Kapitel 28
„We were together.
I forgot the rest.
-Walt Whitman
•••
Shawn
Ich hatte schreckliche Lust, zu singen während sie auf meiner Brust lag und schlief. Seit Jahren besang ich ein Gefühl welches ich nicht kannte und als ich ihren regelmäßigen Atem vernahm und sicherstellen konnte, dass sie Frieden fand, begann ich mich zu fragen, ob all meine Vorstellungskraft für eine einzelne – und doch die größte – Empfindung, Camila jemals gerecht werden konnte. Denn einzig und allein sie hatte mich zu dem Glauben geführt, dass jeder Gedanke, den ich mit Melodien erschaffen hatte, irgendwo auf uns wartete. Die Liebe.
Unser Gefühl.
Nicht zum ersten Mal verfluchte ich die Ewigkeit dafür, dass sie nicht ewig war und küsste meine Freundin auf die Schläfe. Ich schälte mich aus dem Bett und summte eine meiner liebsten Melodien, während ich meine Zähne putzte.
Sunrise with you on my chest,
No blinds in the place, where I live...
Unser Gefühl.
Morgendliche Duschen waren immer so eine Sache. Eine nach einer durchzechten Nacht und eine völlig andere nach Stunden, die nicht einmal Tequila magisch werden lassen konnte. Denn es waren nur Mila und ich ineinander verschmolzen. Ich war heillos betrunken und wenn betrunken zu sein in meinem Fall bedeutete, dass ich mich konstant nach ihren schönen Lippen sehnte und ihre Finger an mir spüren wollte – tja, dann... sollte ich niemals wieder das Gefühl der Nüchternheit spüren. Mein Atem wurde schneller, flacher und auch meine Mitte befahl mir, mich um gerade einmal acht Uhr morgens zusammenzureißen. Ich wollte Camila. Und damit meinte ich verdammt noch mal nicht ihren sinnlichen Körper, sondern lechzte vielmehr, nach allem, was sie war. Vom allerersten Augenblick an.
Ich grinste und dachte, während warmes Wasser meinen Körper hinablief an Liyah. Ich dachte an meine kleine Schwester, an Mum, an Dad, an Andrew, an Jake... Selbst Camilas Boss schoss durch meinen Kopf. Sie alle verband eine Sache: Sie hatten vor mir, vor uns gewusst, was wir bedeuteten und noch nie empfand ich mehr Dankbarkeit vergangener Ahnungslosigkeit gegenüber, als jetzt.
Maktub.
Wie Recht es schon immer gehabt hatte, mein schlaues und wunderbares Mädchen. Ich wollte an die Zukunft denken. Es war, als wäre meine Seele masochistisch geworden, denn die Gedanken an unseren ersten Abschied und die Gewissheit, dass ich zu viel zurücklassen würde, sobald mich meine Welt wieder hatte, baten um Einlass. Doch ihre Seele gewann Überhand und ich zwang mich zu vier beruhigenden Worten.
Es steht alles geschrieben.
Auch, dass ich noch an meinen Haaren herumfummelte, obwohl sie längst fertig waren. Vielleicht war ich ein glücklicher Feigling. Denn der schönste nicht geträumte Traum entsprach noch immer der Realität. Zu leben und gelebt zu werden. Fühlen und gefühlt zu werden. Wie verrückt war das?
Mein Herz pumpte zu viel Blut durch meinen müden Körper als ich das Badezimmer unnatürlich langsam verließ und Mila erblickte. Sie war wach und... wunderschön. Himmel.
Ich brauchte Ablenkung, sonst würde ich flennen. Hemmungslos. Wäre so eine Reaktion denn angebracht? Möglicherweise. Ein wenig. Eher nicht.
Fuck, Mendes, komm mal wieder klar.
Zeit zu denken hatte ich ohnehin keine mehr, denn Camila war gemächlich und doch zügig vor mir zum Stillstand gekommen und musterte mich prüfend und liebevoll. Ich bekam es gerade noch hin, mich zu fragen, wann ich sie als nächstes küssen sollte, als sie mit ihrem linken Zeigefinger an meinem Unterkiefer entlangfuhr und ich eigentlich, zusammen mit meiner unvergleichlichen Ekstase, ein beklemmendes Gefühl hätte verspüren müssen. Oder etwa nicht? Schließlich war ich gerade gestorben. Oder schenkte mir Camila Cabello buchstäblich den Himmel auf Erden? Was auch immer es bedeutete, dass ich Sterne sah – ich wollte, dass die Ewigkeit ihrer endlich würdig wurde. Sie musste ewig sein. Ich schluckte schwer, als ihr Blick endlich meinen traf. Vermutlich sollte er etwas zwischen prüfend und streng darstellen, aber dafür war meine Freundin einfach zu süß und auf die Gefahr hin, dass ich bitter dafür bezahlen könnte, stahl sich ein Grinsen auf meine Lippen.
Ich liebe dich.
„Guten Morgen." Milas Stimme erfüllte Schlaftrunkenheit, doch sie wurde völlig nebensächlich, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und unsere Nasen aneinanderprallen ließ. Mein Atem wurde flach und mein Herz rebellierte, bevor wir beide Erlösung erfuhren und unsere Münder sich berührten. Ihre Leidenschaft traf mich mit voller Wucht und ich wollte nie wieder nicht darin versinken. Doch bevor ich unser Spiel befeuern konnte, indem ich mit der Zunge über Camilas Unterlippe strich, löste sie sich von mir und ich erwachte höchst unfreiwillig aus meiner Trance.
„Guten Morgen", raunte ich und umfasste ihre Wangen.
„Javi, mein Chef aus dem Tanzstudio, hat mir gerade geschrieben", begann sie und fuhr mit einer Hand durch meine Locken. Ich grinste, obwohl ich hätte versuchen müssen, es nicht zu tun.
„Hat er das?"
„Ja und er sagt, dass auf mysteriöse Art und Weise fünfhunderttausend Dollar auf unserem Spendenkonto sind. Der Spender ist anonym und das Geld ist fast um das Doppelte höher als die Beträge, die wir normalerweise von unseren Sponsoren bekommen. Es reicht , um uns ein weiteres Jahr über Wasser zu halten. Ziemlich seltsam, findest du nicht?"
Ich drückte einen Kuss auf ihre Nasenspitze und betonte meine nächsten Worte besonders. „Ein bisschen, aber irgendwie auch nicht."
Sie las mich wie ein offenes Buch und ich wollte, dass es nie wieder anders war.
„Shawn..."
Ich begann, Küsse auf ihrem Hals zu verteilen und genoss die Auswirkung, die das auf ihren Puls und ihre Atmung hatte. Es kostete sie größte Mühe, standhaft zu bleiben und mich wieder dazu zu bewegen, in ihre Augen zu sehen.
„Ja?"
Sie riss sich ein klein wenig von mir los und musterte meine, vermutlich geschwollenen, Lippen.
Du bist wunderschön.
In ihren Augen fand ich ein Schuldgefühl, das mir das Herz brach.
„Shawn, warst du das?"
Ich hob eine Schulter, grinste und konnte nicht anders.
„Wer weiß das schon?"
Meine Freundin schlug mir gegen dieselbe, bevor sie die Augen verdrehte, ohne wirklich sauer zu sein. Camila starrte zu Boden, bevor sie ihr Gesicht an meiner Brust vergrub. Ob sie meinen Puls spürte? Den, der längst nicht mehr so ruhig und gleichmäßig war, wie gerade eben? Was ich getan hatte, schien sie zu bedrücken und mein Herz wurde mit jeder Sekunde enger.
„Das hättest du nicht tun müssen", brachte sie hervor, als sie mich wieder in ihre Seele blicken ließ.
„Hätte ich nicht, das stimmt. Das würde aber voraussetzen, dass ich nicht sehen wollen würde, was es bedeutet, zu lieben."
Mila legte ihren Kopf schief. Sie schien ungeheuer neugierig, herauszufinden, wovon ich sprach. Ich umfasste ihr Gesicht und schwieg so lange, bis sie bereit war, mich zu hören.
„So oft hätte ich alles dafür gegeben, zu wissen, wie man Liebe in Worte fassen könnte. Manchen Songs hätte das bestimmt geholfen." Ich lachte und es klang absolut nicht entspannt. „Um ehrlich zu sein hatte ich, selbst wenn ich glaubte, dahinter gekommen zu sein, keine Ahnung. Alles, was ich vorher darüber hätte denken können, ist Schwachsinn. Alles vor dir." Ich schloss die Augen, öffnete sie wieder und holte Luft.
„Es ist Liebe, wenn du zulässt, dass dich die Musik fortträgt. Es ist Liebe, wie du dich bewegst und wie du stillstehst, um auf die schönste Melodie zu warten. Es ist Liebe, dass ich sie in deinen Augen sehe, wenn Corazón tanzt. Es ist Liebe, wenn du schweigst und alles sagst. Wenn du lachst, bis deine schönsten Tränen fließen, ist es Liebe. Du bist Liebe und ich will dass du sie erfährst. Ich will, dass ihr jeden Tag, den ihr länger tanzt, mehr davon spürt. Ich will dich lieben."
Zuerst schien es, als würden wir beide, es nicht wagen zu atmen, um meine Worte sacken zu lassen. Fünf Sekunden. Weiter, bis es zehn waren. Weiter, bis es fünfzehn waren. Camila öffnete ihren Mund und atmete ein, um Zeit zu gewinnen. Ganz so, als wäre jedes Wort, das ihr als nächstes über die Lippen kommen könnte, zum Zerbrechen verurteilt.
„Wo bist du nur gewesen?"
Ihr Lied und Windstoß einer Frage zugleich traf mich bis ins Mark und ich schluckte, um nicht die Fassung zu verlieren.
„Ich weiß es nicht, Baby", sagte ich, nicht viel lauter als sie es getan hatte, und strich über ihr Kinn, weiter bis zu ihren Lippen. Fast. Meine Stirn lag wieder an ihrer.
„Aber ich bin hier. Jetzt."
Kaum hatten sich unsere Lippen wieder gefunden, wurden wir durch das Vibrieren in meiner Hosentasche aus dem Traum der Wirklichkeit gerissen.
„Verdammt", murmelte ich, immer noch einen Nanometer vom Mund meiner Freundin entfernt. „Das ist bestimmt Andrew."
Camila trat einen Schritt nach hinten und warf ihren Kopf in den Nacken, um ihre Haare zu einem unordentlichen Dutt zusammenzubinden. Ich liebte es, dass sie kleiner war als ich und sich auf die Zehenspitzen stellen musste, um mich zu berühren. Ihre Augen sandten Funken durch meinen Körper, als sie fragte:
„Kommst du mit? Wir wollten nochmal tanzen, bevor wir wieder nach Miami fliegen."
Meinen Seufzer stieß ich tief aus der Brust und verdrängte die Übelkeit, die in mir aufkam, als ich mir unwillkürlich wieder in Erinnerung rief, wie viele Kilometer viel zu bald zwischen uns stehen würden. Es war verrückt, wie sehr man die Realität in einem Augenblick noch umarmen und im nächsten zu Tode prügeln wollte.
„Ich kann nicht. Andrew kämpft schon mit einem Herzinfarkt, weil ich die Show hier habe sausen lassen und wenn ich nicht heute, oder eher, jetzt sofort, anfange, für Pittsburgh zu proben, bringt er mich um."
„Oh..."
Camilas Augen verrieten ihre Unbehaglichkeit nicht weniger, als die Haarsträhne, die sie sich hinters Ohr klemmte.
„Stört es ihn, dass..."
Schneller als mein Verstand und mein Herz gemeinsam sein konnten, drückte ich meine Lippen wieder auf ihre und ließ meinen Daumen über ihre Wange kreisen, um ihre Zweifel zu ersticken.
„Er liebt dich, Süße. Alle lieben dich, aber am Ende des Tages ist Andrew Gertler immer noch ein knallharter Geschäftsmann." Sie lachte und ich spürte den nächsten Sternengruß.
„Rufst du mich an?" Ich nickte und wollte sie küssen.
„Shawn?"
Ihre Stimme bebte und ich wollte sie küssen.
„Ja?"
„Ich liebe dich", flüsterte sie und ich wollte. Sie küssen und sie halten, bis wir ganz wir waren.
„Ich liebe dich auch, Mariposita. So sehr."
Wir nahmen uns für Küsse Zeit, die uns nicht blieb. Und jedes Mal, wenn wir Luft holten, um einander zu inhalieren, war sie vollkommen da. Liebe in ihrer reinsten Form.
Ich würde explodieren. Was ich mir vorstellte, als nächstes zu tun, war vollkommen unangebracht und illegal noch dazu und doch warf sich mir ganz kurz die Frage auf, wie hoch die Kaution, um mich aus dem Knast rauszuholen, wohl wäre. Genau dort würde ich landen, wenn dieser Typ, der eigentlich bloß Camilas Tanzpartner war, ihr noch einmal zu nahe kam. Die Probe war früher geendet als geplant und ich wusste, dass mein bester Freund Brian, der mich auf Schritt und Tritt, begleitete, mich prüfend von der Seite musterte.
„Alter, du weißt schon, dass das alles Teil der Choreografie ist, oder?"
Du bist ein Beobachter der Extraklasse, Craigen.
„Sehe ich etwa aus, als würde ich das nicht wissen?"
Es war mir egal, dass mein Ton so scharf war, dass sogar mein engster Freund zusammenzuckte. Brian Craigen zuckte nie zusammen.
„Du siehst vor allem so aus, als würde es hier gleich Tote geben." Er klang ganz und gar nicht so, als würde er es nicht ernst meinen. Wohl, weil er wusste, wie ernst ich es meinte. Was auch immer es sein sollte.
„Kannst du mir einen Gefallen tun und Luft holen? Denkst du, das kriegst du hin?"
„Brian... Lass es einfach gut sein, ja?"
„Ich bin ein Meister im Gut-sein-lassen. Aber bevor ich ihn hier..." Sein Blick wanderte zu dem Typen, der Camila gerade an der Hand nahm, „... den Wölfen zum Fraß vorwerfe, indem ich zur Toilette gehe, will ich dir noch eine Sache sagen, weil ich nicht sicher bin, ob du sie inzwischen verstanden hast... Sie liebt dich, Mendes. Sie liebt dich, okay?"
Ich nickte abwesend und kaum war Brian verschwunden, schien das Schicksal Lust auf eine kleine Showeinlage zu bekommen, denn die Musik verstummte. Offenbar machten mein Mädchen und der Fummler gerade eine Pause. Viel schneller, als mir jemals lieb gewesen wäre, lehnte er neben mir an der Wand und trank aus seiner Wasserflasche.
„Finger weg."
Mein Gedanke war wohl zum Wort geworden und ich bereute es kein bisschen.
„Was?" Oh, er sprach tatsächlich.
Ich stieß mich ab, um ihn genauer ins Visier zu nehmen. Natürlich war er mit schwarzen Haaren, dunklen Augen und einem Latino-Schmunzeln in der Miene der verdammte nächste Enrique Iglesias.
Ich atmete ein und wieder aus und löste meine schmerzenden Finger aus den Fäusten, die ich geballt hatte.
„Keinen Schimmer, ob dir das schon jemand gesagt hat, aber die Frau mit der du gerade getanzt hast, ist die Frau, die ich liebe. Ich liebe sie wirklich und ich..."
„Ich bin schwul, Mann."
Ich war drauf und dran, zurückzufeuern, als ich verstand, was er da gerade von sich gegeben hatte.
„Was soll das heißen, du bist..."
„Ich bin homosexuell", wiederholte er und grinste. Mit einem Mal traf mich die Wahrheit wie ein Stromschlag. Ich war ein Vollidiot.
„Deine Freundin und ich, wir tanzen nur miteinander. Mehr ist es nicht." Er betonte seine letzten Worte so sehr, dass ich nichts gegen die erleichterte Luft tun konnte, die ich ausstieß. Der Typ streckte seine Hand aus und grinste wieder.
„Ich bin Matteo und keine Angst... Du bist nicht mein Typ."
Ich musste lachen und erwiderte seinen Händedruck. „Shawn."
Er nickte, als würde er es nicht ganz genau wissen und sah wieder zu Camila, die gerade mit einer jungen Blondine vor dem Spiegel Schritte durchging.
„Tu' ihr nicht weh, okay?"
Mein Herz stach und ich nickte, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
„Das werde ich nicht."
Matteo schien mir zu glauben und räusperte sich.
„Was ist das Schönste?", fragte er. Wie auf Kommando ertönte das Lachen der Frau, die binnen eines Herzschlages alles für mich geworden war.
„Sie", sagte ich und wusste, dass die Welt sich drehte. „Sie ist das Schönste."
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Es tut mir absolut, unglaublich und so leid, dass ihr so lange nichts von mir gehört habt, aber die Worte wollten nicht so recht aufs Papier :P :O
Ich hoffe, ihr seid nicht allzu sauer und, dass euch das neue Kapitel trotzdem gefällt. <3
Noch etwas: Ihr werdet vielleicht gemerkt haben, dass ich mich, was die Tour betrifft, nicht wirklich an die richtigen Daten halte. Shawn ist natürlich in allen diesen Städten aufgetreten, aber nicht in "meiner "Reihenfolge. :D Ich hoffe, für euch ist das kein Problem. <3
Ganz viel Liebe und SORRY nochmal,
Maggie <3
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