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05 - Schneeweiß

▷Lorn - Acid Rain ◁


Ich fahre mit meinen Fingern über die Bettdecke und versuche, die Falten aus der Decke zu streichen. Es gelingt mir nicht wirklich, da ständig neue entstehen. Schließlich mustere ich den Boden und entdecke einige Flecken und Kratzer auf dem Laminat. Wie viele Menschen hier wohl schon geschlafen haben? Wie viele Sorgen und Gedanken hier durch den Raum getanzt sind? Ich sehe aus dem Fenster und erfreue mich an dem satten Grün davor. Die Bäume gefallen mir. Es gibt Nadel- und Laubbäume und ich kann mich nicht entscheiden, welche ich schöner finde. Und ich mag die Tatsache, dass die Klinik mitten im Wald ist. Wenn man das Fenster öffnet, kann man die Vögel zwitschern hören. Vielleicht könnte ich bald spazieren gehen. Vielleicht auch mit Leonie. Oder mit Aaron.

"Lia. Sieh mich an. Bitte." Ihre leise Stimme holt mich zurück aus meinen Gedanken.

Leonies Blick ruht auf mir und ich kann ihren Gesichtsausdruck absolut nicht deuten. Ein dunkler Schatten huscht über ihr Gesicht, sie wirkt wütend. Aber auch traurig. Und irgendwie enttäuscht und ... verletzt. Warum ist sie enttäuscht? Ich kann ihr doch eigentlich komplett egal sein, schließlich kennt sie mich kaum. Und doch fühle ich mich schuldig. Es ist ein bitteres Gefühl, das sich jetzt gerade durch meine Adern frisst und mein Herz verätzt. Ich hab Mist gebaut. Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut.

"Du weißt, dass ich dich zum Medizinischen Dienst bringen muss, um Bescheid zu sagen, Lia?", wispert sie und wendet sich der Tür zu.

Mir rutscht das Herz in die Hose. So sehr ich diese Therapie auch nicht will, ich möchte nicht fliegen. Und ich habe Angst, dass ich rausfliege, weil ich gelogen habe. Weil ich gesagt habe, ich hätte keine Schneidewerkzeuge mehr dabei. Ich lüge viel zu oft. Die Wahrheit tut weh und es ist schwierig, sie auszusprechen. Menschen können besser mit Lügen umgehen als mit der nackten, eiskalten, bitteren Wahrheit. Aber ich möchte nicht, dass sie zum Medizinischen Dienst geht. Ich möchte nicht, dass sie durch die Tür schreitet. "Nein, bitte nicht. Bitte, bitte nicht, Leonie." Ich merke, wie sich in meinen Augen die Tränen sammeln und meine Sicht verschwimmt. "Du verstehst das nicht", füge ich murmelnd hinzu und sehe sie vorsichtig an.

Leonies Gesichtsausdruck verändert sich schlagartig von traurig zu wütend. Sie reißt ihren Pulli hoch und zeigt mir ihren Bauch, der über und über mir Narben versehen ist. "Ich verstehe das nicht? Na klar, Lia. Du bist die einzige, die sich verletzt. Ich muss hier auch, verdammt nochmal, an mich denken und mich einfach abgrenzen. Und ich möchte die Verantwortung abgeben. Ich kann das nicht tragen. Es ist mir zu viel. Und ich wünsche mir, dass du das verstehst. Das zu sehen ist nicht einfach, denn es triggert mich. Verdammt, es triggert mich so richtig! Und außerdem ist es wirklich nicht meine Aufgabe, mich um deine Wunde zu kümmern - oder darum, dass du es nicht mehr tust!" Sie schreit mich an und ich werde ganz klein.

"Es ist ja auch nicht deine Aufgabe. Ich habe auch nicht gewollt, dass du es siehst, verdammt. Es tut mir leid, okay? Ich wollte nicht, dass du dich jetzt scheiße fühlst, weil ich dich vielleicht getriggert habe. Es tut mir leid, Leonie." Ich schreie zurück und ich habe kurz Bedenken, ob uns jemand hört. Aber ich werfe die Sorgen aus dem Kopf, denn im Moment ist es egal. Mir ist gerade alles egal. Ich bin in meinem Film, in dem ich eine absolute Zerstörungswut an den Tag lege.

Leonie seufzt. "Ich wollte dich nicht anschreien, es tut mir leid. Du bist ja nicht wegen eines gebrochenen Zehs hier. Sorry." Sie zieht eine Schnute und überlegt. "Es wird schlimmer, wenn du nicht selbst mitkommst und mit mir da unten auftauchst. Sie finden es gut, wenn man selbst Hilfe sucht. Also indirekt tust du das ja dann, wenn ich dich hinbringe. Und nimm diese scheiß Klingen mit, Lia. Bitte."

Ergeben nicke ich, krame die Klingen aus der Kulturtasche und lasse mich von ihr zum Medizinischen Dienst ziehen. Die Treppen sind aus Holz, sind uralt und knarzen wunderbar. Ich mustere die Holzverzierung am Geländer und fahre mit meiner Hand über das Holz. Es ist schon abgegriffen und abgewohnt. Aber das Treppenhaus hat definitiv seinen Charme. An den Wänden befinden sich Bilder ehemaliger Patienten. Einige sind in kunterbunten Farben gehalten, während andere in tiefem Schwarz gemalt sind. Eines gefällt mir besonders gut. Es zeigt eine Frau, die am Meer steht und von der nur der nackte Rücken und Haare zu sehen sind. Die Haare tanzen im Wind und das Meer ist wild und tobt. Wenn ich am Meer bin, ist das erste, das ich tue, tief einzuatmen und mich dann direkt ins Wasser zu stellen. Ich liebe das Geräusch der Wellen. Ich liebe das Gefühl des Wassers auf meiner Haut. Und ich liebe das Knistern und Zischen, wenn sich das Meer wieder vom Sand zurückzieht um sich erneut gegen den Strand zu werfen.


Die weiße Tür des Medizinischen Dienstes ist offen. Herr Vladic, der Pfleger, steht am offenen Medikamentenschrank und ordnet die Tablettenpackungen. Wow. Einmal reingreifen und dann heißt es 'Adios amigos for ever!'. Ich habe mich bereits heute Nachmittag bei ihm kurz vorgestellt und hatte den Eindruck, dass er ein sehr angenehmer Zeitgenosse ist. Leonie hatte mir erzählt, dass er eigentlich der Nachtpfleger ist, aber momentan einspringt, weil eine Kollegin krank ist und zu Hause bleiben muss. Als er uns schließlich bemerkt, legt er die geöffnete Packung zurück in den Schrank und sieht uns abwartend an.

"Meine Damen. Was kann ich für Sie tun?" Er verschränkt die Arme und wartet, bis wir das Zimmer betreten haben. Aber Leonie schiebt mich nur in das Zimmer. "Lia hat etwas an ihrem Arm, das sie Ihnen gerne zeigen möchte." Und sie schließt die Tür. Ich seufze. Ich bin ganz allein mit dem Pfleger und würde gerade einfach nur gerne gehen. Einfach weglaufen. Das wäre so wundervoll.

"Was haben Sie denn am Arm, Frau Großmann?" Wow, er kann meinen Namen schon - und das bei der großen Menge an Patienten. Verlegen spiele ich mit dem Saum meiner Jacke. Ich bringe es nicht über mich, es ihm ins Gesicht zu sagen. Kurz werfe ich ihm einen Blick zu und rechne mit Ekel oder Genervtheit. Aber er sieht mich einfach nur aufmunternd und abwartend an. Schließlich hole ich tief Luft, ziehe meinen Ärmel nach oben und offenbare ihm den Mist, den ich gebaut habe.

Herr Vladic seufzt und kommt näher. "Frau Großmann. Warum kommen Sie denn nicht zu mir, wenn es Ihnen nicht gut geht? Oder zu einem der Therapeuten, beziehungsweise zum Arzt?" Seine braunen Augen funkeln mich neugierig an. Ich glaube, er ist jemand, den ich nicht enttäuschen möchte. Und wenn ich Mist baue, dann ist er enttäuscht von mir. Ich habe mit allem gerechnet. Mit Ärger, mit Geschrei, mit einem Rauswurf. Aber er ist ruhig und bestimmt. Er spricht höflich aber direkt mit mir. Und ich habe das Gefühl, dass ich mich bei ihm ein bisschen sicher fühlen könnte.

Vorsichtig nehme ich auf der Liege Platz und beobachte, wie er meinen Arm versorgt und schließlich mit einem schneeweißen Verband umwickelt. Die ganze Zeit über sage ich nichts und lausche nur der Musik, die aus dem Radio kommt und das Zimmer mit Melodien füllt. Als er fertig ist, sieht er mich eindringlich an. "Bitte geben Sie mir das Utensil, mit dem Sie sich verletzt haben. Sie verstehen hoffentlich, dass ich Ihnen das nicht lassen kann."

Ergeben nicke ich und drücke ihm die Packung in die Hände. "Danke", sagt er leise.

"Ich habe zu danken", flüstere ich und stehe auf.

"Ich bin da,  wenn etwas ist, ja?" Herr Vladic steckt meine Klingen in eine Tüte.

"Ja, danke." Ich öffne die Tür und blicke weder nach links noch nach rechts. Denn ich bin gerade damit beschäftigt, meinen Ärmel wieder runterzuziehen. Gerade noch rechtzeitig entdecke ich, dass jemand von links den Gang entlangläuft und bleibe stehen. Als ich aufsehe, blicke ich in zwei sturmblaue Augen, die zuerst meinen Arm mustern und dann mich. Und ich wünschte, ich wäre noch einige Minuten länger in dem Raum geblieben. Dann hätte Mister Vollpfosten meinen verbundenen Arm nicht gesehen. Der hat mir gerade noch gefehlt.

Ich rolle mit den Augen. "Komm schon, sag einen deiner dummen Sprüche."

Doch entgegen meiner Erwartung sieht er mich nur an. Und dann passiert etwas, mit dem ich nicht gerechnet hätte: Er lächelt ein kurzes, fast schon trauriges Lächeln. Wobei man es nicht als Lächeln beschreiben kann. Eher so, als würde er seine Mundwinkel minimalst nach oben ziehen. Ich befinde mich in Schockstarre und kann ihm nur hinterher sehen, als er zurück in den Speisesaal geht.

"Wow. Dass der nichts gesagt hat, wundert mich fast." Eine Stimme schreckt mich aus meiner Starre und ich kann ein Quietschen gerade noch unterbinden. Ich drehe mich auf dem Absatz um und sehe Leonie, die auf dem Stuhl vor dem Zimmer sitzt und scheinbar auf mich gewartet hat. "Rauchen?", fragt sie nur und schüttelt ihre Zigarettenpackung.

Dankbar stimme ich  zu. Vor der Tür stehen bereits einige Leute, die rauchen und angeregt in ein Gespräch vertieft sind. Leonie und ich stellen uns etwas abseits. Es ist frisch und ich friere ein bisschen. Aber das ist okay. Die Kälte gibt mir irgendwie das Gefühl, etwas zu spüren. Vielleicht ist es doch nicht so schlimm, wenn ich hier bin. Vielleicht lerne ich endlich wieder zu kämpfen. Vielleicht lerne ich hier wieder aufzustehen. Vielleicht lerne ich hier das Überleben.



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