ꕥ unspoken truths ꕥ
"Sometimes, starting over feels like
drowning in the past,
but it's the only way to find
your way to the future."
——— 𖥸 ———
TW: Erwähnung von häuslicher Gewalt und Missbrauch
"Würdest du mir zuhören wollen?", fragte er und wirkte das erste Mal verletzlich und ein wenig zerbrochen.
"Ja", erwiderte ich direkt, auch wenn ich etwas besorgt war. "Natürlich."
Louis nickte leicht, nahm die gefüllten Kaffeetassen und stellte eine von beiden vor mir auf die Tischplatte. Er setzte sich nicht sofort, seine Finger umschlossen die Tasse, welche er noch hielt und schien leicht angespannt. Sein Blick war auf den dunklen Kaffee gerichtet, als würde er dort nach den richten Worten suchen.
Es fiel mir schwer still zu bleiben, doch ich wollte, dass er seine Worte in Ruhe fand und erst sprach, wenn er wirklich bereit war.
"Die Vereinigten Staaten waren... anders. Minnesota war anders", begann er schließlich, seine Stimme leise, fast zögerlich. "Ich war unfassbar motiviert. Wollte beweisen, dass ich etwas schaffen konnte, in der Lage war einen Unterschied zu machen. Ich hatte so viel gelernt, hatte meine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, Medizin studiert und auch als ich meine Doktorarbeit verteidigt hatte lief alles super."
Louis lachte leise, aber es klang bitter. Ich sagte nichts, ließ ihn reden, auch wenn ich spürte, wie meine Kehle sich langsam zuschnürte. "Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich mehr bin als nur ein Arzt, der von seiner Vergangenheit ablenkt, indem er sich in die Arbeit stürzt."
Langsam nickte ich, lächelte ein wenig als er endlich Platz nahm. Er machte wieder eine kleine Pause, trank einen Schluck Kaffee und fuhr sich durch die Haare.
"Es war eine Studie mit Parkinson-Patienten", fuhr er fort. "Neue Therapiemöglichkeiten, alternative Ansätze. Ich fand es faszinierend und lehrreich. Gleichzeitig war es schwer. Ich sah Patienten, die Tag für Tag ein Stück mehr von sich selbst verloren. Ich sah Familien, die versuchten stark zu bleiben, obwohl sie innerlich zerbrachen.
Er hielt kurz inne, schien sich sammeln zu müssen und ich nickte lediglich.
"Und dann gab es Michael."
Louis atmete tief durch und ich konnte sehen, wie er gegen die aufkommenden Tränen kämpfte. Zögerlich griff ich nach seiner Hand und atmete erleichtert aus als er die Geste erwiderte und seine Hand in meine legte.
"Er war Arzt, wie ich. Charismatisch, klug, selbstbewusst. Er wusste, wie er die Menschen für sich gewinnen konnte. Und ich... ich war beeindruck von ihm. Mehr als das."
Louis räusperte sich, nahm einen Schluck Kaffee und ich spürte wie seine Hand, die noch in meiner lag, ein wenig zitterte.
"Wir kamen zusammen. Es war einfach... zu einfach. Ich dachte, vielleicht... vielleicht ist das meine Chance, neu anzufangen. Eine Liebe, die nicht so weh tut. Die nicht kompliziert ist, weil andere es nicht verstehen wollen oder verurteilen."
Er lachte erneut, aber diesmal klang es gebrochen. Ich wusste das unsere Beziehung nie einfach war. Es gab Gründe, warum wir uns meist aus der Öffentlichkeit gezogen hatten und nur hinter unseren vier Wänden das zeigen konnten, was wir empfanden.
"Aber es wurde komplizierter. Nicht sofort. Zuerst waren es nur die kleinen Dinge. Kommentare, die mich unsicher machten. Michael wusste genau, wie er mich fühle lassen konnte, als wäre ich derjenige, der alles falsch machte. Ich dachte ich reagiere über. Das ich womöglich auch einfach zu empfindlich bin."
Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Louis blickte mich nicht mehr an, auch seine Hand hatte er zurückgezogen und spielte stattdessen mit dem Henkel der Tasse.
"Dann kamen die ersten Wutausbrüche. Die ersten Male, wo er mich angefasst hat... zu fest. Wo er mich geschubst hat, wenn ich widersprochen habe. Wie er mich nach einem Streit die ganze Nacht ignoriert hat, als wäre ich nicht mal mehr da."
Ich schluckte schwer, strich mich über die Augen und murmelte ein leises "Louis". Doch er schüttelte mit dem Kopf. "Es ist schwer, aber es tut gut darüber zu sprechen, okay?" Seine Stimme war heiser und da ich ihm helfen wollte, nickte ich und kämpfte weiter mit meinen eigenen Emotionen.
"Ich habe es nicht mal richtig realisiert. Ich war Arzt. Ich kannte die Anzeichen." Er machte eine Pause, schob den Stuhl nach hinten und erhob sich. "Ich habe sogar Patienten häuslicher Gewalt behandelt", sprach er spöttisch und fuhr sich durch die Haare. "Und dennoch habe ich mir eingeredet, dass es nicht so schlimm ist. Dass ich ihn einfach nicht noch wütender machen sollte. Dass er mich ja trotzdem liebt."
Ich ließ meine Tränen stumm über meine Wangen laufen, ohne sie wegzuwischen. Ich war starr, starr vor Sorge.
"Es hat Jahre gedauert", fuhr er fort. "Jahre, in denen ich mich verloren habe. Bis Elijah..."
Zum ersten Mal sah er mich direkt an. Sein Blick war müde und wirkte leer. Es war beängstigend.
"Elijah war ein Kollege. Er hat es bemerkt. Vielleicht, weil er selbst mal einen Patienten hatte. Er ließ nicht locker, hat mich nicht in Ruhe gelassen, bis ich endlich zugegeben habe, was los ist. Und dann hat er mir geholfen, da rauszukommen."
Ich presste eine Hand auf meinen Mund, um das Schluchzen zu unterdrücken, als Louis sich neben mir auf der Bank niederließ. Sein Lächeln war schwach und er griff nach meiner freien Hand und hielt sie fest.
"Ich bin ihn unfassbar dankbar dafür, das er mich schlussendlich auch dazu gedrängt hat in den Flieger zu steigen und nach Hause zu kehren", sprach er leise. "Und jetzt sitze ich hier. Mit dir. Und alles, was ich will, ist, dass du weißt, dass es nie einen Moment gab, in dem ich dich vergessen habe. Dass es nie einen Moment gab, indem ich nicht gehofft habe, dass ich eines Tages wieder hier bin."
Ich konnte nicht sprechen. Konnte nur nicken, meine Finger um seine Hand schließen und ihm zeigen, dass ich hier war. Dass ich ihn gehört hatte. Dass er nicht allein war.
Nicht mehr.
Louis hielt meine Hand, als müsste er sich an etwas festhalten, um nicht selbst davongetragen zu werden. Ich spürte, wie seine Finger sich leicht verkrampften, wie er versuchte, seine Stimme ruhig zu halten. Doch ich hörte das Zittern darin, die Müdigkeit, die Schwere.
"Die Scheidung war..." Er stockte, presste kurz die Lippen aufeinander. "Die Hölle."
Ich schluckte hart.
"Er hat mich nicht einfach gehen lassen. Hat behauptet, ich sei instabil, ich hätte Wahnvorstellungen, ich sei der Manipulative von uns beiden. Er wusste genau, wo er ansetzen musste, um mich ins Wanken zu bringen. Und für einen Moment... für einen verdammten Moment dachte ich, vielleicht hat er recht. Vielleicht bin ich wirklich das Problem."
Seine Stimme brach fast.
"Ich musste psychologische Gutachten durchlaufen. Musste beweisen, dass ich zurechnungsfähig bin, dass ich kein Risiko für mich oder andere darstelle. Jedes verdammte Mal, wenn ich diese Räume betrat, fühlte ich mich, als müsste ich mich vor der ganzen Welt rechtfertigen. Als müsste ich beweisen, dass ich existieren darf. Irgendwann konnte ich nicht mehr. Mein Anwalt hat es übernommen, hat mich rausgehalten, weil ich sonst..."
Er schüttelte den Kopf. "Weil ich sonst daran kaputtgegangen wäre."
Mir war übel. Der Gedanke, dass er all das alleine hatte durchstehen müssen, ließ meinen Brustkorb sich schmerzhaft zusammenziehen. Ich wollte etwas sagen, aber es gab nichts, was das heilen konnte. Also schwieg ich und ließ ihn weitersprechen.
"Dann habe ich mich mich hier in unserer Heimat nach einer Stelle umgesehen."
Er lächelte schief, doch es erreichte seine Augen nicht.
"Zayn war wohl schon länger auf der Suche nach einem Arzt, der mit ihm zusammenarbeitet. Ich wusste nicht, ob ich das wirklich wollte, ob ich überhaupt fähig war komplett von vorne anzufangen."
Seine Finger spielten mit meinen, als würde er sich an der Bewegung festhalten.
"Aber das Gespräch mit Zayn war gut und ich habe den Job angenommen."
Louis lachte leise, diesmal klang es erleichtert, befreiter.
"Ich bin hierhergezogen, in die fantastische Altbauwohnung, wurde regelmäßig von meinem Anwalt auf dem Laufenden gehalten und versank auch hier direkt in Arbeit. Die ersten Tage habe ich mich hineingestürzt, Tag und Nacht versucht die Patientenakten durchzugehen, alles zu verstehen und zu überblicken."
Sein Blick wurde plötzlich weicher. Er atmete tief durch und drückte meine Hand leicht.
"Und dann... dann kam dieser eine Moment. Ich hatte gerade angefangen zu heilen, Michael und mein bisheriges Leben hinter mir zu lassen.Und dann..."
"Dann standest du plötzlich im Flur. Dein Kalender war dir runtergefallen", sagte er mit einem Lächeln und drückte erneut meine Hand.
"Ich weiß gar nicht, wie lange ich dich einfach nur angestarrt habe, bevor ich überhaupt in der Lage war, dir zu helfen", gestand Louis leise. "Als ich dich nach all den Jahren zum ersten Mal gesehen habe, hat es sich angefühlt, als würde mir jemand die Beine unter dem Körper wegziehen. Ich habe versucht, mich zusammenzureißen, mir einzureden, dass du wahrscheinlich nicht mal mit mir reden wolltest. Dass es nur ein Zufall war, dass wir uns hier wiedersehen. Aber verdammt, Harry..."
Seine Stimme wurde merklich leiser.
"Als du mich angeschaut hast... als du meinen Namen gesagt hast..."
Ich biss mir auf die Unterlippe, weil ich wusste, wie ich ihn damals angesehen hatte. Mit so vielen Erinnerungen, so vielen Gefühlen, die ich nicht mehr in Worte fassen konnte. Gefühlen, die ich mir nicht erlauben wollte zuzulassen, weil sie mich zu sehr in einen Strudel von Dingen zurückversetzen würden, die ich längst hinter mir lassen wollte.
"Da wusste ich, dass ich einen Grund hatte, wie ich das überwinden soll", flüsterte er.
Ich fühlte, wie sich etwas in mir zusammenzog, als ich die schwere Last in Louis' Worten vernahm. Ich konnte mir kaum vorstellen, wie es sich anfühlen musste, all das in sich zu tragen – die Erinnerungen, die Verletzungen, die Zeit nach der Scheidung. Ich wollte ihm etwas sagen, etwas, das ihm wenigstens ein kleines Stück Trost spenden würde. Und dann, ohne es wirklich zu überdenken, sagte ich folgende Worte:
"Es tut mir leid, dass du das alles durchmachen musstest, Louis." Mein Herz schwer bei dem Gedanken, was er ertragen hatte. "Und weißt du, du bist nicht allein. Auch wenn das damals schwer zu begreifen war... Ich bin jetzt hier. Und ich werde hier bleiben."
Ich sah, wie Louis' Augen für einen Moment weich wurden, als er sich in den Worten verlor, als ob sie einen längst verschlossenen Teil von ihm berührten. Ein Teil, der wieder zu fühlen begann, auch wenn es schmerzhaft war.
"Darf ich dir eine Frage stelle?", fragte ich vorsichtig und atmete kurz durch als Louis nickte. "Warum hast du ein Bild von euch beiden bei dir im Schlafzimmer?"
Louis schnaubte leise, wischte sich über die Augen und räusperte sich. "Als Erinnerung was ich überstanden habe, mehr ist es nicht. Manchmal vergesse ich was ich alles schon geschafft habe, weil ich mich in Zukunftsgedanken vergrabe oder zu tief in der Arbeit eintauche."
Ich nickte langsam. "Ich... Ich denke ich verstehe es", erwiderte ich leise und löste mich langsam von Louis nur um meine Augen zu reiben. "Danke, dass du es mir erzählt hast. Wirklich."
Louis nickte leicht und legte seine Hand sanft auf meinem Oberschenkel ab. "Danke für's Zuhören Harry", lächelte er und schien leicht betrübt zu sein. "Kann ich dich irgendwie ablenken?", fragte ich vorsichtig und legte meine Hand zu seiner.
"Es wäre schön, wenn ich die nächsten Tage ebenfalls hier bleiben könnte."
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Was könnten die beiden wohl alles unternehmen,
um Louis auf andere Gedanken zu bringen?
Was wäre wenn Louis Harry seine Familie vorstellt? 👀
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