34. Verborgenes Talent
Cara nahm die Haarklammer, die ich ihr reichte, entgegen und widmete sich sogleich dem Türschloss.
Ich hoffte so sehr, dass sie es hinbekam, aber wenn ich ehrlich zu mir war, war es eine Sache der Unmöglichkeit, ein solches Schloss mit einer Haarklammer zu knacken. Trotzdem konnte es funktionieren, auch wenn die Wahrscheinlichkeit nur sehr gering war, redete ich mir ein. Ich musste zuversichtlich bleiben, sonst verlor ich noch den letzten Nerv.
Mittlerweile steckte die Haarklammer schon im Türschloss. Ich sah, wie Cara mit verbissenem Gesicht versuchte, das Schloss zu öffnen. Angespannt verfolgte ich jede ihrer Bewegungen, um den möglichen Erfolg ja nicht zu verpassen.
Sie drehte die Klammer, drückte sie nach rechts, nach unten. Immer wieder bildete ich mir ein, das ersehnte Knacken des Schlosses zu hören, aber nie bewahrheitete es sich.
Als ich schon völlig verzweifelt auf dem Boden saß, den Kopf in die Hände gestützt, tüftelte Cara immer noch an dem Schloss herum. Sie wollte wirklich nicht aufgeben, was ich ihr hoch anrechnete.
Die Zeit hatte ich total ausgeblendet, aber geschätzt versuchte sich Cara schon mindestens eine halbe Stunde an dem Türschloss. Meine Zuversicht ist schon nach einer Viertelstunde zur Gänze verschwunden und seither saß ich frustriert und verzweifelt auf dem Boden.
Caras Motivation hingegen war noch hoch. Im Gegensatz zu mir war sie immer noch mit voller Konzentration dabei, das Schloss zu knacken und zeigte keinerlei Anzeichen aufzugeben.
Samara hatte anfangs noch neben Cara gestanden und, genauso wie ich, jede ihrer Bewegungen genau analysiert. Aber jetzt lehnte sie ebenso frustriert an der Wand der Hütte und starrte ins Nichts.
Keine von uns sprach ein Wort. Ich würde gerne mit Ryan kommunizieren, wollte aber die Stille nicht brechen oder gar Cara aus der Konzentration bringen. Außerdem waren die Wände der Hütte so dick, dass ich bei einer Kommunikation wahrscheinlich nur weniger als die Hälfte von dem, was Ryan sprach, verstehen würde.
Also ließ ich es bleiben.
Stattdessen schloss ich die Augen. Ich konzentrierte mich auf die Geräusche der Umgebung. Die Blätter an den Bäumen und auf dem Boden raschelten, ein Vogel sang, ein zweiter stimmte mit ein. Ich hörte einen Specht mit seinem Schnabel gegen einen Baum hämmern. Im nächsten Moment kreischte ein Adler. Alles begleitet von einem mehrstimmigen Summen der Insekten.
Unter normalen Umständen würde ich es genießen, so ungestört und umgeben von diesen ganzen beruhigenden Geräuschen im Wald zu sein. Ich würde die Natur wertschätzen.
Aber ich war hier nicht aus Spaß. Die Situation war ernst und ich sollte Cara unterstützen, um einen Erfolg zu erzielen.
Entschlossen erhob ich mich und trat neben Cara. Immer noch verbissen bewegte sie die Haarklammer im Schloss. Ich wollte gerade zum Sprechen ansetzen, als sie mir zuvorkam.
,,Ich habe es gleich!", presste sie unter Anstrengung hervor, während sie mit aller Konzentration und angespannter Miene die Klammer im Türschloss nach oben drückte.
Ich kniff meine Augen zusammen, denn ich hatte Angst davor, falls Cara doch scheiterte. Einen Rückschlag würde ich nicht ertragen können, meine Nerven lagen jetzt schon total blank.
Und endlich! Das lang ersehnte Knacken des Schlosses ertönte und all die Anspannung fiel mit diesem Geräusch von mir ab. Die Tür sprang auf und ich konnte es nicht glauben. Auch wenn ich am liebsten zuerst in die Hütte gerannt wäre, um Ryan zu umarmen, schenkte ich erst Cara eine dankende Umarmung. Ohne sie wären wir ganz schön aufgeschmissen gewesen.
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