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03 - Moosgrün

▷Young Fathers - SHAME ◁


"Wie ist denn eigentlich das Verhältnis zu Ihren Eltern, Frau Großmann? Wie ich in dem von Ihnen ausgefüllten Ananmnesebogen herauslesen kann, wünschen Sie sich etwas mehr Nähe?" Frau Eichendorf sieht mich abwartend an, den Stift bereit um all meine gesprochenen Worte für immer auf ein Blatt Papier zu verbannen.

"Es ist ... ganz okay. Mein Vater liebt seine Arbeit, meine Mutter sich selbst und ihre korrigierte Nase." Ich kratze am Leder des Stuhles in dem ich Platz genommen habe und werfe der Therapeutin einen Blick zu. Nachdem ich ein Gespräch mit der Ärztin hatte, die mein Übergewicht diagnostiziert hat - oh Wunder - und mir Sport aufgebrummt hat, hat mich nun Frau Eichendorf abgeholt, um das Erstgespräch zu führen. Und ich wäre einfach nur gerne ganz weit weg. Wozu soll ich mich öffnen und etwas erzählen? Ich bin hier sowieso bald weg.

Sie sieht mich verdutzt an und zieht beide Augenbrauen nach oben. Ich werfe einen Blick aus dem Fenster und beobachte die Wolken, die am Himmel entlangziehen. Früher habe ich immer irgendwelche bescheuerten Tiere darin gesucht. Heute sehe ich nur tote, schwere Masse, die sich am Himmel entlanghangelt.

"Sie sagen das so, als wäre das nicht weiter schlimm?" Der Stift der Therapeutin kratzt über das Blatt Papier. Ich habe Gänsehaut und ziehe meine Jacke über die Hände. Als wären meine Hände schüchtern und wollten sich verstecken.

"Ist es auch nicht. So ist es seit Jahren", antworte ich und starre vor mich hin. Mein Mund ist trocken und ich habe unglaublichen Durst. Diese vielen Gespräche machen aus meinem Mund eine Wüste. Ich will hier raus. Ich könnte gerade einen ganzen Pool voller Wasser austrinken.

"Wünschen Sie sich denn eine bessere Beziehung zu Ihren Eltern?" Der Stift stoppt und sie sieht mich wieder an. Der Blick ihrer braunen Augen liegt auf mir. Er macht mich nervös.

Ich lache bitter und lege den Kopf in den Nacken, lehne ihn gegen das kühle Leder des Stuhls. "Wie lange dauert das Gespräch hier noch? Ich bin müde."

Frau Eichendorf legt die Unterlagen und den Stift weg, faltet die Hände zusammen und sieht mich durchdringend an. "Frau Großmann, Sie sind hier um Therapie zu machen; damit wir Ihnen helfen können. Das klappt aber nur, wenn Sie uns helfen, Ihnen zu helfen. Was bedeutet, dass Sie ehrlich sind und mit mir sprechen."

"Was ist, wenn ich aber gar nicht will, dass es besser wird?"

"Dann frage ich mich, was Sie sich von uns wünschen", sagt sie ruhig. Sie bleibt entspannt, ruhig und sieht mich interessiert an. Aus ihren Worten kann ich keinerlei vorwurfsvollen Unterton heraushören.

"Ich weiß es nicht." Ich überlege und betrachte die Bilder an der Wand. Es sind Fotografien von Landschaften. Wälder, Wiesen und Berge. Das Gras auf dem Wiesenbild ist moosgrün und so intensiv, dass man meinen könnte, die Farbe sei aus echtem Moos. Ich vermisse die Natur und ich nehme mir vor, bald in den Wald zu gehen. "Das Leben macht mir einfach Angst."

"Ja, es kann Angst machen. Vor allem wenn man es als großes Ganzes sieht und nicht die einzelnen Stufen."

Ich lege den Kopf schief und sehe sie neugierig an. "Was meinen Sie damit?"

"Vielleicht ist der Gedanke an das große Leben und den finalen Tod für Sie so einschüchternd und angstbringend, dass Sie lieber selbst entscheiden, wann und wie sie es beenden. Vielleicht geben Sie ungern die Hebel aus der Hand."

"Ich hasse Kontrollverlust."

"Haben Sie deswegen auch angegeben, dass Sie keinen Alkohol trinken?"

Wirklich sehr gut kombiniert, Sherlock. Ich ziehe nur die Schultern hoch und schiele auf die Uhr, die an der Wand über ihrem Schreibtisch hängt. Der große Zeiger steht fast auf der zwölf und kündigt die nächste volle Stunde an.

"Gut. Sprechen wir noch über die Therapien, die Sie mitmachen möchten. Haben Sie sich schon etwas ausgesucht?" Schnell kratzt ihr Stift über das Papier, das jetzt überhaupt nicht mehr weiß ist.

Ich seufze und lehne meinen Kopf gegen die Wand. "Nicht wirklich."

"Na gut. Dann trage ich Sie erstmal für die Musiktherapie, die Filmtherapie, die Reittherapie und die Maltherapie ein. Sie können sich alles in Ruhe ansehen und dann immer noch entscheiden, was Sie anspricht und was nicht. Einverstanden?"

Mit geschlossenen Augen nicke ich. Mein Fluchtinstinkt wächst von Sekunde zu Sekunde. All diese Gespräche überfordern mich. All diese Entscheidungen, die ich treffen muss, überfordern mich. Vor allem, da diese dann nicht akzeptiert werden. Egal, für was ich mich entscheide, meine Eltern sind dagegen. Auch gegen das Ende meines Lebens.

"Gut. Ich denke, wir beenden die Sitzung für heute. Wir machen übermorgen das nächste Einzelgespräch, ja?"

"Okay", entgegne ich nur.

"Zwei Dinge noch: Zum einen dauert es noch ein paar Tage, bis Sie in die Gruppentherapie kommen. Aber, nur damit Sie schon mal Bescheid wissen, Sie kommen in die Therapiegruppe von Frau Mechter und Herrn Dr. Vitas. Bei der Reittherapie sind die Plätze derzeit rar, deswegen kann es sein, dass Sie sich mit jemand anderem ein Pferd teilen müssen. Und zum anderen muss ich Sie an dieser Stelle darüber informieren, dass wir hier in der Klinik das strikte Verbot für die Patienten haben, körperliche Beziehungen mit einem Mitpatienten einzugehen. Sollte das der Fall sein, müssen wir Sie der Klinik verweisen und die Therapie abbrechen. Eine Beziehung mit einem Mitpatienten innerhalb der Klinik kann ihre Therapie erheblich beeinträchtigen. Bitte denken Sie daran."

"Danke für die Infos." Meine Stimme schwebt über uns, fällt auf den Boden und zerbricht in tausend Scheiben. Kurz habe ich Angst, dass die Scherben ihren Boden zerkratzen.

Die Therapeutin notiert mir den Termin für das nächste Einzelgespräch auf ein kleines Blatt Papier, das sie mir in die Hand drückt. Ihr Therapiezimmer befindet sich in einem kleinen, alleinstehenden Container, der von fünf Bäumen umgeben ist. Als ich mich von ihr verabschiedet habe, trete ich ins Freie und atme die frische Luft des Waldes ein. Der Himmel ist bewölkt und es scheint, als würde es bald wieder regnen. Ich mag Regen und den Duft von Regen. Ich liebe das Geräusch. Und ich liebe es, im Regen zu stehen. Wie kann man Regen nicht mögen? Er hilft mir immer sehr, wenn ich nicht einschlafen kann. Wenn es nicht regnet und ich schlafen muss, dann öffne ich YouTube und klicke auf ein Regenvideo. Hier wird das allerdings schwer werden, da mein Datenvolumen mit Sicherheit nicht ausreicht.

Meine Eltern haben mir früher immer verboten, in den Regen zu laufen, als ich klein war. Inzwischen haben sie es aufgegeben und ich genieße jede einzelne Sekunde. Ich werfe einen kurzen Blick auf meine Uhr und beschließe, in mein Zimmer zu gehen. Vor dem Hintereingang, der durch den Essenssaal führt, stehen einige Raucher und ich laufe Schlangenlinien, um niemanden umzustoßen. Gerade, als ich die Tür erreicht habe, wird sie aufgerissen und jemand läuft rückwärts hinaus. In mich hinein. Ich stolpere und wir fallen auf den Boden. Mein Po sowie mein Rücken schmerzen und ich stöhne laut auf.

"Kannst du nicht aufpassen, du Blindfisch?", raunze ich die Person an, die auf mir liegt, ehe ich sie mir genauer ansehe. Und mir rutscht das Herz in die Hose. Natürlich ist es er. Natürlich ist es Noah. Wie soll es sonst auch anders sein?

Er stützt sich links und rechts neben meinem Gesicht mit seinen Armen ab und funkelt mich aus seinen Sturmaugen an. Es ist komisch, ihm so nah zu sein. Zum ersten Mal sehe ich, dass er ein Septum trägt. Das Piercing steht ihm erstaunlich gut. Ich habe Angst, dass seine Zähne spitz sind wie die eines Wolfes. Er fletscht die Zähne und bellt mich an. Sein Atem riecht nach Kaffee und Wut. Vielleicht auch ein bisschen nach Ekel.

"Pass du doch auf, du Kugelfisch." Er hievt sich auf die Beine, während ich immer noch am Boden liege wie ein dicker, verlorener Käfer.

"Ich bin kein Kugelfisch", raunze ich.

"Dann bist du eben ein hässlicher Ballon. Du bist es nicht einmal wert, als Lebewesen bezeichnet zu werden. Und jetzt geh mir aus den Augen." Angeekelt verzieht er das Gesicht und dreht sich um. Ich richte mich mühsam auf. Wisst ihr, wenn man mehr wiegt als 50 Kilo, ist es gar nicht so leicht, elegant aufzustehen. Ich bin wütend und meine Hände zittern. Automatisch zünde ich mir eine Zigarette an und starre Noah weiterhin an. Sein Kiefer mahlt und seine dunklen Augenbrauen sind wütend zusammengezogen. Seine schwarzen Haare stehen ihm wirr vom Kopf, als wäre er sich gerade eben erst durch die Haare gefahren.

Irgendjemand seiner Freunde erzählt allerdings einige Sekunden später wohl einen Witz oder etwas Lustiges, denn er lacht schallend. Und durch das Lachen verändert sich sein bissiges Gesicht komplett. Zwischen all den Stürmen, die über sein verbissenes Gesicht fegen, kämpft sich die Sonne hervor und taucht sein Gesicht in pure Freude. Ich bin absolut fasziniert von dem Anblick. Er hat Grübchen. Doch irgendwie erreicht das Lachen nicht seine Augen, oder? Konzentriert versuche ich, herauszufinden, ob das Lächeln seine Augen erreicht.

Doch natürlich merkt er mein Starren.

"Mensch, Kugelfisch. Ich weiß ja, dass du es nicht gewohnt bist, etwas Schönes zu sehen, wenn du in den Spiegel guckst. Aber deswegen musst du mich nicht ständig anstarren." Er grinst ein süffisantes Grinsen und ich wende mich ab. Aber nicht ohne ihm vorher den Mittelfinger zu zeigen.


"Hey, Lia. Da bist du ja! Wie war denn dein Einzel?" Ich drehe mich um und Leonie steht vor mir. Und ich bin so verdammt dankbar, eine liebe Seele hier zu haben. Ihre Haare faszinieren mich und ich starre einen kurzen Moment auf die Lichtspiegelungen. Es sieht so gesund aus.

"Es war okay", antworte ich, mit einem Seitenblick auf Noah.

"Wollen wir ein bisschen hier in den Wald? Du darfst in den ersten beiden Wochen das Gelände nicht verlassen. Aber in den angrenzenden Wald hier darfst du." Sie sieht mich fragend an und ich nicke dankbar. Mir wäre alles recht, um von hier zu verschwinden. Vielleicht auch eine Entführung durch Aliens?


Eine Weile sind nur die Waldgeräusche zu hören, ansonsten schweigen wir. Und das finde ich sehr angenehm. Mit manchen Menschen ist schweigen mehr als unangenehm - mit anderen dagegen ist es so leicht wie Atmen. Wobei Atmen ja auch nicht immer sonderlich leicht ist. Vor allem dann, wenn einem die Dunkelheit die Luft raubt und sich wie eiskalte Ketten um deine Brust legt.

"Noah ist ein Arschloch. Bitte lass' dich von ihm nicht runterziehen."

"Ich versuche es. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sein Verhalten nur eine Masche ist, eine Maske." Ich bleibe stehen und starre in den Himmel, der durch die Baumkronen nur ein bisschen zu erahnen ist.

"Ich glaube, du bist zu gutgläubig, Lia. Nicht jeder versteckt sich automatisch hinter einer Maske, wenn er ein Arschloch ist." Sie stochert im Boden herum und lässt sich schließlich auf einen Baumstumpf nieder.

"Ja, das mag sein. Aber ich weiß nicht. Irgendwas ist da. In seinen Augen." Lia, du bist ein hoffnungsloser Fall. Er ist ein Vollpfosten. Hör auf mich.

"Ja, die pure Arroganz, meine Liebe." Leonie zerpflückt einen Farn und sieht mich mit gerunzelter Stirn an.

Ich seufze und lasse mich neben ihr nieder. Der Boden ist mit Moos bedeckt, das sich in satten Grünnuancen zu unseren Füßen verteilt. Es knirscht leise, als ich mich hinsetze.

"Vielleicht hast du Recht. Ich sollte aufhören, das Gute in jedem zu sehen."

"Nicht jeder verdient deine Güte, Lia. Hab lieber mehr Güte für dich."

Wow, ich kannte dieses Mädchen gerade mal ein paar Stunden und schon hatte sie mehr über mich herausgefunden als meine Familie es je tun würde. Nur weiß sie nicht, wie wenig ich Güte verdient habe. Nämlich überhaupt nicht. Ich habe es nicht verdient, dass man gut zu mir ist. Wenn niemand mich braucht, wie soll ich mich selbst jemals brauchen?

Wie soll ich jemals wieder Lebensfreude entwickeln? Im Moment bin ich einfach nur unsagbar müde. Müde vom Leben. Lebensmüde.



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