
Kapitel 2
Beth
Ich trug eines meiner besten Reitkostüme, aber Novel würdigte mich kaum eines Blickes, als ich den Raum betrat. Verunsichert sank ich in einen Knicks. Immerhin war ich im Arbeitszimmer des Kronprinzen. Mein zweites oder drittes Mal hier in diesem Raum. Vielleicht wollte er das hier so. „Nicht, Beth", stoppte er mich sofort. Zog mich zuerst auf die Beine und drückte mich dann fest an sich. „Was hast du?", fragte ich überrascht und drückte gegen seine Brust. Mein Korsett war ohnehin so fest geschnürt, das ich kaum Luft bekam. Als er seinen Griff ein wenig gelockert hat, strich ich ihm über die Wange. Er presste seine Kiefer fest zusammen.
„Sie brüskieren Mama. Sie verärgern die gesamte Familie"
„Wer, Liebster?"
„Der Ministerrat! Leblanc stattete mir einen Besuch ab"
Ich löste meine Hand von seiner Wange und nahm ein bisschen Abstand. Ich konnte nicht klar denken, wenn er mich berührte. „Kann ich dir helfen?" – „Du hilfst mir schon" Ich lachte wehmütig auf und trat wieder auf ihn zu. „Ich möchte dir aber richtig helfen. Dir irgendeine Last abnehmen", bat ich. Und damit endlich öffentlich machen, dass du mir den Hof machst. „Du zerstreust meine Gedanken. Das ist mehr als genug"
Er zog mich wieder an sich und atmete seinen typischen Geruch ein, als ich meinen Kopf auf seine Schulter legte. Vielleicht war es besser so. Solange niemand von dem Prinzen und mir wusste, konnten wir noch ungestört unserer Wege gehen. Das wird sich früh genug ändern, sollte er es ernst mit mir meinen.
„Haben die Minister etwas gegen unsere Beziehung?"
„Nein", er lachte bitter auf und schob mich ein Stück von sich, „Ganz im Gegenteil. Sie ziehen schon ihren ersten Nutzen daraus!"
„Wirst du mich aufgeben?"
Meine Eltern waren weit fort und mein Bruder ständig irgendwo im militärischen Einsatz. Ich hatte niemanden außer ihm, den ich lieben konnte. Als er seine Hände an meine Wangen legte, schmiegte ich mich an ihn. Seufzte genüsslich. „Ich liebe dich, Beth. Denk nicht einmal daran mich loszuwerden", drohte er und ich drückte meine Lippen in seine Halsbeuge und stellte zufrieden fest, wie ihn ein Schauer überlief. „Beth", keuchte er heiser, als ich die empfindliche Haut zwischen meine Lippen sog.
Das Aufschlagen des Stabes des Saalhüters lies mich so schnell zurückfahren, dass mir schwindelig wurde. Es war das eine in seinem Arbeitszimmer zu stehen, aber etwas ganz anderes beim Küssen erwischt zu werden. Novel lachte schallend neben mir und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Schämst du dich in etwa?", neckte er mich und ich spürte sofort, wie meine Wangen rot anliefen. Seine grünen Augen blitzten amüsiert auf. Das gefiel mir. „Grande Duchesse Nemours", rief der Saalhüter durch die Tür. „Beth, das ist nichts, wofür du dich schämen müsstest", sagte er ernst, bevor er den Wachen den Wink gab, den Saalhüter zu sagen, er solle die Tür öffnen. Ich kicherte über dieses Prozedere.
Ich trat einige Schritte hinter den Prinzen als seine Tante durch die Tür rauschte. Sie selbst sank vor Novel in einen Knicks. Als er ihr die Hand reichte, drückte sie ihm allerdings sofort zwei Küsschen auf die Wange. Als sie mich am Boden kauernd bemerkte, klatschte sie begeistert in die Hände. „Das ist also deine Geliebte?", fragte sie und streckte mir ihre Hand entgegen. „Elisabeth, richtig?" – „Ja, Hoheit" Der Prinz neben mir sah mich entschuldigend an, während Gwen mich an sich drückte und mir ebenfalls die Wangen küsste. „Ich mache Ihr den Hof, Tante. Sie ist nicht ... meine Geliebte" – „Nenn es wie du es möchtest, lieber Neffe. Ein Gentleman bittet kein junges Mädchen ohne Anstandsdame zu sich" Ich schmunzelnde sofort, als Novel den Kopf einzog. Tante Gwens Temperament war wie er beschrieben hatte: Erfrischend.
„Deiner Mama geht es schlecht?", fragte sie plötzlich wieder völlig ernst und ich trat einige Schritte zurück und wandte mich dem Fenster zu. Es war mir immer noch unheimlich zu hören, wie in seinen Kreisen über die Kaiserin gesprochen wurde. Als wäre sie einfach nur ein Mensch. Kopfschüttelnd wandte ich mich dem Garten zu. Es war ein wunderschöner Abend. „Sie kämpft, Tante Gwen, deshalb braucht sie Euch jetzt"
„Und wie ich kämpfen werde!", eine Tür, die ich bisher noch nicht bemerkt hatte, flog zu und die Kaiserin drückte die Grande Duchesse an sich, bevor sie noch knicksen konnte. Novel küsste ihr die Hand. „Wir müssen jetzt alle zusammenhalten", sagte sie laut und reichte mir gerade in diesem Moment ihre Hand. Ich nickte ihr respektvoll zu. Meine Lippen würden versiegelt sein, was auch immer ich jetzt hören würde.
„Wer von euch steht mit Paget in Kontakt", fragte sie und ich riss überrascht die Augen auf. Ihr Mann war tot. Also ihr erster Ehemann. Gwen war die Erste, die zusammenzuckte während Novel sie ebenso fassungslos anstarrte „Gut", brachte sie heraus, „rufe ihn an den Hof. Wir brauchen ihn. Ein einziges, verdammtes Mal kann er sich nicht vor der Verantwortung drücken!" Ich fuhr zusammen, als ich die Kaiserin fluchen hörte. Sie ist immerhin die Kaiserin. Sie sollte sich die ganze Zeit von Hofdamen umschwärmen lassen, im Theater sein oder irgendetwas Wohltätiges tun. Aber da hab ich mich anscheinend geirrt.
„Wozu auch immer Ihr ihn braucht, Lavinia, seid Ihr Euch sicher, dass das den Schmerz Wert sein wird?"
„Die Minister zweifeln an meiner Führungskraft. In Pagets sind sie völlig vernarrt. Wenn wir die Minister nicht mehr hinter uns haben, zerfällt unser Heer, weil sie ihre besten Männer abziehen werden. Verlieren wir uns Heer, werden unsere Feinde hier einfallen und uns zu Grunde richten. Solange ich noch auf diesem Thron sitze, wird das nicht geschehen!"
„Können wir keine Minister tauschen, Mama?"
„Ich werde noch einigen Ministern einen Diplomatenposten anbieten, den sie nicht ablehnen werden. Aber das braucht Zeit. Gerade die Berufungen und Entlassungen in den letzten Monaten haben die Minister misstrauisch gemacht"
Ich wollte dieses Gespräch nicht hören. Nicht verstehen, dass der unabhängige Ministerrat von der Kaiserin gelenkt wird. Nicht verstehen, dass unser Leben in Gefahr ist, sollte sie diesen Grundsatz nicht brechen. Tränen stiegen mir in die Augen. Die Realität in dieser Familie sah ganz anders aus, als der wunderbare Schein von außen.
„Du wirst ihm Schreiben Novel. Ihm erklären, dass du dein Erbe verlieren könntest, wenn er dir nicht zu Seite steht. Er ist der rechtmäßige Kaiser, führ ihm das vor Augen. Und sag ihm, wer im Ministerrat sitzt, damit er sichergehen kann nicht zu viele Entscheidungen selbst fällen zu müssen"
„Er hat sich verändert, Lavinia"
„Das höre ich seit zwanzig Jahren, Gwen"
Eine eigenartige Stille legte sich über den Raum. Selbst Novel wusste seinen Vater in diesem Moment nicht zu verteidigen. Nicht, dass er es oft getan hätte. Aber bisher hatten wir auch selten über ihn gesprochen. Und nie darüber, dass er noch am Leben war. Ob Novel es gewusst hatte? Sollte er es nicht gewusst haben, müsste er sich darüber freuen. Da er aber kaum eine Regung zeigt, schien er zumindest einen Verdacht gehabt zu haben.
„Mama? Was tun wir, wenn er ablehnt?", fragte Novel verunsichert und ich wäre am liebsten zu ihm geeilt und hätte seine Hand gedrückt. Aber das war ein Familienmoment und soweit waren wir noch nicht. „Ich erkaufe mir erst Mal Zeit, mein Liebling", bei seinem Kosenamen sah er seine Mutter böse an. „Erhoffe dir nicht zu viel von Papa. Er ist ein ... schwieriger Mensch"
Es sah aus, als wollte die Grande Duchesse protestieren. Aber etwas schien sie zurückzuhalten. Novel nickte ernst und seine Tante versprach ihm die Anschrift seines Vaters zukommen zu lassen. „Das ist nicht notwendig", wies er sie ab, „Wir schreiben einander gelegentlich Briefe" Das Entsetzen der Kaiserin war zum Greifen und die Grande Duchesse griff sofort nach ihrer Hand. Deshalb trat ich dieses Mal auf den Prinzen zu und tat dasselbe. „Wissen deine Geschwister davon?" – „Nur Avel" Ich bin mir nie ganz sicher, ob die beiden nicht manchmal die gleiche Person sind. Es wundert niemanden, dass es sein Zwilling es wusste. Er trat noch einen Schritt näher an mich heran, bis er seinen Arm um meine Taille schlingen konnte. Sofort wurde ich an seine Brust gepresst. Als ich seinen vertrauten Geruch nach Tinte gemischt mit dem Geruch von Pferdeställen und Sonne wahrnahm, konnte ich durchatmen.
„Eines noch, Mama", stoppte Novel seine Mutter, bevor sie durch die Tür in die Ställe verschwunden war. „Die Minister sind heute mit dem Vorschlag auf mich zugekommen, sie würden meine Werbung akzeptieren, solange ich mich ihnen nicht in den Weg stelle", begann er und ich sah überrascht zu ihm auf. Das meinte er also vorhin. Ich konnte das Gesicht seiner Verwandten nicht sehen, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass die Stimmung sonderlich abkühlte. Als wäre es selbstverständlich, dass er das Angebot ausschlug. „Ich möchte, dass Ihr meine Werbung zumindest anerkennt, Mama", bat er und drückte mich noch fester an sich. Ich konnte das Schnauben seiner Mutter im Hintergrund hören und wand mich aus seinem Klammergriff. Sollte sie ihm das Abschlagen, wollte ich ihr dabei in Augen sehen.
„Möchtest du das noch, Elisabeth?", fragte sie und ihr klarer Blick richtet sich auf mich. Jetzt würde ich mich gerne wieder in Novels Klammergriff vergraben. „Ja, Majestät" – „Ich werde mich dir nicht in den Weg stellen, mein Liebling" Ich knickste kurz vor ihr, da ich mir nicht sicher war, wie jetzt reagieren sollte. Novel war genauso verunsichert. Die Kaiserin hatte uns den Rücken zugedreht, also wusste niemand so genau, ob sie diese Entscheidung aus reinem Zugzwang getroffen hatte.
„Kommt, ein Ausritt und ein Dinner warten auf uns"
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