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10 - Schiefergrau

▷ Broods - Never Gonna Change ◁

"Und du hast wirklich nichts geplant, Lia?" Timo steht mit mir im Raucherpavillons vor den Gruppenräumen. Am Wochenende haben wir samstags immer noch einmal eine kurze Millieusitzung in der wir erzählen was wir machen. Die Regelung ist, dass jeder der nicht an dieser Sitzung teilnimmt das Haus nicht verlassen darf. Außer man hat eine Extraerlaubnis von den Therapeuten.

Ich habe kurz überlegt, ob ich die Sitzung einfach schwänzen soll. Aber mein Pflichtbewusstsein ist vermutlich doch stärker als gedacht. Timo sieht mich an und wartet scheinbar auf eine Antwort, also zucke ich mit den Schultern und nicke.

"Vielleicht bleibe ich dann auch hier. Dann können wir viel Zeit gemeinsam verbringen." Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht auf das mir irgendwie Angst macht.

"Ach, du. Nein. Danke, musst du nicht. Ich bekomme Besuch und werde ansonsten die restliche Zeit in meinem Buch versinken." Ich zwinge mir ein Lächeln auf und starre in den Wald hinter dem Pavillon. Eine Bewegung auf dem Trampelpfad, der durch den Garten führt, erregt meine Aufmerksamkeit. Leonie und Noah laufen gemeinsam den Weg entlang und unterhalten sich angeregt. Ein kurzer Stich durchfährt mich und ich ertrinke in Neid und Schmerz. Ich werde immer unsichtbar sein. Nie bedeutend. Nie wichtig. Frauen wie Leonie sind immer die, die alle Männer toll finden. Und wen wundert es? Sie ist wundervoll. Und du? Du bist ein Mauerblümchen. Unsichtbar. Grau. Schiefergrau.

Gebannt in meine Gedanken merke ich gar nicht, wie sie sich vor mich stellt. "Hey, alles gut?" Sie beugt sich etwas zu mir und ihre roten Haare fallen ihr über die Schulter. Sie sehen weich aus und ich bin fasziniert von all dem Licht das sich in ihren Haaren fängt. "Lia?", erkundigt sie sich weiter.

"Mh? Ja, alles gut. Ich bin nur müde, hatte noch keinen Kaffee", lächle ich entschuldigend und setze ein Lächeln auf. Noah mustert mich und zieht dann die Augenbrauen hoch. Leise seufzend drehe ich mich um und starre in den Wald.

"Kommt ihr? Wir fangen an!", ruft eine ältere Frau mit kurzen schwarzen Haaren und die Raucher setzen sich in Bewegung.


Der Speisesaal ist wie ausgestorben als ich ihn nach der Millieusitzung betrete. Alle Fenster sind geschlossen. Es regnet und ich möchte nach draußen. Zumindest nur kurz. Meine Zigarette umhüllt mich in Rauch und ich beobachte die Tropfen des Regens, wie sie auf den Boden treffen und eins mit ihm werden. Der erdige Duft füllt meine Nase und hüllt mich in Sicherheit. Schon immer habe ich Regen geliebt. Das Geräusch. Der Geruch. Der Anblick. Ich hole tief Luft und inhaliere den frischen Duft des Regens. Mir ist kalt also gehe ich wieder rein.

Ein Mädchen aus einer der anderen Gruppen steht verloren am Kicker. Spontan beschließe ich, mich ihr anzuschließen.

"Möchtest du spielen?", erkundige ich mich und fahre mit meiner Hand über die Spieler in den weißen Trikots. Neugierig sieht sie mich an und nickt. "Ja, gerne. Aber ich bin nicht so gut", erwidert sie schüchtern.

"Kein Problem. Ich bin auch keine Rakete", grinse ich sie an und schnappe mir den Ball. Dass ich das Spiel eigentlich ganz gut kann, weil ich es in meiner Kindheit oft gespielt habe, sage ich ihr nicht.

"Ich bin Kathrin. Wie heißt du?"

"Ich bin Lia. Eigentlich Thalia. Aber den Namen mag ich nicht sonderlich. Er erinnert einfach an diesen einen Bücherladen."

Kathrin bricht in Kichern aus. "Stimmt. Aber ich weiß, dass Thalia aber auch die Muse der komischen Dichtung und der Unterhaltung ist. Und sie war außerdem eine der 50 Töchter des Nereus." Sie grinst mich an.

"Du weißt aber viel." Erstaunt sehe ich sie an und vergesse dabei vollkommen das Spiel. Sie schießt ein Tor.

"Mein Vater interessiert sich viel für Geschichte und Mythen und Legenden. Und ich habe gewonnen, Lia, Thalia. Ha!" Sie tanzt einmal im Kreis und ich kann nicht anders als zu lächeln ob ihrer Freude. "So, entschuldigst du mich? Ich möchte noch ein bisschen lesen bevor es Mittagessen gibt."

"Kathr-"

"Kati", unterbricht sie mich.

"Kati, wie ist das am Wochenende. Sitzt dann jeder an seinem jeweiligen Gruppentisch oder sitzen wir alle zusammen?"

Sie überlegt. "Es kommt darauf an. Eigentlich gucken wir, dass alle an einem Tisch Platz haben, weil es Blödsinn ist, wenn jemand allein sitzen muss. Also kannst du dich ruhig zu uns an den Tisch setzen wenn du magst."

"Danke, das ist lieb. Ich glaube, ich würde ansonsten ganz alleine am Tisch sitzen. In welcher Gruppe bist du?"

"In der Merkur-Gruppe. Und du?", möchte sie wissen.

"In der Uranus-Gruppe. Die Namen sind so lustig, finde ich. Warum bist du hier und nicht nach Hause gefahren?"

Katis Blick verdunkelt sich. "Ich habe Ausgangsverbot." Sie krempelt ihren Arm nach oben und offenbart mir ihren Unterarm der über und über mit frischen Schnitten übersät ist. Augenblicklich wird mir schlecht. Und ich bekomme Druck. Schneidedruck. Ich schlucke. Du musst dich ablenken.

"Ah, oh. Okay." Entschuldigend lächle ich sie an und gehe in den Garten. Tief einatmend laufe ich durch den Regen und versuche, das Bild aus dem Kopf zu bekommen. Verloren bleibe ich inmitten des Gartens stehen und schließe die Augen. Ich darf mich davon nicht triggern lassen. Beruhige dich, Lia. Beruhige dich.


Es ist ein tolles Gefühl, mitten im Regen zu stehen und die einzelnen Regentropfen auf der Haut zu spüren. Ich habe Gänsehaut und ich zittere. Aber es ist mir egal. Regen ist so wundervoll. Langsam gehe ich wieder zurück und kann mich jedoch noch nicht dazu bringen, mich unter das Dach zu stellen. Also bleibe ich noch eine Weile im Regen stehen. Ich höre, wie die Tür zum Speisesaal geöffnet wird, aber ich lasse meine Augen geschlossen. In dem Moment ist mir herzlich egal wer rausgekommen ist. Ein Lächeln stiehlt sich auf auf mein Gesicht. Ich höre wie jemand herumkramt. Das Klicken eines Feuerzeugs. Das Auspusten des Rauches. Rieche den Rauch der sich mit dem kalten Regen mischt. Es ist still. Und die Stille legt sich zwischen mich und die Person die mit mir hier draußen steht. Ich runzle die Stirn. Eine leise Vorahnung frisst sich in mich. Ich drehe mich um und mein Herz sackt mir in die Hose.

Natürlich. Von all den Menschen die hier sind muss ausgerechnet er hier stehen. Ich fass es nicht. Aber Noah steht nur da und sieht mich an. Er sieht mich einfach nur an. Schweigend. Zieht an seiner Zigarette. Das Regenlicht bricht sich in seinen Sturmaugen. Sein Blick wandert gen Himmel und das ist mein Stichwort, aus dieser unangenehmen Situation zu flüchten.


Ich bin bis auf die Haut durchnässt als ich mich auf den einen von beiden freien Stühlen der Merkur-Gruppe fallen lasse. Moment. Merkur-Gruppe? Das ist Leonies Gruppe - und Noahs. Und eben jener steht hinter dem freien Stuhl neben mir und versucht, mich mit seinem Blick zu töten. Ich schlucke und springe auf. Denn ich habe keine Lust auf einen dummen Spruch von ihm.

"Ich gehe. Keine Angst. Ich gehe."

"Nein, du bleibst", sagt Kati bestimmt und steht auf. "Noah, sei kein Waschlappen und setz dich endlich hin, verdammt. Sind wir hier im Kindergarten?!"

Noah schluckt und sieht mich an. Aber ich kann seinem Blick nicht standhalten, also irren meine Augen haltlos umher auf der Suche nach einem Anker. Noah räuspert sich und lässt sich schließlich auf dem Stuhl nieder. Auch ich setze mich langsam wieder hin und konzentriere mich auf das Mittagessen. Sein Duft umhüllt mich kurz, als er sich setzt. Er riecht nach Regen, nach Rauch und nach einem feinen Hauch von Aftershave - oder Parfum, so genau weiß ich das nicht. Aber er riecht besser als gedacht. Vor allem, weil er ja sonst ein Stinkstiefel ist.


Es ist bereits dunkel, als mich die Panik überfällt. Als mich der Schneidedruck überrollt. Als mich die Dunkelheit einholt und unter sich vergräbt. Ich bin allein im Zimmer, Leonie ist zu Hause. Meine Atmung geht unkontrolliert. Hektisch. Ich habe einen Panikanfall und weiß nicht, wie ich mich beruhigen kann. Gefühle drängen sich aus mir heraus und ich muss husten. Fülle das Zimmer mit Panik, Wut, Selbsthass, Verzweiflung und Trauer. Schneller als ich denken kann habe ich meine Notfallklinge gefunden und halte sie in meiner Faust. Ich bin so kurz davor, mir wehzutun. Ich sehe Bilder in meinem Kopf die mir Angst machen. So Angst, dass mir noch mehr Tränen in die Augen schießen. Mir ist schlecht. Ich sitze zitternd auf meinem Bett und habe das Gefühl, inmitten eines Meeres zu sein. Zu ertrinken.

Dieses Leben. Es wird sich nie verändern. Niemals.

Doch. Wenn du etwas dafür tust. Es hilft nichts, hier zu ertrinken, wenn es in diesem Haus ein Licht gibt, das dir den Weg für die restliche Nacht leuchten könnte.

Ich mache mich auf den Weg zum Medizinischen Dienst und hoffe, dass Herr Vladic heute Dienst hat. Vielleicht kann er mir helfen. Auf der Treppe begegne ich Kati, die mich sorgenvoll mustert, aber ich gehe schweigend an ihr vorbei.

Die Tür zum Medizinischen Dienst ist geschlossen also klopfe ich zaghaft an. Keine Sekunde später wird die Tür aufgerissen und Herr Vladic sieht interessiert durch den Türspalt.

"Ah, Frau Großmann. Warten Sie noch zwei Minuten, dann bin ich fertig und habe Zeit für Sie."

Vorsichtig fahre ich mit meinen Fingern über den Verband und starre Löcher in den Boden. Die Tür öffnet sich schließlich und ein Patient einer anderen Gruppe tritt heraus. Er nickt mir zu und verlässt den Gang.

"Was kann ich für Sie tun, Frau Großmann? Wie geht es Ihrem Arm? Ich kann den Verband noch einmal wechseln, wenn Sie möchten."

Glücklich, einen offiziellen Grund zu haben, hier zu sein, nicke ich und lasse ihn meinen Arm erneut verbinden.

"Aber das ist nicht der Grund warum Sie eigentlich hier sind. Habe ich Recht?" Seine wachen Augen blitzen mich neugierig an, als er den Verband anlegt.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und überlege. Sei ehrlich, Lia. Sei endlich ehrlich. Also schüttle ich den Kopf und blicke betreten zu Boden.

"Was haben Sie auf dem Herzen?", erkundigt Herr Vladic sich.

"Die Dunkelheit", antworte ich.

"Ah, die Dunkelheit. Eine alte Freundin von Ihnen?"

Interessiert blicke ich ihn an und nicke. "Ja, seit Jahren."

"Und Sie sind viel zu höflich als dass Sie sie aus ihrem Haus werfen. Richtig?" Er kramt in einem Medizinschrank herum und öffnet eine Packung Tabletten, die er, während er mit mir spricht, in Behälter füllt und einsortiert.

"Richtig. Was machen Sie da?", frage ich neugierig.

"Ich sortiere die Tabletten für die Patienten, die noch im Haus sind, damit die Frühschicht den Patienten die fertige Tablettenmischung einfach in die Hand drücken kann." Eine Schachtel ist leer. Er wirft sie in den Müll. Fluoxetin steht darauf.

"Was ist Fluoxetin?", erkundige ich mich.

"Ein Antidepressiva. Nehmen Sie keine Tabletten, Frau Großmann?"

Ich schüttle den Kopf.

"Vielleicht wäre das eine Möglichkeit für Sie, dass Sie die Dunkelheit nicht mehr ganz so oft besuchen kommt. Besprechen Sie das doch einmal mit Ihrer Ärztin wenn Sie wollen. Bis jetzt haben Sie ja auf jeden Fall ein Bedarfsmedikament zur Beruhigung."

Stirnrunzelnd sehe ich ihn an. "Was denn?"

"Atosil. Flüssig. Riecht besser als es schmeckt. Aber es scheint bei andern zu helfen", sagt er leise und sieht mich an. "Frau Großmann, wenn Sie mit jemandem sprechen möchten, dann bin ich da. Oder auch unser Nachtarzt. Wie Sie möchten. Aber es hilft Ihnen mehr, wenn Sie darüber sprechen und es nicht totschweigen." Gutmütig sieht er mich an und lächelt.

"Okay. Danke. Es geht schon wieder. Ich denke, ich gehe noch eine Zigarette rauchen. Danke für Ihre Hilfe."

Herr Vladic nickt und schließt die Tür leise hinter mir.


Seit Jahren kämpfe ich mit der Dunkelheit. Seit Jahren versuche ich, sie zu besiegen. Seit Jahren weigere ich mich, Tabletten zu nehmen. Seit Jahren versuche ich, mein Leben zu leben. Und dann kam irgendwann der Einbruch. Der Tag an dem nichts mehr ging. Der Tag, an dem all meine Sicherungen durchbrannten und ich versuchte mir das Leben zu nehmen. Der Tag an dem die Dunkelheit gewann. Und irgendwie hoffe ich, dass sie es nicht mehr schafft. Zu gewinnen.

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