Kapitel 23
"It seems to me, that love could be labeled poison, and we'd drink it anyways."
-Atticus
•••
Camila
Es geschah alles in Zeitlupe. Wisst ihr, wie schrecklich es sich anfühlt, nichts tun zu können, obwohl es sich keine zehn Schritte entfernt von einem abspielt? Shawn hatte so müde ausgesehen. Und der letzte Blick, den er mir geschenkt hatte, bevor er zusammengebrochen war, spiegelte die Angst vor dem Fall wider. Und jetzt lag er reglos auf dem Boden und die ganze Welt wechselte von der Zeitlupe in die Vollbremsung.
Was passiert hier?
Obwohl die Angst mich zu lähmen schien, kniete ich binnen Sekunden neben Shawn auf den Fliesen. Er war leichenblass und ich versuchte mir einzureden, dass sich seine Brust immer noch regelmäßig hob und senkte. Er atmete. Er musste atmen.
Es ist alles in Ordnung. Es ist alles gut und so wird es auch bleiben.
„Shawn!"
Jede Panik, die sich tief in mir vergraben hatte, jede Verzweiflung, die es mir als Mensch möglich war, zu empfinden, brach Bahn. Ich legte meine Hände um sein Gesicht. Es war kalt wie das Eis in mir und heiß wie das Feuer in ihm. Für meine Tränen durfte kein Platz sein und doch bahnten sie sich ihren Weg über meine Wangen und durchnässten das marineblaue T-Shirt des Mannes, der so schnell so viel für mich geworden war.
So schnell alles.
Shawns Augenlider flatterten. Kurz sah ich die starke Farbe seiner Iris, die jetzt nichts als Erschöpfung trug. Er versuchte zu schlucken, doch es gelang ihm nicht. Er keuchte und alles, wofür er noch genug Kraft hatte, war mein Name.
„Mila..."
Wieder verlor er das Bewusstsein und ich glaubte, sterben zu müssen.
„Shawn, bleib hier. Bitte. Du musst bei mir bleiben und kämpfen. Ich brauche dich..."
Mein eigener Schluchzer verhinderte jedes weitere meiner Worte, während ich ihn sanft und viel zu schnell schüttelte.
„Shawn, komm schon. Ich..."
Ich kann nicht ohne dich...
Ein neuer Schrei zerriss die Luft. Wahrscheinlich gehörte er zu mir. Ich sah es und sah trotzdem nichts mehr.
Dass Juan mich wegzog, den Krankenwagen rief. Dass er Shawn eine Decke über Beine und Brust legte und seine Stirn mit Tüchern kühlte. Dass der Notarzt hereinstürmte. Ich beantwortete Fragen und hörte meine Stimme nicht. Shawn wurde mit Sauerstoff versorgt und kleine Teile von Worten drangen trotz allem an meine rauschenden Ohren.
Blutdruck sinkt....
Puls immer niedriger...
Atemstillstand...
Tempo...
Adrenalin, ein Milligramm...
Und dann verschwanden sie. Oder wollten es. Ich fand mit einem Mal wieder Luft. Und schrie, obwohl mein Herz nicht länger schlug.
„NEIN!!"
Juans väterliche Arme umschlossen mich und hielten, was eigentlich nicht länger zu halten war.
„Camila... Atme. Bleibe bei mir. Es tut mir so leid, cariña. Es tut mir wahnsinnig leid."
„Juan, er..." Ich bebte. Taub. „Er war... Er darf nicht..."
Vollständige Sätze waren zu viel verlangt. Schwach zu sein, während er kämpfte, war zu viel verlangt.
Mein Boss, der eine größere Vaterfigur darstellte, als es jemand anderer jemals für mich würde sein können, drückte mir einen Kuss auf den Scheitel.
„So etwas darfst du nicht einmal denken. Hörst du mich?"
Juan zwang mich, ihn anzusehen. Meine Beine waren schwer wie Blei und es war mehr als nur ein Wunder, dass sie noch nicht nachgegeben hatten.
„Ich kenne diesen Jungen noch nicht lange, aber was ich gesehen habe, reicht. Und Shawn? Shawn wird das schon schaffen."
„Er weiß es nicht", hörte ich mich selbst sagen. „Ich habe ihm nie gesagt..."
Ich habe ihm nie gesagt, dass ich ihn liebe.
„Camilita, er weiß es. Vertrau mir."
In Juans Augen standen Zuversicht und Ruhe, so wie ich sie noch nie gesehen hatte. Und ganz kurz erlaubte ich mir, an seinen Worten festzuhalten.
„Wer sind Sie, Miss?", fragte die Frau hinter dem Empfangstresen mit zusammengezogenen Augenbrauen und meine Brust wurde zu eng, als dass ich Luft bekommen hätte.
Ich weiß es nicht. Ich weiß wirklich nicht, wer ich bin.
„Shawn Mendes' Freundin."
Hatte ich vergessen, dass Juan neben mir stand, wurde es mir spätestens jetzt wieder völlig bewusst.
Ich konnte nicht gegen seine Lüge protestieren, doch dass die Zeit gegen mich lief, spielte keine Rolle.
Gegen Shawn darf sie nicht laufen...
„Der Rest seiner Familie sitzt dort drüben. Nehmen Sie einfach Platz", nickte sie.
Der Knoten in meinem Magen wuchs und wieder musste ich mit aller Kraft verhindern, in Ohnmacht zu fallen. Neben den Stühlen drückte Juan ein letztes Mal meinen Arm, bevor ich Platz nahm. Eine Frau mit blondem Haar blickte auf und trotz Müdigkeit verrieten ihre Augen nichts als Güte. Sie streckte mir lächelnd ihre Hand entgegen.
„Hallo, Herzchen, schön dich kennenzulernen. Ich bin Karen. Shawns Mutter."
Ich nickte zu heftig.
„Die Freude ist ganz meinerseits", gab ich zurück, obwohl es schlimmere Umstände für solch einen Satz nicht geben konnte. „Mein Name ist Camila Cabello."
„Unser Sohn hat viel von dir erzählt", hörte ich vor mir. Shawns Vater. Es musste sich um Shawns Vater handeln, denn ich sah Shawns Augen, als ich aufblickte.
„Wirklich?" Ich versagte jämmerlich darin, meine Überraschung zu verbergen und es tat beinahe gut, tiefes Lachen zu hören.
„Oh ja. Wirklich. Ich bin übrigens Manuel. Manny."
Schwach erwiderte ich sein Grinsen, obwohl meine Augen brannten und ich kurz davor war, zusammenzusacken.
Wieder war meine Zunge schneller als mein Verstand.
„Es tut mir so leid."
„Nicht", sprach Karen sanft und legte eine Hand auf meine Schulter.
„Natürlich wünschte ich, wir hätten uns unter anderen Umständen kennengelernt, aber Liebes... Nichts was passiert ist, ist deine Schuld."
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie weiterredete.
„Vielleicht wäre Shawn gar nicht mehr hier, wenn es dich nicht gäbe."
„Das dürfen Sie nicht denken", krächzte ich. „Shawn ist unglaublich stark. Er ist der Sohn seiner Eltern." Ich kicherte schwach.
Alle Schuldzuweisungen und Ängste verblassten, als sich eine Tür öffnete und ein Halbgott in Weiß heraustrat.
„Ich habe gute Neuigkeiten", sagte er und ich keuchte wie eine Ertrinkende.
Er lebt. Shawn wird leben.
„Mr. Mendes ist außer Gefahr. Allerdings macht mir die Menge an Opiaten in seinem Blut Sorgen."
„Wovon sprechen Sie?" Manuel hob alarmiert seine Stimme.
Der Arzt räusperte sich. Gleichgültig. Neutral.
Arschloch.
„Im Körper ihres Sohnes wurde eine erhöhte Dosis an Beruhigungsmitteln gefunden. Er hatte großes Glück, weil wir umgehend handeln konnten. Andernfalls wäre... Vermutlich hätten wir ihn nicht mehr retten können."
Halt die Klappe. Er ist hier. Er lebt.
„Wie geht es ihm jetzt?" In Karens Stimme schwang trotz ihrer Sorge ein Haufen Erleichterung mit.
Der Arzt trat unschlüssig von einem Bein aufs andere. „Er ist bei Bewusstsein, aber noch ziemlich müde und schwach. Es wäre besser, wenn ihn zunächst nur eine Person besucht."
Prompt lagen alle Augenpaare auf mir. Ich schluckte.
„Ich glaube, das ist keine gute Idee."
Meine Stimme hörte sich längst nicht mehr nach meiner an.
Shawns Mutter nickte bekräftigend. „Doch. Doch, das ist es. Glaub mir."
Ein Lächeln aus tiefstem Herzen traf mich, bevor mein eigenes stehenblieb.
„Öffne deine Seele. Zeige meinem Sohn, wonach er sein ganzes Leben gesucht hat"
Ich brachte ein sinnloses Nicken zustande und fühlte mich, als wäre ich einem Abgrund nahe, als ich mich erhob. Ich atmete tief ein und wieder aus, bevor mich Shawns Vater davon abhielt, die Klinke nach unten zu drücken.
„Camila?"
Ich schloss meine Augen. Öffnete sie wieder.
„Ja?"
Ein Herzschlag.
„Er ist verrückt nach dir."
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Hier das nächste Kapitel für euch! <3 Shawn ist über den Berg... Gott sei Dank. <3
Was denkt ihr, wie es weitergeht? :) Freue mich sehr auf eure Meinungen! <3
Alles Liebe,
Maggie :D <3
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