Die erste Maske fällt
Die finale Kapitelzahl steht endlich (sie ist natürlich deutlich höher, als ich am Anfang dachte) - es werden 20. Also noch vier!
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Kapitel 16 - Die erste Maske fällt
„Okay, die meisten Gäste haben sich jetzt zurückgemeldet." Hermine schlägt ihr Notizbuch zu. „Einen Termin im Ministerium haben wir gemacht und das Zelt für den Fuchsbau ist gemietet. Ron hat noch einmal mit Molly geredet und sie besteht darauf, dass sie sich um das Essen kümmert, also gibt es kein Catering. Bis auf die Torte, die aber auch schon bestellt ist. Ihr müsst euch nur noch für eine Sorte entscheiden, dafür hat Ron euch nächsten Freitag nachmittags um 16:00 Uhr einen Termin bei Florean Fortescue's gemacht."
Sie hält kurz inne, eine Pause, die Ron nutzt, um ihr das Wort abzunehmen.
„Die Blumen sind bestellt, rote Rosen, weil jemand ja ein Problem mit blau hat.", fährt er mit eindeutigem Blick in Richtung seiner Schwester fort. Ginny grinst nur.
"Rote Rosen sind halt Tradition. Bei meiner nächsten Hochzeit dürft ihr dann gerne blaue Blumen planen.", verspricht sie. Harry sieht alarmiert auf.
"Bei deiner was?", fragt er. Ginny muss lachen und drückt ihm einen schnellen Kuss auf die Lippen.
Es ist Samstag, der gleiche Samstag, an dem auch Draco mit seinen Freunden zusammen sitzt, aber das weiß Hermine natürlich nicht. Ihr jetzt aber schon, wer weiß, wann diese Info für euch noch einmal nützlich wird (Spoiler: vermutlich gar nicht).
Harry und Ginny sitzen in Rons Wohnung auf der Couch, Hermine und Ron haben ihnen gegenüber auf dem Fußboden Platz genommen, auf dem niedrigen Couchtisch sind alle möglichen Flyer, Rechnungen, Notizzettel und Broschüren ausgebreitet. Es ist Ende Mai und die Hochzeit soll im August stattfinden, wie es sich bei den Weasleys nach Bill und Fleur sowie George und Angelina mehr oder weniger als Tradition erwiesen hat. Also präsentieren Ron und Hermine heute die beinahe fertige Planung – was noch fehlt ist der Kuchen. Aber für den sieht es ja gut aus.
„Ist nächsten Freitag nicht frei?", fragt Harry verwundert. Hermine nickt.
„Ja, ich habe die Leute vom Café überredet, mir einen Gefallen zu tun.", sagt sie und seufzt. „Es war gar nicht so schwer, nachdem ich fallen gelassen habe, um wessen Hochzeit es geht." Sie verdreht die Augen. „Aber so habt ihr immerhin beide frei."
„Ihr doch aber auch.", erinnert Ginny sie und schaut zwischen Hermine und Ron hin und her. „Kommt doch mit. Zu viert ist das sicher viel lustiger."
Ron nickt sofort begeistert, aber Hermine zögert.
„Ich meine, es sei denn, du hast Pläne mit deinem Freund...", grinst Ginny und klingt viel neugieriger, als es angebracht wäre. Als ob sie nicht nur mehr Infos über Hermines mysteriösen neuen Partner wissen wollte. Dabei ist sie die einzige ihrer drei Freunde, die Jon schon einmal zu Gesicht bekommen hat, an diesem desaströsen Nachmittag letzte Woche. Wann wird Ginny es auch endlich lernen, nicht einfach unangekündigt bei ihr aufzutauchen?
„Habe ich nicht.", sagt Hermine schnell. "Wenn kein Notfall auf Arbeit dazwischen kommt, bin ich dabei."
Ihre Freunde tauschen einen Blick.
"Sicher?", fragt Harry und Hermine ist ein bisschen empört, dass sie wirklich alle zu glauben scheinen, dass sie ihre besten Freunde versetzen würde, nur weil sie einen neuen Freund hat.
"Natürlich bin ich sicher.", sagt sie also nachdrücklich. "Ich lasse mir doch nicht entgehen, mit euch eure Hochzeitstorte auszusuchen."
Das scheint die anderen auch zu befriedigen und Ginny beginnt, genauestens zu beschreiben, wie sie sich die Torte vorstellt.
„Übrigens,", sagt Harry irgendwann, als Ginny eine kurze Pause macht. "Wenn du dich bis August dazu durchgerungen hast, deinem Jon zu sagen, wer du wirklich bist, darfst du ihn natürlich gerne zur Hochzeit mitbringen." Ginny nickt begeistert. Hermine seufzt.
„Werde ich mir merken.", sagt sie. „Aber macht euch nicht zu große Hoffnungen. Ich bin gerne Clara, und ich bin besonders gerne Clara, wenn ich bei ihm bin. Alles ist so unkompliziert." Sie fummelt an einem herumliegenden Briefumschlag herum. „Tut mir leid, aber ich glaube, ich bin einfach noch nicht soweit, ihm zu verraten, wer ich bin."
Ron legt eine Hand auf Hermines Schulter.
„Mach dir nicht so viele Gedanken.", sagt er. „Niemand hier drängelt dich. Es ist deine Beziehung und du bestimmst das Tempo."
„Und falls du dich irgendwann entschließt, den Maskenzauber dauerhaft zu machen und offiziell Clara Banks zu sein, dann finden wir auch eine Lösung, wieso du mit zwei Dritteln des Goldenen Trios gut befreundet bist.", wirft Harry ein.
Hermine schaut ihn überrascht an. Denn da hat sie bisher noch gar nicht drüber nachgedacht. Die Idee, Clara zu werden, war spontan. Es war nicht der Plan, Hermine Granger für immer hinter sich zu lassen. Aber der Gedanke gefällt ihr zunehmend. Natürlich müsste man dann noch einige andere Leute informieren, die aktuell denken, sie lebt in Australien. Aber es wäre möglich. Und Hermines Herz klopft ein bisschen höher beim Gedanken an ein entspanntes, normales Leben als mittelhochrangige Ministeriumsangestellte. Als Clara Banks und, wer weiß, vielleicht irgendwann als Clara Fields. Mit einer Hochzeit, die nicht im Fuchsbau stattfinden muss, um kein Medienspektakel zu sein und mit einem kleinen Haus am Stadtrand, das nicht von Reportern belagert wird, so wie es immer noch bei Harrys und Rons Wohnungen der Fall ist. Mit Kindern, die nicht wie Harry damals betuschelt werden, wenn sie nach Hogwarts kommen.
Wäre es wirklich so schlimm, Hermine Granger, zumindest in der Öffentlichkeit, hinter sich zu lassen?
Aber dann die Kehrseite. Denn wenn es irgendwann auffliegen würde, was wahrscheinlich ist bei der Menge an Leuten, die Bescheid wissen müssten, dann wäre der Aufschrei größer als je zuvor. Und hat sie nicht irgendwo auch eine Pflicht als Hermine Granger? Sollte sie nicht lieber ihre Bekanntheit nutzen, um in der Welt etwas zu verändern?
Hermine schüttelt den Kopf, in der Hoffnung, die wirbelnden Gedanken zu vertreiben. Sie braucht Zeit, viel Zeit, um diese Entscheidung zu treffen. Also nein, sie ist noch nicht bereit, Jon einzuweihen. Überhaupt, sie sind seit drei Wochen zusammen! Das ist keine Dauer, nach der man den Partner in die größten Geheimnisse einweiht. Das ist eine Dauer, bei der man sich noch keine Gedanken über die Zukunft der Beziehung macht. Und genau das will und braucht sie jetzt: etwas, was leicht fällt, worüber sie nicht nachdenken muss. Und das will sie mit Jon.
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Eine einfache, leichte Beziehung ist nicht das, was Hermine in der auf diesen Samstag folgenden Woche erlebt. Auf Arbeit ist es stressig, sie hat Unstimmigkeiten mit den Muggelbehörden, die wieder einmal ihre Glaubhaftigkeit anzweifeln. Jon geht es nicht besser, er ist praktisch nur noch unterwegs. Und in der einzigen Mittagspause, die sie zusammen verbringen, wirkt er mit den Gedanken wo anders, zurückhaltend, als ob er etwas sagen will, aber nicht weiß, wie er anfangen soll. Als Hermine ihn zum dritten Mal fragt, was los ist, fährt er sie an, dass es nichts sei. Hermine lässt also von dem Thema ab und sie schweigen sich die restliche Pause an. Auch nachmittags sehen sie sich die ganze Woche nicht.
Hermine schiebt es auf den Stress, unter dem sie beide stehen, aber sie weiß auch, dass da noch etwas anderes ist. Jon hat irgendein Problem und Hermine hofft einfach, dass es nicht ihre Schuld ist. Was ist aus den sorglosen ersten Wochen einer Beziehung geworden? Sie weiß es nicht. Das ist vermutlich die Strafe dafür, etwas mit einem Kollegen anzufangen. Da ist niemand, der einem am Ende des Arbeitstages einen Gegenpol bietet, weil sie beide im selben Boot sitzen.
Am Donnerstag platzt Hermine der Kragen. Jon ist auf dem Sprung nach Wohin-auch-immer, als sie ihn entschlossen am Ärmel festhält. Der Gedanke so mit ihm auseinander zu gehen, ohne sich für das lange Wochenende verabredet zu haben, missfällt ihr.
„Du und ich, heute Abend. Tropfender Kessel, bring dein Schachbrett mit.", befiehlt sie eher, als dass sie es vorschlägt. Es funktioniert, er ist so überrascht von ihrem Ton, dass er einfach nickt. Sie bricht ihre strenge Maske mit einem kleinen Lächeln. „Bis heute Abend."
Seine angespannte Haltung löst sich ein wenig und auch er bringt ein müdes Lächeln hervor.
„Bis heute Abend."
Kurz zögert er, dann drückt er ihr schnell einen Kuss auf die Lippen. In einer hundertachtzig Grad Wende kehrt die Aufregung einer neuen Beziehung zu ihnen zurück und sie erlauben sich einige Sekunden, in denen sie sich im Kuss verlieren. Dann löst sich Jon mit bedauerndem Blick und tritt durch die offene Tür in den Korridor.
„Erinnere mich, dass wir da heute Abend weiter machen.", sagt er noch grinsend und verschwindet dann eiligen Schrittes Richtung Lifts.
Hermine schaut ihm hinterher, dann hört sie ein Leises Pfeifen. Sie dreht sich um und entdeckt Gondre, ihren Kollegen aus dem Büro gegenüber, der anzüglich grinsend zwischen ihr und Jon hin und her sieht. Er öffnet den Mund, um etwas zu sagen, aber Hermine schneidet ihm vorher das Wort ab.
„Lass stecken, Gondre!"
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Die Zeit bis zum Abend vergeht langsam. Aber sie scheint gänzlich stehen zu bleiben, als Hermine auf dem Heimweg von der Arbeit im Treppenhaus Mrs. Rosenthal begegnet, die ihr sofort von ihren Hüftproblemen und ihrer Nichte erzählen muss, die ihr Geld verspielt hat und jetzt bei der guten alten Tante Judith pumpen will.
"Aber nichts da!" Mrs. Rosenthal stemmt mit Nachdruck ihren Gehstock auf die Fliesen des Flures. Hermine unterdrückt ein Seufzen. "Vier Jahre hat sie sich nicht gemeldet."
Vermutlich würde sie noch weitere zehn Minuten auf ihre Nichte schimpfen - und Hermine wäre noch weitere zehn Minuten zu höflich, einfach die Wohnungstür hinter sich zuzuziehen. Aber auf einmal scheint ihr ein ganz anderes Problem einzufallen.
"Ach übrigens, Clara. Meine Schwester hat mich am Wochenende eingeladen. Könntest du wohl Samstag abends meine Katzen füttern?", fragt sie in einem Stimmungsumschwung, der Hermine leicht aus dem Konzept bringt. Die blinzelt. Fast schon hat sie genickt, dann fällt ihr ein, dass sie wenn es gut läuft vielleicht bei Jon schläft, wie die letzten beiden Wochenenden.
"Tut mit leid, Mrs. Rosenthal, ich bin möglicherweise selbst nicht hier.", sagt sie entschuldigend. Sofort ist natürlich die Neugier ihrer Nachbarin geweckt.
"Uh, unterwegs mit dem gutaussehenden jungen Mann von letzter Woche?", fragt sie sofort. Hermine seufzt.
"Vielleicht.", sagt sie und weiß selbst nicht, warum sie die Wahrheit sagt. Es geht Mrs. Rosenthal ja nichts an. Deren Blick wird mitfühlend.
"Schon so früh Streit?", fragt sie und schüttelt den Kopf. "Ich sage dir, Schätzchen, die Männer sind alle gleich. Irgendwann erfährt man immer was, was man gar nicht wissen wollte. Am Ende sind sie nie die, für die man sie gehalten hat."
Hermine blinzelt und muss sich ein Lachen verkneifen. In dieser Beziehung ist vermutlich eher sie diejenige, die nicht die ist, für die er sie hält.
"Oh, Mrs. Rosenthal, Sie haben ja keine Ahnung.", sagt sie leise und tritt jetzt doch über die Türschwelle zu ihrer eigenen Wohnung.
"Mach dir keine Gedanken wegen der Katzen!", hört sie ihre Nachbarin noch rufen. "Ich sage meiner Schwester einfach, dass ich nicht kommen kann." Und etwas leiser: "Ich wollte da eh nicht hin, ihr Mann ist unerträglich!"
Hermine zieht die Tür zu und lehnt sich von innen dagegen. Die Worte von Mrs. Rosenthal schwirren durch ihren Kopf. Haben sie und Jon schon Streit? Denn perfekt ist alles bei ihnen auf keinen Fall. Sie flucht frustriert. Dann stößt sie sich entschlossen von der Tür weg. Heute Abend trifft sie sich mit ihm. Und dann bringen sie alles wieder in Ordnung.
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Ist es ein Date? Ist es kein Date? Hermine weiß es nicht, aber sie hat sich umgezogen und wartet um halb sieben vor dem Pub auf Jon. Der taucht einige Minuten später auch auf, das schicke Schachbrett aus dem Trödelladen unterm Arm und ein Lächeln auf dem Gesicht, was ein bisschen gezwungen aussieht. Hermine ist ein bisschen bestürzt. Will er keine Zeit mit ihr verbringen? Aber sie will auch nicht, dass er sie wieder anfährt, wie vorgestern in der Mittagspause, also fragt sie nicht nach.
Sie betreten den Pub, setzen sich und essen, spielen eine Runde Schach und reden über belanglose Dinge. Etwas liegt ihm auf dem Herzen, das weiß Hermine und sie hofft und fürchtet gleichzeitig, dass er es anspricht.
„Hey, ähm, Clara...", sagt er irgendwann leise. Hermine atmet so unauffällig wie möglich einmal tief ein und aus. Jetzt kommt es also. Sie schaut auf und ihn direkt an.
„Ja?", fragt sie, betont locker. Sie schafft sogar ein aufmunterndes Lächeln. Er zögert.
„Es gibt da etwas, worüber ich gerne reden möchte.", sagt er. Vermutlich sollten in Hermines Kopf jetzt die Alarmglocken angehen, aber das tun sie nicht. Natürlich wandern ihre Gedanken zur Frage, was er besprechen will. Das realistischste, was ihr einfällt, ist dass er sie seiner Mutter vorstellen will oder so.
„Ok.", sagt sie, als er nicht weiterredet. Er schaut sich um.
„Es ist ein bisschen privat.", gesteht er. „Ist es ok, wenn wir das hier besprechen oder wollen wir...?"
Hermine unterbricht ihn, bevor er eine Alternative formuliert hat.
„Hier ist ok.", versichert sie ihm. Einerseits ist sie sich sicher, dass hier so viele halblegale Geschäfte passieren, dass auf den einzelnen Tischen ziemlich sicher Anti-Lausch-Zauber liegen. Außerdem ist der Pub relativ leer und niemand scheint sich für sie zu interessieren. Und, das ist vielleicht am wichtigsten, sie ist viel zu neugierig, worum es geht, als dass sie jetzt noch warten könnte, bis sie wo anders hingehen.
Er rückt immer noch nicht mit der Sprache heraus und Hermines Überlegungen wandern langsam von der Mutter-Variante zu einer Version, wo er ihr gleich seltsame Sex-Spielchen vorschlägt. Schlagartig fällt ihr auf, dass sie möglicherweise einen Fehler gemacht hat, als sie vorschnell zugesagt hat, es hier zu besprechen.
„Es geht um uns.", sagt er und Hermine denkt in einem Schreckmoment darüber nach, dass es sein kann, dass ihre Beziehung die längste Zeit gedauert hat. Sie blinzelt und wischt den Gedanken fort. Sie sollte nicht so wilde Theorien aufstellen, sie weiß ja gar nicht, worum es geht. Vielleicht will er auch zusammenziehen, heiraten, vielleicht ist er schwanger. Hermine stoppt ihre jetzt beweisbar aus dem Ruder gelaufenen Gedanken. Gut, sagt sie sich, vielleicht hat sie nicht so viel Kontrolle über sich selbst, wie sie gern hätte. Aber das ist allein seine Schuld, weil er herumdruckst, statt einfach zu sagen, was sein verdammtes Problem ist.
„Ich glaube, wir sind uns beide bewusst, dass wir nicht ganz ehrlich miteinander sind.", sagt er, gerade als Hermine die Anspannung nicht mehr aushält. Sie hält inne. Natürlich war ihr klar, dass er weiß, dass sie ihm nicht alles sagt. Aber sie dachte, das wusste er, bevor sie diese Beziehung angefangen haben. Sie dachte, das ist für ihn ok. Was erwartet er jetzt von ihr? Will er, dass sie ihm alles sagt? Oder – ihr wird heiß und kalt gleichzeitig – weiß er bereits, wer sie ist? War er deshalb so abweisend in der letzten Woche? Hat er herausgefunden, in welchem Maß sie ihn belogen hat und will sie jetzt zur Rede stellen?
Der letzte rationale Teil ihres Hirns gebietet dem Rest Einhalt. Sie sollte erst einmal herausfinden, was Sache ist, bevor sie in eine ausgewachsene Panikattacke verfällt, wie es gerade zu passieren droht.
„Was...was meinst du damit?", presst sie also heraus. Er hält ihrem Blick für einige Augenblicke stand, dann senkt er seine Augen auf das vergessene Schachbrett zwischen ihnen. Ein Kampf, halb ausgetragen und dann zurückgelassen, eingefroren.
„Ich weiß, dass du nicht Clara Banks bist.", sagt er. Vielleicht sagt er noch mehr, aber das hört Hermine nicht. In ihrem Kopf schrillen alle Alarmglocken und ein Instinkt greift, dem sie in den letzten Jahren nur selten freie Hand gegeben hat. Aber heute schon. Heute ergreift sie die Flucht, schnappt sich ihre Tasche und flieht so schnell sie kann aus dem Tropfenden Kessel.
Er weiß, wer sie ist. Er weiß, wer sie ist und jetzt wird sich alles verändern. Er sollte es noch nicht wissen, er sollte es nicht so erfahren. Sie wollte es ihm irgendwann sagen, auf ihre eigene Art und Weise, nicht so, nicht so.
Den Weg in ihre Gasse findet sie mittlerweile blind und das ist gut so, denn heute hat sie kaum genug Kapazitäten, um auf den Londoner Verkehr zu achten, geschweige denn darüber nachzudenken, wohin sie geht. Der Maskenzauber, der in den letzten Monaten zu ihrem besten Freund geworden ist, wird jetzt ihr größter Feind, er juckt und sie kann ihn kaum aufrecht halten. Sie spürt ihre Schuhe reiben, weil ihre Füße immer wieder größer und kleiner werden und sie klammert sich an ihre Handtasche.
Endlich erreicht sie ihre Gasse, endlich kann sie keiner mehr sehen. Erleichtert lässt sie den Zauber von sich gleiten und atmet einige Momente durch.
Sie ist eigentlich niemand, der vor seinen Problemen weg läuft, aber ein langes Wochenende mit ihren Freunden, ein paar Tage Abstand von Jon, das alles klingt plötzlich fantastisch. Sie weiß, sie kann ihm nicht ewig aus dem Weg gehen. Aber sie braucht ein paar Tage, um abzukühlen und der freie Tag kommt ihr gerade gelegen.
Hermine disappariert.
Was sie nicht weiß, ist dass Draco eigentlich keine Ahnung hat, wer sie ist. Und dass er ein furchtbar schlechtes Gewissen hat, als sie weg rennt, sobald er das Thema anschneidet. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Also gönnt er sich nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu realisieren, was gerade passiert ist, bevor er eilig das Schachbrett zusammenrafft und Clara hinterherläuft. Sie hat einen guten Vorsprung, aber er sieht sie gerade noch so in einer Seitenstraße verschwinden. Der Verkehr macht es unmöglich, sie noch einzuholen, aber mit einer kleinen Verzögerung erreicht er die Gasse doch.
Und sieht, wie vor seinen Augen das Äußere von Clara Banks wegschmilzt und jemanden zurücklässt, den er wirklich als Letztes erwartet hätte.
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