Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

29 - Silbergrau

▷CLOVES - Don't Forget About Me ◁


"Herr Eisold, ich finde es wirklich großartig, dass Sie heute Ihre Geschichte hier erzählt haben und uns daran teilhaben lassen. Es ist ein äußerst großer Schritt. Und auch wenn sie im Moment das Gefühl haben, an ihren Gefühlen zu ersticken, es hilft. Sprechen hilft."

Noah nickt und wischt sich die Tränen vom Gesicht. Er wagt es nicht, aufzusehen und fährt sich nun verloren durch seine Haare, die ihm jetzt wirr vom Kopf abstehen. Das Dunkelbraun erinnert mich an den Herbst, der momentan noch gefühlt fünf Jahre von uns entfernt ist, so heiß wie es im Moment ist. Und doch sehne ich mich nach weitaus kühleren Temperaturen, den ganzen vielen bunten Blättern, meinem Pulli den mir Oma gestrickt hat, dem erdigen und frischen Geruch des Waldes und Halloween, nach Kürbis schnitzen und Verkleiden. Noah zieht die Nase hoch und holt tief Luft. Er füllt seine Lunge regelrecht mit Luft, kurz habe ich Angst, dass er daran erstickt.

"Ich habe nur Angst", gibt Noah leise zu. Seine Stimme ist ein leises Wispern. So sanft und zart wie zitterndes Espenlaub im Wind.

"Wovor?", erkundigt sich die Therapeutin und schlägt die Beine übereinander.

"Vor den ganzen beschissenen Dämonen, die mir auflauern. Wenn man etwas ausspricht, dann wird es so unendlich wahr. Und das macht mir Angst."

Ich mustere das Bild, das Noah gemalt hat, und bin nach wie vor fasziniert von seinem Talent.

"Es wird wahr. Das stimmt. Aber wenn man es ausspricht, dann schwindet die Kraft der Dämonen auch immer ein Stückchen mehr. Weil man ihnen keinen Raum gibt. Weil man die Worte ausspricht und sie mit dem hellen Licht konfrontiert, das außerhalb des Kopfes ist. Wenn sie ausgesprochen werden, dann werden sie gehört und sie werden geteilt - und das heißt, dass es jemanden gibt, der die Dämonen mit dir bekämpft." Meine Stimme zittert, weil ich verhindern will, dass er verschwindet und unsichtbar wird, weil er sich zurückzieht und die Dunkelheit ihn mit sich reißt.

Noah sieht mich nun an, sein Blick ist verloren und so voller Trauer, dass ich das Gefühl habe, er ertrinkt darin. Ein kleines, ganz schwaches Lächeln stiehlt sich auf sein Gesicht, das aber mit einem Wimpernschlag wieder verschwunden ist. Aber er nimmt den Blick immer noch nicht von mir. In seinen sturmblauen Augen sammeln sich silbergraue Regentropfen, die sein wunderschönes Gesicht in Nässe tauchen.

"Vielleicht rufst du deine Mama an?" Anett beugt sich vor und unterbricht unser Starren.

Er nickt. "Ja, vielleicht sollte ich das tun."

"Herr Eisold, brauchen Sie nach der heutigen Sitzung ein Krisengespräch? Sie wissen ja, wir sind für Sie da." Herr Dr. Vitas sieht ihn eindringlich an.

Wieder nickt er und schüttelt kurz darauf den Kopf. "Ich muss erstmal nachdenken und runterkommen. Aber ich glaube, es hat mir schon ein bisschen geholfen, dass ich heute gesprochen habe; dass ich mich geöffnet habe. Bitte lacht mich nicht aus, weil ich geweint habe."

"Niemand wird hier ausgelacht, weil er weint." Frau Mechter hebt mahnend den Zeigefinger und lächelt sanft. "Gut, dann beenden wir die heutige Sitzung an dieser Stelle. Bitte geben Sie aufeinander acht und sollten Sie sich um ihre Mitpatienten Sorgen machen, scheuen Sie sich nicht, sich an das Pflegepersonal zu wenden - dafür sind wir da!"


Es dauert keine zwei Sekunden und Noah ist zur Tür hinausgerannt. Sofort überflutet mich eine Welle an Sorge, aber ehe ich ihm nacheilen kann, werde ich von Frau Mechter zurückgehalten.

"Frau Großmann, bitte bleiben Sie doch noch kurz."

Ich schlucke und nicke. Schweigend warten wir, bis auch der letzte Patient das Zimmer verlassen hat. Verloren sitze ich auf meinem Stuhl und wackle nervös mit den Füßen.

"Es ehrt Sie, dass Sie sich so um Herrn Eisold kümmern. Aber bitte vergessen Sie sich selbst nicht." Frau Mechter sieht nun mich mahnend an.

"Das tue ich nicht. Versprochen."

"Ich möchte Sie an dieser Stelle darauf hinweisen, dass Sie sich bitte an das Pflegepersonal wenden, wenn Sie sich Sorgen um ihn machen. Es ist nicht Ihre Aufgabe, sich um die Mitpatienten zu kümmern und sie zu therapieren. Ich hoffe, das wissen Sie?"

"Natürlich weiß ich das. Ich werde daran denken, danke für Ihren Hinweis." Ich stehe auf und beende das Gespräch mit dieser Geste. Ich habe nicht mehr sonderlich viel Lust, mich darüber zu unterhalten, ob ich mich um Noah sorgen soll oder nicht. Ich bin durchaus in der Lage, meine Grenzen inzwischen etwas deutlicher zu stecken. Aber dass ich mir um jemanden Sorgen mache und mich um ihn kümmere - das ist ein Charakterzug und den kann ich nicht so leicht ablegen. Will ich auch gar nicht.


Zuerst sehe ich am Raucherpavillon nach, aber dort ist er nicht.

"Lia, hey, alles klar?" Kai kommt mir entgegen und hält mir die Tür auf.

Ich nicke. "Ja, danke. Ich suche Noah, hast du ihn gesehen?"

"Vermutlich ist er im Zimmer?", rät er mir und winkt mir kurz, als ich die Tür zufallen lasse.


So schnell ich kann, laufe ich die Treppen zu seinem Zimmer hoch. Sie knarzen unter meinem Gewicht und der Eile, die mich übermannt. Ich stehe mindestens fünf Minuten vor der Tür, um wieder zu Atem zu kommen. Es wäre peinlich, wenn ich wie ein hechelnder Hund vor ihm stehen würde - falls er überhaupt da ist. Als meine Atmung sich wieder einigermaßen beruhigt hat, klopfe ich mit zitternden Händen an seine Tür. Nichts tut sich und ich klopfe erneut. Normalerweise respektiere ich persönlichen Raum, aber ich mache mir Sorgen um ihn. Aus diesem Grund öffne ich vorsichtig die Zimmertür und und sehe durch den Türspalt.


Noah sitzt am Tisch, ein Bein angewinkelt auf dem Stuhl, und malt. Er hat Ohrstöpsel drin, weswegen er mein Klopfen gar nicht hören hätte können. Ich beobachte ihn eine Weile, wie er konzentriert den Pinsel über das Blatt bewegt und sich nachdenklich auf die Lippen beißt. Seine Haare stehen ihm nach wie vor wirr vom Kopf und ich habe kurz das Bedürfnis, durch sie hindurchzufahren. Leise lache ich auf und schüttle den Kopf. Als würdest du das jemals tun.


Jetzt, wo ich weiß, dass Noah in Sicherheit ist und malt, beschließe ich, mich zurückzuziehen und ihn alleine zu lassen. Denn Alleinsein ist vermutlich das, was er gerade braucht. Nicht mich, die sich ihm aufdrängt und ständig seine Nähe sucht.


Er muss meine Bewegung im Augenwinkel bemerkt haben, denn er sieht mich in der Sekunde an, in der ich die Tür schließen will. Er blinzelt kurz und zieht schließlich einen Ohrstöpsel aus seinem Ohr.

"Hey", murmelt er mit seiner tiefen Stimme.

Mein Herz hüpft und ich bin mir seiner Anwesenheit nur zu bewusst. Ich verstehe nicht, warum er mich so fühlen lässt, so aufgeregt. Ich verstehe es nicht, oder? Oh. Oh nein. Bitte nicht.

"Hey", entgegne ich und bin plötzlich nervös. Ich beiße mir auf die Unterlippe. "Sorry, dass ich die Tür einfach geöffnet habe, aber ich habe mir Sorgen gemacht."

"Kein Problem, alles gut. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich mache keinen Mist." Er zieht eine Augenbraue nach oben und sieht kurz auf meinen Arm.

Auch ich ziehe meine Augenbrauen jetzt hoch und verschränke die Arme. Ich gehe sofort auf Abwehrhaltung, obwohl sein Kommentar vermutlich nicht einmal als Angriff gemeint war.

"Ich gehe besser." Besser ich unterbreche die Unterhaltung als dass er es tut. Besser ich weise mich selbst zurück als dass er es tut.

"Dalí, warte", meint er leise, als ich die Tür schließen will.

Ich stocke. "Was?"

"Mein Bild ist fertig."

Irritiert blinzle ich, bis es mir wieder einfällt. "Das von dem Zigarettentag?"

Noah grinst, seine Grübchen treten hervor und ich habe irgendwie Probleme, mich auf irgendwas anderes zu konzentrieren. "Ja, von dem Zigarettentag. Willst du es sehen?"

Nervös schlucke ich. "Gerne, wenn ich darf."

"Komm rein", sagt er leise.

"Ich darf nicht in dein Zimmer."

Er rollt mit den Augen und nimmt ein Blatt Papier vom Tisch. Jetzt, wo er vor mir steht, sehe ich, dass er vermutlich noch mehr geweint hat. Seine Augen sind rot unterlaufen und angeschwollen. Aber es sieht bei ihm nicht im Geringsten so schlimm aus wie bei mir wenn ich geweint habe. Mich könnte man sehr gut mit einer Seegurke verwechseln, meine Augen sind nach einem Heulanfall fast nicht mehr zu sehen, weil sie so anschwellen. Noah drückt mir das Papier in die Hand und meine Gedanken verstummen mit einem Augenblick.

"Wow", bringe ich nur heraus und bestaune das Bild.

Eine Stadt ist zu sehen, eine Stadt, die in verschiedensten warmen und kalten Lila- und Rosatönen getaucht ist. Zwischen den einzelnen Hochhäusern bildet sich Nebel - oder Smog. Sie sieht verlassen aus. Groß. Kalt. Einschüchternd, obwohl die Farben stellenweise so warm sind. Und vor der Stadt, auf einem kleineren Hochhaus, steht ein Mann. Alleine und sieht auf die vielen Häuser, die sich vor ihm erstrecken, wie ein Meer aus Kälte und Fremdheit.  Es ist wunderschön und ich kann mich nicht daran sattsehen.

"Gefällt es dir?", fragt Noah leise und lässt mich nicht aus den Augen, während ich das Bild betrachte.

Ich nicke. "Ja, sehr. Es ist wunderschön, Noah."

"Gut. Es ist für dich."


Jetzt kann ich doch den Blick von dem Bild nehmen und starre ihn an. "Es ist für mich?"

Er lächelt vorsichtig und beißt sich auf die Unterlippe. "Wenn du es möchtest."

"Du schenkst mir das Bild?" Ungläubig sehe ich ihn an.

Noah nickt. "Ja, Dalí. Es ist für dich."

"Das kann ich eigentlich nicht annehmen. Aber ... danke."

Ich überlege, ihn zu umarmen, bin aber hin und hergerissen. Ich weiß nicht, ob er es dulden würde. Oder ob es ihm nicht zu viel wäre.


"Ich danke dir, Lia." Er lächelt noch immer leicht, doch dann wird sein Blick wieder ernst. "Ich muss jetzt weitermalen. Wir sehen uns später oder so, ja?"

"Ja, ist gut. Danke nochmal. Ich ... ich freue mich sehr."

Noah zwinkert und schließt die Tür schneller als ich 'Tschüss' sagen kann vor mir. Und ich stehe im Flur mit seinem Bild von ihm. Verloren wie ein Schiffbrüchiger auf hoher See.



Beim Abendessen kann ich Noah nirgends sehen. Auch als wir unsere Blitzrunde machen und sich die Raucher vorher im Raucherpavillon sammeln - er ist nicht da. Erst zur Maltherapie betritt er den Raum. Ich sitze im kleinen Zimmer, am kleinen Tisch, an dem nur vier Personen Platz haben. Aber ich sitze alleine, denn ich bin noch ziemlich früh dran. Heute möchte ich hier sitzen, weil ich die Privatsphäre brauche. Ich möchte heute nicht von vielen anderen umgeben sein. Ich entdecke Noah, als ich gerade zur Tür hinausblicke. Er sieht müde aus, abgekämpft und so, als hätte er noch viel mehr Tränen vergossen, seitdem er die Tür vor meiner Nase geschlossen hat. Ich richte meinen Blick wieder auf mein noch leeres Papier und versuche mich darauf zu konzentrieren. Heute möchte ich mit am Malen mit Pastellkreide versuchen und habe mir ein Päckchen davon mitgenommen. Ich halte die gelbe Pastellkreide in der Hand und male vorsichtig einen Strich auf das Papier.

"Du kannst sie auch verwischen", sagt Noah leise, als er sich neben mich an den Tisch setzt.

Ich wische vorsichtig über den Strich und verreibe die Farbe auf dem Papier. Dadurch lassen sich hervorragende Schattierungen gestalten, was ich auch sofort ausprobiere. Konzentriert tauche ich das Blatt Papier in bunte Farbe und werfe Noah hin und wieder einen Blick zu. Wieder hört er Musik und ist absolut vertieft in sein Bild. Verstohlen schaue ich es mir an, doch ich sehe nur schwarz. Sein ganzes Bild ist komplett in schwarze Farbe getaucht. Ich sehe Noah an und sehe die Gefühle über sein Gesicht tanzen. Seine Augen sind dunkel, seine Wangenmuskeln zucken. Und obwohl ich es eigentlich sehr attraktiv finde, wenn Männer das machen, macht es mir Angst. Weil ich das Gefühl habe, dass die Dämonen gerade mit Händen und Füßen an ihm zerren. Und es scheint so, als würden sie gewinnen. Noah weint. Stille Tränen laufen ihm die Wangen hinunter, seine Hände zittern. Er wirft den Pinsel auf den Tisch, schiebt den Stuhl mit einem lauten Scharren zurück und knüllt das Papier zusammen. Den Papierpall wirft er in den Mülleimer, den er im Vorbeigehen trifft und dann ist er verschwunden.


Ich bleibe nicht mehr lange, denn meine Sorge um Noah ist - wie heute den ganzen Tag schon - zu groß. Fahrig sammle ich die Utensilien zusammen, wasche die Pinsel aus und lasse sie zum Trocknen liegen. Mein Bild nehme ich mit und gebe unserem Maltherapeuten Bescheid, dass ich gehe. Mein Weg zum Medizinischen Dienst führt durch den Speisesaal, in dem Leonie mit Anett und einigen anderen sitzt und ein mir unbekanntes Brettspiel spielt. Sie lachen und unterhalten sich angeregt, aber all das fühlt sich falsch an. Es fühlt sich falsch an, dass sie lachen, während Noah gerade einen Kampf führen muss und niemand bei ihm ist.

Laut klopfe ich gegen die Tür des Medizinischen Dienstes und warte ungeduldig, bis die Tür geöffnet wird. Herr Vladic sieht durch den Türspalt, als er mich entdeckt, stiehlt sich ein Lächeln auf sein Gesicht.

"Frau Großmann, schön Sie zu sehen. Ich brauche hier noch einen Moment. Bitte nehmen Sie doch auf dem Stuhl Platz."

"Bitte, Herr Vladic, es ist ein Notfall. Herr Eisold braucht Beistand und ich weiß nicht wo er ist. Ich mache mir solche Sorgen um ihn."

Herr Vladic schweigt und scheint zu überlegen. Stille legt sich über uns.

"Ich bin hier, Lia." Es tut gut, Noahs Stimme zu hören und ich bin beruhigt, dass er sich Hilfe gesucht hat.

Ich nicke und winke Herrn Vladic schweigend zum Abschied.


Meine Gedanken drehen sich wie verrückt und deswegen schnappe ich mir mein Tagebuch, dessen Seiten ich den restlichen Abend mit Worten fülle. Irgendwann bin ich müde genug, um einzuschlafen.



Es ist mitten in der Nacht, der Himmel ist dunkel durch mein Fenster zu sehen, als mich jemand an der Schulter berührt und wachrüttelt.

"Lia, Lia, bitte, du musst aufwachen." Leonies Stimme ist leise, aber dennoch schrill und ich bin sofort hellwach.

"Was ist? Was ist passiert?", frage ich nervös.

"Noah, es ist Noah." Sie hat Tränen in den Augen und mir wird schlecht.

Bitte nicht.

"Was-?"

Ich komme nicht dazu, meine Frage zu stellen, weil sie mich unterbricht.

"Er steht vor unserer Tür. Er hat nach dir gefragt. Bitte, Lia, geh zu ihm. Er braucht dich." Ich sehe Tränen in ihren Augen schimmern und springe aus dem Bett. 

Schnell werfe ich mir meine Jacke über und ziehe meine Jogginghose an, damit ich ihm nicht gänzlich unbekleidet entgegentrete. Als ich die Tür in den Flur vorsichtig öffne, höre ich ein leises Schluchzen. Ich schließe die Tür und da steht Noah. Er hat sich hinter der Tür versteckt und ich habe das Gefühl, als würde er sich gerne in der Wand verstecken. Ich hole tief Luft und gehe langsam auf ihn zu. Er weint. Unzählige Tränen bahnen sich ihren Weg über sein Gesicht.

Ohne großartig darüber nachzudenken lege ich ihm meine Hände an die Wangen und streiche die Silbertränen weg. Meine Berührung scheint ihn nur noch mehr aufzuwühlen, er greift nach meinen Händen und hält sich an ihnen fest, als würde er ohne sie umfallen. Noah schluchzt laut auf und ich schließe ihn in die Arme. Ich halte ihn. So fest ich kann. So fest, um zu verhindern, dass er auseinanderbricht und in tausenden Scherben vor mir auf dem Boden liegt.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro