Kapitel 27
Schwer atmend stand Tristan über dem leblosen Körper und betrachtete sein Werk. Matthew Vaughn war nicht zu unterschätzen gewesen. Für sein Alter hatte er eine Menge Kraft und wusste, wie man sich zu verteidigen und zu kämpfen hatte. Dieser Mann hatte ihn an seine Grenzen gebracht. Am Ende, jedoch, war es Tristan gelungen, die Überhand zu gewinnen. Die beiden waren in einen langen und ausgiebigen Kampf verwickelt gewesen, denn keiner von ihnen wollte aufgeben, keiner von ihnen wollte verlieren. Tristan schon gar nicht. Er hatte zuhause jemanden, der auf ihn wartete, der auf ihn zählte. Doch wie sollte er seine jetzigen Verletzungen erklären? Verletzungen, die eindeutig waren. Katie würde Fragen stellen, jeder würde Fragen stellen und im Moment hatte er keine Ahnung, wie er sich je erklären sollte.
Doch Matthew Vaughn machte im Moment seine letzten Atemzüge. Blutend und schwer verletzt auf dem Boden liegend. Es war so weit. Tristan war es gelungen, ihn zu übertrumpfen und zu besiegen.
Er wusste nicht, wie lange er hier gewesen war, dabei um sein eigenes Leben gekämpft hatte, aber er wusste, dass sich jede Sekunde davon gelohnt hatte. Sein Körper schmerzte an fast jeder Stelle. Aber er hatte es geschafft, ganz gleich wie sehr Matthew versuchte unter seinem Röcheln und Keuchen zu lachen. Er ließ sich davon nicht mehr unterkriegen. Diese Schlacht in diesem Krieg hatte er eindeutig gewonnen und er hoffte, dass Grayson lernte, dass er eindeutig nicht zu unterschätzen war. Grayson Lapointe würde staunen, wozu er noch in der Lage war, aber jenen Mann hatte er sich für den Schluss aufgehoben. Dieser Mann sollte mitbekommen, wie alles um ihn herum zu Grunde ging. Er sollte leiden, bevor es mit ihm zu Ende ging. Das war Tristans Plan.
Hoffentlich konnte er diesen genauso umsetzen, denn er hatte keine Ahnung, wie nun sein Umfeld auf ihn reagieren würde, wenn er so nach Hause kam. Denn es gab keinen einzigen, rationalen Grund, seine Taten zu rechtfertigen, das wusste er. Tristan Livingston war die ganze Zeit von Rache und Wut angetrieben gewesen, um das alles durchziehen zu können.
Das wusste er. Ihm stellte sich nur die Frage, ob seine Liebsten das verstehen würden, wenn er ihnen erklärte, dass er das ihnen zuliebe getan hatte. Mehr war es nicht gewesen. Er wollte sie beschützen.
„Wenn Grayson davon erfährt, bist du dran, Junge." Es war kaum mehr als ein Hauchen, das die Kehle des Alten verließ, der noch immer, selbst in der Stunde seines Todes, versuchte, sich über ihn lustig zu machen. Doch Tristan ließ sich davon nicht irritieren. Sollte Lapointe doch zu ihm kommen. Sie waren sich vor einiger Zeit wieder begegnet, er hatte viele Jahre bei ihm gelebt und überlebt. Grayson machte ihm persönlich keine Angst. Nicht seinem eigenen Leben gegenüber.
„Nimm den Mund nicht zu voll, Vaughn", murrte er und blickte auf ihn herab.
„Damals war ich ein Kind. Nicht in der Lage, mich zu verteidigen. Heute bin ich aber ein Mann und sehr wohl in der Lage mir zu helfen." Er war wütend, ging vor ihm in die Hocke und ein leichtes Grinsen legte sich auf seine Lippen. Ein zufriedenes Grinsen. Es war gleich einer weniger in wenigen Sekunden.
„Meinst du, nach all dem hier, bist du besser als wir es waren?" Eine berechtigte Frage, doch der Arzt gab ihm keine Möglichkeit mehr, dass er seine Antwort hörte, sondern packte den Alten am Kopf und brach ihm mit einem geschickten Griff, das Genick. Er hatte es zu Ende gebracht, ihn getötet.
Den leblosen Körper ließ er auf dem kalten und dreckigen Boden liegen und ging dem Plan nach, sich darum zu kümmern, dass keine Spuren auf ihn zurückzuführen waren. Er räumte hinter sich auf, machte sauber und ließ den Tatort so aussehen, als wäre es einer von Vaughns Feinden gewesen, der ihn umlegen hatte lassen für eine Menge Geld, das mitgenommen wurde.
Tristan hatte sich schlaugemacht und wusste sehr genau, was zu tun war, um seinen eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
„Ihr wart es, die ein Monster aus mir gemacht haben", meinte er zum Schluss zu der Leiche, in einem fast schon enttäuschenden Ton.
„Es war euer Fehler gewesen, mich am Leben zu lassen. Ihr hättet wohl nicht damit gerechnet, dass ich zurückkommen werde, um euch genau das anzutun." Tristan schüttelte den Kopf und erhob sich, damit er diese Halle endlich verlassen konnte. Er musste das alles hinter sich lassen, weitergehen. Ben war vorerst in Sicherheit. Katie ebenso.
Was mit ihm war, spielte keine Rolle.
Er humpelte zu seinem Auto, setzte sich hinein und versuchte, dort erst einmal herunterzukommen, durchzuatmen. Dabei schmerzten ihm die Rippen, die Matthew mit einer Leichtigkeit getroffen hatte. Tristan betrachtete sein geschwollenes und blutendes Gesicht im Rückspiegel eine Weile, ehe er versuchte, zumindest das gröbste loszuwerden, zu stillen, auch wenn er wusste, dass das nicht möglich war.
Der Mann saß einige Zeit lang in seinem Wagen, versuchte Schadensbegrenzung zu betreiben, dabei war die Sonne schon dabei wieder aufzugehen. Am Horizont dämmerte es bereits und er wusste, dass es an der Zeit war, nach Hause zu fahren. Vollkommen egal, wie groß seine Angst im Moment war vor seinem Zuhause, er konnte nicht leugnen, dass ihm mit dieser Tat eine riesige Last von den Schultern gefallen war und er zumindest eine Weile in Frieden weitermachen konnte. Ganz gleich, wie die Konfrontation aussehen würde.
Er musste sich dieser stellen.
Ganz egal, wie es ausgehen würde.
Früher konnte er das alles noch verdecken, doch heute war das ein Ding der Unmöglichkeit. Womöglich würde Katie nun erfahren, wer oder was er war. Das würde das Ende seiner Beziehung und ihrer Freundschaft bedeuteten, aber er hatte das alles nur getan, um sie alle zu beschützen. Sie schwebten alle in Gefahr. Die letzten Wochen hatte er damit verbracht, auf sie alle noch besser aufzupassen, sie nicht aus den Augen zu verlieren und nun würde das das Ende sein, von allem, wenn sich herausstellte, was er getan hatte. All diese Angst, diese Gedanken, kamen in ihm hoch und Tristan erwischte sich dabei, wie er sich ein paar Tränen von den Wangen wischte, um sie loszuwerden. Nein, es war keine Zeit für Tränen. Er hatte es nicht verdient, zu trauern oder zu weinen, nicht darauf bezogen.
Er war müde. So schrecklich müde. Jahrelang ständig wachsam durch die Welt zu gehen, weil er wusste, dass an jeder Ecke Gefahr lauern konnte. Es war zu viel für ihn geworden. Doch niemand hätte ihm da helfen können.
Da musste er durch. Ganz gleich, wie es ausging.
Es fiel ihm schwer, sich auf die Fahrt zu konzentrieren, er war froh, dass er immer wieder an Ampeln und Kreuzungen halten musste, um durchatmen zu können. Somit dauerte sein Heimweg länger und obwohl New York zu jenen Städten gehörte, die nie schlief, konnte er beobachten, wie die Leute allmählich wach wurden und sich für den Alltag vorbereiteten. Sein Heimweg dauerte länger, als er dachte. Nachdem er sein Auto endlich geparkt hatte, indem sich sogar eine Tasche mit Klamotten befand, für den Fall der Fälle, dass er gehen musste, stieg er aus und blieb noch einen Moment unten stehen. Erst als er den Mut dazu aufbrachte, das Haus zu betreten, in dem er mit Katie zusammen wohnte. Er hoffte, dass sie schlafen würde, dann konnte er sich zumindest ein paar Minuten oder sogar Stunden zu ihr ins Bett legen, bevor es an der Zeit war, sich all dem zu stellen.
Und anstatt den Aufzug zu nehmen, entschied sich Tristan dazu, die Stockwerke nach oben zu gehen, wobei ihm jede einzelne Stufe vorkam, wie ein riesiges Hindernis, das er nur mit all seiner Kraft bewältigen konnte. Dementsprechend dauerte es eine Weile, bis er oben ankam und seine Haustür erreichte.
Vor dieser stand er eine ganze Weile, bis es ihm gelang, den richtigen Schlüssel ins Schloss zu stecken und leise einzutreten. Sein Herz hämmerte ihm gegen die Brust, jede Bewegung schmerzte, er hatte Angst, ihm war übel. Es kam eine Menge zusammen.
Und als ob das nicht genug war, wurde in der nächsten Sekunde seine größte Befürchtung wahr.
Katie war bereits wach und kam mit schnellen Schritten auf ihn zu. Auf ihrem Gesicht konnte er Angst und Sorge erkennen.
Die Frau, die er so sehr liebte. Er wusste, dass es an der Zeit war, ihr die Wahrheit zu sagen. Ganz egal, wie sehr es ihn davor graute.
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