Kapitel 32
~Novel~
Camillas Ideen waren immer unkonventionell, aber diese war geradezu ... wahnwitzig! Wie sollte ich es dem Ministerrat jemals schmackhaft machen, ihre Macht mit einem Bürgerlichen zu teilen. Es war das Eine, Bürgerliche zu empfangen, aber etwas ganz anderes, sie an Regierungsgeschäften teilnehmen zu lassen. Mir lag eine lächerliche Erwiderung auf der Zunge, aber ich nahm mich zusammen. Sie hatte bereits genug gelitten wegen mir. „Wie hast du dir das vorgestellt?", bohrte ich anstelle nach. Camilla hatte das mit Sicherheit nicht leichtfertig vorgeschlagen und vielleicht hatte es einen unerkannten Vorteil.
„Du host dir die Menschen aus verschiedenen Landesteilen und mit unterschiedlichen Ansichten zusammen, gibst ihnen einen Versammlungsort in der Nähe des Schlosses und hörst dir einmal im Monat an, was sie zu sagen haben", erwiderte sie leichthin und einen Moment zweifelte ich an ihrer Zurechnungsfähigkeit. Vielleicht hatte sie dieser Nervenkrieg auch geistlich mitgenommen.
„Der Ministerrat ..."
„Du musst deine Autorität im Ministerrat ohnehin wieder herstellen. Die Minister wollen genauso wenig wie du, dass die Menschen Aufstände planen. Dies gibt ihnen die Möglichkeit sich gewaltlos Gehör zu verschaffen"
„Ist das der Vorschlag der Revolutionäre?"
„Aber nein!"
Camilla lachte und schüttelte kurz den Kopf über mich. „Eine offizielle Audienz in denen du etwas erlässt, dass ihren Forderungen nur nahe kommt, ist mehr, als sie sich erträumen. Solei und ich haben sie am Boden der Tatsachen gehalten" Soso, dachte ich mir im Stillen, Mamas engste Vertraute treibt sich also auch mit diesen Leuten herum. Es war selbstredend, dass Mama davon nichts wusste, da sie die Princesse nie einer solchen Gefahr ausgesetzt hätte.
„Ich werde mich mit Mama besprechen. Ich stimme ihnen zu, dass unser Asyl oftmals auch Kriminellen hilft. Auch haben sie Recht, wenn sie behaupten, dass wir zu viele Agrarprodukte vom Festland holen", stimmte ich zu. Ich hatte versucht den Mann mit den grauen Haaren und dem jungen Gesicht zu misstrauen und ehrlich probiert ihn zu verachten. Aber er sprach mit Leidenschaft und im Vergleich zu so vielen anderen seines Schlags, hatte er den Respekt nicht verloren.
„Darf ich dir noch etwas zeigen?", fragte Camilla vorsichtig und ich spürte, dass sie meine Nähe auskostete. Alles wäre so einfach, wenn Beth nicht in mein Leben getreten wäre. Camilla war diplomatisch, an meinem Land interessiert, wunderschön und noch dazu an mir interessiert. Aber ich schaffte es nicht, Beths Bild aus meinem Kopf zu bekommen. Das war ungerecht ihr gegenüber, dass musste ich endlich einsehen. „Handelt es uns Ärger ein?" – „Unter Umständen" Ich lachte, als sie sich ohne meine Hilfe auf ihr Pferd schwang und ohne meine Erlaubnis davon trabte. Seufzend folgte ich ihr. Ich hatte schon zu lange keinen Unfug mehr getrieben.
Als Camilla den öffentlichen Teil des Schlossparkes ansteuerte, bereute ich es bereits, dass ich der Versuchung nicht wiederstehen konnte. Aber anders als erwartet, steuerte Camilla auf eine Gruppe von Menschen zu. Ich versuchte sie einzuschätzen. Es waren Männer und Frauen, aber auch Kinder und vereinzelt wahrscheinlich auch Großeltern. Ein Mann, vielleicht zwei Jahre älter als ich ging Camilla entgegen und stoppte ihr Pferd. Die Art und Weise wie er das Tier berührte, ließ ihn mich sofort erkennen. Edward gehörte zu den Tierärzten des Hofgestüts.
Camilla sah lächelnd zu mir zurück und nickte anschließend auffordernd. Widerwillig stieg ich ab und half ihr vom Pferd. Als würde sie sich sonst um derartige Förmlichkeiten scheren. Edward verbeugte sich und einen Moment war ich unsicher, ob ich ihm die Zügel überreichen sollte. „Darf ich, Majestät?", fragte er und ich nickte erleichtert. Einige der Kinder waren bereits auf Camilla zugelaufen und tummelten sich gerade in ihren Röcken.
„Ihr seid heute so hübsch, Prinzessin", schwärmte ein Mädchen und Camilla streichelte ihm als Dank einmal über den Kopf. Für einen Moment versuchte ich mir Beth in dieser Szene vorzustellen, aber sie passte hier nicht herein. Beth war bei weitem nicht so gesellig gewesen, wie Camilla. „Ich bin ja heute auch in der Gesellschaft des Prinzen. Da muss man sich hübsch machen", antwortete Camilla schelmisch und drückte dem Mädchen einen Kuss auf die Stirn. Sofort wandte sich alle Aufmerksamkeit mir zu und die Kinder umströmten mich und bewunderten meine Uniform.
„Wer sind diese Menschen?", fragte ich Camilla neugierig, als sich die kleine Gruppe erhob und sich die Herren synchron vor mir verbeugten und die Damen knicksten.
„Das sind alles Menschen, die früher in Malheur gearbeitet haben, aber die mittlerweile mit Unterstützung des Kaiserhauses hier ihrem Gewerbe nachgehen"
„Das war sicher eines von Dorians Projekten"
„Nein. Die Kaiserin hat es gemeinsam mit Lady Mallet umgesetzt. Gegen den Willen des Ministerrats, wie mir Ministerin Mallet immer erzählte. Alles ist möglich, Novel, wenn du nur Geduld und den unbedingten Willen dazu hast"
Ich sah zu Camilla hinunter und konnte dem Drang nicht widerstehen, ihr einen Kuss auf die Wangen zu drücken. Als ich aufgebrochen bin um sie zurückzuholen, hätte ich mir nie gedacht, dass der Tag noch so viele schöne Überraschungen bereithielt.
~Novel~
1 Woche später
Der Ministerrat blickte mir mit verhärteten Mienen entgegen. Camilla und Solei hatten sich noch öfter mit Sir Degár getroffen, dem alten Mann mit dem jungen Gesicht. Sie sollten ihn soweit vorbereitet haben, dass er eine Audienz im Ministerrat übersteht und dass er nicht ohnmächtig wird, wenn ich vorschlage, dass diese Zusammenarbeit dauerhaft ist. Das Entsetzt sein würde ohnehin Mama übernehmen. Überraschenderweise hat mir Papa den Rücken freigehalten und sie davon überzeugt, dass ich dem Ministerrat den Vorschlag zumindest unterbreitete. Onkel Nemours hat sich natürlich auf Mamas Seite gestellt, wenn er dem Gedanken auch nicht derart abgeneigt war, wie Mama.
Mittlerweile wusste natürlich jeder, dass ich Camilla die Wange geküsst hatte und sie wurde bei Hof wenn überhaupt noch möglich noch mehr umschwärmt. Das hatte zur Folge, dass sie so oft es ihr möglich war das Schloss verließ und ihren engen Kreis an Freunden noch weiter einschränkte. Ich hatte das Gefühl, ich gehörte nicht dazu.
Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als Degár den Raum betrat. Er trug einen schlichten Anzug der passte, seine Gestalt aber leider nochmal um fünf Jahre altern ließ. Er verbeugte sich sichtlich irritiert von so viel Hochadel in meine Richtung, dass besonders die Militaristen unter den Adeligen spöttisch die Augenbrauen heben lies.
„Danke, dass Ihr Euch Zeit genommen habt, Sir Degár", begrüßte ich ihn und deutete ihm näher zu kommen. Lady Malet musterte ihn mit unverhohlenem Wohlgefallen, die Liberalen eher vorsichtig und die Militaristen natürlich immer noch mit Argwohn. „Bitte", lud ich ihn einzufangen. Erwartete er sich einleitende Worte von mir? Camilla war optimistisch, dass er seine Gedanken verkaufen könnte. Gerade war ich mir da nicht so sicher.
„Erzählt uns, warum das Volk demonstriert und wie Ihr über die Einwanderung denkt"
„Bitte verzeiht, Eure Majestät. Natürlich ... Als ich meinen Mitbürgern von dieser Audienz berichtet habe, glaubten sie, dass wir am Ziel angelangt seien. Alles, dass sie wollten, war angehört werden. Weil sie glauben, dass Ihre Stimme zählt. Sie haben Recht. Aber ihre Stimme hat die letzten Jahrzehnte nicht gezählt und es sind Verträge geschlossen worden, die das Volk nicht kennt und die es unzufrieden machen. Deshalb – wie auch immer sich Ihre Majestät die Kaiserin betreffend den Einwanderungs-bestimmung entscheidet, sie sollte es ihrem Volk sagen, damit es weiß, dass man ihm zuhört. Denn ich glaube und ich habe das überprüft, dass Ihr sehr oft zugehört habt – zum Beispiel, als Ihr Soldaten aus Malheur während der Revolution begnadigt habt oder als Ihr die Strafmaßnahmen gegen diesen Teil des Landes beinahe völlig aufgelassen habt"
Sir Degár machte eine Pause und suchte Mamas Blick, die aber beharrlich auf ihre Hände starrte. Mama war nie menschenscheu gewesen, aber in den letzten Wochen fiel ihr der Kontakt mit Fremden schwer. „Meine Kaiserin?", fragte er vorsichtig, worauf Mamas Kopf hochruckte und ihn verunsichert ansah. Ich spürte dieselbe Unsicherheit tief in mir drinnen. Wie auch immer wir betreffend dieses Vorschlags entscheiden, es wird unser Land prägen. Sowohl Mama als auch ich hätten gerne Dorian an unserer Seite.
„In meiner Gilde, ich bin Schneider müsst Ihr wissen, kommen ich mit allerhand Menschen zusammen und habe erfahren, wie wunderbar dieser Austausch ist. Aber ich habe auch bemerkt, dass wir in den letzten Jahren eine Fluktuation erleben mussten, die nicht zu unserem Vorteil war"
„Was schlagt Ihr also vor, Sir Degár?"
„Ich habe mich mit meinen Mitbürgern beratschlagt und wir haben uns darauf geeinigt, dass der Hintergrund des Einwanderers überprüft werden soll und sie einen Leumund vorweisen muss. Des Weiteren sind wir der Ansicht, dass es für die Staatsbürgerschaft einen Grund braucht"
Mama runzelte die Stirn und sah abwechselnd zu Nemours und Chevaliers. Diese Ansätze waren uns allen nicht neu. Überraschend für uns war allerdings, dass die Bürger diese Art von Repressalien anscheinend in Kauf zu nehmen gedachten. „Sir Degár seid Ihr Euch sicher, dass diese Meinung vom Volk vertreten wird?", wandte sich Chevaliers an ihn, worauf Degár eifrig nickte.
„Wir wollen sicher sein und der Großteil von uns sieht ein, dass wir dafür eine Gegenleistung erbringen müssen"
Der Raum war für einen Moment erfüllt von Schweigen. Niemand wollte in Anwesenheit eines Außenstehenden seine Meinung kundtun. Deshalb ergriff ich wieder das Wort: „Ihr seht meine Herren, unsere Lösungsansätze sind realistischer als gedacht. Aber darüber können wir später debattieren. Für heute möchte ich gerne noch einen anderen Aspekt einbringen, der ebenfalls mit Sir Degàr zu tun hat"
Ich räusperte nervös und hielt mich mit aller Macht zurück, mich nicht hilfesuchend an Mama zu wenden und für einen Moment auf die leere Aktenmappe vor mir starren.
„Es ist eine Tatsache, dass die Aufklärung dem Volk eine Stimme gegeben hat und ich möchte sie besser verstehen. Jeder von uns liest Zeitungen ohne Ende um zu begreifen, was in den Menschen vorgeht. Deshalb erkläre ich meine Absicht ein Parlament in beratender Funktion einzuberufen unter der Leitung von Sir Degár", redete ich mir die Seele aus dem Leib. Einen Moment war es still und Degár erblasste bereits, bevor plötzlich alle untereinander, aber niemand mehr mit mir sprach. „Das soll Euer Vermächtnis sein?", brauchte Chevaliers auf, worauf Mamas Mundwinkel schwach zuckten. Eigentlich war es das Meine und die Minister sollten wissen, dass sich Mama mir nicht in den Weg stellen würde. Sie war zu alt und zu krank und zu müde, um sich einer Reform in den Weg zu stellen, die durchaus Sinn machte.
„Wie stellt Ihr Euch das vor?", fragte Lady Malet ganz ruhig neben Nemours und ich lächelte sie dankbar an. Das war eine Frage, die uns weiterbrachte. Einen Moment lang dachte ich darüber nach, dieselbe unbekümmerte Antwort zu geben, wie Camilla. Aber ich wanderte ohnehin auf einem dünnen Faden. „Ich möchte, dass jedes Lehnsgebiet einen Mann entsendet, die vom Volk gewählt ist. Ich habe mir auch überlegt ob es sinnvoll ist, Vertreter der größeren Gilden zusätzlich einzuberufen", erklärte ich und sah einmal in die Runde. Sie waren hier, um mich zu beraten und der Regel taten sie das nur zu gerne, aber plötzlich waren sie still.
Seufzend beugte ich mich nach vor. „Bis zur nächsten Ratssitzung überdenkt jeder diesen Vorschlag und ich erwarte logisch argumentierte Einwände und Verbesserungsvorschläge. Danke, meine Herren, Mi Lady", beendete ich die Sitzung und nickte beiden Parteien zu. Sir Degár, Mama und ich blieben zurück. Sie seufzte neben mir tief auf, bevor sie mich mit einem Lächeln im Gesicht musterte. „Mein Liebling", ihre Stimme war warm und die Intimität die damit einherging jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ich reagierte nicht darauf, sondern bot ihr meinen Arm an, damit sie sich daran hochziehen konnte. „Begehe ich eine Dummheit?", fragte ich leise, worauf Mamas Mundwinkel zuckten. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Nein – das würden Nemours und ich nicht zulassen", einen Moment lang zögerte sie, bevor sie vorsichtig hinterhersetzte, „Und Camilla auch nicht"
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Hallo ihr Lieben :)
Ich habe heute Abend eine neue Geschichte veröffentlicht - kurz gesagt geht es um die Frage, was aus verbotener Liebe wird (so nach dem Romeo und Julia Motto), wenn sie plötzlich erlaubt wird. Das Ganze spielt auf einer griechischen Insel (wir alle sehnen uns ja im Moment nach Sommer, Sonne und Unbeschwertheit) und ist situativ in einem Familienzwist zwischen Familienclans eingebettet -> Für alle die Pferde mögen, die Protagonistin ist Springreiterin, und für alle die keine Pferde mögen, gebt der Geschichte trotzdem eine Chance ;)
Etwas das, neben den Genre auch noch ausprobieren möchte, ist zwei Mal in der Woche zu updaten - Kapitel kommen also immer am Mittwoch und Samstag
Ich wünsche Euch allen noch einen schönen Abend und hoffe, wir lesen uns auch bei meiner neuen Geschichte - Halt mich fest. Die Beschreibung findet ihr im nächsten Kapitel.
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