Gestohlene Dokumente und zerbrochene Tassen
Wenn ihr es noch nicht gesehen habt, ich habe vorgestern einen Rumtreiber-OneShot hochgeladen (Jily, Wolfstar, eine Wette und eine Menge Spaß). Wenn ihr also für so etwas zu begeistern seid, dann solltet ihr da auf jeden Fall noch vorbeischauen.
Titel: "...und natürlich geschah es durch eine Wette..."
Oh - und habt ihr gesehen? Es gibt jetzt einen superschicken Sticker auf dem Cover, weil diese Geschichte den ersten Platz in der Kategorie "Hermine Granger" beim Always-Award 2020 gemacht hat! Cool, oder?
~~~~~
Kapitel 17 - Gestohlene Dokumente und zerbrochene Tassen
Hermine Granger disappariert. Hermine. Granger. Disappariert. Und Draco bleibt zurück, wie ein geprügelter Hund. Zu sagen, dass er mit der Situation vollkommen überfordert ist, wäre wie zu sagen, dass Harry Potter ganz passabel im Quidditch ist. Oder dass die Malfoys Leute mit reinem Blut tendenziell bevorzugen. Es wäre die Übertreibung des Jahrhunderts.
Hermine Granger. Ausgerechnet Hermine Granger. Draco kann es einfach nicht fassen. Sie hat doch ein perfektes Leben? Kriegsheldin, sicherer Arbeitsplatz im Ministerium auf Lebenszeit – potentiell sogar irgendwann der des Zaubereiministers, die romantische Liebesgeschichte mit Weasley, für die ganz Hogwarts einen Platz in der ersten Reihe haben durfte und Freunde die wortwörtlich für sie sterben würden. Was in aller Welt will sie mehr? Warum zur Hölle würde sie das aufgeben, um als Niemand neu anzufangen?
Draco versucht, sich aus den Hinweisen, die er über die letzten Wochen von Clara bekommen hat, ein Puzzle zusammen zu setzen, wer sie ist. Aber er klappt nicht. Er kann die lächerlich kleine, wahnsinnig disziplinierte, aber auch extrem sarkastische Clara, mit ihrer Augenbraue und ihrem Fetakäse-Spinat-und-Tomatensandwich nicht mit der überheblichen Besserwisserin, der geradezu lachhaft stereotypen Streberin, dem perfekten Vorzeigemädchen Hermine Granger zusammenbringen. Es geht einfach nicht.
Er beschließt, dass ihm seine Augen einen Streich gespielt haben. Clara ist nicht Granger. Sie könnte jeder sein, bevor sie Granger wäre. Granger ist nicht witzig, sie ist nicht nett, sie würde sich nicht über seine Nudeln lustig machen (außerdem kann sie bestimmt kochen, weil sie so perfekt in allem ist). Sie würde nie im Leben den Todessern verzeihen und würde ganz sicher nicht mit einem auf ein Date gehen.
Aber... Hermine Granger würde sich in einem Pub in Hogsmeade gemütlich mit Professor McGonagall unterhalten. Sie hätte einen Vertrauensschülerpin, den sie mit ins Büro nehmen könnte und sie würde in ihrer Wohnung alle Fotos abnehmen, bevor jemand kommt. Granger wäre mit Ginny Weasley befreundet und hätte einen Ex-Verlobten, der Ron heißt, wenn auch nicht Talbot mit Nachnamen.
Seit sicher zehn Minuten steht Draco in der kleinen Nebengasse und starrt auf den Fleck, wo Clara...Hermine? gerade verschwunden ist. Und jetzt gesteht er sich endlich ein, dass die Frau, mit der er die letzten vier Monate verbracht hat, tatsächlich Hermine Granger sein könnte.
Was mache ich jetzt?, fährt es ihm durch den Kopf und er rauft sich verzweifelt die Haare, was der Moment ist, an dem ihm auffällt, dass er Haare hat, was bedeutet, dass auch er seinen Schimmer abgelegt hat. Schnell führt er ihn wieder aus, denn es ist schwer genug, mit dieser Situation von einem Jon-Standpunkt umzugehen. Was mache ich jetzt?
Sein erster Einfall ist, zu Clara zu gehen, und sie zur Rede zu stellen. Aber auf der anderen Seite will sie jetzt gerade offensichtlich nichts mit ihm zu tun haben und er weiß auch nicht so genau, was er zu ihr sagen würde. Er kann sich nicht vorstellen, dass die Eröffnung, wer er selbst ist, irgendwie positiv zur Klärung der Situation beitragen würde. Nein, er kann jetzt nicht einfach zu ihr marschieren. Und überhaupt, er weiß ja immer noch nicht sicher, dass es Hermine Granger war, die er gesehen hat. Viele Frauen haben völlig unbändige dunkelblonde Locken und braune Augen und etwas zu große Schneidezähne.
Die Sache ist die, auch wenn Draco es sich selbst nicht eingesteht: er ist sich ziemlich sicher, dass sie Granger ist. Aber er wäre ein Dummkopf, wenn er nur seinen eigenen Augen trauen würde. Was Draco braucht, sind Beweise. Entschlossen strafft er die Schultern und macht auf dem Hacken kehrt, läuft los in Richtung Ministerium. Zeit, herauszufinden, wo Hermine Granger aktuell steckt. Er kann sich nicht vorstellen, dass es über ehemalige Ministeriumsangestellte keine Informationen gibt. Irgendwo sind sie, Draco wird sie finden.
~~~~~
„Was hat Hermine Granger gemacht, als wir im siebten Schuljahr waren?"
Blaise schaut von der Heilerzeitschrift auf, die er gerade liest und sieht seinen Freund überrascht an.
„Wie kommst du denn da jetzt drauf?", fragt er. Draco, der soeben zur Tür hereingestapft kommt, lässt sich aufs Sofa fallen. Blaise wirft einen Blick auf die Uhr. Es ist fast Mitternacht und bis eben war er davon ausgegangen, dass Draco einen netten Abend mit Clara verbringt. Angesichts der Tatsache, dass sein Freund so elend aussieht, wie er ihn seit Jahren nicht gesehen hat, scheint sich diese Annahme jedoch als falsch zu erweisen.
„Antworte einfach.", knurrt Draco und Blaise gibt sich alle Mühe, seine schlechte Laune nicht persönlich zu nehmen. Er überlegt, was er überhaupt über Hermine Granger weiß. Er zuckt mit den Schultern.
„Sie, Potter und Weasley waren auf jeden Fall nicht da.", erinnert er sich. „Wäre auch selten blöd von ihnen gewesen. Ich meine, alle, die nicht gerade im Orden des Greifen waren oder wie das auch hieß, waren hinter ihnen her. Merlin weiß, wo die drei sich rumgetrieben haben. Vermutlich haben sie irgendeinen Weg gesucht, Du-weißt-schon-wen zu besiegen. Und ich meine, ganz unerfolgreich waren sie dabei ja offenbar nicht." Er mustert Draco interessiert. „Woher das plötzliche Interesse an unserer verehrtesten Kriegsheldin?", fragt er neugierig.
Draco schaut auf und ihn an. Für einige Sekunden tut er nichts, dann zieht er zwei Akten aus seiner Tasche, eine ziemlich dicke und eine relativ dünne. Er schlägt die dicke auf und Blaise lehnt sich interessiert nach vorn, fährt aber defensiv zurück, als er erkennt, was es ist.
„Warum genau hast du die Ministeriumsakte von Hermine Granger?", fragt er unsicher. Denn weder Jon Fields, noch Draco Malfoy können es sich wirklich leisten, beim Diebstahl von vertraulichen Dokumenten erwischt zu werden. Außerdem ist es etwas beunruhigend, dass sein Freund plötzlich zum Stalker mutiert. Draco hebt die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
„Schau her.", sagt er und blättert in der Akte. Widerwillig folgt Blaise seiner Aufforderung. „Granger hat ihr siebtes Schuljahr nachgeholt, dann eine Ausbildung im Ministerium angefangen. Im Sommer 2002 war sie ausgebildete Aurorin und hat sich dann auch schnell weiter hochgearbeitet, bis..." Er blättert zur letzten Seite. „...nichts. Eine Kündigung, dieses Jahr im Januar. Keine weiteren Informationen, keine Angaben, was sie danach gemacht hat, nichts."
Blaise weiß immer noch nicht, worauf Draco hinaus will, der jetzt die zweite Akte nach oben schiebt.
„Und jetzt pass auf." Er schlägt sie auf, es ist die Akte von Clara. Jetzt ist Blaise noch alarmierter, als vorher. Denn es gibt ein paar Dinge, die sollte man niemals tun, wenn man in einer Beziehung ist und er ist sich sicher, dass Akte der Freundin lesen da definitiv dazu gehört. Bevor er etwas in die Richtung sagen kann, fährt Draco jedoch fort: „Hier sind ein paar generelle Dokumente, ein Abschlusszeugnis in Hogwarts und so. Aber keine Infos über den beruflichen Werdegang. Bis...zu einer Bewerbung im Januar 2004. Zwei Tage nach..." Er zieht wieder die erste Akte hervor. „...der Kündigung."
Blaise steht immer noch auf dem Schlauch. Aber ich meine, man muss ihm einräumen, dass der Gedankensprung, den Draco ihm verkaufen will auch nicht gerade nahe liegend ist.
Draco lässt sich rückwärts in die Couch sinken.
„Blaise...", sagt er leise. „Ich glaube, Clara ist Hermine Granger."
Blaise blinzelt und glaubt zuerst, sich verhört zu haben.
„Was?", fragt er nach einigen Sekunden. Draco nickt.
„Ich hab sie gesehen. Wie sie ihren Maskenzauber abgelegt hat.", berichtet er mit rauer Stimme. „Wir waren im Tropfenden Kessel, ich wollte sie fragen, wer sie ist. Ich wollte, dass endlich diese Lügerei aufhört. Aber bevor ich fragen konnte, ist sie weggelaufen. Ich bin hinterher und habe nur noch gesehen, wie sie sich in Hermine Granger verwandelt hat und verschwunden ist. Und ich wollte es nicht glauben, also habe ich nach den Akten gesucht, aber scheiße...alles spricht dafür. Sogar die Handschrift auf den beiden Bewerbungen ist zu ähnlich, als dass es Zufall sein könnte." Er schaut Blaise an und jetzt endlich, nach Stunden der Panik und Überlegung, bricht der Damm, den er Ziegel für Ziegel sorgfältig aufgeschichtet hat. Gegen seinen Willen brennt es verdächtig in seinen Augen. „Verdammt, Blaise, was mache ich denn jetzt?"
Und Blaise, ziemlich überfordert, rutscht zu ihm aufs Sofa und nimmt ihn in den Arm. Er weiß nicht, was er sagen soll. Ich meine, auf so eine Situation ist man als bester Freund wirklich nicht vorbereitet. Also sagt er nichts. Irgendwann drängt sich ihm dann aber doch eine Frage auf:
„Weiß sie, wer du bist?", fragt er und Draco stockt.
„Nein.", sagt er. „Doch? Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Vielleicht. Ich meine, anscheinend ist sie ja Hermine Granger, ich würde ihr zutrauen, dass sie es wusste. Oder nicht?"
Blaise zuckt hilflos mit den Schultern. Was soll man dazu auch sagen? Stattdessen sitzen die beiden schweigend auf dem Sofa und starren für eine lange Weile ins Kaminfeuer. Blaise wartet. Er weiß nicht, worauf, aber er weiß, dass sie hier noch nicht fertig sind.
Es dauert fast eine halbe Stunde, bis Draco endlich soweit ist, dass er sich selbst und Blaise eingesteht:
„Ich will nicht, dass sie Granger ist." Er sagt es sehr leise, als ob es ihm gerade erst klar geworden ist. „Ich will, dass sie Clara ist. Ich mag Clara, ich..."
Blaise lächelt schwach.
„Du liebst Clara.", spricht er das aus, wozu sich Draco nicht bringen kann. Der nickt und vergräbt sein Gesicht in Blaise' Shirt, das mittlerweile doch etwas feucht ist.
„Ja, verdammt. Ich liebe eine Frau, die es gar nicht gibt. Stattdessen gibt es Hermine fucking Granger, dich ich nicht leiden kann und die mich nicht einmal mit ihrer Kehrseite anschauen wird, wenn sie herausfindet, wer ich bin." Seine Stimmung wechselt von verzweifelt zu wütend. „Ich meine, im Nachhinein muss sie gewusst haben, wer ich bin. Wir haben über mich geredet, also über Draco-mich. Und sie hat Sachen gesagt, das glaubst du nicht. Dass sie mir verzeihen würde und dass es sie in ihrem gesamten Denken beeinflusst hat, als ich Harry damals im Krieg nicht verraten habe. Das muss sie gemeint haben."
Blaise runzelt die Stirn.
„Aber das ist doch gut, oder?", fragt er. Draco schiebt ihn von sich weg und steht auf, um unruhig im Wohnzimmer hin und her zu tigern.
„Mensch Blaise, sei nicht so naiv. Granger würde das niemals denken.", fährt er seinen Freund an. „Sie muss gewusst haben, wer ich bin und mich bewusst an der Nase herumgeführt haben. Vermutlich hat sie es absolut gefeiert, dass ich darauf reingefallen bin."
Blaise schüttelt zweifelnd den Kopf. Das findet er jetzt doch ziemlich abwegig.
„Du meinst also wirklich, dass sie ihren Namen geändert, sich von ihrem Freund getrennt und ihren Job gekündigt hat, kurz bevor sie stellvertretende Abteilungsleiterin geworden wäre, nur um dich reinzulegen?", fragt er. Draco wirbelt herum, stößt dabei gegen den Couchtisch. Blaise' Tasse fällt zu Boden und zerbricht, der Tee bildet eine Lache, die aber keiner der beiden Männer wirklich wahrnimmt.
„Was ist denn deine Erklärung?", verlangt Draco anklagend. Blaise zuckt mit den Schultern.
„Keine Ahnung, du könntest hingehen und sie fragen.", schlägt er vorsichtig vor. Draco verzieht das Gesicht.
„Keine Chance.", sagt er laut. „Ich meine, ich hätte es wissen müssen. Erst hat sie ewig so getan, als wäre eine Beziehung zwischen uns das letzte, was sie wollte und dann plötzlich wirft sie sich mir an den Hals? Da steckt doch ganz klar ein Plan dahinter. Vielleicht will sie mir heimzahlen, wie ich sie sie in der Schule behandelt habe? Oh – oder vielleicht steckt in Wahrheit Potter dahinter?"
Blaise beschließt, dass er genug hat.
„Draco!", sagt er scharf und sein Freund hält inne. „Du spekulierst hier wild vor dich hin und es wird immer abwegiger. Jetzt reiß dich mal zusammen, geh zu ihrer Wohnung und klär das mit ihr, wie ein erwachsener Mensch!" Ihm ist gar nicht aufgefallen, dass er lauter geworden ist, bis Draco im gleichen Tonfall zurückfaucht:
„Ich spekuliere? Und was machst du hier? Verteidigst du sie etwa?!" Er stürmt aus dem Wohnzimmer in sein eigenes und zieht verschiedene Dinge aus den Schubladen. Blaise folgt ihm. „Du kennst Clara doch gar nicht! Du hast sie noch nicht einmal gesehen! Wieso mischst du dich überhaupt ein?"
Blaise reißt der letzte Geduldsfaden.
„Du hast mich hier mit reingezogen! Du hast diese verdammten Akten geklaut und behauptest, deine neue Freundin sei in Wahrheit Hermine Granger!", ruft er wütend. Dann atmet er tief durch und versucht, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Ruhiger ergänzt er: „Und ich glaube dir das, warum auch immer. Draco ich bin nicht gegen dich. Ich versuche dir nur, als dein bester Freund, zu sagen, dass du gerade ein bisschen überreagierst."
Draco lässt die Sachen fallen, die er bis eben in seine Tasche gestopft hat und tritt dicht an Blaise heran.
„Ich reagiere über?", sagt er leise und Blaise muss dem Verlangen widerstehen, einen Schritt von ihm weg zu treten. Er nickt, vorsichtig. Draco starrt ihn einige Sekunden lang an, dann wird sein Gesicht zu einem perfekten Pokerface. „Fuck you, Blaise.", sagt er kalt, schließt seine Tasche und verlässt die Wohnung.
Blaise geht zurück ins Wohnzimmer, und beginnt, die Scherben aufzuräumen, die Draco zurückgelassen hat.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro