Kapitel 38
Paget sah sich einmal gründlich in meinem Salon um, bevor er mir vorsichtig einen Kuss auf die Wange drückte. Dankbar lächelte ich ihn an. Meinem Gesicht ging es zwar gut, aber ich wusste seine Vorsicht als liebevolle Geste zu interpretieren und er war bei Gott kein Mann, den ich als Feind haben wollte. Das Bild von Beths totem Körper spuckte durch meinen Kopf und ich nahm mir vor, besonders freundlich zu ihm zu sein. „Lavinia ruht sich über Mittag aus", ließ mich Paget wissen, da ich eigentlich an die Kaiserin geschrieben habe und ich eine Antwort von Paget erhielt, in der es sich zum Lunch ankündigte.
„Ihr müsst aufpassen, Paget. Die Gesandten sind in Alarmbereitschaft und wenn die Kaiserin es nicht mehr aus ihrem Bett schafft ..."
„So ist es nicht!"
„Bitte verzeiht, aber ich war die letzten zehn Jahre hier. Ihr geht es schlecht und die Einzige, die die Lage entspannen könnte, wäre ich und ich ... Novel wird mich hier nicht herauslassen, bevor er die anderen nicht gefunden hat"
„Welche anderen?"
Vielsagend zog ich die Augenbrauen auf. Ich träumte von dem kleinen irren Mann mit den giftgrünen Augen. Er hätte es nicht Mal in diesen Salon geschafft, wenn die Oper unbewacht wäre. Irgendwer hat ihn da hineingeschickt und ihm weiß gemacht, er täte mir einen Gefallen, indem er mich ... Mir schossen seine Worte wieder durch den Kopf: Ich bringe dich zu den Engeln. Ich zwang mich ruhig zu atmen und Paget auffordernd anzusehen.
„Wir wissen nicht, wer dahinter steckt. Aber es arbeitet das ganze Militär daran. Du weißt ja, wie beliebt zu bist"
„Bei den Militärs nicht. Die stehen genauso blind hinter Novel wie der Hofadel hinter mir"
„Camilla ... du weißt doch, dass Novel der Kronprinz ist, oder? Es ist deine Pflicht ..."
„Sagt mir nicht, was meine Pflichten sind! Ich halte Novel schon den Rücken frei. Sorgt bitte nur dafür, dass er mir dafür nicht das Rückgrat bricht!"
Aufgebracht erhob ich mich. Er behandelte mich, als wäre ich die gemeingefährliche hier. Dabei wartete ich nur auf Novels Erlaubnis, damit er mich heiratet. Ich wanderte im Raum auf und ab und vermied dabei gezielt Pagets Blick. Ich lief Gefahr ihn zu verärgern, aber da ich schon Novel herumgeschoben wurde, wollte ich Paget nicht auch noch das Gefühl vermitteln, er könnte über mich bestimmen. „Setz dich", forderte er schließlich kühl und ich wurde widerwillig langsam. Ich überlegte, ob ich es mir leisten konnte, mich seinem Befehl zu widersetzen. „Jetzt", setzte ungeduldig hinterher. Widerwillig nahm ich platz.
„Worüber wolltest du mit Lavinia sprechen?"
„Novels Heiratsantrag kam so unerwartet, dass es seine Hochzeitspläne mit Sicherheit ebenfalls tun werden. Deshalb wollte ich die Kaiserin bitten, ob ich ihr Kleid zur Hochzeit tragen darf"
Paget riss für einen Moment überrascht die Augen auf. Novel wird mich erst dann heiraten, wenn ihn ein erneuter Notfall dazu zwingt, darüber machte ich mir keine Illusionen und dann muss mit Sicherheit alles sehr schnell gehen. Deshalb war ich besser vorbereitet. „Ich bin mir sicher, dass wird sie sehr freuen", erwiderte Paget leise. Er erhob sich beklommen, obwohl noch nicht einmal der erste Gang aufgetragen worden war. Er musterte mich einmal abwegig und ich versuchte, möglichst gefasst zu wirken.
„Darf ich dich um etwas bitten"
„Natürlich"
„Ich habe ein junges Mädchen aus Italien mitgebracht und sie braucht noch eine Anstellung bei Hof. Als Kaiserin wirst du ohnehin mehr Hofdamen brauchen"
Ich sah Paget misstrauisch an und die Frage stand mir anscheinend schon ins Gesicht geschrieben, denn er schüttelte entsetzt den Kopf. Ich würde niemals seine Geliebte in meinem Hofstaat verstecken. Aber sein Entsetzen schien ehrlich, deshalb nickte ich knapp. Gesellschafterinnen konnte man nicht genug haben. Aber ich sah keinen Anlass, ihr zu vertrauen.
„Eines noch, Camilla. Gib eine kleine Gesellschaft. Ich werde mich um Novel kümmern"
***
Wie immer habe ich das getan, dass mir von der kaiserlichen Familie aufgetragen wurde. Novel schickte mir am Nachmittag eine Karte, ob er mich besuchen könnte und ich lehnte ab, weil ich tatsächlich im Bett war. Natürlich schlief ich nur äußerst kurz und unruhig, aber alleine die Ruhe entlastete meinen Kopf und beschleunigte hoffentlich die Heilung.
Nervös zupfte ich am unteren Rand meines Verbandes, als die ersten Damen in meinen Salon traten. Da ich Pagets Wünschen schneller entsprechen möchte, als es mir Novel verbieten konnte, schickte ich die Einladungen gleich für den heutigen Abend aus. Diner war einerseits organisatorisch völlig ausgeschlossen und andererseits würde ich einen Abend voller Lügen nicht aushalten. Aber gemeinsam den Tee einzunehmen, sollte erträglich sein.
„Die Wangen seiner Majestät waren ganz gerötet", log ich, als ich meinen schlichten Verlobungsring meinen fünf Gästen zeigte, „Er gestand, dass ihm erst nach dem Mordversuch bewusst geworden ist, wie vergänglich das Leben ist und da wollte er mich gleich fragen. Deshalb borgte er sich einen Ring von der Kaiserin", dichtete ich die Geschichte weiter und für einen Moment glaubte ich es sogar. „Er war so nervös, dass ich ihn mir selbst an den Finger stecken musste", scherzte ich und war verwundert, wie lustig man die Tatsache ausdrücken konnte, dass mir Novel meinen Verlobungsring über den Tisch zugeschossen hat. Ich hatte das Glück, dass die Hälfte meiner Gäste bereits verheiratet war und anschließend die Geschichte erzählte, wie es bei ihnen gelaufen war.
Die Erzählungen waren alle ähnlich erlogen und traurig.
Mein Kopf wurde immer schwerer und ich war dankbar, als der Saalhüter mit seinem Stab aufschlug und mich aus meiner Trance riss. Endgültig wach war ich, als sie Novel ankündigten. Sofort errötete ich und verknotete meine Hände. Das würde unschön werden. Die Frage war nur, ob er sich lange genug zurückhalten konnte, bis meine Gäste gegangen waren.
„Meine Damen", Novel verbeugte sich galant und als mich seine Augen trafen, funkelte er mich wütend an. „Ich habe dem Arzt versprochen, dass ich die Prinzessin dazu anhalte, sich früh zurückzuziehen", scherzte er und ich lachte mit den anderen Gästen mit. Welche Ironie zu behaupten es wäre der Wunsch des Arztes, mich abzuschotten. Die Damen erhoben sich pflichtbewusst und Novel drückte mir während sie den Raum verließen zuerst einen Kuss auf die Wange und dann auf die Stirn, bevor er mich besorgt musterte.
Als die Tür hinter meinen Gästen zufiel, trat ich angewidert einen Schritt zurück. „Wieso gehorchst du Papa?", fragte Novel eisig. Müde fuhr ich mir einmal über mein Gesicht, bevor ich zur Tür meines kleineren Salons nickte. Novel verstand die Aufforderung und legte einen Arm um mich und dirigierte mich in das hellgrün ausstaffierte Zimmer. Es war die Miniaturausgabe von Lavinias grünem Salon und ihre Kinder zogen mich gerne damit auf, dass ich ihr nacheiferte.
„Es geht nicht darum, wer es mir erlaubt hat, sondern darum, dass es notwendig war. Ich habe Lavinias Ring hergezeigt und das Blaue vom Himmel über deinen Antrag heruntergelogen. Das wird die Gesandten hoffentlich beruhigen"
„Was hast du ihnen erzählt?"
„Keine Sorge – ich war charmant, wie du gesagt hast"
Meine Müdigkeit drohte mich zu überwältigen und ich ließ mich auf einer der Sitzgruppen nieder, obwohl Novel noch stand. Zum Teufel mit meinem guten Benehmen. Wie erwartet überging er es und setzte sich dicht neben mich. „Ich will dir nicht weh tun, Camilla", schwor er und ich schnaubte. Jeder meiner Atemzüge tat weh, weil ich mich nach ihm verzehrte und er mich zurückwies. Das war also ein sinnloses Versprechen. „Ich weiß, Novel. Ich werde mich jetzt hinlegen"
Es lag mir auf der Zunge ihn zu bitten, mich zu begleiten. Aber ich presste meine Lippen zusammen und schwor mir, dass es soweit nun auch noch nicht gekommen war.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro