XV
Es war gegen 19.30 Uhr, als ich zusammen mit Fred, George und Lee aus der großen Halle ging.
Eigentlich sollten wir ins Bett gehen, oder in den Gemeinschaftsraum, was wir auch vorerst tun würden, naja auf jeden Fall bis 20 Uhr.
"Okay...Treffen 20 Uhr vor dem Wandschrank im vierten Stock", sagte Fred zu uns und grinste.
"Wir haben alle eine Münze bekommen...Wir wissen, wann und wo", sagte George und schüttelte den Kopf.
"Okay...Dann sollten wir uns jetzt fertig machen", sagte Lee und rieb sich seine Hände freudig aneinander.
Für die drei war es vermutlich wunderbar, etwas verbotenes zu tun, aber für mich fühlte es sich sehr ungut an.
Nicht etwa, weil ich Angst hatte, dass ich irgendwelche Schulregeln brach, sondern weil ich mich in der unmittelbaren Nähe eines Geheimverbundes von Schülern befand, der von einem Jungen angeführt wurde, der zur Zeit ziemlich viral im Tagespropheten ging.
Trotzdem machte ich mit, denn ich fand es abscheulich, dass man uns keine Praxis in VgddK beibrachte. Wir brauchten Praxis - na gut ich nicht zwingend -.
Zusammen mit den dreien ging ich hoch zum Portrait der fetten Dame.
"Passwort?", fragte sie und sah uns alle ziemlich genau an.
"Papperlapapp", sagten wir alle vier und kletterten hintereinander durch das Loch hindurch.
"Okay, wir treffen uns in einer viertel Stunde wieder hier unten", sagte Lee und schon waren wir alle in unsere Schlafsäle verschwunden.
Oben angekommen ging ich zu meinem Kleiderschrank und nahm mir eine graue Jeans mit schwarzer Aufschrift um den Schienbeinen, ein weißes, langen T-Shirt und ein Paar angenehme Sneaker heraus.
Schnell zog ich mich um und trug noch etwas Deo auf.
Meinen Zauberstab steckte ich mir hinters Ohr und meine Haare machte ich mir mit einer Klammer aus dem Gesicht.
Als ich fertig war, trat ich wieder runter in den Gemeinschaftsraum, wo Fred, George und Lee schon auf mich warteten.
"Wir können", sagte ich grinsend und ging zum Portraitloch.
"Cool", sagte Lee freudig und kletterte nach mir aus dem Loch.
"Vor zehn Minuten rein und jetzt wieder raus!", meckerte die fette Dame empört.
"Exakt", sagte ich grinsend.
Zusammen gingen wir unentdeckt zum Wandschrank im vierten Stock und öffneten ihn.
Als erstes stieg ich durch und kam auf der anderen Seite in einem großen Raum wieder raus, der aussah wie ein richtiger Duellraum.
"Wow", sagte ich und sah mich um.
Außer mir waren auch schon ein paar andere da. Darunter Harry, Ron, Rons kleine Schwester, Hermine und Luna Lovegood, deren Namen ich aber nur kannte, weil alle über sie und ihre Verträumtheit sprachen.
"Sehr schön, dass ihr auch da seid!", begrüßte uns Harry und kam zu uns.
"Hm", sagte ich nur und sah meinen Bruder genau an.
Abgesehen von unseren Augen, sahen wir uns eigentlich nicht ähnlich.
"Olive, du kannst doch einen gestaltlichen Patronus, oder?", fragte er mich.
"Ähm ja...", sagte ich und spürte, wie mir eiskalt wurde.
Soweit ich wusste, war der Patronus meines Bruder ein Hirsch. Was war, wenn irgendjemand daraus Schlüsse zog?
"Kannst du auch andere Verteidigungszauber?", fragte Harry.
"Ich kann alle", sagte ich und sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
"Denkst du, du könntest dich um die Schüler kümmern, die den Patronus-Zauber lernen wollen?", fragte er.
"Wieso? Ich dachte, ihr macht mit allen alles hintereinander?", fragte ich verwirrt.
"Naja...wir wollen es so machen, dass wir zwei Gruppen machen. Die eine macht diese Woche mit dir und mir Patroni und die andere, da sind Hermine und Ron die Lehrer, macht diese Woche Expeliarmus und Stupur und so...", sagte er.
"Ich soll also unterrichten?", fragte ich begeistert.
Unterrichten wollte ich schon lange mal. Da war es mir auch egal, dass ich vielleicht aufgrund meines Patronus' auffliegen konnte.
"Ja...", sagte er und grinste.
"Okay, bin dabei", sagte ich und stellte mich sofort zu meinem kleinen Bruder.
Wie immer, wenn ich neben ihm stand, fühlte ich mich zwar unwohl, aber irgendwie auch gut. Da war ein Kribbeln zwischen uns, die Geschwisterliebe. Sie war da und nur zwischen uns in diesem Raum.
Als endlich alle da waren, teilte Harry alle Schüler in zwei Gruppen auf und schon hatte ich meine erste Unterrichtsstunde als Lehrerin.
"Okay, der Patronus ist eine Kraft, die euch vor Dementoren beschützt. Um so eine hervorzubringen, braucht ihr eine glückliche Erinnerung. Sie muss sehr kraftvoll sein", erklärte Harry und lächelte mich an.
"Zuerst werde ich euch meinen Patronus vorführen und dann Olive", sagte er und sah wieder zu mir.
"Expecto Patronum", sagte er klar und deutlich und sofort sprang ein silberner Hirsch aus seinem Zauberstab hervor.
Der Hirsch sprang durch den Raum und blieb sehr lange erhalten.
Harry nickte mir zu.
"Expecto Patronum", sagte ich und schon stand vor mir eine kleine zierliche Hirschkuh.
Ich wollte es nicht, doch sie sprang zu Harrys Hirsch und schmiegte sich an ihn. Der Hirsch tat das selbe, auch wenn es nicht nach Liebe aussah sondern viel mehr, als wären sie Geschwister. Also zumindest wirkte es so für mich.
"Uhhhhh", hörte ich ein paar Jungen machen.
Das war mir wirklich peinlich.
Kurz drehte ich mein Gesicht nach den Jungen um, um ihnen einen Fluch aufzuhalsen, als ich eine kaum merkliche Regung in Freds Gesicht. Es sah so aus, als würde er die beiden Patroni gar nicht gut finden.
Plötzlich verpuffte mein Patronus und hinterließ nur leichten silbernen Rauch.
"Okay, sprecht mir nach", sagte Harry.
"Expecto Patronum", sagte er.
"Expecto Patronum", sprachen alle anderen in der Gruppe ihm nach.
"Sehr gut...jetzt sucht euch eine Erinnerung aus und versucht es selbst", sagte er und sah seine Schüler aufmunternd an.
Fred, der in der anderen Gruppe war, sah missbilligend zu Harry, was mich nervös werden ließ.
Warum sah er so komisch zu meinem Bruder? Hatte er etwa was von dieser Geschwistersache zwischen den Patroni mitbekommen?
"Expecto Patronum", sagte ich laut und deutlich.
Meine glücklichste Erinnerung war mit meinem Vater und Draco gewesen. Damals war ich gerade vier gewesen. Zusammen mit den beiden hatte ich im Sandkasten Kuchenbäckerei gespielt und hatte sehr viel mit ihnen gelacht.
Doch dieses Mal war es keine Hirschkuh, die vor mir auftauchte. Nein. Es war eine Hyäne. Sie wetzte vor mir ihre Zähne und grinste mich schelmisch an.
Und irgendwie erinnerte sie mich an Fred Weasley.
Ich hatte schon einmal darüber gelesen, dass sich Patroni verändern konnten, wenn man sich verliebte, oder jemanden geliebten verlor.
War ich also in Fred tatsächlich verliebt? Und zwar nicht nur so ein bisschen? Nicht nur eine Schwärmerei? Das lag wohl in der Familie.
Perplex stand ich vor der Hyäne und sah immer wieder zwischen ihr und Fred hin und her. Der Patronus war nur sehr schwach und schien zu flimmern, so als würde er zwischen zwei Tieren hin und her wechseln. Zwischen Hirschkuh und Hyäne.
Als der Unterricht vorbei war, ging ich zurück zu den anderen Jungs. Alle drei waren in Ron und Hermines Gruppe gewesen, weswegen wir uns kein einziges Mal unterhalten hatten.
"Hallo Jungs", sagte ich und winkte ihn zu, als ich direkt vor ihnen stand.
Ich war erschöpft und roch wahrscheinlich recht miefig.
"Wir gehen nochmal in die Bibliothek", sagten Lee und George, wie aus einem Mund, als wir wieder vor dem Wandschrank im Gang standen.
"Wollen wir noch einen Spaziergang durchs Schloss machen?", fragte ich an Fred gewandt.
Ich wollte wissen, ob er etwas gesehen hatte, ob er wusste, was da zwischen mir und Harry war, diese Geschwisterliebe, die ich andauernd spüren musste und die mein Bruder wahrscheinlich auch spührte.
"Durchs Schloss? Ist das nicht ein wenig gefährlich?", fragte Fred und grinste.
"Wir können ja auf den Astronomieturm steigen...soweit ich weiß, ist dort nie jemand um die Uhrzeit", sagte ich und grinste ebenfalls.
"Okay", sagte er und ging mit mir zusammen hoch auf den Turm.
Wir unterhielten uns flüsternd und über so einiges, was uns so beschäftigte.
"Sag mal, hast du eigentlich einen Freund?", fragte Fred plötzlich.
"Nein...wieso fragst du?", fragte ich verwirrt.
Ich konnte mir denken, warum er fragte, aber es durfte einfach nicht so sein.
Wenn er sich in mich verknallt hatte, wäre ich hoffnungslos verloren und komplett am Arsch.
"Ach nur so", sagte er schnell, fasste an die Metallbrüstung des Turms und sah über die Ländereien von Hogwarts.
"Niemand fragt nur so", sagte ich und grinste ihn an.
Ich ging auch vor bis zur Brüstung und schloss meine Hände um das kalte Metall.
"Also rein hypothetisch...Was wäre, wenn ich dich toll finden würde...also so richtig toll?", fragte er und sah mich von der Seite an.
Okay, er hatte sich in mich verknallt. Ganz toll. Jetzt war ich ein hoffnungsloser Fall. Er müsste nur noch das Fragezeichen wegnehmen und das 'rein hypothetisch' und vielleicht sollte er es noch zu einem normalen Satz umformen. Wenn er das tun würde, würde es noch schwieriger für mich werden.
"Hallo? Olive?", fragte er mitten in meine Gedanken.
"Oh...äh...entschuldige...", sagte ich und sah ihm in die Augen.
"Also was wäre, wenn ich dich mehr als nur toll finden würde?", fragte er mich.
Er hatte das 'rein hypothetisch' weggelassen.
"Ähm...", sagte ich und sah ihm einfach nur in seine dunkelblauen Augen, die mich zu fesseln schienen.
"Was wäre dann, Olive?", fragte er mit Nachdruck.
Manchmal da gibt es so Momente im Leben, da ist einem alles egal. Alles, Geheimnisse, Ängste, Freunde.
Und in so einem Moment befand ich mich als ich das sagte: "Dann wäre das hier".
Einen Blick auf seine Lippen und zwei Paar geschlossene Augen später, wusste ich, dass mein Patronus nie wieder eine Hirschkuh sein würde.
Seine Lippen berührten zaghaft meine, so als wären sie aus Porzellan und unglaublich gebrechlich.
In mir brannte alles. Mein Blut rauschte in meinem Ohren, mein Adrenalin war auf Hochtouren und die Nerven in meinen Lippen sendeten unglaublich schöne Wärmewellen durch meinen gesamten Körper.
"Ich finde dich toll. Ich finde dich mehr als nur toll", sagte ich, als wir uns wieder voneinander lösten.
Fred hatte seine Arme immer noch um mich geschlungen und hielt mich somit ganz nah bei sich.
"Ich dich auch...Olive...ich glaube...ich habe mich in die verliebt", sagte er und küsste mich nochmal.
Und so saßen wir dort oben bis mindestens Mitternacht und wärmten uns am jeweils anderen.
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