19. Kapitel
"Es ist Ok.", schallt es mir immer noch in den Ohren.
Ich liege auf dem Sofa und hinter mir Michael. Er schläft, ich dagegen bin noch hell wach und sehe mir den schwarzen Bildschirm des Fernsehers an.
Zwischendurch ist ein kleiner Schnarcher hinter mir zu hören, was mich zum Schmunzeln bringt.
Hauptsächlich bin ich aber am Nachdenken. Diesmal nicht über die sonstigen Themen, die mich wach halten. Michael und seine Vergangenheit sind diese Nacht das Thema. Nicht zu vergessen, wie er mich behandelt. Er ist so zuckersüß zu mir. Wie er mich gehalten hat, als ich in Tränen ausgebrochen bin. Und es hat gut getan. Es hat gut getan, alles los zu lassen.
Ich muss zugeben, ich vertraue ihm, aber warum genau, weiß ich wiederherum nicht. Vielleicht wegen seiner Art, oder weil jemand sich für mich interessiert. Oder einfach, weil er eine zugute Person ist.
Kurz muss ich meine Denkphase unterbrechen, indem ich schnell auf die Toilette gehe. So, dass ich Michael nicht wecke. Michael und ich habe vorhin auch noch das Blut aufgewischt, bevor wir es uns bequem gemacht haben. Er hat sich nach Nachfrage auf dem Sofa breit gemacht. Nachdem er tief und fest eingeschlafen ist, habe ich mich einfach dazu gelegt. Warum auch nicht? Vielleicht sollte ich mich einfach ins Bett legen und dort die Wand angucken. Doch möchte ich nicht alleine sein. Meine Bekanntschaft schläft, aber trotzdem bin ich so nicht alleine. Ich habe mich schon lange nicht mehr so geborgen gefühlt.
"Claire?", brummt Michael fragend, als ich das Wohnzimmer wieder betrete.
Ich mache ein zustimmendes Geräusch, was sich komisch anhört.
"Alles klar bei dir?",fragt er.
"Ja alles klar. Kann nur nicht schlafen", antworte ich.
Ein dumpfes Geräusch ertönt. Ich glaube, dass Michael auf das Sofa geschlagen hat.
"Lege dich zu mir"
Das verstärkt meine Vermutung.
Ich lege mich zu ihm, ohne, dass ich meinen kleinen Zeh gegen einen Möbelstück schlage, was mir sonst oft passiert.
Michaels Arm schlingt sich um mich und zieht mich näher an sich heran. Deutlich spüre ich seine Brust an meinen Rücken. Seine Körperwärme überträgt sich sofort auf mich, sodass mir angenehm warm ist.
"Schon blöd. Wir beide hier mit Jeans und ich mit Schuhe auf deinem Sofa. Aber irgendwie ist es auch gemütlich", nuschelt er in meinen Haaren.
"Hoffentlich sind deine Schuhe sauber, sonst kannst du mein Sofa putzen, bis es wieder strahlt, wie du das machst ist dein Problem.",meine ich.
Michael macht irgendwelche Bewegungen, sodass ich fast auf den Boden falle. Doch vorher hält er mich fest.
"So. Schuhe ausgezogen.", sagt er und in diesen Moment fällt das Paar Schuhe auf den Boden.
"Danke", bedanke ich mich.
"Kein Problem"
Und wir kuscheln weiter. Es fühlt sich angenehm an und ich lasse mich drauf ein. Natürlich habe ich im Hinterkopf noch ein paar andere Personen, doch denke ich gerade nicht dran. Jedenfalls versuche ich es.
Es vergeht eine Zeitlang und ich denke, dass Michael wieder eingeschlafen ist. Ich weiß nicht wie viel Uhr es ist und das ist auch uninteressant. Keiner erwartet, dass ich morgen das Haus verlasse. Was ich auch gar nicht vorhabe.
"Bist du eingeschlafen?" fragt Michael.
"Nop. Du wohl auch nicht"
"Nein"
Er gähnt lautstark und ich sofort danach auch.
"Jetzt geht das immer so weiter und weiter, bis jemand schafft aufzuhören", meint er und er hat recht.
Abwechselnd gähnen wir und das bringt mich zum Lachen.
Ich lache laut und schallend. Es ist das erste mal nach einem Jahr, das ich ehrlich lache und es fühlt sich gut an.
Mein Lachen hört gar nicht mehr auf und das wegen so einer dummen Sache.
Michael steigt mit ein und so liegen wir beide lachend auf dem Sofa. Wir bekommen uns gar nicht mehr. Diesmal weine ich Lachtränen und tatsächlich falle ich auf den Boden. Deswegen muss ich noch mehr lachen. Es ist so dumm, dass es ist wiederum lustig ist.
Warum ich wirklich lache, verstehe ich nicht. Doch muss es keinen Sinn machen.
Nachdem wir uns beide ausgelacht haben und dann nochmal angefangen haben, aber uns dann Schlussendlich gefangen haben, legen wir uns in die gleiche Position wie vorhin hin.
Später werde ich wohl ein paar Blutergüssen finden, denn der Aufprall mit dem Boden war nicht sonderlich weich gewesen.
"Dein Lachen ist schön, Claire. Du solltest den Menschen öfters die Ehre erweisen und es ihnen zeigen."
"Hmmm"
Meine Augen sind fest verschlossen. Ich bin fast am schlafen und ich wehre mich nicht dagegen. Fast bin ich mir sicher, dass mich heute Nacht keine Alpträume heimsuchen werden.
"Danke", flüster ich.
"Wofür?" fragt Michael.
"Für alles heute. Danke das du hier bist... Ich möchte das du mir hilfst"
Ich drehe mich um, sodass meine Nase gegen die Brust von Michael drückt. Sein Duft verspüre ich in meiner Nase und er ist schön. Es ist kein Männer Deo, oder Parfüm, sondern einfach nur Michael.
Mit seinem Herzschlag im Ohr schlafe ich ein. Nur noch wage merke ich, dass jemand mir ein Kuss auf die Stirn drückt.
Sonnenstrahlen leuchten auf mein Gesicht, sodass ich wach werde. Ich drehe mich auf die andere Seite. War nicht vorhin noch jemand anderes dort? Mit meinem Arm taste ich neben mir das Sofa ab. Dort liegt keiner. Langsam setze ich mich auf. Mein Rücken und der Nacken schmerzen sehr. Nächstes mal sollten wir doch das Bett, als Schlafmöglichkeit nehmen.
Vor mir auf dem Tisch ist ein Blatt Papier, wo etwas drauf geschrieben wurden ist.
Hallo Claire. Ich muss heute arbeiten, doch werde ich sofort danach zu dir eilen. Bis dahin, schlafe dich aus. Das wird dir schon mal helfen. Mach keinen Unsinn solange ich nicht da bin. Am besten vermeide Spiegel. Da dein Kühlschrank eher spärlich befüllt ist, bitte ich dich ihn etwas zu füllen. Ich habe dir Geld in der Küche hinterlassen. Kaufe das ein, worauf du Lust hast und ich koche uns das dann heute Abend. Du kommst nicht am Essen vorbei.
Außerdem will ich beim Essen nochmal mit dir reden.
Bis nachher,
Dein neuer bestbuddy
Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. Warum gibt Michael mir Geld? Ist ja nicht so, dass ich nichts Eigenes habe. Jedenfalls noch. So schnell wie möglich sollte ich mich zu einem Jobcenter begeben, doch habe ich keine Lust. Besser gesagt will ich nicht und am Liebsten will ich meinen alten Job zurück.
Worüber will denn Michael mit mir reden? Es gibt noch vieles zu bereden, aber es hört sich an, als ob er etwas ganz spezifisch meint.
Und warum will er etwas für uns kochen und warum soll ich dafür einkaufen? Ich habe keine Ahnung was ich essen will. Am liebsten nichts. Aber es ist nicht so einfach. Michael hat ja geschrieben, das ich nicht davon komme.
Stöhnend raufe ich mir die Haare.
Für jemand anderen wäre es kein Problem. Der würde einfach irgendwas einkaufen und sich darüber keine Gedanken machen. Doch muss ich das machen, weil ich Claire Prince bin und nicht mehr ganz richtig ticke. Ich bin eine kaputte Uhr, die nicht mehr richtig tickt. Die Batterie wird immer schwächer, sodass die Zeiger nicht richtig ticken. Sie werden immer langsamer und langsamer, bis sie ganz stehen bleibt.
Der Besitzer der Uhr kann einfach die Batterie austauschen, doch kann ich das nicht machen. Den ich besitze mich alleine und ich hab nicht die Kraft meine wichtige Energie zu verbessern. Ich brauche dafür Hilfe und diese Hilfe ist Michael. Jetzt muss ich mich nur noch auf die Batterie einlassen und die richtigen Pole an der richtigen Stelle einsetzen.
"Und? Hast du fleißig eingekauft?",fragt mich Michael, als ich ihm die Tür öffne.
"Ja habe ich. Was hältst du von Kartoffeln mit Steak und Salat?", frage ich.
"Das ist super"
Michael hat andere Klamotten an, als gestern. Er sieht schicker aus, aber der Turnbeutel auf seinem Rücken, versaut das Bild. Anscheinend bemerkt Michael meinen verwirrten Blick, denn er sagt: "Da sind Wechselklamotten drin, damit ich mich morgen nicht so hetzen muss."
Ich nicke langsam. Gut zu wissen, dass er heute noch mal hier übernachten möchte.
Michael verhält sich schon so, als ob er bei sich zu Hause wäre. Ehrlich gesagt, ich habe damit gar kein Problem. Ohne uns abzusprechen begeben wir uns in die Küche.
"Darf ich die Kartoffeln schälen? Ich mag es nicht so, das rohe Fleisch zu zubereiten. Wer schneller fertig ist, macht dann den Salat" ,schlage ich Michael vor.
"Alles klar"
Ich gebe nicht zu, dass ich eigentlich gar nicht Kartoffeln schälen kann. Als ich es mal versucht habe, war ich danach aufgeschlitzt. Aber ich kann es jetzt lernen. Womöglich dauert es eine Zeitlang, bis die Kartoffeln schalenfrei sind. Besser spät als nie.
Es ist eine zeitlang völlige Ruhe. Ich summe ein Lied vor mir her. Mir ist nicht bekannt, wie es heißt, aber die Melodie ist mir im Ohr.
"Wie heißt das Lied?", fragt Michael mich.
"Weiß ich nicht, aber es ist etwas klassisches. Ein Stück, was ich mal auf dem Klavier gespielt habe.", antworte ich.
"Hört sich schon so schön an und wenn du es auf dem Klavier spielen würdest, würde es bestimmt noch besser klingen."
Darauf antworte ich nicht.
Schon verspüre ich das Gefühl, wie meine Finger über die Tasten schweben. Der Klang jeder Note, die durch mein Ohr ins Gehirn gelangt.
Es ist schön zu musizieren, doch will ich es nicht. Wenn Steve es nicht mehr kann, so will ich es auch nicht mehr.
Wir beide setzen uns an den Tisch. Das Kochen ging schneller, als ich gedacht habe und das ohne Verletzungen. Ich bin sehr stolz auf mich. Michael hat ein bisschen herum gealbert und erzählt, was er arbeitet und wie sein Tag war. Dass er bei der Bank arbeitet, hätte ich nicht gedacht. Irgendwie kommt es mir nicht so vor, dass Mathe seine Stärke ist oder was man dafür braucht. Jedenfalls Büro arbeiten hätte ich nicht gedacht. Sport hätte ich eher gedacht, aber jetzt bin ich ja belehrt worden und kläglich erinnert worden, das ich arbeitslos bin.
"Worüber ich mit dir reden wollte unteranderen. Was hast du jetzt vor? Willst du zu einem Job Center? Musst du ja, um Geld zu bekommen. Hast du noch anderen Sachen für die Zukunft vor? Auch wenn ich dir helfen will und alles machen würde, musst du auch voll dabei sein.
Von alleine, oder nur von mir, geht es auch nicht."
"Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll. Erstmal das verdauen, oder besser gesagt versuchen. Dann will ich mir klar machen, wie die Zukunft eventuell aussehen soll. Da ich viel gespart habe, komme ich erstmal über die Runden, doch irgendwann muss ich mir eine neue Arbeit suchen. Aber ist es erstmal nicht wichtiger, dass es mir besser geht?", frage ich zurück.
Der Wille ist da um zu kämpfen, doch wie lange wird er da bleiben? Eines Tages ist er verschwunden und dann brauche ich Hilfe. Jetzt, just, im Moment will ich, dass meine Depressionen weg sind. Vielleicht ist es mir übermorgen auch wieder egal. Jetzt esse ich und übermorgen könnte ich wieder auf "Diät" sein.
Der Mann mir gegenüber kann nicht immer da sein. Er hat ein eigenes Leben und das verlange ich auch gar nicht von ihm. Dass Michael mir überhaupt seine Hilfe anbietet, ist schon erstaunlich und dass ich sie angenommen habe, noch mehr.
"Ich bin der gleichen Meinung. Erstmal hat deine Gesundheit Vorrang. Der Alltag gehört trotzdem dazu und dieser ist nicht immer einfach zu bewältigen. Dennoch solltest du vielleicht erstmal kein Job haben, dich erstmal nur mit dir selbst beschäftigen."
Ich nicke. Das klingt gut. Fürs erste sollte ich mich nur um mich kümmern und nachdenken, doch nicht falsch nachdenken. Nicht daran denken, dass ich an den Tod schuld bin. Zum richtigen Leben sollte ich zurückkehren. In die Wirklichkeit, in der ich kein depressives, kleines Etwas bin.
"Was hältst du davon, wenn ich bei dir oder du bei mir einziehst?", fragt Michael ernst.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro