10.
Song: Fields of Green - Meyta
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich eingeschlafen bin. Das kurze Gespräch mit Elliot hat mich so aufgewühlt, dass ich nicht zur Ruhe kommen konnte.
In meinen Gedanken wütete ich förmlich. Über seine Unverschämtheit und meine Dummheit.
Als ich aufwache, ist das Bett neben mir leer und die Sonne scheint bereits recht hoch zustehen.
Ich robbe über die Matratze und angle mein Handy vom Nachttisch, auf dem ein leeres Wasserglas und ein Stapel Bücher befinden, von dem ich mich nicht erinnern kann, sie dorthin gelegt zu haben.
Er hat meinen Wecker ausgestellt.
Das bedeutet, ich muss meinen Alarm verschlafen haben.
Ich wische über meine Augen und schwinge mit einem Ächzen die Beine über die Bettkante.
Das letzte Mal, dass ich meinen Alarm verschlafen haben, ist so lange her, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann.
Elliot hat seinen Koffer gestern Abend noch ordentlich in die Lücke zwischen meinem Kleiderschrank und der Wand geschoben. Mein Koffer liegt offen vor meinem alten Schreibtisch, sein Inhalt zerwühlt.
Bei diesem Anblick überrollt mich die Realität. Sie reißt mich mit und lässt mich an meinem gesunden Menschenverstand zweifeln.
Ich habe verwirklicht, was ich mir in den Kopf gesetzt habe.
Unten in der Küche sitzen meine Eltern und halten wahrscheinlich gerade ein Pläuschchen mit dem jungen Mann, den sie für meinen Freund halten.
Sie wissen nicht mal, dass ich meinen Job bei The Bold Type verloren habe und jetzt Kinderkleidung zusammenlege und Plastiktöpfchen von Staub befreie.
Ich vergrabe das Gesicht in den Händen und atme so tief durch, wie es mir in meiner krummen Haltung möglich ist.
Dann stehe ich auf und gehe ins Bad.
Jeder Schritt, jede Bewegung, jeder Griff in den Hängeschrank und zum Wasserhahn sind in mein Unterbewusstsein eingebrannt. Das hier war einmal mein Leben.
Ich schaffe es gerade mal, meine Zähen zu putzen, da höre ich meine Schwestern die Treppe hochpoltern.
Holly kichert, während Nicole ungeniert die Tür aufstößt.
"Hey! Geht's noch", protestiere ich, aber keine der beiden geht darauf ein.
Im Gegenteil, sie entern den lang gestreckten, schmalen Raum und sperren uns darin ein.
"Dir auch einen wunderschönen guten Morgen, Sonnenschein", lächelt meine ältere Schwester.
Sie hat ihre langen Haare zu einem aufwendigen Zopf geflochten, den sie sich wie einen Kranz um den Kopf gelegt hat.
Wo nimmt sie die Geduld her?
"Hast du gut geschlafen?", fragt Holly und gibt mir eine seitliche Umarmung.
"Ihr könnt hier doch nicht einfach so reinplatzen. Was, wenn ich auf dem Klo gesessen hätte?"
"Hast du ja nicht", erwidert Nicole kühl.
"Zum Glück", grinst meine kleine Schwester und ich gebe ihr eine Kopfnuss.
"Deine Augenringe sprechen jedenfalls für eine kurze Nacht", kombiniert Nicole. "Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, das liegt an deinem Freund."
Die letzten beiden Worte gehen in einem Singsang unter.
Kurz fühle ich mich ertappt.
"Ich bin zu müde für euren Scheiß, ehrlich", murre ich mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen.
Ich möchte wirklich gerne für meine Schwestern da sein, aber... "Dafür ist es noch zu früh am Morgen."
"Früh?", gackern die beiden im Einklang.
"Es ist bald Zeit fürs Mittagessen und Grandma kommt zu Besuch, um dich endlich mal wiederzusehen. Du hast genau fünf Minuten, um dich anzuziehen."
"Aber erst wollen wir dich für uns haben und dich ausfragen." Hollys Augen glänzen, als sie das sagt.
"Ausfragen?" Ich hebe die Augenbrauen.
"Na, über Dexter, du Dummerchen!" Nicole gibt sich nicht die geringste Mühe, ihr Stimme auf einem diskreten Level zu halten.
Sollte Elliot sich gerade unten im Flur befinden, wird er sie gehört haben.
"Wieso hast du nie erzählt, wie heiß er ist?"
Nicole klammert sich bei dieser Frage so fest in meinen Oberarm, dass ich spüre, wie ihr Verlobungsring in mein Fleisch schneidet.
Holly steuert etwas bei, aber ich blende ihre Stimme aus.
"Na ja, also..." Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll.
Elliot, heiß? Ich habe ihn nie so gesehen, nie so über ihn nachgedacht.
Aber ich verstehe schon, was sie meinen.
Er hat einen athletischen Körperbau, freundliche Augen. Und ich denke, wenn man auf die Kombination von kornblumenblauen Augen mit wallendem schwarzen Haar steht, das an einen Nachthimmel ohne Sterne erinnert... dann könnte man Elliot durchaus als attraktiv oder eben heiß bezeichnen.
"Nicht ein Wort hast du über deine Lippen kommen lassen", klagt Holly mich an und knufft mich in die Seite.
Ich stemme die Hände in die Hüften. Nicht, weil ich arrogant herüberkommen will, sondern weil ich nicht weiß, wohin mit meinen Händen.
"Eine Lady genießt und schweigt", bringe ich schließlich heraus und ernte ein Quietschen und begeistertes auf und ab hüpfen.
"Als ich ihn gesehen habe, habe ich fast weiche Knie bekommen", gesteht die Jüngste und ich frage mich, ob ich von einer solchen Aussage pikiert wäre, wenn Elliot tatsächlich mein Freund wäre.
"Ging mir genauso, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe", sage ich. "Dir sei verziehen. Diesen Effekt hat er auf Menschen."
Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, was ich gefühlt habe, als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe.
"Außer auf mich!", macht Nicole klar. "Das würde ich Darren nicht antun."
"Warte nur ab, bis du mal einen Darren 2.0 mit Waschbrettbauch triffst", kichert Holly und weicht Nicoles Hand aus.
"Er sieht jedenfalls gut aus und wir waren überrascht. "
Eine feine Nadel durchbohrt in mein Herz.
"Warum? Weil er gut aussieht?", hake ich nach.
Natürlich, weil er gut aussieht. Weil sich noch nie ein gutaussehender Junge für mich interessiert hat.
"Nein."
"So ein Quatsch!"
"Aber normalerweise gibt man mit so einem Fang doch an, oder nicht?" Hollys blonde Haare fallen über ihre Schultern, als sie nach dieser Frage den Kopf schief legt.
"Vielleicht wollte ich ihn aus diesem Grund für mich behalten. Damit ihr ihn mir nicht wegschnappen könnt", scherze ich und presse meine Fingerspitze gegen Hollys Stupsnase.
Zum Glück rettet mich die Türklingel und löst die Befragungsrunde auf.
"Das würden wir nie tun", sagt Nicole noch, bevor sie wieder zur Klinke greift. "Das weißt du hoffentlich, oder?"
Ihre Augen sind besorgt.
"Klar." Ich schenke ihr ein lockeres Lächeln, gepaart mit einem Augenzwinkern. "Und jetzt raus hier. Ich komme gleich nach."
Die Wirbelwinde verschwinden und ich folge ihnen kurz darauf die Treppen hinunter - wohlbemerkt immer noch im Pyjama.
Grandma steht im Eingangsbereich und umarmt, was das Zeug hält.
Meine Schritte auf der Treppe verlangsamen und ich halte inne, betrachte die Szene vor mir andächtig und mit einem Schmunzeln auf den Lippen.
Unsere Grandma Rosie hat mindestens genauso viel Feuer im Hintern wie ihre Tochter, die sie in diesem Moment in die Arme schließt.
Mom schließt die Augen. Sie gibt die ehrlichsten Umarmungen dieser Welt.
Von ihrer geringen Körpergröße darf man sich nicht täuschen lassen, die holt sie nämlich mit Persönlichkeit und einem großen Mundwerk wieder rein.
Jetzt hat sie Nicole entdeckt.
"Ach Kind, du hast die Haare wieder so schön!", ruft sie aus.
Sie fasst sich entzückt an die Wangen, bevor sie ihre Hände zu ihrer Enkelin ausstreckt.
Ich registriere eine Bewegung in der Küchentür, die direkt neben der Haustür liegt.
Elliot lehnt im Türrahmen, ein Fuß entspannt angewinkelt, als wäre das hier seine Familie und er würde sich pudelwohl fühlen.
Seine Augen liegen bereits auf mir, als ich ihn ansehe.
Sein rechter Mundwinkel hebt sich, aber ich werde nie herausfinden, ob er mich wirklich angelächelt hätte, denn die Aufmerksamkeit des kleinen Empfangskomitees fällt auf ihn.
"Und du musst Dexter sein, der Freund von unserer Harper. Wie schön, dich endlich einmal kennenzulernen."
Für ihr Alter schließt die gebrechliche Frau die Distanz zwischen sich und meinem Freund überraschend flink.
Fast jeder, der Grandma Rosie nicht kennt, macht einen erstaunten Kommentar über ihre Mobilität.
Elliot krümmt seinen Rücken, um seine Umarmung entgegenzunehmen.
Runzlige Hände, bestückt mit acht Goldringen, klopfen ihm auf den Rücken.
"Wir hatten mal einen Hund, der so hieß", sagt sie, noch während sie sich in den Armen liegen.
"Grandma!", ermahne ich sie von meinem Platz auf der Treppe und erst jetzt werde ich vom Rest der Runde bemerkt.
"Harper!"
Elliot ist so schnell vergessen, wie ein Regenschauer im Sommer.
"Oh, meine Harper, wie lange ist es her?"
Mein Fuß kommt auf den Dielen auf, da steht sie schon vor mir.
"Grandma Rosie", sage ich mit weicher Stimme, als ich ihren süßen Duft einatme.
Sie benutzt das gleiche Parfum, seit ich denken kann.
Wann immer der Flur nach dieser süßen Note von Karamell riecht, wissen wir, dass Granny zu Besuch ist.
"Es ist wirklich schön, dich wiederzusehen", flüstere ich an ihr Ohr.
"Na, das will ich hoffen. Und sieh mich an. Ich bin keinen Tag gealtert."
Sie lacht ihr schelmisches Lachen und lässt sich von Mom die Jacke abnehmen. Dad hält währenddessen ihre rosa Handtasche.
Meine Familie bewegt sich zum Wohnzimmer und ich verspreche, dass ich gleich nachkomme.
Als sie sich außer Hörweite befinden, erhebt Elliot seine Stimme.
"Können wir reden?"
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Hello Freunde der Sonne!
Ich wünsche euch einen schönen zweiten Advent! :) (wie schnell die Zeit vergeht! Hilfe.)
Es ist viel los, was soll ich sagen.
Aber unser Weihnachtsbaum steht schon! Immerhin was hehe
Ich hoffe, ihr könnt euch Grandma Rosie richtig gut vorstellen.
Sie ist einer dieser Charaktere, der mir einfach "aus den Finger fließt". Ich sehe sie so deutlich vor mir und muss mir gar keine Gedanken über ihre Persönlichkeit machen, die kommt nämlich gleich mit den Visuals mit, hahaha
Eure Kommentare werde ich versuchen, morgen zu beantworten! :)
Kommt gut in den Montag! <3
All my Love,
Lisa xoxo
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