SIEBENUNDZWANZIG
Es war eine der unruhigsten Nächte, die ich je hatte. Ich wachte gefühlt im Minutentakt auf, weil ich schlecht geträumt hatte. Natürlich von nichts anderem, als dem morgigen Abend. Was ist, wenn Julian geht?
Wie soll ich mich verhalten?
Werden wir den Kontakt abbrechen?
Diese Gedanken häuften sich in meinem Kopf an, bis ich es dann nichtmehr aushielt und aufstand. Es war erst kurz vor Sechs, aber dank meines Kaffes war ich putzmunter.
Nach reiflicher Überlegung beschloss ich ins Fitnessstudio zu gehen, dieses würde erst in einer Stunde aufmachen, aber solange würde ich die Wohnung aufräumen.
Das Fitnessstudio wurde irgendwie zu meinem neuen Fluchtort, dort konnte ich am besten abschalten und mich auspowern.
Der Sportbereich war wie leer gefegt, es waren einzig und allein, mich mit eingeschlossen, Drei Personen hier.
Somit hatte ich freie Wahl an den verschiedenen Geräten.
Voller Elan machte ich mich an die Arbeit und beendete meine Session Zweieinhalb Stunden später beim Auslaufen auf dem Laufband.
Völlig ausgepowert, aber glücklich fuhr ich nach Hause und frühstückte dort ausgiebig.
Danach hatte ich es noch ein wenig mit Papierkram zu tun.
Für die letzten Drei Semester müsste ich noch einige Extrakurse belegen und außerdem meine Erkenntnisse bei der Ersten Hilfe erweitern.
Also füllte ich alle Dokumente aus, packte die Anmeldungen in die Briefumschläge und fuhr anschließend zur Uni, um sie dort in den Briefkasten zu werfen.
Gelangweilt setzte ich mich ins Auto, es war mittlerweile schon vor 12 Uhr. Mein Magen knurrte, ich hatte total Lust zu kochen, doch in meinem Kühlschrank herrschte gähnende Leere.
Elisa hatte gesagt, dass sie heute morgen zum Brunchen bei Johannes Eltern eingeladen sei. Also konnte sie mir auch nicht weiterhelfen. Ich fuhr gerade die Strecke nach Hause, als ich durch Zufall an Karas Wohnung vorbei fuhr. Kurzerhand parkte ich hinter ihrem Auto, welches in der Einfahrt stand und klingelte auf Gut Glück an ihrer Wohnung.
"Ja?" fragte ihre zarte Stimme.
"Kara, ich bin's Alessia" sagte ich.
"Alessia? Warte ich mach dir auf" kam es überrascht von ihr.
Die große Tür vor mir gab ein surren von sich, mühevoll stemmte ich sie auf und trat in das Treppenhaus. Kara wohnte fast ganz oben, weshalb ich mich für den Aufzug entschied, Sport hatte ich heute schon genug gemacht.
"Alessia meine Liebe. Was machst du denn hier?" Kara lehnte schon in ihrer Haustür, als sich der Fahrstuhl mit einem Pling öffnete.
Kurz schilderte ich meine Situation uns fragte anschließend, ob wir zusammen etwas kochen wollten.
"Au ja" rief sie, "Ich hab total Hunger".
An der Garderobe traf ich auf Timo, Karas Freund.
"Hallo und Tschüss, ich bin dann mal weg. Kocht was schönes." rief er, gab Kara einen kurzen Kuss und schloss dann die Tür hinter sich.
"Wohin geht er?" fragte ich interessiert.
"Muss beim Aufbau am Strandabschnitt helfen, wegen heute Abend. Kommst du auch?" erzählte sie.
Ich nickte leicht.
Während wir das Gemüse für unser Chilli con carne schnippelten erzählte ich Kara von gestern und von meinen Bedenken wegen heute Abend.
Doch sie erzählte mir das gleiche wie Elisa, weshalb ich mich auf die beiden verließ. Meine Gefühle waren gemischt, ich hatte einerseits Angst, aber andererseits konnte ich es kaum erwarten ihn wieder zu sehen.
Dieser Typ machte mich verrückt.
Eine Stunde später stand die dampfende Pfanne vor uns. Wir hatten etwas länger gebraucht als vorgesehen, aber wir hatten den Großteil der Zeit mit wildem tanzen verbracht.
Die Mieter unter uns hatten bestimmt schon die Decke auf sie fliegen sehen.
Das Chilli ist uns dennoch gut gelungen. Wir ließen ein wenig für Timo übrig und machten uns dann an den Abwasch. Danach schauten wir noch ein paar Folgen unserer Lieblingsserie und anschließend ging ich nach Hause. Es war schon Drei Uhr und um Vier würde ich mich mit Elisa treffen.
Zum Glück musste ich nichtmehr duschen, sonst wäre mein Zeitplan außer Kontrolle geraten.
15.47 Uhr zeigte mir mein Handy an.
Ich hatte schon im voraus beschlossen hin zu laufen, da das Wetter ausgesprochen gut war und ich ewig nach einem Parkplatz hätte suchen müssen.
Also machte ich mich auf den Weg und kam 15 Minuten später an der Promenade an. Es lag am Muskelkater, dass ich etwas länger gebraucht hatte.
Allerdings war Elisa auch noch nicht dort, ich setzte mich auf eine niedrige Mauer und wartete.
Mein Blick glitt über die Menschenmenge und die verschiedenen Stände.
Beim Anblick der Essensauswahl lief mir das Wasser im Mund zusammen, Burger, Pommes, Wraps, Crêpes, Waffeln und Zuckerwatte konnte ich von meinem Standort aus erkennen.
Wenig später traf Elisa ein, sie entschuldigte sich vielmals, aber das Brunchen hatte einfach länger gedauert, als sie gedacht hatte.
In den nächsten Drei Stunden hatten wir uns unsere Bäuche mit Essen vollgeschlagen und spazierten nun zum Strand runter. Elisa hatte eine Decke dabei, auf die wir uns drauf setzten. Der Strand war schon gut gefüllt. Immerwieder blickte ich über die vielen Menschen, aber den, den ich eigentlich suchte, fand ich nirgends.
"Suchst du wen?" bei der, mir bekannten, Stimme bildete sich eine Gänsehaut auf meinem Körper.
Langsam drehte ich mich um.
"Julian" flüsterte ich.
Er grinste mich schief an, ich glaube wir wussten beide nicht so ganz, wie wir uns verhalten sollten.
"Äh, Kai und Sophia sind auch da hinten" er zeigte hinter sich, wo die beiden an einem Stehtisch standen und fröhlich zu uns winkten.
"Können wir jetzt reden" fragte der Fußballer vorsichtig.
"I- ich, ähm" stotterte ich, natürlich bekam ich keinen geraden Satz raus.
Elisa neben mir räusperte sich "Na geh schon, Johannes kommt auch gleich, dann bin ich nicht allein"
Ich nickte und zog sie in eine Umarmung "Du schaffst das, alles wird gut werden" flüsterte sie und drückte meine Hand.
Sie reichte mir meine Tasche und ich verließ mit Julian den Strand.
"Wohin gehen wir?" fragte ich, um die peinliche Stille zu unterbrechen.
"Irgendwohin wo es ruhiger ist" murmelte er, völlig in Gedanken versunken.
Wir näherten uns wieder dem Rhein und hielten schließlich an einer Mauer an der Promenade. Hinter uns lag eine Parkanlage und vor uns erstreckte sich der Fluss, die Lichter glitzerten auf der Oberfläche und immer mal wieder fuhr ein Boot vorbei. Nicht weit weg befand sich eine Brücke, von welcher sich auch viele das Feuerwerk ansehen wollten.
Die gedämmte Musik drang zu uns und ich lehnte mich gegen die Mauer um Julian betrachten zu können.
Er trug zerrissene, knielange, Jeans Shorts, weiße Sneakers und ein weißes Hemd.
Es stand ihm ungemein gut.
Sein nachdenklicher Blick machte das ganze noch attraktiver.
Doch irgendwann hielt ich die Stille nicht mehr aus und sprach an, was mir schon ganze Zeit auf der Zunge lag.
"Deine Entscheidung fiel wohl doch ziemlich schnell, wohin geht's?" fragte ich, vielleicht ein wenig unsensibel.
Er zuckte mit den Schultern.
"Ich weiß es noch nicht" presste er unter angestrengter Miene hervor.
Empört und ein wenig wütend sah ich ihn an.
"Ich hatte doch gesagt du sollst mir Zeit lassen, i-" doch weiter kam ich gar nicht. Julian nahm meine Hände und begann zu sprechen.
"Ich muss zugeben, dass ich das als Vorwand benutzt habe, um dich wieder zu sehen." Er schmunzelte leicht. "Sonst wärst du vermutlich nicht zum Treffen gekommen"
Ich versuchte mich aus seiner Umklammerung zu lösen, aber seine großen Hände hatten meine fest im Griff.
"Alessia, wir kennen uns noch nicht so lange, aber du hast mir einfach von der ersten Sekunde an den Kopf verdreht. Meine Gefühle spielen immer wieder verrückt, wenn ich nur an dich denke. Ich glaube wir wären ein sehr gutes Team und ich denken unsere bisherige Beziehung-" er ließ meine Hand los und deutete mit seinen Fingern Anführungszeichen an "sollte nicht damit aufhören, dass ich das Land verlasse. Du bedeutest mir wirklich viel und ich möchte mit dir entscheiden wohin wir gehen. Ich möchte, dass du mitkommst"
Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke.
Was? Das Land verlassen?
Hat Julian das gerade ernst gemeint.
Ich konnte keinen klaren Gedanken darüber fassen.
"Julian, i-ich, du weißt, dass ich noch studiere. Ich kann nicht von hier weg und w-wir, solange kennen wir uns noch gar nicht. Ist das nicht ein bisschen voreilig?" fragte ich vorsichtig.
Seine Hand drückte meine bevor er mir standhaft in die Augen blickte.
"Es mag vielleicht leichtsinnig sein und es könnte schwierig werden, aber wenn ich eins weiß, dann dass ich nicht ohne dich leben möchte. Außerdem hast du nur noch ein Jahr vor dir" Seine Worte verursachten ein Kribbeln in meiner Magengegend.
Seine Hand wanderte nach oben und strich mir eine lose Strähne aus dem Gesicht.
Ich war völlig überfordert. Meine Gefühle. Meine Gedanken. Einfach alles spielte verrückt.
"Wirst du darüber nachdenken?" fragte er mich und zog mich näher zu sich.
"Mach ich" sagte ich leise und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln.
Ich würde seine Idee nicht außer acht fallen lassen, aber im Moment war ich etwas überfordert.
Um uns herum war es schon Stockdunkel geworden, das Feuerwerk müsste jeden Moment beginnen.
"Gehen wir zurück?" fragte ich, doch noch im gleichen Moment ging die erste Rakete hoch.
Erschrocken zuckte ich zusammen und krallte meine Finger in Julian's Hemd.
Der Blonde verschloss seine Hände hinter meinem Rücken und zog mich an seine Brust, ich schaute leicht erschrocken zu ihm nach oben.
Seine Augen glitzerten und er sah mich lieblich an.
"Ach scheiß drauf." flüsterte er noch, als er kurz darauf mein Kinn hoch drückte und unsere Lippen vereinte.
Hinter uns begann das Feuerwerk, alle erdenklichen Farben erstreckten sich über den Himmel.
Doch alles was mich gerade interessierte war Julian. Seine weichen Lippen trafen auf meine, er umfasste meinen Kopf und drückte mich noch näher an sich. Mein Körper glühte, mein Bauch fühlte sich an, als ob er explodierte und meine Beine wurden immer wackliger.
Er legte so viele Gefühle in den Kuss, dass mir schwindelig wurde, meine Finger gruben sich in sein blondes Haar, während unsere Lippen sich gegeneinander bewegten.
Aus Atemnot löste ich mich schließlich von ihm.
"Tschuldige, war so nicht geplant, aber ich konnte nicht anderst" verlegen fuhr er sich durch die Haare.
Ich schüttelte grinsend den Kopf und verband unsere Lippen kurzerhand zu einem weiteren Kuss.
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