22.
Song: A Little Love - Celeste
Wir befinden uns unter den letzten Gästen, die das kleine Restaurant der Walters verlassen.
Nur noch der alte Frank sitzt an der Bar und plaudert mit der Bedienung.
Ich stolpere in den Schnee und fülle meine Lungen mit der klaren Luft, die nicht nach Kerzenwachs und Bratfett riecht.
Der Alkohol in meiner Blutbahn lässt mich leicht und beinahe schwerelos fühlen. Wenn ich beim nächsten Schritt nur das Bein hoch genug anhebe, könnte ich mich in die Wolken erheben.
Es tut gut zum ersten Mal seit unserer Ankunft richtig zu entspannen.
Mein linker Arm ist um Elliots Schultern gelegt und gerade kämpfe ich mit ihm darum, wer meine Mütze tragen soll.
Ich kriege das schwarze Material nicht über seine Ohren gezogen. Mein Finger können nicht mehr richtig zufassen und durch meinen Lachanfall kann ich mich kaum noch aufrecht halten.
Mom und Dad gehen Hand in Hand vor, kurz hinter ihnen Holly.
Nicole und Darren haben den Auftrag bekommen, ein Auge auf uns zu haben, dass wir den Heimweg auch sicher schaffen.
Elliot gewinnt.
"Das ist unfair", kichere ich. "Deine Arme sind viel länger als meine."
Wir taumeln auf den überfrorenen Wegen zurück nach Hause.
Der junge Mann neben mir ist dabei wesentlich weniger angetrunken, dementsprechend kann er mir immer wieder über den Mund fahren, wenn ich kurz davor bin, etwas Dummes zu sagen.
Wie 'Elli' oder was ich ihm zu Weihnachten schenken werde.
Ich bin nicht betrunken genug, um gänzlich die Kontrolle über meinen Körper und Geist zu verlieren. Ich bekomme noch deutlich mit, was ich mache. Diese Tatsache triggert meine kaum stoppbaren Lachanfälle.
Ich wusste nicht, dass ich so lustig sein kann.
Kurz vor unserem Haus schickt Elliot meine Schwester und ihren Verlobten vor.
"Die kleine Strecke schaffen wir ohne Zwischenfälle."
Den Rest seiner Worte höre ich nicht mehr, weil ich in seinen Augen versinke. Anders kann ich das warme Gefühl, das sich bei dem Anblick seiner blauen Augen in mir zusammenbraut, nicht beschreiben.
"Ich hätte nicht gedacht, dass dir Wein so schnell in den Kopf steigt. Und das auch noch bei dem ganzen Essen in deinem Magen", sagt er, als wir allein auf der Fahrbahn entlang schlendern.
"Tut er auch nicht." Ich stoße auf, was ihm ein breites Schmunzeln entlockt. "Außerdem bin ich gerade nicht in Stimmung für eine Anatomie-Stunde."
Ein prüfender Blick huscht über meine Züge.
"Sollen wir noch eine kleine Runde drehen, damit du morgen nicht mit dem Kater deines Lebens aufwachst?", fragt er dann.
Ich zucke mit den Schultern, bevor er es tun kann.
Ich hätte nichts dagegen, noch ein bisschen länger Zeit mit ihm zu verbringen.
"Kann ich dich was fragen?"
"Nur wenn du mir sagen kannst, wie viele Finger ich hochhalte."
"Vier", antworte ich, ohne genau auf seine erhobene Hand zu blicken. "Ich bin wirklich nicht so angetrunken, wie es scheint. Alkohol bringt mich nur immer zum Lachen und dann denken alle, ich hätte mich total abgeschossen, dabei dreht sich mein Kopf nur ein wenig."
"Und deine Zunge ist ein bisschen lockerer als sonst."
Bevor ich gekränkt die Arme verschränken kann, greift Elliot verspielt nach meiner Taille und positioniert mich vor sich. Kurz vergesse ich, was ich sagen wollte.
"Also, kann ich?", wiederhole ich meine Frage und drehe den Kopf, um ihn ansehen zu können.
"Ja", haucht er leise gegen mein Ohr, bevor er mich wieder loslässt und neben mich tritt.
Ich habe seine Präsenz hinter mir genossen.
"Warum bist du wirklich hier?"
Eine lange Pause dehnt sich zwischen uns aus. Atemwolken wabern um unsere Köpfe.
Eigentlich ist es viel zu kalt, um hier draußen zu stehen und sich zu unterhalten, aber der Wein spendet uns noch etwas Restwärme.
"Ich meine... Es ist sehr lobenswert, dass du mich vor einem potenziellen Mörder oder Pädophilen aus dem Internet retten wolltest und dich das Angebot eines kleinen Weihnachtsurlaubs überzeugt hat, aber wo ist deine Familie? Habt ihr euch zerstritten oder sind sie ausgewandert?"
"Sie sind tot."
Diese Worte erklingen, während ich noch weiter meinen Fragenkatalog ausrolle.
"Hast du keine Geschwister, die dich vermissen? Ich habe mich nie getraut, zu fragen, aber warum lässt man sich auf so eine verrückte Sache ein?"
Erst als die letzte Frage ausgesprochen ist, realisiere ich, was er gesagt hat.
"Scheiße. Das tut mir leid."
Es gibt keine gute Antwort auf so etwas. Hat es noch nie gegeben und selbst mein 'Es tut mir leid' ist nur vorgeheucheltes Mitgefühl, weil wie kann mir etwas leidtun, von dem ich keine Ahnung habe, wie es sich anfühlt?
Meine Eltern leben noch.
Seine Schultern ziehen sich hoch und er blickt auf unsere Füße, die nur wenige Zentimeter voneinander entfernt im Schnee versinken.
"Muss es nicht. Es ist schon ein paar Jahre her."
Seine Augen erzählen eine andere Geschichte.
"Wie lange?"
"Knapp vier Jahren."
"Dein Umzug", kombiniere ich mit großen Augen.
Er nickt. "Ich komme ursprünglich aus New York, Upstate. Ich musste einfach raus, nachdem es passiert ist. Mit meinem Bruder habe ich so gut wie keinen Kontakt mehr."
Ich frage nicht nach, was genau passiert. Eigentlich ist es offensichtlich, dass seine Eltern einen Unfall hatten. Selbst mein leicht beschwipstes Gehirn kann das kombinieren.
Und plötzlich fühle ich mich nüchtern.
Ich stelle mich aufrechter hin und drücke mein Kreuz durch.
"Wieso habe ich das nicht erraten?" Ich betrachte ihn eingehen und spiele damit auf den Fakt an, dass er aus New York kommt.
Elliot zuckt mit den Schultern.
"Du weißt schon, der stille, mysteriöse Mitbewohner deiner Freundin. Er könnte von überall und nirgendwo stammen."
Ich balle die Hände in meinen Taschen und wippe auf den Zehenspitzen vor und zurück.
"Dann bist du hier, um nicht allein zu sein?"
Ich weiß nicht, ob mein Nachbohren unsensibel ist, aber ich kann nicht aufhören. Nicht, wenn ich endlich dabei bin, mehr über ihn zu erfahren.
"Um ehrlich zu sein..."
Elliot macht einen Schritt auf mich zu - wie auch immer das sein kann, wenn man bedenkt, wie dicht wir schon beieinander standen.
"... habe ich die Chance ergriffen, um Zeit mit dir zu verbringen. Das hört sich jetzt entweder zu dick aufgetragen oder unheimlich an. Aber ich verspreche dir, meine Absichten sind gut."
Ich muss lächeln, auch wenn ich ein ernstes Gesicht behalten will.
"Finde ich gar nicht", versichere ich aufrichtig. "Ich finde, das hört sich sehr-"
"Wenn du jetzt 'nett' sagst, laufe ich weg."
Ich taste nach seiner Brust. "... romantisch an", beende ich.
Elliot senkt seinen Blick.
Zwischen einem kalten Windstoß und einer zuschlagenden Autotür nehme ich all meinen Mut zusammen und ziehe den jungen Mann, der sich bereit erklärt hat, eine andere Identität für mich anzunehmen, in meine Arme.
Erst wirkt er überrascht, doch dann spüre ich auch seine Umarmung, wie sie mich enger an seine dicke Jacke drückt.
Ich schließe die Augen und zum ersten Mal kann ich die Umstände akzeptieren, die uns hier zusammengebracht haben.
"Wäre es sehr unangebracht, die bemitleidenswerte Waisen-Karte auszuspielen, um dich zu küssen?"
Seine Stimme kitzelt mein Trommelfell.
All die kleinen Momente, die wir in den letzten Tagen geteilt haben, haben rote Fäden zu diesem Augenblick zusammenlaufen lassen. Wir stehen auf dem Knotenpunkt meiner wahnsinnigen Idee.
Ich kenne seine Hände bereits, die sich über meinen Hüften platzieren, zögerlich.
Ich war ihm bereits so nah, dass ich nicht zurückschrecke, als ich seinen Atem wie eine versprechende Frühlingsbrise über meine Wangen streichen spüre.
Nur das hier ist anders. Wie spielen nicht.
Da steht niemand hinter den erleuchteten Fenstern der umliegenden Häuser, der uns beobachten könnte. Kein Nachbar ist in Sicht.
Es gibt nur uns zwei.
"Etwa ein Mitleidskuss?", scherze ich, doch meine Stimme klingt wenig überzeugend, sie ist dünn geworden.
Elliot täuscht eine gekränkte Grimasse vor.
"Ich mache doch nur Spaß."
Meine eisigen Finger treffen auf seine warme Wange.
"Du musst mich nicht fragen", flüstere ich und werde Zeuge von einem Schatten, einem tiefgründigen Ausdruck, der durch seine Augen huscht, sie kurz zum Glänzen bringt, bevor er sich vorbeugt.
Kurz vor meinen Lippen hält er noch einmal inne.
"Wer hätte das gedacht?", fragt er andächtig. "Weihnachten scheint doch noch etwas Magisches an sich zu haben."
Ich will erwidern, dass sich Izzy genau das hätte denken können, beziehungsweise sich genau das hier heimlich erhofft hat, aber ich komme nicht dazu.
Denn Elliots Lippen treffen endlich auf meine.
Dieses Mal verweilen sie eine kleine Ewigkeit.
__________________________________
Seufz.
Es geht doch nichts über eine romantische Szene in einer verschneiten Winternacht.
Ich habe mal wieder alles genau vor Augen, was ich hier in Worte gepackt habe und wünschte, ich könnte euch einen kleinen Filmausschnitt hier drunter setzten.
Aber vielleicht hattet ihr ja gerade selbst einen kleinen Film in eurem Kopf :)
Ich hoffe, der Sturm hat bei euch noch alles heile gelassen.
Den Tag über hatten wir hier ziemliche Ruhe, aber seit ein paar Stunden rüttelt es wieder ganz schön an den Jalousien...
Weihnachten wird ja wohl nicht weiß, sondern einfach nur nass. Oh well... Ich hatte mir Anfang des Monats solche Hoffnungen gemacht.
Last call für eure Bilder von eurer Weihnachtsdekooooo :)
Süße Träume &
All my Love,
Lisa xoxo
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro