Fünf Mittagspausen
Kapitel 5 - Fünf Mittagspausen
Wie sich herausstellt, hat eine Abteilung viel Arbeit, wenn es sie die letzten fünf Jahre nicht gab. Besonders, wenn alle ihre Aufgaben immer nur von Schreibtisch zu Schreibtisch geschoben wurden, ohne jemals wirklich erledigt zu werden.
Bei den meisten Aufgaben der Abteilung für Zusammenarbeit mit den Muggeln handelt es sich zum Glück um akute Dinge. Denn es gibt nicht viel, was Draco tun kann, wenn am 22. Juni 2002 ein fünfjähriger Junge versehentlich eine Fensterscheibe hat platzen lassen. Zeitreisen gehört nun mal nicht zum Repertoire der ihm zur Verfügung stehenden Magie. Man kann also davon ausgehen, dass es ein weiterer Vorfall ist, den sich niemand wirklich erklären kann und er hofft einfach, dass die Muggeleltern des kleinen Zauberers ihn nicht dafür bestraft haben. Nun, er rechnet, wenn sie eins und eins zusammen zählen können, werden sie in vier Jahre eine Erklärung haben.
Gegen Mittag hat Draco also gnadenlos alles, was länger zurückliegt, als ein halbes Jahr als "verjährt" abgestempelt und hofft, dass ihm das nicht irgendwann auf die Füße fällt. Aber mit dem Rest hat er genug zu tun. Er schätzt, dass er ein Viertel seiner Zeit durch England apparieren und versuchen wird, Schadensbegrenzung zu betreiben, ein weiteres Viertel wird er Vorladungen an Zauberer schreiben, die das Geheimhaltungsabkommen gebrochen haben und die Hälfte, die übrig bleibt, saugt er sich vermutlich Erklärungen für merkwürdige Phänomene aus den Fingern, die er den Muggeln unterschiebt.
Clara wird pendeln (so wie er das aus den Memos schätzen kann, die sie die erste halbe Stunde lang sortiert haben). Vor allem zwischen ihrem Büro, wo sie versuchen werden muss, sich in das weit verzweigte Behörden- und Politiksystem der Muggel einzulesen und dem House of Parliament an der Themse. Ihre Aufgaben sind leider nicht so leicht auszusortieren, wie seine.
"Der letzte diplomatische Kontakt mit den Muggeln war im Sommer 1996.", erklärt sie ihm in der Mittagspause, die sie wie letzte Woche vereinbart, gemeinsam verbringen. Sie sind im Café, wo sie auch nach ihrem Bewerbungsgespräch waren. "Damals hat das noch der Zaubereiminister selber gemacht. Merlin weiß, wo er die Zeit dafür hergenommen hat." Clara tritt an die Theke und deutet auf ein Fetakäse-Spinat-und-Tomatensandwich. "Ich nehme das und einen schwarzen Kaffee." Sie dreht sich zu Draco, der wahllos auf ein überbackenes Schinkenbrötchen zeigt. "Auf jeden Fall gibt es aktuell einen neuen Premierminister, der den damaligen Premier für durchgedreht hält. Also das wird ein Spaß." Sie hebt sarkastisch eine Augenbraue. Draco lächelt, er mag es, wenn sie sarkastisch ist, es macht sie menschlich. Ihr erster Eindruck auf ihn hat ihm das Gefühl gegeben, dass sie eine Maschine ist: logisch und distanziert. Ihr Humor durchbricht das Bild ein bisschen, er steht ihr gut.
"Bist du Vegetarierin?", fragt er neugierig, denn sie hat sich die große Auswahl an belegten Broten nicht einmal anschaut. Sie zuckt mit den Schultern.
"Ich mag Fetakäse.", antwortet sie. "Und Spinat."
Er weiß, das ist keine Antwort, aber es ist nicht schwer mitzubekommen, dass Clara Banks zu den Menschen gehört, die niemals klare Antworten geben. Es stört ihn ein bisschen, weil sie es ihm wirklich schwer macht, sie ein bisschen näher kennen zu lernen. Aber gleichzeitig reizt es ihn auch umso mehr, doch noch ein kleines bisschen Persönliches aus ihr herauszukitzeln.
Sie setzen sich an einen Fenstertisch, von wo aus man die belebte Straße gut beobachten kann und beginnen, zu essen. Schweigend. Draco überlegt, wie er ein bisschen mehr über sie erfahren kann. Er weiß über Clara bisher, dass ihre Lieblingsfarbe (vermutlich) rosa ist und dass sie in Gryffindor war. Clara weiß im Gegenzug über ihn, dass er Karamell mag, seine Lieblingsfarbe grün ist, er in Slytherin war und er single ist, aber eine Freundin namens Ayelet hat, die in Nigeria wohnt. Außerdem hat er ihr auf dem Weg zum Café eben gerade von Blaise erzählt und davon, was sie am Wochenende gemacht haben - vor allem für Blaise' nächste Prüfung gelernt, wobei ihm Draco geholfen hat und einen Film geschaut auf dem Fernsehapparat, den Blaise sich letztes Jahr gekauft hat und der sie beide wahnsinnig fasziniert. Wie auch immer, Draco findet das er keine faire Verteilung von Wissen übereinander.
"Was hältst du von einem Spiel?", fragt er frei heraus, als er sich daran erinnert, was er als Teenager gern bei ersten Dates gemacht hat, wenn das Gespräch irgendwie nicht ins Rollen kam. Natürlich ist das hier kein Date. Aber es ist eine Situation, in der es still ist, weil offenbar keiner von ihnen ein Talent für Smalltalk hat. Clara hebt schon wieder ihre Augenbraue und Draco muss unwillkürlich Grinsen.
"Ein Spiel?", fragt sie kritisch. "Was für eine Art Spiel?"
Er zählt es als Gewinn, dass sie nicht von vorneherein nein gesagt hat.
"Ein Fragespiel. Damit wir uns besser kennen lernen.", erklärt er. "Wir stellen uns immer abwechselnd eine Frage."
Sie schaut ihn gespannt an.
"Und?", fragt sie, als er nicht weiterredet.
"Nichts und.", meint er. "Das ist das Spiel."
Sie sieht amüsiert aus, auch wenn er nicht so genau weiß, woran er das fest macht.
"Kein besonders kompliziertes Spiel.", urteilt sie und kurz befürchtet er, dass sie sich nicht darauf einlassen wird. Dann lehnt sie sich zurück und jetzt bildet er sich das leichte Kräuseln ihrer Mundwinkel nach oben sicher nicht mehr ein. "Na schön, fang an. Was möchtest du wissen?"
Er überlegt kurz. Aber er hätte das Spiel nicht vorgeschlagen, wenn er nicht wenigstens ein paar Fragen in petto hätte.
"Woher kommst du?", fragt er. Unverfänglich, einfach zu beantworten. Sie rührt in ihrer Kaffeetasse.
"Aus London. Geboren und aufgewachsen.", antwortet sie. "Und du?"
"Bristol.", sagt er. Eigentlich ja Wiltshire, aber da es dort außer den Malfoys keine ansässigen Zaubererfamilien gibt, wäre es vielleicht ein zu großer Hinweis. Außerdem ist Bristol schon ziemlich nah dran. "Du brist dran." Er macht eine einladende Geste und probiert sein Brötchen. Es ist gut. Er richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf Clara, denn wenn er eines gelernt hat in den letzten Jahren, dann dass die Fragen, die jemand stellt, manchmal genauso viel über ihn verraten, wie seine Antworten.
"Wohnst du alleine?", fragt sie und trinkt einen Schluck Kaffee. Draco schüttelt den Kopf und ist kurz irritiert. Er hat gerade sicher zehn Minuten von Blaise erzählt, kann es wirklich sein, dass er vergessen hat, zu erwähnen, dass sie zusammen wohnen?
"Ich teile mir eine Wohnung mit dem Freund, von dem ich dir eben erzählt habe.", sagt er also. In ihren Augen blitzt Erkenntnis auf. "Wir kennen uns über die Familie und als ich zurück nach England gekommen bin, hat er gerade einen Mitbewohner gesucht. Er macht eine Ausbildung am St. Mungo's."
"Klingt, als kennt ihr euch schon ziemlich lange.", kommentiert sie. Er nickt und ein Lächeln huscht über sein Gesicht.
"Schon seit wir Kinder sind.", bestätigt er. "Ich würde sagen, er ist mein bester Freund." Er schaut sie an, abwartend, ob sie noch etwas sagt, aber sie trinkt lediglich ihren Kaffee weiter. Also beschließt er, weiter zu machen: "Wohnst du alleine oder auch mit jemandem zusammen?"
"Nein, ich wohne allein.", antwortet sie und überlegt, vermutlich sucht sie nach einer Frage. Nach einigen Momenten lächelt sie unsicher. "Mit fällt keine Frage ein, hast du noch eine?"
Er nickt und schiebt sich schnell den letzten Bissen seines Brötchens in den Mund.
"Ich bin glaube ich sowieso dran. Es sei denn, Rückfragen zählen mit.", sagt er, als er aufgekaut hat. "Hast du Freunde in London? Ich meine, wenn du gerade erst hergezogen bist."
Sie nickt, wischt sich mit einer Serviette den Mund ab und sagt dann:
"Ein paar ziemlich gute Freunde, die ich noch aus Hogwarts kenne. Zwei von ihnen wollen bald heiraten, von daher sind wir gerade ziemlich arg am planen. Ich bin Trauzeugin der Braut.", berichtet sie und ihr Gesicht hellt sich auf, während sie von Dekoration und Gästelisten erzählt. Die Informationen sprudeln geradezu aus ihr heraus und Draco hat beinahe das Gefühl, dass da eine ganz andere Person vor ihm sitzt. Er ist überrascht, er hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass das die Frage ist, mit der er sie hinterm Ofen hervorlocken kann.
"Willst du selber mal heiraten?", fragt er interessiert, als sie innehält und hofft, dass er nicht zu weit vorgeschossen ist. Sie aber bleibt gelassen.
"Vielleicht.", meint sie. "Aber ich habe vor einem halben Jahr gerade meine letzte Verlobung gelöst, also vermutlich nicht so bald." Ist das ein Grinsen? Das ist definitiv ein Grinsen. Draco beschließt, es nicht darauf ankommen zu lassen und kommentiert diese Aussage nicht, auch wenn er überrascht ist, dass sie bereits verlobt war. Wie alt ist sie? Dreiundzwanzig? Er ist außerdem neugierig, warum sie ihre Verlobung wieder gelöst hat. Trotzdem beschließt er, dass sie sich nicht gut genug kennen, um solche Fragen zu stellen, also überlegt er, wie er das Thema elegant wieder auf sicheres Terrain bringen kann. In diesem Moment fällt sein Blick jedoch auch auf die Uhr, die im Café an der Wand hängt.
"Unsere Pause ist gleich vorbei.", sagt er bedauerlich. "Ich denke, wir sollten uns auf den Rückweg machen."
Sie nickt, sie bezahlen und gehen zurück ins Ministerium. Im Büro sind beide tief in ihre Arbeit versunken und Draco vermutet schon, dass sie außerhalb ihrer Mittagspausen kaum Zeit haben werden, sich besser kennen zu lernen. Ein Grund mehr, sie miteinander zu verbringen, findet er, denn irgendetwas an Clara Banks weckt sein Interesse. Gegen halb drei kommt ein Zwischenfall aus Cornwall in ihr Büro geflogen und er disappariert sofort.
~~~~~
Am Dienstag treffen sie sich nicht morgens. Als Draco Punkt acht Uhr den Raum betritt, den sie sich teilen, ist Clara schon da und telefoniert. Das Gerät hat sie gestern Morgen als erstes angefordert, denn wie solle sie sonst Kontakt mit Muggeln aufnehmen - per Eule? Sie schaut kaum auf, als er sich an seinen Schreibtisch setzt und beginnt, die Memos zu sortieren, die im gemeinsamen Postkorb liegen.
Er hört einige Gesprächsfetzen mit und erntet sich einen dankbaren Blick, als er ihren Teil der Post auf ihren Tisch legt und dann mit seiner eigenen Arbeit beginnt.
Bis zwölf Uhr dreißig herrscht konzentrierte Stille im Büro, mal abgesehen von gelegentlichen Telefonaten von Claras Seite und dem Kratzen von Federn. Als jedoch die Mittagspause beginnt, dreht sich Clara erwartungsvoll zu ihm um.
"Was hältst du von Mittagessen?", fragt sie. Es ist der erste richtige Satz, den sie miteinander wechseln und Draco ist erleichtert, denn obwohl er es nicht wirklich gedacht hat, hatte er doch eine kleine Stimme im Hinterkopf, die sich gefragt hat, ob sie sauer auf ihn ist oder er etwas falsches gesagt hat. Aber offenbar ist Clara Banks einfach eine Person, die Privates und Arbeit strikt voneinander trennt. Keine persönlichen Gespräche während der Arbeitszeit. Das heißt aber auch, fällt Draco auf, als sie ins Café hinüber gehen, dass sie sich in der Pause nicht über ihren Job unterhalten werden.
"Läuft unser Spiel noch?", fragt Clara, als sie in der Schlange anstehen. Er nickt und sie bestellt sich ein Fetakäse-Spinat-und-Tomatensandwich und einen schwarzen Kaffee. Vielleicht sollte er es auch probieren, denn offenbar ist es ja lecker. Er nimmt trotzdem eines mit Salami und Ei. "Dann bin ich glaube ich dran.", erinnert sie sich und sie setzen sich an den gleichen Tisch, an dem sie gestern gesessen haben.
"Nur zu.", fordert er sie auf, gespannt, welche Frage sie wohl hat.
"Warum Nigeria?", fragt sie neugierig und er blinzelt. Es ist logisch, dass sie sich dafür interessiert, aber trotzdem hat er nicht damit gerechnet. Er freut sich trotzdem, dass es eine Frage ist, die er völlig frei von Halbwahrheiten beantworten kann.
"Ich bin um die Welt gereist.", erzählt er. "Ich wollte mir alles anschauen. Andere Länder sehen, andere Kulturen kennen lernen. Ich bin ungefähr ein Jahr lang durch die Gegend appariert und geblieben, solange ich Lust hatte." Sie hört ihm aufmerksam zu. "Und irgendwann bin ich in Nigeria gelandet. Die Muggel führen da im Moment einen Bürgerkrieg. Und es gibt nicht viele Zauberer dort. Aber ich habe die wenigen gefunden, die dort leben. Sie waren nett, also bin ich geblieben."
"Wie lange?", fragt sie interessiert. Draco entspannt sich noch mehr und freut sich, dass sie Interesse an dem Thema hat, über das er stunden- und tagelang erzählen könnte.
"Ein paar Jahre. Es ist einfach...faszinierend. Die Zauberer waren bis zum Ausbruch des Krieges eng mit der Muggelgesellschaft verschmolzen. Sie haben ihre Bräuche übernommen, ihre Sprache, ihre Religionen." Er weiß, dass seine Augen vor Begeisterung leuchten. Blaise sagt ihm das jedes Mal, wenn er beginnt, zu erzählen. "Es ist eine ganz andere Lebensweise, als hier. Man fühlt sich in der Gemeinschaft wie in einer Familie."
Clara hängt wie gebannt an seinen Lippen, als er sich ein bisschen in den Ausführungen über das Land und die Leute dort verliert. Seine Erzählungen scheinen sie ebenso zu faszinieren, wie es ihn damals vor drei Jahren begeistert hat. Es war einfach ein wahnsinnig gutes Gefühl nach drei Jahren Krieg, dann zwei Jahren als Angeklagter in den Todesserprozessen und einem Jahr Rastlosigkeit einen Ort der Ruhe zu finden. Die nigerianische Zauberergemeinschaft hatte vom englischen Krieg nichts mitbekommen, es gab keine Vorurteile, einfach nur das Leben von einem Tag auf den nächsten. Draco glaubt nicht, dass er den Krieg so gut verarbeitet hätte, ohne diese Erfahrung.
Irgendwann beginnt sie, Fragen zu stellen. Über die Traditionen, das Wetter, die Sprache. Draco gibt zu, dass er vor allem englisch mit den Menschen dort gesprochen hat, da er absolut kein Talent für Sprachen hat. Er gibt aber trotzdem ein paar Phrasen in Hausa und Berom zum Besten, die er aufgeschnappt hat. Jetzt weiß sie also, wie man in Jos drei Pfund Süßkartoffeln kauft. Sie lacht und er spornt ihn an, weiter zu reden.
Viel zu schnell ist die Mittagspause vorbei und sie kehren in ihr stilles Büro zurück.
~~~~~
Mittwoch Mittag traut er sich dann doch, die Frage zu stellen, die ihm seit Montag durch den Kopf geht.
"Bist du nach London gekommen, weil du deine Verlobung gelöst hast?"
Er weiß, es ist persönlich und er weiß auch, sie kennen sich erst seit anderthalb Wochen. Aber er ist neugierig und mehr als ihm zu sagen, dass es ihn nichts angeht, kann sie nicht machen. Und das würde er akzeptieren, wenn sie es sagt. Aber sie tut es nicht, sie antwortet tatsächlich.
"Nein, es war andersherum.", meint sie. "Ich wollte nach London kommen, aber er nicht. Also haben wir beschlossen, es ist besser so." Sie wirkt nicht wirklich traurig darüber und offenbar steht Draco die Verwunderung darüber ins Gesicht geschrieben, denn sie lacht leise und sagt: "Er war zuerst mein bester Freund. Dann haben wir unsere Beziehung angefangen. Jetzt sind wir wieder bei einer sehr engen Freundschaft und haben beide festgestellt, dass wir als Freunde mehr voneinander haben, als in einer Beziehung. Von daher, nein, ich bin nicht traurig."
Er schämt sich ein bisschen, so offen lesbar zu sein.
"Trotzdem ungewöhnlich.", kommentiert er. "Aber Respekt dafür, dass ihr einfach so wieder Freunde sein könnt."
Sie lacht.
"Es war am Anfang ein bisschen seltsam.", erzählt sie, nippt an ihrem Kaffee und nestelt an ihrem Fetakäse-Spinat-und-Tomatensandwich herum. "Wir haben uns unterhalten, dann hat einer was lustiges gesagt und der andere hat zu einem Kuss angesetzt, bevor uns beiden wieder eingefallen ist, dass wir das ja nicht mehr machen." Sie grinst. "Aber wir haben uns schnell dran gewöhnt. Und du? Irgendwelche früheren Beziehungen?"
Draco ist kurz überrascht, denn er hat nicht gemerkt, wie sie so ein Level von Freundschaft erreicht haben, dass man solche Fragen stellt. Aber es stört ihn nicht.
"Nope.", sagt er nur grinsend. Sie hebt ihre berüchtigte Augenbraue.
"Was ist mit deinem Mitbewohner?", fragt sie. "Du erzählst viel von ihm?"
Draco schaut sie überrascht an. Ja, er erzählt viel von Blaise, aber was hat das damit zu tun? Oder denkt sie etwa...?
"Ich bin nicht schwul.", stellt er klar, eher amüsiert, als beleidigt. Sie wirkt ernsthaft überrascht.
"Dann habe ich wohl was missverstanden.", sagt sie und trinkt noch einen Schluck Kaffee, auf ihren Lippen ein breites Grinsen. Draco verzieht ein bisschen ärgerlich das Gesicht. Woher wissen Frauen solche Sachen? Können sie das riechen? Pansy war darin auch immer gut, als sie noch in der Schule waren. Aber er ist nicht schwul - und das mit Blaise war nur einmal und das ist Jahre her!
Draco wechselt eilig das Thema, aber Claras amüsiert-wissender Gesichtsausdruck verfolgt ihn.
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Am Donnerstag ist sie zur Mittagszeit in irgendeiner Muggelbehörde und als er allein ins Café geht und sich an der Theke anstellt, stellt er fest, dass er ihre gemeinsamen Mittagspausen schon jetzt nicht mehr missen möchte.
Er bestellt sich ein Fetakäse-Spinat-und-Tomatensandwich.
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Als sie am Freitag das Café betreten, schauen sie sich ein bisschen irritiert um. Auf vielen der Tische stehen Schachbretter, aber kaum jemand scheint zu spielen. Sie stellen sich an der Theke an.
"Wir hatten hier heute Morgen ein Schachturnier.", erklärt die Verkäuferin, die sie mittlerweile schon kennt und freundlich grüßt, auf ihre fragenden Blicke. Sie nimmt Dracos Bestellung auf und reicht Clara ihr Fetakäse-Spinat-und-Tomatensandwich und ihren schwarzen Kaffee. "Lasst euch davon nicht stören."
Draco und Clara setzen sich, diesmal an den Tisch, an dem sie bei ihrem ersten Treffen gesessen haben.
"Spielst du?", fragt sie und deutet auf das Schachbrett zwischen ihnen. Draco nickt. Schach gehört zu den Dingen, die ein reinblütiges Kind von klein auf lernt und es hat ihm immer besser gefallen, als tanzen. Er würde von sich behaupten, ein recht passabler Schachspieler zu sein.
"Du auch?"
Clara nickt.
"In Hogwarts habe ich es gehasst. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, was so viel Spaß macht, sich still gegenüber zu sitzen und die Figuren zu bewegen.", erzählt sie. Draco fällt auf, dass sie mit jedem Tag bereitwilliger von sich erzählt. "Aber nach...der Schule habe ich festgestellt, dass es mir hilft, meine Gedanken zu sortieren. Logik, Strategien, es erfordert Konzentration." Sie lehnt sich zurück. "Ich mag die Muggelversion allerdings lieber. Weniger gewalttätig."
Draco mustert sie. Ihr Zögern in "nach...der Schule" ist ihm nicht entgangen. Der Krieg hängt als Thema zwischen ihnen, aber keiner spricht es an. Er wird es ganz sicher nicht tun, er hasst es, über den Krieg zu sprechen. Er hat beim Bewerbungsgespräch auch behauptet, nicht involviert gewesen zu sein. Das ist wohl die größte Lüge, die er jemandem innerhalb dieser ganzen Farce aufgetischt hat.
Er weiß nichts über Clara aus der Zeit. Er weiß, sie war noch in Hogwarts, sie ist ein Jahr jünger als er selbst, vier Jahre jünger als Jonathan Fields. Sie muss noch in Hogwarts gewesen sein. Und er weiß, sie war dann in Frankreich, in der Muggelwelt. Er weiß nicht, was dazwischen passiert ist und er weiß auch nicht, ob er es wirklich wissen will.
Aber er ist nicht blind. Er spürt Claras Nervosität, er sieht, dass sie ihre Finger nicht stillhalten kann und dass sie immer mit dem Rücken zur Wand sitzt. Wenn sie sich unterhalten, scannt sie den Raum über seine Schulter, vermutlich unbewusst. Ihr Zauberstab ist nie außer Reichweite, aber sie benutzt ihn kaum.
All das führt unterm Strich dazu, dass Draco sich ziemlich sicher ist, dass Clara den Krieg ebenfalls niemals ansprechen wird.
"Wie wäre es mit einer Runde?", schlägt er vor und unterbricht somit seine Gedanken und so wie es aussieht auch Claras. Sie wirkt kurz überrascht, dann nickt sie und zieht das Brett weiter in die Mitte des Tisches.
Draco gewinnt den unausgesprochenen Wettbewerb, wer früher die Figuren aufstellen kann, Clara spielt weiß und beginnt.
Eine halbe Stunde später fällt ihnen auf, dass sich ihre Mittagspause dem Ende zuneigt, ganz im Gegensatz zum Spiel. Clara zieht einen Block hervor und skizziert das Feld mitsamt allen Figuren und ihren Positionen.
"Dann können wir am Montag hier weitermachen.", sagt sie und Draco zögert kurz.
"Oder heute nach Feierabend?", schlägt er dann vor. "Wie wäre es, ein Butterbier im Tropfenden Kessel, ich bringe ein Brett mit?"
Sie scheint kurz zu überlegen, dann nickt sie. Ein Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus und Draco vermutet, dass es ihm ähnlich geht.
Auf dem Rückweg zum Ministerium könnte er sich selbst schlagen. Distanz wahren sieht anders aus, Mister! Was hat er sich nur dabei gedacht, die Frau, die ihn mittlerweile definitiv mehr interessiert, als sie sollte, auf einen Drink einzuladen?!
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