
Start
Es war eine dunkle, kalte Nacht, was auch sonst. Perfekt für Morde oder was auch immer Kriminelle nun mal so taten. Das übliche halt. Eine kühle Brise die durch die Straßen der Stadt - naja, eigentlich war Tokio eher eine Großstadt - wehte, eine dunkle Nacht die nur von Sternen oder in diesem Fall vom Licht der vielen Straßen erhellt wurde. Eine einsame geheimnisvolle Figur die schweigend auf den Rest der Welt herunterblickte und wahrscheinlich über den Sinn des Lebens nachdachte. So eine Szene die perfekt für den Anfang eines Filmes oder einer Anime Serie (schließlich lag Tokio in Japan) geeignet gewesen wäre. Total Klischeehaft. Aber irgendwoher mussten solche Klischee ja kommen.
Tokio war eine wunderschöne Stadt, in dem wunderschönen Land Japan. Zumindest behaupteten das viele ausländische Touristen. Selbst zu einer so späten Stunde waren noch immer Menschen unterwegs, von der Arbeit auf den weg nach Hause oder sie konnten es sich einfach leisten, nicht zu Schlafen. Freunde tummelten sich an verschiedenen Läden und Fast Food Ständen oder gingen bloß herum. Und doch bemerkte niemand diese einsame Gestalt auf dem Dach des Hochhauses. Wahrscheinlich hätten sie sich aber auch nicht gekümmert, selbst wenn sie sie bemerkt hätten.
So war das doch immer. Menschen kümmerten sich nicht um Fremde. Nie. Fast nie. Natürlich gab es immer diese Ausnahmen, gute Seelen die anderen halfen, doch von denen gab es nur wenige. Viel zu wenige. Wenn es mehr von solchen Menschen gäbe, wäre die Erde vielleicht kein so grausamer Ort gewesen. Grausam und einsam. So einsam wie sich die Figur aus dem Dach auch fühlte. Denn sie war einer der Personen, die kein Glück im Leben hatten.
Zum Glück - welch eine Ironie - gab es eine Möglichkeit, dem zu entkommen. Die Gestalt trat etwas näher a den Rand heran. Es war eine schöne Aussicht. Riesige digitale Bildschirme schmückten die Hochhäuser Tokios. Die Straßen, die wie Linien aus Lichtern aussahen, schlängelten sich zwischen den Gebäuden durch die Stadt. In der Ferne glitzerte Wasser im Mondlicht und Berge waren am Horizont zu erkennen. Es kam einem fast traumhaft vor. Ein Traumhaftes Bild. Genau was eine Person als letztes sehen wollen würde.
Die Gestalt auf dem Dach nahm einen tiefen Atemzug. Die kühle Nachtluft brannte fast in den Lungen, jedoch spürte sie das kaum. Wenn Menschen in ihrem Leben viel durchgemacht haben verspüren sie irgendwann keinen Schmerz mehr. Jedenfalls nicht so richtig. Eigentlich ist er noch da, doch sie werden sich so sehr daran gewöhnt haben, dass sie ihn nicht mehr bemerken. Menschliche Seelen waren etwas zerbrechliches. Klar, sie konnten auch stark sein, doch im Grunde konnte jede Seele zerbrochen werden.
Eine seelische Wunde verheilte niemals so wirklich. Sie würde immer in einer gewissen Form da bleiben. Und einige Menschen hatten davon zu viele. Genau so wie die Figur. Sie hatte viel durchlebt, viele Verluste erlitten, Schmerz verspürt. Und nun war sie bereit, dem ein Ende zu setzen. Sie wollte nicht mehr leiden. Nie wieder. Fest entschlossen machte die Gestalt einen Schritt, direkt von der Kante des Gebäudes.
Wenn sich irgendeine Person jemals gefragt hatte, wie sich Fliegen anfühlt, dann war Fallen wahrscheinlich das, was dem jemals am nächsten kommen würde. Denn in diesen wenigen Augenblicken des Fallens fühlte sich die Gestalt frei. Frei von ihrem jahrelangen Schmerz, frei von der Einsamkeit, frei von allem Leid. Einfach nur frei. Auch wenn nur für wenige Sekunden. Es waren die wunderbarsten Sekunden dieses armen Lebens. Und dann, nichts.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro