Kapitel 26
„Was willst du eigentlich mal werden? Nachdem du die Schule beendet hast und vielleicht einige Zeit einfach faul auf dem Sofa gelegen bist?" Thomas schob sich eine Gabel voller Nudeln in den Mund und ich sah ihm an, dass es ihm sehr gut schmeckte. Der Duft der köstlichen Soße hatte sich auch schon seinen Weg in meine Nase gebahnt und wenn ich nicht so viel mit Thomas reden würde, wäre der Teller sicherlich schon komplett leer. Thomas hatte gesagt, dass ich jetzt nicht zu gebärden brauchte, da ich essen sollte und er es auch schaffen würde, meine Lippen zu lesen.
Das war ein solche komisches Gefühl, denn ich hatte mich noch nie mit ihm unterhalten ohne die Gebärdensprache zusätzlich zu benutzen. Das war ein ganz eigenartiges Gefühl, obwohl ich ständig, zu Hause und in der Schule, ganz normal redete. Es war einfach dieses Gefühl und dieses Erlebnis, das ich immer hatte, wenn ich mit ihm zusammen war und dazu gehörte es nunmal dazu, sich so zu unterhalten. Es war so, wie wenn er auf einmal nicht mehr reden würde und mir gegenüber keinen Mucks mehr machen würde und sich nur noch mit seinen Gebärden unterhalten würde. Das wäre für ihn auch komplett ungewohnt, obwohl es eigentlich in seinem Leben total normal war. Das war nur zwischen uns immer anders gewesen. Doch wenn er das so wollte, dann würde ich es tun. Ich glaubte, er wusste wirklich nicht, wie viel ich doch für ihn tun würde. Mehr als ich mir selbst vorstellen konnte.
„Da habe ich mir leider noch gar nicht so viele Gedanken darüber gemacht. Ich weiß, ich habe dir versprochen, dass ich mir Gedanken mache und dass ich dich frage, wenn ich Hilfe brauche, das hast du mir früher schließlich oft genug gesagt, doch im Moment und der letzten Zeit konnte ich es einfach nicht. Ich habe mich einfach nicht in der Lage dazu gefühlt, über meine Zukunft nachzudenken, da ich so viel zu tun hatte, mit dem Hier und Jetzt zurechtzukommen. Ich weiß nicht, ob das komisch klingt, doch ich konnte einfach nicht daran denken, dass in Zukunft alles anders sein konnte. Ich hatte mir nicht einmal vorstellen können, dass so etwas zwischen uns passieren könnte und trotzdem ist es passiert. Eigentlich hatte ich immer dich eingeplant, wenn ich mir mal kurze Gedanken über die Zukunft gemacht hatte, doch nun warst du auf einmal nicht mehr da und es war wie ein großes Loch, das sich vor mir aufgetan hatte, wenn ich an die Zukunft dachte. Ich hoffe, du verübelst es mir nicht, denn ..."
Thomas unterbrach meinen Redefluss, der immer schneller geworden war, wie ich gerade merkte, indem er seine Hand auf meine legte und beruhigend mit seinem Daumen über meinen Handrücken strich. Er sah mich mit einem solch warmen Blick aus seinen braunen Augen an, dass ich beinahe verzaubert wurde. Es war einfach unglaublich ... Ich konnte gar nicht mehr wegsehen, nur das bemerken, was er in mir auslöste und mich auf das Gefühl fokussieren, das ich spürte, da er mich berührte. Meine Haut kribbelte und schien an den Stellen zu brennen, an der er sanft seine Fingerkuppe über meine Haut streichen ließ. Diese Berührung war so zart und dennoch löste sie ein Feuerwerk der Gefühle in mir aus. Wenn ich jetzt schon so abdrehte, nur weil er meine Hand hielt, wie sollte das dann laufen, wenn ich es endlich schaffen würde, ihn wieder zu küssen. Nach all dieser Zeit und all dem Leiden, dachte ich mir, dass ich sicherlich einen halben Anfall erleiden würde, wenn ich endlich wieder seine Lippen auf meinen spüren würde.
„May, das ist wirklich kein Problem. Ich wollte damit keine Schuldgefühle in dir auslösen und wollte nicht, dass du dich schlecht fühlst. Du brauchst dich nicht vor mir zu rechtfertigen, denn ich bin schließlich Schuld daran, dass du erst in so eine aussichtslose Situation geraten bist. Es war nur so, ich saß dir gegenüber und wollte einfach nicht, dass unser ganzes Essen über peinliche Stille herrschen würde und ich dachte, dass ich mit dieser Frage ein bisschen Smalltalk in Gang bringe."
Er grinste mich entschuldigend an und ich sah ihm an, dass es ihm wirklich leid tat. Doch wie konnte er denn auch nur glauben, dass ich böse auf ihn sein würde. Das war ich ganz und gar nicht und würde es auch nicht so schnell werden. Solange er nicht wieder so eine Scheiße wie das mit dem Betrügen abzog ... Doch ich glaubte, das war geklärt.
„Was meinst du, sollen wir uns einen Film ansehen? Ich könnte das Geschirr schon einmal wegräumen und du kannst schonmal etwas anschalten, auf das du Lust hast? Was hältst du davon?" Er lächelte mich wieder an, sodass ich ihm verfallen war. Mal wieder. Oh mein Gott, was hatte Thomas denn für eine Auswirkung auf mich? Das war wirklich ganz und gar nicht mehr normal. Eigentlich sollte es mir wirklich Angst machen. Würde es sicherlich auch, wenn es nicht das Schönste der Welt wäre.
Ich legte mich also nun gemütlich auf die Couch und fing an, durch die Kanäle zu zappen. Es war mir eigentlich total egal, was wir uns ansehen würden, da ich wusste, dass ich sowieso nicht auf den Fernseher achten würde. Thomas würde mir dann so nahe sitzen, dass ich nicht die Augen von ihm lassen könnte. Ich würde so tun, als würde ich den Film ganz interessant finden, damit er nicht mitbekommen würde, dass ich ihn anstarrte, doch das wäre nicht so.
Ich blieb nun also bei einer Dokumentation über Tierbabys hängen, was ich ganz schön süß fand. Thomas war auch wahnsinnig tierlieb und so würden wir beide sicherlich sehr viel Spaß mit dieser Sendung haben. Hoffentlich würde ich dabei nicht einschlafen, da ich so müden war.
Wie ich nun hier saß, wartete ich mit klopfendem Herzen darauf, dass er sich neben mich setzte.
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