darauf ins Stolpern geriet und gegen mich fiel.
Camilla sah einen Moment lang entsetzt zu mir auf, bevor sie auflachte und einen Schritt zurücktrat. Sie hackte sich bei mir unter und zog mich in Richtung der Balustrade. „Verzeih Novel, dass klang harscher, als ich es meinte" – „Ich glaube meine Reaktion auf dein Gespräch mit Gabrielle war auch harscher, als ich es beabsichtigte" Ich wartete, bis Camilla Platz genommen hatte, bevor ich mich neben sie und vor unsere Geschwister setzte. „Du liebst Beth", erwiderte sie schulterzuckend, „Ich würde jederzeit dasselbe für dich tun" und ich für dich – aber bedeutet das zwingend, dass ich sie liebte? Ich schwieg verlegen, weil ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte? Wenn ich ihr gestand, dass ich sie genauso schützen würde, gäbe ich ihr das Gefühl, ich würde etwas fühlen, dass ich nicht tat. Aber mein Schweigen war wahrscheinlich nicht besser. Mein Gehirn ratterte auf der Suche nach einer galanten Erwiderung.
„Ich habe dir noch nicht gesagt, wie wunderschön du bist. Du bist wirklich das Juwel des Balles"
„Eigentlich bin ich die Perle des Balles, wegen meines Haarschmucks, Novel, aber danke. Ich finde auch, dass mir die Farbe gut steht"
Ich lachte auf und ein Schmunzeln blieb auf meinen Lippen zurück. Noch so etwas, dass ich bereits immer an ihr gemocht habe. Camilla wusste, wann sie mit etwas glänzte, ohne dass man es wiederholt versichern musste.
„Sollen wir die Geschenke inspizieren? Desto schneller wir es hinter uns bringen, desto besser"
„Sind wir im Zeitplan? Gabrielle und seine Männer durchsuchen die Zimmer immer erst unmittelbar bevor, damit uns nichts überrascht"
„Wie du wünscht. Dann haben wir noch zehn Minuten"
Camilla nutzte die Gelegenheit und winkte einem Diner mit einem Tablett von Champagnergläsern. Es war gerade ein Einziges übrig, an dem sie genüsslich nippte. Ich beobachtete sie schräg von der Seite, wenn sie ihren Blick durch den Saal schweifen ließ, lächelte, mit ihrem Fächer spielte und die Aufmerksamkeit des gesamten Saales hat, ohne sich auch nur zu bewegen.
______
Camilla hatte wie Üblich Recht. Der Empfang der Geschenke war furchtbar und ich dankte Gott dafür, dass Camilla das neben mir mit solcher Bravour meisterte, dass mein eigenes Versagen kaum auffiel. Ich war mit diversen Elfenbeinbriefbeschwerern, Stoffen, Gewürzen und anderen protzigen Kleinigkeiten maßlos überfordert.
„Du benimmst dich, als würdest du deine Leichengaben empfangen", tadelte mich Camilla leise, worauf ich prustete und mir dieses Lächeln im Gesicht blieb, bis Camilla Gabrielle, der jeden Besucher vor dem Eintreten musterte, einen Wink gab, inne zu halten. „Fehlt dir etwas?", fragte ich sofort, legte meine Hand an ihre Wange und anschließend an ihre Stirn. Selbst durch meine Handschuhe hindurch spürte ich, wie kalt sie war und trotzdem standen ihr Schweißperlen auf der Stirn.
„Camilla", drängte ich sie zu antworten und führte sie zu einer Sitzgruppe im Salon. „Ihre königliche Hoheit fühlt sich unwohl, brecht den Empfang ab", fuhr ich Gabrielle an, der ebenso besorgt auf Camilla hinuntersah. Keinen Augenblick später, drängten sich Nemours und Gwen durch die Wachen. Von Papa war zum Glück noch nichts zu sehen. Er genoss seinen Widererlangten Ruhm.
„Was ist los?", fragte Nemours sofort, ging vor Camilla in die Hocke, die sich mittlerweile kaum noch regte. „Gib ihr deinen Frack", befahl Nemours und winkte Gabrielle zu sich. „Wir brauchen dringend einen Arzt. Ihre königliche Hoheit wurde", er sah sich einmal vorsichtig um, bevor er leise fortfuhr, „vergiftet".
______
„Woher weißt du, dass sie vergiftet wurde?", fragte ich Onkel Nemours zum wiederholten Mal, aber er reagierte immer noch nicht auf mich, sondern starrte weiter gebannt auf den Arzt, der Camilla untersuchte, sie in mehrere Deckel wickelte und auf der Seite gedreht hält. Nemours drehte sich zu mir um und sah mich einen Moment traurig an, bevor er seufzte: „Vielleicht irre ich mich, aber als sich Pagets Mutter mit Eisenhut vergiftet hatte, wurde ihr auch zuerst bitter kalt und dann blieb ihr Herz einfach stehen" Ich sah meinen Onkel verstört an, wandte dann den Blick wieder Camilla zu. Sie wäre niemals so töricht sich mitten auf einem Ball selbst zu vergiften.
„Es wäre möglich", bestätigte unser Hofarzt, zuckte ein paar Mal mit den Schultern, bevor er sich seufzend an mich wandte.
„Ihre königliche Hoheit hatte großes Glück, wird aber in den nächsten Tagen noch recht müde sein"
„Wieso wacht sie nicht auf?"
„Ihre Atemwege sind durch die Aufnahme gelähmt, ihr Kreislauf deshalb zusammengebrochen. Wer immer das war, ein Tropfen Gift mehr und Ihre königliche Hoheit wäre tot"
Mein Zwilling dirigierte mich zur Seite und rüttelte mehrere Male an meinen Schultern. „Nimm dich zusammen", zischte er, aber die Angst hatte mich fest in ihren Klauen. Man hatte Camilla vor meiner Nase, vor der Augen ihrer eigens abgestellten Wache vergiftet – wie konnte ...? Wütend fuhr ich zu Gabrielle herum.
„Wie konntet Ihr das übersehen?", fauchte ich, worauf Gabrielle nochmal eine Spur bleicher wurde. „Wir haben ihr Essen kontrolliert, ich habe keine Ahnung, wie ..." – „Aber ich" Papa schloss betont langsam die Tür hinter sich, als wollte er uns allen zeigen, dass keine Eile geboten war. Wütend verschränkte ich die Arme.
„Das Champagnerglas, dass Camilla getrunken hatte, schickte ich ihr. Davor hielt ich es eine Weile in der Hand – jeder, der an mir vorüber ging, hätte unbemerkt etwas ins Glas leeren können", Papas Stimme klang nüchtern, dass mich noch wütender machte. Warum schickte er Camilla ein Glas, das für ihn bestimmt war? Das war töricht. Ihm musste doch klar sein, dass er noch alte Feinde hier hatte!
„Das ist eine gute Sache, Novel. Das bedeutet, ich war das Ziel des Anschlags und nicht Camilla", erklärte er mir, worauf ich ihn erbost ansah. Hielt er mich für schwachsinnig. Ich warf einen Blick auf Camilla, deren Hände von George und Leila festgehalten wurden. Hier war kein Platz für mich. Ich nickte Gabrielle zu, der mir ohne ein Wort zu verlieren folgte.
______
Ich atmete mehrere Male tief durch, um mich zu beruhigend. Gabrielle schien aber bereits tief in Gedanken versunken zu sein. Es war nicht zu leugnen, dass wir uns beide erschreckt hatten.
„Glaubt Ihr dem Erzherzog?", fragte ich ganz offen und Gabrielle sah mich bekümmert an. Also glaubte er ihm nicht. Das konnte ich verstehen – ich tat es nämlich auch nicht. „Ist es möglich, dass wir ihn beschatten lassen?", fragte ich offen, worauf Gabrielle einen Moment zögert, bevor er den Kopf schüttelt.
„Nicht ohne einen mächtigen Verbündeten, der Seine Majestät gut kennt"
„Denkt Ihr an jemand bestimmten?"
„Der Oberkommandierende wäre ein guter Verbündeter"
„Der Oberkommandiere steht offensichtlich auf Papas Seite"
Gabrielle schien über den Gedanken nachzusinnen, schüttelte aber schließlich den Kopf. „Ich glaube, der Erzherzog hat einfach zuerst gefragt", beharrte Gabrielle und ich sah ihn widerwillig an. Ich ertrug den Gedanken nicht, dass Camillas Sicherheit von diesem Scheusal abhing. Aber unter Umständen wäre dies vielleicht wirklich die beste Idee. „Ich werde gleich morgen früh mit ihm sprechen", beschloss ich, worauf Gabrielle zustimmend nickte.
Seufzend lehnte ich mich zurück, ließ den Abend in meinem Kopf immer wieder Reviere passieren. Aber ich fand nichts Ungewöhnliches. Wir hatten getanzt, gelacht und dann hat sie dieses dumme Glas getrunken. Verzweifelt sah ich Gabrielle an. Wie sollten wir sie schützen?
Ein Klopfen unterbrach uns und Gräfin Russo steckte den Kopf durch die Tür. Sofort gab es mir einen schmerzhaften Stich. Sie erinnert mich an meine Untreue und an Beth. „Ich lasse euch allein" – „Das wird nicht nötig sein" Gabrielle lächelte schmal, nickte aber trotzdem nochmal zur Tür. Seufzend ließ ich ihn ziehen. Es war bereits spät.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro