Die Kompassnadel schwenkt
Vorletztes Kapitel, alle zusammen! Am Wochenende wird auch diese Geschichte ein Ende finden!
~~~~~
Kapitel 19 - Die Kompassnadel schwenkt
So, Hand hoch, wer war schon einmal im nigerianischen Gebirge? Na gut, dann versuche ich es mal zu beschreiben: Wir befinden uns in einem Mittelgebirge, es gibt hier etwa so viele Bäume, wie Menschen – sprich: es herrscht Savanne. Die Temperaturen sind angenehme 27 Grad und die Luftfeuchtigkeit beträgt kuschelige 80%. Zumindest die Temperatur wird ein bisschen angenehmer, wenn wir uns auf dem schmalen Pfad tiefer zwischen die Berggipfel schlängeln und es wenigstens etwas schattig wird.
Irgendwann erreichen wir ein kleines Dorf, was ziemlich genau so aussieht, wie die anderen Dörfer, die wir gesehen haben, seit wir uns in Jos auf den Weg gemacht haben. Nun, zumindest auf den ersten Blick.
Da haben wir ein paar kleine Holzhäuser, die grob verputzt wurden und deren leicht schräge Dächer mit Stroh bedeckt sind. In der Mitte gibt es einen kleinen Markt, wo Gemüse verkauft wird und einen provisorischen Brunnen. Viele Menschen laufen geschäftig umher oder betrachten interessiert die Auslagen. Sie tragen bunte, weite Kleider und Tücher, die sie sich um den Kopf gewickelt haben, um sich vor der Sonne zu schützen.
Naja, und dann schaut man ein zweites Mal hin und auf einmal ist alles anders, als in den anderen Dörfern. Denn wenn man genau hinschaut, liegt da ein leichter Schimmer über den Häusern, der sie regendicht macht und der Brunnen ist tiefer und stabiler, als es normalerweise möglich gewesen wäre dafür, dass es dieses Dorf an dieser Stelle erst seit wenigen Monaten gibt.
Die Männer an den Marktständen verkaufen nicht nur Gemüse, sondern auch Zutaten für Zaubertränke und sogar Zauberstäbe und die Frauen am Brunnen unterhalten sich miteinander, während ihre Eimer sich von selbst füllen. Im Hintergrund sieht man eine Gruppe Jugendlicher, die offenbar gerade im Zaubern unterrichtet werden, denn sie schwingen synchron ihre Zauberstäbe und murmeln etwas. Hin und wieder fegt ein Kind auf einem provisorischen Spielzeugbesen über den Markt und wird gelegentlich von jemandem zurechtgewiesen, wenn es einen Schwung Tücher mitnimmt.
Inmitten dieses Trubels flirrt jetzt kurz die Luft und dann taucht ein kleiner Wirbel auf, aus dem eine junge Frau stolpert, die sich gerade noch rechtzeitig fängt, bevor sie mit einem Marktstand zusammen gestoßen wäre.
„Herzlich Willkommen in Sihiri.", wird sie fröhlich begrüßt und stellt erleichtert fest, dass die Leute tatsächlich englisch reden, wenn auch eine sehr eigene Variante, bei der es Hermine schwer fällt, einige Worte zu verstehen. Jon...Malfoy hat das zwar berichtet, als er ihr davon erzählt hat, aber trotzdem hatte sie ein bisschen Angst, dass sie hier niemand versteht. „Yambohnen gefällig? Ein Pfund jetzt nur sechs Kudi!"
Hermine blinzelt, schaut den strahlenden Händler überrascht an, dann die zwiebelförmigen, handtellergroßen...es sind anscheinend Bohnen. Dankend lehnt sie ab und sieht sich um. So schwer kann es ja wohl nicht sein, den hellblonden Malfoy hier zwischen all diesen dunkelhäutigen Menschen zu finden, überlegt sie. Es sei denn, er ist immer noch Jon.
Als Blaise von einem „kleinen Dorf" gesprochen hat, dachte sie an eine Größe, wie Ottery St. Catchpole: eine Straße und drei Häuser. Hier gibt es keine Straße, nur den Marktplatz, auf dem sie ist und darum herum sind wild durcheinander jede Menge Häuser angeordnet, kleine, große, sie passen nicht zusammen und es scheint sich auch niemand Gedanken darum gemacht zu haben, ob es ein System geben sollte.
Da Hermine Malfoy nicht auf Anhieb sehen kann, ist sie etwas hilflos, wo sie ihre Suche beginnen soll. Wenn er denn überhaupt hier ist, was Blaise ja nicht einmal sicher wusste. Hermine muss allerdings zugeben, dass wenn der Jon, den sie kennen gelernt hat, ein halbwegs guter Vergleich ist, sie von sich aus auch zu allererst hier nach Malfoy suchen würde. Also sucht sie. Der Bohnenhändler ist leider keine große Hilfe, denn er erinnert sich zwar an einen jungen Mann namens Draco, hat ihn aber seit einem halben Jahr nicht gesehen. Gerade will Hermine beginnen, die anderen Händler zu fragen, da wird sie abgelenkt.
„Hallo, ich bin Sade.", ertönt es hinter ihr. „Darf ich deine Haare anfassen?"
Hermine dreht sich um und erblickt ein kleines Mädchen, vielleicht vier oder fünf Jahre alt, mit zwei kleinen Zöpfchen in einer orangenen Tunika. Sie strahlt Hermine an und der fällt auf, dass ihr die beiden oberen Schneidezähne fehlen. Offenbar ist sie also wohl doch etwas älter. Geduldig wartet die Kleine auf Hermines Antwort.
„Klar.", sagt die dann, weil sie so wahnsinnig viel Ahnung von Kindern hat. Die einzigen, die sie kennt, sind Victoire, die Tochter von Bill und Fleur, und Teddy, der kleine Patensohn von Harry. Beide sind ungefähr im selben Alter, wie die kleine...Sade? War das der Name? Aber mit keinem der beiden Kinder hat Hermine wirklich viel zu tun. Also hockt sie sich hin und lässt Sade ihre Haare anfassen.
„Nicht so weich, wie die von Draco.", urteilt das Kind und Hermine kann ihr Glück kaum fassen, dass sie offenbar wirklich jemanden getroffen hat, der ihr vielleicht weiterhelfen kann. Jetzt, wo sie so darüber nachdenkt, fällt ihr ein, dass unter den Bildern, die Jon aufgehängt hat, auch eines von einem Kind namens Sade war. Oder? „Hast du eine Wassermelone dabei?"
Hermine blinzelt noch einmal verwirrt. Wie kommt dieses Kind auf die Idee, dass sie eine Melone dabei haben könnte?
„Nein.", sagt sie also entschuldigend. „Tut mir leid."
Sade zieht eine Schnute. Dann legt sie den Kopf schief und mustert Hermine.
„Bist du Clara?", fragt sie dann. Und Hermine blinzelt zum dritten Mal überrascht.
„Ähm...ja.", sagt Hermine. „Aber eigentlich heiße ich Hermine."
Jetzt schaut Sade etwas irritiert drein.
„Ich finde Clara hübscher.", sagt sie dann und Hermine muss über die Ehrlichkeit des Mädchens schmunzeln.
„Weißt du was?", sagt sie dann. „Ich auch."
„Namen mit A hinten sind sowieso besser.", erklärt Sade ernsthaft. Hermine schaut sie fragend an.
„Ist das so?", fragt sie und Sade nickt versichernd. „Aber Sade ist auch ein schöner Name.", merkt Hermine dann an (sie hat keine Ahnung, wie man den Namen schreibt - Shaday?, aber sie ist sich sicher, dass da hinten dran kein A ist). Die Kleine überlegt kurz.
„Na, aber Sade hat auch ein A.", argumentiert sie dann. „Nur eben nicht hinten."
Dem kann Hermine natürlich nicht widersprechen.
„Sag mal.", beschließt sie, das Thema zu wechseln. „Ist Draco hier irgendwo?" Seinen Vornamen zu benutzen, kostet Hermine mehr Überwindung, als sie dachte.
Sade scheint zu überlegen. Dann zuckt sie mit den Schultern. Gleichzeitig ruft auch von irgendwo jemand ihren Namen. Sie schaut Hermine noch einmal kurz an, dann grinst sie.
„Tschüss, Clara!", sagt sie fröhlich und läuft davon.
Hermine erhebt sich aus ihrer hockenden Position und schaut sich wieder um, ziemlich ratlos. Zumindest weiß sie jetzt, dass sie im richtigen Dorf ist. In ihren Erinnerungen an Jons Erzählungen über seine Zeit hier, sucht sie verzweifelt nach Hinweisen, die ihr jetzt weiterhelfen. Aber was könnte das sein?
Sie versucht, die Sache logisch anzugehen. Malfoy ist seit gestern Abend hier. Irgendwo muss er geschlafen haben. Vermutlich bei einem Freund oder - Hermines Gesicht hellt sich auf - bei einer Freundin. Ihr fällt die junge Frau auf dem Foto ein, das in ihrem Büro hängt. In ihrem Gedächtnis kramt Hermine nach ihrem Namen. Jon hat sie sicher einige Male erwähnt.
Hermine braucht geschlagene fünf Minuten, bis ihr der Name der Frau einfällt. Um nicht wieder den Bohnenhändler zu fragen, geht sie entschlossen auf einen Stand mit Kräutern zu, an dem gerade nichts los ist. Die Frau dahinter trocknet gerade einige Pflanzen mit gemurmelten, für Hermine fremd klingenden Zaubersprüchen.
„Entschuldigung.", spricht Hermine sie an. Die schaut auf. „Ich suche eine Frau namens Ayelet. Können Sie mir weiterhelfen?" Sie hofft, dass sie sich den Namen richtig gemerkt hat und dass er kein so häufiger Name ist, dass die Frau ihr gleich ins Gesicht lacht.
Zum Glück passiert das nicht. Die Händlerin legt ihren Zauberstab zur Seite und schaut über den Marktplatz. Dann deutet sie auf eine Häusergruppe am anderen Ende.
„Sie wohnt da drüben, in der Hütte mit dem schiefen Dach.", sagt sie. „Ihr Laden müsste eigentlich noch offen sein."
Hermine nickt dankend und macht sich auf den Weg hinüber. Sie seufzt ein bisschen, denn alle diese Häuser haben schiefe Dächer. Sie hofft einfach, dass der Laden, den die Frau erwähnt hat, ein gewisser Anhaltspunkt ist. Unwillkürlich fragt sich Hermine, was diese Ayelet wohl für einen Laden besitzt. Soweit sie sich erinnert, hat Jon davon nie etwas erzählt.
Und mich würde um ehrlich zu sein wahnsinnig interessieren, was ihr darüber denkt. Ich meine, ich habe euch schon ein bisschen von Ayelet erzählt und ihr habt ihre Briefe gelesen. Trotzdem wäre ich an eurer Stelle nie darauf gekommen, was Hermine erwartet!
Beim Überlegen stolpert die wieder über Jons Namen. Sollte sie jetzt besser Malfoy denken? Oder gar Draco? Alles in Hermine sträubt sich dagegen. Sie kann nicht einfach ihre ganzen Erinnerungen umschreiben. Alles, was sie in den letzten Monaten mit ihm erlebt hat, hat sie mit Jon erlebt, nicht mit Malfoy. Sie denkt an Harrys Worte: Sie wollten einen Neuanfang, hier ist ein Neuanfang. Sollte sie möglicherweise anfangen, Malfoy nicht als etwas ausschließlich Negatives zu sehen? Vermutlich. Schließlich hat sie sich irgendwie, auch wenn sich ihr bei dem Gedanken die Nackenhaare aufstellen, in ihn verliebt.
Hermine erreicht die kleine Ansammlung von Hütten und geht von einer zur anderen, immer auf der Suche nach etwas, was wie ein Laden aussieht. Ein Gedanke kreuzt ihre Gedanken und sie muss beinahe lachen: Sie weiß nicht einmal, wie Malfoy aussieht. Es ist sechs Jahre her, dass sie ihn gesehen hat und sie denkt nicht, dass sein achtzehnjähriges Ich aus dem Krieg irgendwie repräsentativ ist. Wer weiß, vielleicht sieht er mittlerweile ja sogar gut aus? Diese Idee amüsiert sie dermaßen, dass sie beinahe die offen stehende Tür übersieht, an der ein kleines „Geöffnet"-Schild hängt. Sie schaut näher hin und richtet sich dann überrascht auf.
Sie weiß nicht, mit was für einer Art Laden sie gerechnet hat. Jon...Malfoy hat nicht viel über Ayelet erzählt, nur dass sie verheiratet ist und dass er bei ihr gewohnt hat, während er hier war. Und vom Foto im Büro hat Hermine geschlossen, dass sie etwa so alt ist, wie sie selbst.
Aus diesen Informationen hätte sie vielleicht auf einen Krämerladen getippt oder ein Lebensmittelgeschäft. Vielleicht sogar einen Buchladen. Aber nein. Hermine steht vor einem Tattoostudio.
Vorsichtig betritt sie das Haus, ein leises Klingeln ertönt, welches magischen Ursprungs sein muss, denn Hermine sieht nirgendwo eine Glocke. Sie schaut sich um. Das Studio ist definitiv größer, als es theoretisch in dem kleinen Haus möglich gewesen wäre. Die Wände sind, von innen wie von außen grob mit Lehm verputzt und an der einen Wand hängen – vermutlich mit einem Klebezauber befestigt – Bilder von tätowierten Armen, Knöcheln, Oberkörpern und allerlei anderem. Das häufigste Symbol sind Linien und Punkte, die oft fast wie Narben aussehen.
Rechts von Hermine steht ein etwas schäbig aussehender Sessel sowie ein Holztisch, auf dem einige Wolldecken liegen – es wirkt wie eine provisorische Liege. Daneben lehnt ein Regal an der Wand, darin befinden sich allerlei Utensilien – Tintengläser in unterschiedlichen Farben, Nadeln verschiedener Längen und, soweit Hermine das erkennen kann, auch Material, Schalen mit etwas darin, was aussieht wie Asche, auch wenn sie keine Ahnung hat, wozu ein Tätowierer Asche braucht. Auch Messer und andere Schneidegeräte sind dort reihenweise aufgehängt. Hermine schaudert es ein bisschen und sie muss sagen, dass das alles nicht sehr hygienisch wirkt. Auch wenn, das muss sie zugeben, das natürlich mit einem einfachen Desinfektionszauber ziemlich einfach zu beheben ist.
„Kann ich Ihnen helfen?", fragt eine weibliche Stimme hinter Hermine und sie dreht sich um zur linken Seite des Raumes, die sie bis dahin kaum beachtet hat. Unter einem glaslosen Fenster befindet sich eine kleine Sitzecke mit vielen bunten Kissen. Dahinter steht ein provisorischer Tresen, der eine verschlossene Holztür halb verdeckt. Direkt unter dem Fenster sitzt eine junge Frau, auf den Knien ein Skizzenblock und lächelt Hermine erwartungsvoll an. Die schaut sich noch einmal kurz um, ganz so, als hätte sie Malfoy übersehen können, wenn er hier gewesen wäre.
„Sind Sie Ayelet?", fragt Hermine, denn die Frau sieht dem Mädchen auf dem Foto in London zwar ähnlich, aber Hermine fragt lieber noch einmal nach, als sich in eine unangenehme Situation zu bringen. Die Frau nickt und ihr Lächeln wird breiter, als sie den Block neben sich auf den Boden legt.
„Und ich nehme an, Sie sind Clara?", fragt sie. „Oder soll ich lieber Granger sagen?" Sie deutet in einer unmissverständlichen Geste auf die Kissen ihr gegenüber. Hermine setzt sich hin und schaut sich erneut um. Wo zur Hölle ist Malfoy?
„Ähm...Hermine ist ok." Sie bemüht sich um ein Lächeln. Ayelet nickt.
„Nun, Hermine." Sie schaut ihren Gast direkt an. „Ich nehme nicht an, dass du für ein Tattoo hier bist?"
Hermine lacht unsicher.
„Ähm...nein, bin ich nicht." Sie atmet tief durch. „Ich suche nach...Draco." Es fühlt sich seltsam an, seinen Vornamen zu benutzen. Ayelet legt den Kopf schräg.
„Er ist hier.", sagt sie und deutet auf die Tür hinter dem Tresen. Gerade hat Hermine beschlossen, aufzustehen und zu ihm zu gehen, da setzt Ayelet wieder an, zu sprechen. „Erzähl mir von dir, Hermine."
Hermine blinzelt. Was wird das hier? Ein Verhör?
„Ich heiße Hermine Granger.", sagt sie, einfach weil sie nicht weiß, was Ayelet von ihr hören will. „Ich bin vierundzwanzig. Ich...weiß nicht, was ich sagen soll."
Ayelets Mundwinkel zucken amüsiert nach oben. Hermine fühlt sich sehr fehl am Platz. Wo bleibt nur Malfoy? Oh, sieh einer an, sie wünscht sich, dass er auftaucht, das ist mal was Neues. Wer weiß, vielleicht sind sie ja doch füreinander bestimmt. Haha.
„Wow.", macht Ayelet beeindruckt. „Ich habe das Gefühl, ich kenne dich schon mein ganzes Leben." Die Ironie funkelt in ihren Augen. Hermine wird sauer. Was soll das hier? Was will diese Frau von ihr?
„Hör mal.", sagt sie also laut und steht wieder auf. „Ich bin hergekommen, um mit Malfoy zu sprechen, ist er hier oder nicht? Denn wenn nicht, dann geh ich wieder."
Ayelet erhebt sich schweigend und geht hinüber zum Regal mit den Nadeln und den Tintengläsern und den Messern. Einen Moment steht sie nachdenklich davor, dann greift sie nach einer langen, dünnen Nadel, dreht sich wieder zu Hermine um und reicht sie ihr.
„Mit dieser Nadel arbeite ich am liebsten.", sagt sie und ignoriert dabei offenbar völlig, dass Hermine sie gerade äußerst unfreundlich angefahren hat. Hermine starrt die Nadel an und überlegt, einfach zu gehen. Malfoy wird nicht ewig hier bleiben, irgendwann kommt er nach London zurück, dann können sie das immer noch klären. „Ich habe sie auch bei Draco benutzt."
Hermine blinzelt überrascht. Draco ist tätowiert? Kurz versucht sie, ihn sich vorzustellen, seine blasse Haut voller Bilder. Sie versucht noch, gegen ihre Neugier anzukämpfen, aber sie verliert. Hermine durchquert den Raum mit einigen Schritten und greift nach der Nadel.
„War gar nicht so einfach, diese grässliche Narbe verschwinden zu lassen.", berichtet Ayelet weiter. „Aber letztendlich gibt es nichts, was man mit ein bisschen Magie nicht wieder hinbekommt." Sie lächelt. Hermine betrachtet die Nadel von allen Seiten. „Ich weiß bis heute nicht, woher er diese Narbe hat." Hermine schaut auf und direkt in Ayelets prüfende Augen.
„Wo war sie?", fragt sie leise, weil sie einen Verdacht hat, aber sie ist sich nicht sicher.
„Linker Unterarm.", sagt Ayelet nur. Hermine nickt. Sie hat schon das Gerücht gehört, dass vom Dunklen Mal nach dem Krieg nur eine Narbe zurückgeblieben sein soll. Alles deutet darauf hin, dass „nur" in diesem Kontext wohl kein geeignetes Wort ist. Ayelet nimmt ihr die Nadel wieder aus der Hand und legt sie vorsichtig ins Regal zurück.
„Also, nur damit wir uns verstehen.", sagt sie unbekümmert. „Das war die letzte Narbe von ihm, die ich versteckt habe."
Hermine sieht sie einen Moment an. Dann nickt sie.
„Ich verstehe.", sagt sie. Wenn du ihm wehtust, tu ich dir weh.
Ayelet kehrt zur Sitzecke zurück und lässt sich wieder auf den Kissen nieder. Hermine steht etwas planlos im Raum. Sie hat das Verlangen, sich zu verteidigen.
„Ich habe nicht vor, ihm weh zu tun.", sagt sie also. „Ich will nur reden."
Einen Moment schaut Ayelet sie an. Dann kehrt ihr Lächeln zurück.
„Du darfst bleiben.", entscheidet sie dann und Hermine ist ein bisschen überrascht, dass die Frage im Raum gestanden hat. Aber umso besser. „Setz sich. Er müsste gleich hier sein."
Hermine tut wie befohlen.
Es dauert wirklich nur einige Minuten, bis die Tür aufgeht und Malfoy hineinkommt. Konzentriert schaut er auf eine randvolle Kanne mit etwas, das aussieht, wie Saft, die auf einem Tablett vor ihm herschwebt.
Die Tatsache, dass er so fixiert auf die Kanne ist und ihm somit nicht auffällt, dass mehr Menschen im Raum sind, als vorher, als er ihn verlassen hat, gibt Hermine die Chance, ihn zu mustern. Und sie muss zugeben, er ist wirklich in sein Aussehen hineingewachsen.
Was früher merkwürdige Proportionen waren, sieht jetzt, mit der richtigen Menge Muskeln und Körperfett tatsächlich gar nicht schlecht aus. Die Haare, die Hermine als farblos und eigentlich immer zu lang in Erinnerung hat, sind mittlerweile etwas dunkler geworden und bilden einen ansehnlichen Kontrast zu seiner alabasterfarbenen Haut. Diese sieht jetzt, wo sie nicht mehr von den typischen Unreinheiten eines Teenagers übersät ist, fast wie Porzellan aus und Hermine hat das Bedürfnis, sie zu berühren, um zu sehen, ob sie wirklich so makellos ist, wie sie aussieht.
Er lässt das Tablett auf den Tresen nieder und schaut auf. Ihre Blicke treffen sich und Hermine versteht zum ersten Mal wirklich, was die anderen Mädchen damals gemeint haben. Denn wenn man nicht mehr mit von Abneigung vernebeltem Blick hinschaut, sind seine Augen nicht grau und eiskalt, sondern funkeln freundlich silbern.
Klappernd fällt Malfoys Zauberstab zu Boden und endlich weiß Hermine, warum er ihr bekannt vorkam: es ist der Weißdorn-Einhornhaar-Stab, den Harry damals für einige Wochen benutzt hat, bevor er seinen eigenen repariert und diesen an Malfoy zurückgegeben hat.
„Granger? Was tust du hier?"
Ihr dachtet wirklich, dass ihr heute schon ein klärendes Gespräch zu lesen bekommen? Hahahahaha....nein.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro