Kapitel 51
"Find someone and live in awe of them."
-Atticus
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Camila
Vierzehn Monate später
Ich würde jeden Moment ersticken und es war mir - fast - kein bisschen peinlich, dass das im kleinsten Kämmerchen der Brave Church geschehen würde. So sehr ich mein Brautkleid liebte: Es war wie von Geisterhand zu eng geworden. War ich innerhalb von zwei Wochen noch dicker geworden oder lag mein Mangel an Luft an der klitzekleinen, nicht weiter beunruhigenden Tatsache, dass ich gleich heiraten würde?
Shawn.
Ich.
Heiraten.
Wie zum Teufel war das passiert?
Ich hatte mich mein ganzes Leben lang wie eine Marionette meiner selbst gefühlt und war davon überzeugt gewesen, tausend Gesichter tragen zu müssen, um Frieden zu finden. Doch das Geheimnis hatte, so sehr ich es auch zu verdrängen versucht hatte, einfach darin bestanden, mir das Fühlen zu erlauben und mich damit abzufinden, dass ein schmerzendes Herz nach jedem Brechen stärker schlug. In Shawns Armen konnte ich sein, wer auch immer ich wollte. Und es war... genug. Genug und vollkommen in Ordnung. Ich fragte mich, ob er manchmal froh darüber war, mich gerettet zu haben. Und ob er mich gerne liebte.
Jemand lächelte mich an und erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass es mein Spiegelbild war. Ich war mit Tränen, die meine Wangen hinab liefen und dem breitesten Grinsen in der Bride-to-be - Geschichte ein wandelnder Regenbogen. Doch ich verschwendete keine meiner wenigen Kraftreserven darauf, mich zu schämen und schloss die Augen, als die Hand meiner Mutter auf meiner Schulter landete.
„Hija", hauchte sie und die Liebe, die ihre Stimme erfüllte, war so offensichtlich, dass meine Brust zu schmerzen begann.
„Ist es etwas, worüber du reden willst?" Ich wusste, dass sie auf mein Weinen anspielte, doch ich schüttelte den Kopf.
„Vertrau mir Mamá. Es gibt nichts, was du nicht schon wüsstest."
Sie nickte und doch fand ich einen leisen Zweifel in ihren Augen. Beinahe entwich mir ein Grinsen. Manche Dinge änderten sich eben nie.
Die prophylaktische Angst in Mamás Gesicht verschwand durch den Arm, der jetzt an ihre Taille glitt, ebenso schnell, wie sie aufgetaucht war. Ihr Freund Feliciano, mit dem sie seit einem knappen halben Jahr ausging, zog sie an sich und drückte einen sanften Kuss auf ihre Schläfe. Ich schluckte zehn Klöße in meinem Hals hinunter. Es schien, als wären die verkorksten Cabellos-Estrabaos endlich angekommen. Felicianos gütige Augen streiften mich mit einem gleichermaßen beruhigenden wie schelmischen Blick.
„Mí amor, ich denke, wir sollten die Braut jetzt alleine lassen. Du weißt schon... Die letzten Augenblicke in Freiheit." Er zwinkerte. Ich erwiderte seinen Ausdruck.
„Glaub mir, Feli - Die Freiheit beginnt gerade erst."
Meine Mutter seufzte theatralisch. „Na schön. Aber das hier sollte ich dir noch geben."
Sie hielt inne und holte einen weißen Umschlag aus der Innentasche ihres Blazers.
„Dein Bräutigam lässt grüßen."
Ich werde sterben.
Viel zu schnell waren Mamá und Feliciano verschwunden und ich hielt mit bebenden Händen die Worte meiner Zukunft in der Hand. Die Worte meines Verlobten. Zitternd nahm ich einen Atemzug, der mir keine Millisekunde später wieder entglitt.
„Mí amor,
Jedes Mal, wenn du mein einziger Halt warst - und das bist du auch heute, hier und jetzt - hast du mich gefragt, was genau mir leid tut. Während ich diese Worte schreibe und auch, während du sie liest, kann ich dir sagen: Gar nichts. Nichts, das hierher geführt hat, wird mir jemals leidtun. Keinen Augenblick, in dem unsere Herzen geschunden oder geheilt waren, will ich missen. Jetzt nicht und auch nicht in fünf, zehn oder zwanzig Jahren. Denn ich vertraue darauf, dass mein Herz nie die richtigen Tanzschritte verlernen wird. Ich vertraue darauf, dass es für alles, was du bist und werden möchtest, schlagen wird.
Dank dir habe ich Bücher zu schätzen gelernt, deshalb möchte ich mit einem Zitat von John Green dafür sorgen, dass du mich noch mehr und tiefer liebst, als du es ohnehin schon tust.;)
'Es wäre mir eine Ehre, mir von dir das Herz brechen zu lassen.'
Und weißt du, wieso? Weil du der einzige Mensch bist, der es in ein- und demselben Schlag brechen und wieder zusammensetzen kann. Dafür, aber niemals nur dafür liebe und ehre ich dich und will es immer tun. Immer und immer wieder.
Mila?
Diese Welt dreht sich, weil dein Herz schlägt. Ich kann es kaum erwarten, meine Ehefrau zu küssen.
-Der verdammte Vollidiot, den du liebst
Ich hatte keine Ahnung, wo mein Lachen anfing und meine Tränen aufhörten. Womit hatte ich Shawn Peter Raul Mendes nur verdient? Vielleicht war das eine dieser Fragen, auf die das Leben keine Antwort gab. Vielleicht reichte es den Sternen bloß, dass man dankbar war. So lange, bis sie erloschen. Und noch länger.
„Hey."
Das leise Wort riss mich aus meiner Gefühlsexplosion und ich stellte mit Erstaunen fest, dass nichts von meinem Make-up ruiniert war. Meine Gedanken stoppten, als hinter mir Manny in den Spiegel sah. Der Vater meines zukünftigen Ehemannes lächelte und ich wusste, dass ich nicht alleine war und es niemals sein würde. Trotzdem kam ich nicht umhin, die Überraschung in meiner Stimme zu verbergen.
„Was machst du denn hier?"
Manuel lachte. „Na, wonach sieht's denn aus? Ich führe meine zweite Tochter zum Altar."
Ich hatte gar nicht mitbekommen, aufgestanden zu sein, aber ich wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis ich den Boden unter meinen Füßen verlor. Ich hatte meine Mutter gewiss nicht angelogen, als ich gesagt hatte, dass es nichts gäbe, was sie nicht schon wüsste, aber eine Sache hatte ich verdrängt. Eine Frage, die sich im selben Moment, in dem ich sie mir stellte, beantwortete.
Wie würde es sich anfühlen, einen Vater zu haben, der mich zum Altar führt?
Und jetzt, während der Vater meiner großen Liebe darauf wartete, dass ich mit ihm zu allem schritt, was ich jemals gewollt hatte, taten sich vor mir Erkenntnisse auf. Gefühle und Friedensangebote.
„Manny?", krächzte ich, zum fünften Mal in vierzig Sekunden den Tränen nahe.
„Ja, Camila?"
Pause.
„Ich glaube, ich bin gut, so wie ich bin."
Manuel Mendes lächelte und wenn ich es nicht besser gewusst hätte, glänzten auch seine Augen verdächtig.
„Und wie du das bist, Herzchen."
Pause.
"Bist du bereit?", fragte der Mann, der einfach so zugelassen hatte, dass ich Teil seiner Familie geworden war. Vielleicht würde ihm nie bewusst, welch ein Geschenk das war. Vielleicht doch. Wer wusste das schon?
Ich seufzte und lächelte. Es war so viel mehr als nur zur Gänze echt.
„Ich bin bereit, wenn er es ist."
„Hi."
„Hi."
Der Weg zum Altar war wie im Nebel an mir vorübergezogen und jetzt war ich da. So vollkommen, so ganz und so begierig auf jeden weiteren Tag mit Shawn an meiner Seite.
„Bist du bereit?", fragte er und nahm meine Hände in seine. Langsam, als hätte er Angst, etwas falsch zu machen. Dabei waren doch genau Dinge, von denen er glaubte, dass sie Fehler waren, Balsam für jeden Herz- und Wimpernschlag.
„Nein", antwortete ich viel zu ruhig, dafür dass es ich es ganz und gar nicht war und lächelte. In Shawns Augen sah ich alles und nichts. Nichts als Liebe. "Bist du es?"
„Nein", gab er zurück. „Tun wir's trotzdem?"
„Schätze schon."
Ich liebte unsere vollkommene Unfähigkeit, selbst in einem Augenblick wie diesem, ernst zu bleiben. Ich liebte es, dass wir wir waren.
Aus den Bänken der Kirche drang vereinzelt Gelächter. Wir fielen verklärt darauf ein. Dann schwebten wir. Viel zu schnell und viel zu langsam. Und irgendwann, nach dem letzten Immer küsste mich mein Ehemann. Ich war Camila Cabello-Mendes und dankbar für alle Versprechen und die Geborgenheit, die seine Lippen mir bescherten.
Jetzt.
Unsere Villa, in die mich Shawn irgendwann in den frühen Morgenstunden trug, war, selbst nach acht Monaten viel zu groß. Doch wir hätten genauso gut in einem Pizzakarton leben können - mein Zuhause waren seine Arme.
Shawn setzte mich ab, als wöge ich nicht mehr als eine Feder und musterte mich von oben bis unten. Bedächtig und genauso, wie ich ihn.
„Danke, Shawn", flüsterte ich.
Mein Mann - mein Mann - legte den Kopf schief.
„Wofür?"
Ich verliebte mich in jeder Sekunde so sehr in ihn, dass ich Mühe hatte, Luft zu holen.
„Dafür, dass du mich glücklich machst. Danke, dass... Danke für mein Zuhause."
Ich hatte an diesem Tag so viele Tränen vergossen, dass es auf ein paar mehr oder weniger nicht mehr ankam und doch tat ich mein Bestes, nicht zu weinen.
„Du bist mein Zuhause."
Ich hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, ob ich mir das Glitzern in seinen Seelenfenstern nur eingebildet hatte, weil er mich küsste. Gott, und wie er mich küsste.
Er war das Beste. Mein Gold.
Nach viel zu kurzer Zeit löste ich mich von ihm. „Shawn, ich... Ich glaube... Nein, ich glaube nicht... Ich muss dir etwas sagen."
Er nahm mein Gesicht in seine weichen und zugleich so rauen Hände und suchte meinen Blick.
„Okay", sagte er.
„Okay."
„Okay."
„Okay."
Okay. Und dann...
„Zwillinge", platzte es aus mir heraus.
Dieses Wort sagte absolut nichts aus und doch schien es das Einzige noch existente in meinem Wortschatz zu sein.
„Baby, ich glaube, ich kann dir nicht ganz folgen."
"Es... Es werden Zwillinge. Ich..."
Wow. Wow, wow, wow.
Langsam nahm die Verwirrung in seinen Augen eine Form des Verständnisses an und endlich, endlich fanden alle Fragen ihre Antworten.
„Du meinst, wir... Du bist schwanger?"
Wir weinten beide. Seit wann, wusste ich nicht.
„Ja, ich bin schwanger", flüsterte ich, mein Mund dicht an seinem. „Mit unseren Babys."
Shawn schüttelte den Kopf. Aus irgendeinem Grund wagte ich es nicht, seine Tränen fortzuwischen. Ein paar Leben vergingen, bevor wir uns wieder in die Augen blickten.
„Mir fehlen die Worte", gab er leise zu.
„Das ist okay, Liebling", sagte ich. „Mir fehlen sie auch."
„Ich liebe dich."
Ein Kuss.
„Ich liebe dich."
Ein zweiter Kuss.
„Ich liebe dich."
Ein dritter Kuss.
„Ich liebe dich."
Grinsend löste ich mich von ihm. „Ja? Auch dann, wenn ich dick, zickig und heißhungrig bin?"
Er lachte unter Tränen und strich mir über die Wange.
„Ja", stieß er aus. „Ich liebe dich. Ich liebe dich immer."
-
One... ONE (!!!) to go. :(
Love,
Maggs <3
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