Kapitel 2
Im Laufe des Nachmittages setzte der Regen in der Stadt ein, weshalb Tristan und Katie sich auf dem Heimweg beeilten. Dabei machten sie einen kleinen Abstecher in den Supermarkt, um für das heutige Abendessen einzukaufen. Der Arzt hatte sich vorgenommen, eine Kleinigkeit zuzubereiten, wenn Katie schon zu Besuch war und die Nacht bei ihm verbrachte.
Trotz allem war ihm eine Sache aufgefallen, die er sie fragen wollte. Sobald sie seine Wohnung betraten und sich ihrer Schuhe und Jacken entledigten, sprach er sie darauf an.
„Sag mal...", setzte er an, als sie gemeinsam in der Küche standen und er den kleinen Einkauf aus der Tüte ausräumte und in den dafür passenden Schränken, Laden und im Kühlschrank verstaute.
„Hat Veronica nichts dagegen, dass du die Nacht hier verbringst? Ich weiß nicht, man hört es eher selten, dass es Partner gut finden, wenn man die Nacht beim Ex-Verlobten verbringt." Tristan war direkt und sah Kathleen an, die sich ein wenig ertappt fühlte, wobei sich ein bedrückter Blick auf ihr Gesicht legte. Es war die Sorge, die aus ihm sprach, denn es war nicht in seinem Sinn, zwischen einer Beziehung zu stehen, die recht frisch war. Schon gar nicht als Ex-Partner. Das fühlte sich nicht richtig an und es war nicht in seinem Interesse, Streit oder Unbehagen zwischen Katie und Veronica zu schüren.
„Ist was?" Tristan hatte das Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben, nachdem eine Weile lang nichts von ihr als Antwort kam. Er war mit Sicherheit in ein Fettnäpfchen getreten, aber er wollte nicht, dass Katie deshalb Ärger bekam, nicht wegen ihm, Sie hatte es geschafft, weiterzumachen und jemanden neues zu finden.
„Nun...Veronica und ich – wir sind kein Paar mehr", verkündete sie und ein Seufzen kam der Gleichaltrigen über die Lippen. Jetzt war es Tristan, der recht bedrückt schaute, während er die Milchpackung in den Händen hielt und plötzlich nicht mehr wusste, was er damit anfangen sollte.
„Katie..." Er stellte die Flasche weg und machte einige Schritte auf seine Freundin zu, sah sie besorgt an.
„Warum hast du nichts gesagt? Wie lange schon?" Ein wenig verwirrte ihn die Situation, denn Kathleen war jemand, die einem sofort sagte, wenn sich etwas in ihrem Leben änderte, außerdem hatte sie mit Veronica so glücklich gewirkt. Ihre Freundin war nett, er hatte die Frau nämlich kennengelernt.
„Ich wollte es dir vorhin sagen. Beim Mittagessen schon, aber dann habe ich gemerkt, dass es dir nicht so gut geht und habe beschlossen, es auf den Abend zu verschieben. Wir haben uns letzte Woche getrennt, aber es ist alles in Ordnung. Mir geht es gut, wir sind im Guten auseinander gegangen, also mach dir keine Sorgen, okay?" Tristan sah ihr Lächeln und er wusste, dass es aufrichtig war, dass es ihr gut ging, ansonsten hätte er direkt Einspruch erhoben und etwas erwidert. Wenn Katie behauptete, dass es ihr gut ging, dann glaubte er ihr dies.
„Trotzdem hättest du es mir erzählen sollen." Er schluckte, überlegte einen Moment, ehe er die Arme ausbreitete, um sie auf eine Umarmung einzuladen. Und das ließ sich Katie nicht zweimal sagen, schmiegte sich sofort an seinen Körper und er spürte, wie sie ihre Arme um seinen Oberkörper legte und ihren Kopf an seine Brust lehnte.
„Ich weiß. Keine Sorge, ich hätte meine tröstende Umarmung schon eingefordert, Iceboi." Tristan seufzte, strich ihr sanft über das Haar und betrachtete sie einen Moment, wie sie bei ihm in den Armen lag und es genoss, festgehalten zu werden. Dafür hatte er Kathleen immer bewundert. Egal, was war, sie ging positiv durch diese Welt. Sie war der Inbegriff des Optimismus und sie schaffte es innerhalb kürzester Zeit weiterzumachen, nach vorne zu sehen und nicht das Negative an der ganzen Situation zu betrachten.
„Und bevor du fragst: Wir haben gemerkt, dass es nicht funktioniert, dass wir unterschiedliche Ansichten haben in gewissen Sachen und beschlossen, es sein zu lassen und Freundinnen zu bleiben. Also alles cool. Vielleicht habe ich auch deshalb darauf bestanden, heute hier bei dir sein zu können. Ein gutes Abendessen, eine Flasche Wein und ein kitschiger Film, den wir uns ansehen können. Mehr verlange ich nicht." Sie blickte zu ihm auf und schenkte ihm weiterhin ein glückliches Lächeln. Tristan erkannte am Strahlen ihrer Augen, dass sie das alles so meinte und dass es besser war, wenn er keine weiteren Fragen stellte. Sie löste sich von ihm, griff dabei nach seinen Händen und nickte bekräftigend.
„Du kümmerst dich jetzt ums Abendessen, ich gehe in der Zwischenzeit duschen und suche mir einen Film für nachher aus. Die Küche ist ganz dein." Sie grinste und Tristan konnte selbst nicht anders, als ihr ein Lächeln zu schenken. Im Grunde war nichts anders, es hatte sich kaum etwas geändert, außer, dass Katie nicht mehr hier wohnte, sondern ab und an zu Besuch war. Sie hatten weiterhin diesen vertrauten Umgang miteinander, sie schienen ihre Routine beizubehalten, gewisse Angewohnheiten, die in den Jahren entstanden und sich entwickelt hatten. Warum sie keine Beziehung mehr führten, war für beide unerklärlich, aber das spielte jetzt keine Rolle. Es lag hinter ihnen, es war Vergangenheit und Tristan froh, diese Frau nicht gänzlich verloren zu haben. Kathleen war für ihn immer ein fester Halt gewesen und das seitdem sie sich das erste Mal über den Weg gelaufen waren.
Als sie sich während des Studiums kennenlernten, war Katie der erste Mensch, den er seit einer langen Ewigkeit nah an sich herangelassen hatte. Sie war der Grund, dass er heute Mensch von heute war. Sie war der Ursache, warum er es geschafft hatte, mehr aus sich herauszukommen und das Leben ein wenig zu genießen. Sie hatte ihn in gewissen Charaktereigenschaften zu einem besseren Menschen gemacht. Es gab aber Probleme, von denen sie nichts wusste. Dinge, die dafür sorgten, dass sie ihn nicht mehr so sehen lassen würde, wie es im Moment war. Tristan hoffte, dass genau diese Sachen, dieser Abgrund, der in ihm schlummerte, niemals das Tageslicht erblickten.
„Bis dann", ihre Worte und der darauffolgende Kuss auf seine Wange, holten ihn wieder zurück in das Hier und Jetzt, wobei er doch einen Moment brauchte, um zu verstehen, was hier geschah. Danach rief er sich in Erinnerung, was ihr Plan war. Tristan räumte die Milch in den Kühlschrank, krempelte dann die Ärmel seines weißen Hemdes hoch, wusch sich die Hände und richtete sich die Kochutensilien her, die er benötigte, um ihnen einen schnellen Gemüseauflauf zu zaubern. Er schnitt das dafür passende Gemüse, kochte Reis und sobald er alles beisammenhatte, kam alles in eine Form und er schob das Essen in den Ofen. Er stand gerne in der Küche. Er war ein sehr guter Koch. Jeder der bis jetzt von seinen Speisen gekostet hatte, war vollkommen begeistert und es war nicht selten, dass seine Kollegen ihn fragten, wann er wieder etwas Leckeres mit in die Arbeit nahm. Er versorgte die Menschen gerne in seinem Umfeld und vielleicht war es an der Zeit, dass er mal ihre Freunde einlud, damit sie einen gemeinsamen, schönen Abend verbrachten.
„Ich bewundere dich manchmal echt dafür, dass du alles so schnell zubereiten kannst. Und dass du die ganzen Rezepte im Kopf hast." Katie war vom Duschen wieder zurück und hatte ihre Schlafsachen an, die aus einem Top und einer kurzen Hose bestand. Ihr Haar war nass und ohne eine Aufforderung, durchsuchte sie die Küche nach den passenden Tellern, holte Besteck aus einem Schrank und stellte die Sachen ordentlich gedeckt auf den Tisch. Sie griff nach zwei Weingläsern, während Tristan sich um den Pudding für die Nachspeise kümmerte.
„Nun, ich würde sagen, Übung macht den Meister und nachdem ich das schon seit Jahren mache, fällt mir das alles nicht besonders schwer." Er lächelte leicht, sah zu der Blonden hinüber, atmete dabei durch, schüttelte dann aber den Kopf.
„Gehen wir nach unserer Schicht frühstücken oder zauberst du uns etwas?"
„Dass sich bei dir die ganze Zeit alles um Essen dreht." Tristan konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
„Tristan Livingston, ich gestehe hier und jetzt, dass du ein unglaublich toller Koch bist und irgendwie vermisse ich es, jeden Tag ein gutes Frühstück auf den Tisch gestellt zu bekommen." Zumindest war sie ehrlich, aber das war Katie schon immer gewesen. Direkt und ehrlich.
„Nun, wenn du möchtest, dann zaubere ich uns nach der Nachtschicht ein Frühstück. Wie könnte ich auch nicht?" Der Arzt lächelte, füllte den Schokopudding in zwei Gefäße und räumte sie in den Kühlschrank, damit alles bis dahin auskühlte. Anschließend holte er einen passenden Wein zum Essen, öffnete die Flasche und stellte sie auf den Tisch, ehe er Katie ansah.
„Hast du dir denn schon einen Film ausgesucht?"
„Wie wäre es mit Titanic?" Der Mann hob verwundert die Augenbraue, sah sie ein wenig irritiert an. Zugegeben, vermutlich hätte Tristan bei jedem Filmvorschlag so reagiert, er war jetzt niemand, der sich gerne welche ansah, er war nicht der Mensch, der Zeit vor dem Fernseher oder dem Bildschirm verbrachte. Er zeichnete lieber oder er spielte Violine oder Klavier, um seine Freizeit so zu gestalten.
„Tristan, manchmal bist du wirklich altmodisch und hast einen ziemlichen Stock im Arsch", bekam er von ihr zu hören.
„Ich habe doch nichts dagegen gesagt. Wenn du möchtest, sehen wir uns den Film an." Die ganzen Streamingdienste hatte er sich nur wegen Katie zugelegt und bis heute hatte er die Abos nicht gekündigt, da er wusste, dass sie mit Sicherheit zu gebrauchen waren.
„Aber ich denke, ich stelle dann alles ein, wenn du das machst, explodiert womöglich der Fernseher", erklärte Katie, die ein Kichern nicht unterdrückte, und Tristan zog eine leichte Schnute.
„Ich habe nie geleugnet, dass ich mich mit dem Zeug einfach nicht auskenne."
„Ich sag ja, altmodisch. Du wirst 28 Jahre alt, Tristan. Von einem Mann deines Alters kann man doch schon einiges erwarten in der heutigen Zeit." Sie nahm ihn auf den Arm, aber sie sprach die Wahrheit aus.
„Auch wenn ich nicht verstehe, wie du ohne Probleme alle medizinischen Geräte bedienen kannst, aber geht es darum, Netflix einzuschalten oder unsere Kalender auf unseren Handys zu synchronisieren, du mich immer ansiehst, als wärst du der erste Mensch auf dieser Welt." Tristan fuhr sich durch das Haar und schüttelte den Kopf. Sie hatte recht mit ihren Worten, und ein wenig fühlte er sich ertappt. Dennoch wollte er das so nicht stehen lassen.
„Das ist doch etwas vollkommen anderes. Im OP, bei den Untersuchungen und Behandlungen brauche ich die Geräte Auf ein Smartphone kann ich ganz gut verzichten, da ich das Handy nur zum Telefonieren und höchstens zum Schreiben von Kurznachrichten brauche. Wenn ich ins Internet will, habe ich einen Computer." Er sah jetzt nicht ein, das zu lernen, wenn er seine Zeit durchaus besser verbringen konnte.
„Ja, schon gut, Opa. Macht dir ja keiner einen Vorwurf daraus. Deshalb hast du ja mich." Katie warf spielerisch ihr Haar nach hinten und griff nach der Flasche mit Wein und goss ihnen beide ein, reichte ihm ein Glas und stieß mit ihm an. Tristan schenkte ihr ein Lächeln, trank dann einen Schluck von dem Rotwein, stellte das Trinkglas weg und wurde doch ein wenig steif, als er unvorbereitet die kommende Frage von seiner Ex-Verlobten hörte.
„Was wollen wir denn an deinem Geburtstag machen?"
Diese Frage kam, wie jedes Jahr, vollkommen unvorbereitet. Sie war ihm unangenehm und am liebsten wünschte Tristan sich, dass Katie niemals herausgefunden hätte, wann er Geburtstag hatte. Dieser Tag war für ihn nach all der Zeit immer ein wunder Punkt, obwohl ihm die Frau, mit der er einige Jahre zusammen war, gezeigt hatte, dass er schön war und dass er seinen Geburtstag genießen konnte. Völlig gleich, was vor gut vierzehn Jahren geschehen war. Seine Hände ballte er zu Fäusten, sein Körper war angespannt und er schüttelte den Kopf.
„Katie..." Tristan wollte etwas sagen, aber man sah ihm an, dass es ihm schwerfiel, die richtigen Worte zu finden.
„Nein, vergiss es, Tristan. Wir feiern ihn. Ich weiß, du dachtest, dass du dich jetzt wieder in dein Schneckenhaus zurückziehen kannst, seitdem wir kein Paar mehr sind, aber du irrst dich. Ich lasse nicht zu, dass das passiert. Du warst lange genug alleine und wir haben deine letzten Geburtstage auch schön verbringen können. Also sag mir, welchen Wunsch du hast und ich kümmere mich darum." Ihm war klar, dass es hier nichts zu entgegnen gab, jede Art von Diskussion war zwecklos. Tristan gab sich geschlagen. Der elfte November war für ihn kein angenehmer Tag, er wusste, dass Kathleen es gut mit ihm meinte und nur versuchte, ihn auf andere Gedanken zu bringen. Auf positive und schöne Gedanken. Bislang war ihr das immer gelungen und nach ihrer Trennung hatte sich der Arzt darauf eingestellt, den Tag alleine zu verbringen, genau wie er sie bis dahin verbracht hatte, bevor er Katie überhaupt kennengelernt hatte.
„Mach dir ein paar Gedanken und in zwei Tagen sagst du mir Bescheid. Ich kümmere mich um den Rest, okay? Und jetzt setzen wir uns hin und essen in Ruhe. Ich brauch dich dann voll und ganz beim Film." Tristan seufzte und fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht.
„Also gut."
Sie aßen in aller Ruhe zu Abend, tranken ihren Wein. Nachdem Katie sich bereit erklärt hatte, den Tisch abzuräumen und zu spülen, entschied Tristan sich, eine Dusche zu nehmen. Er schnappte sich seinen Pyjama und begab sich damit ins Badezimmer. Dort stellte er sich für einige Minuten unter den heißen Wasserstrahl und versuchte den heutigen Tag von sich abzuwaschen und die gesamten Eindrücke zu verarbeiten. Es waren Momente, die er brauchte, um alles Revue passieren zu lassen, wobei ihm wieder die Nachricht einfiel, die er heute Morgen in seinem Briefkasten gefunden hatte.
Ich weiß, was du vorhast. Deine Pläne sind kein Geheimnis mehr für mich. Ich freue mich, dich wiederzusehen.
Die Nachricht lag mit der restlichen Post in einem unbeschrifteten Umschlag in seinem Briefkasten, es gab keine Unterschrift und doch wusste Tristan, wer sie ihm hatte zukommen lassen. Ihm war bewusst, wer diese Zeilen geschrieben hatte. Jemand hatte schon vor einiger Zeit herausgefunden, was er vorhatte. Dieser Brief hatte dafür gesorgt, dass er heute den ganzen Tag ein wenig abwesend gewirkt hatte, weshalb Katie ihn beim Mittagessen angesprochen hatte und sich um ihn sorgte. Doch Tristan konnte ihr nichts erzählen, er hatte es nie geschafft. Vermutlich würde das für immer ein Geheimnis bleiben, denn er hatte nicht vor, dass jemand davon erfuhr. Es war besser so.
Der Arzt ließ sich einige Minuten länger Zeit. Er rasierte sich, nachdem er aus der Dusche gestiegen war und sich abgetrocknet hatte. Sobald er angezogen war, trennte er die Wäsche, um die er sich morgen kümmerte. Danach kehrte er zu Katie ins Wohnzimmer zurück, die es sich schon mit dem Wein und dem Pudding gemütlich hatte. Ein Blick auf den Fernseher verriet ihm, dass sie es mit Titanic ernst meinte.
„Du hast am Fernseher schon wieder irgendetwas verstellt, Tristan", tadelte sie ihn.
„Habe ich nicht", entgegnete er ihr, in der Hoffnung, aus der Situation herauszukommen.
„Doch hast du. Das habe ich gesehen." Tristan verdrehte die Augen.
„Möglicherweise habe ich versucht, mir vor ein paar Tagen eine Doku anzusehen."
„Und dabei hast du den halben Fernseher komplett umgestellt?" Sie musste lachen, klopfte dann aber mit ihrer Hand auf den leeren Platz neben sich und Tristan zögerte nicht lange, sondern ließ sich dort nieder. Er legte den Arm um sie und ließ zu, dass sie sich an ihn kuschelte, ehe er sich eine Decke schnappte und sie damit zudeckte, während sie auf Play drückte.
„Leonardo und Kate sind einfach immer die beste Entscheidung", erklärte sie ihm, ehe sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte und die nächsten Stunden so genießend verbrachte. Tristan selbst wusste nicht, was er hier tat. Wenn es Katie half und sie glücklich machte, dann war es okay. Sich den Film zum gefühlten zwanzigsten Mal anzusehen und sie zu trösten. Seine Welt schien sich ruhiger zu drehen, wenn er mit ihr zusammen war. Alles um und in ihm wurde einfach still und er konzentrierte sich auf die wesentlichen Dinge im Leben.
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