xvi. party a là stark
Die Stunden auf Asgard vergingen viel zu schnell. Und ohne wirklich Antworten auf unsere Fragen bekommen zu haben, hat der Bifröst uns wieder auf die Erde geschickt, wo Thor und ich schon wenige Minuten später im Tower stehen.
»Gott sei Dank!«, ruft Charlotte, als sie mich sieht. Die Schottin kommt auf mich zu und zieht mich in eine Umarmung, die ich etwas verwirrt erwidere.
»Es waren nur einige Stunden«, schmunzle ich verwirrt und streiche mit meiner Hand über ihren Rücken, bevor wir uns lösen.
»Einige Stunden zu viel, es war etwas...«, zögert sie einen Moment.
Ist irgendwas passiert?
»Wo sind die anderen?«, will ich wissen, weil Charlotte die einzige ist, die uns begrüßt hat.
»Natasha und Clint sind auf einer Mission und die anderen... Naja, die versuchen, Bucky zu beruhigen«, erzählt sie und sieht mich abwartend an.
»Bucky beruhigen?«, fragt Thor und sieht zu uns.
Charlotte zuckt mit ihren Schultern. »Kurz nachdem ihr weg wart, ist er durchgedreht-« »Der Winter Soldier?«
Die Schottin verzieht ihren Mund und schüttelt leicht ihren Kopf. »Es ist kompliziert«, versucht sie zu erklären.
»Einige Beziehungsstatus auf Facebook sind kompliziert, aber doch keinesfalls, dass der Winter Soldier einen Rückfall hatte!« Überrascht über die Tatsache, dass der Gott Facebook kennt, sowie seinen kleinen Ausbruch sehen Charlotte und ich ihm hinterher.
»Hatte er einen Rückfall?« Etwas an der Art, wie Charlotte es mir gesagt hat, lässt mich zweifeln. Es ist einfach so ein Gefühl.
»Es ist kompliziert, aber die Jungs kriegen das hin«, erwidert sie, während wir uns langsam in Bewegung setzen.
Dabei fühlt sich das Buch so unendlich schwer an, dass Odin mir beim Abschied zugesteckt hat und ich es unter meinem Mantel versteckt habe, dass kein anderer es sehen kann.
»Der Winter Soldier mag zwar physisch nicht mehr da sein, aber er lässt Bucky nicht los. Es lässt ihn nicht los, was er getan hat. Die Wut in ihm ist größer als alles andere, sie kontrolliert ihn, wobei er sie kontrollieren sollte.« Charlottes Stimme hallt an der Wand ab und ich denke darüber nach. Es ist mir das erste Mal beim Kämpfen aufgefallen, er lässt sich von der Wut leiten, als wäre sie das einzige, was ihn noch am Leben hält.
»Sicher?«, hake ich nach. Nicht, dass ich ihm helfen könnte, wenn er mich sieht, dann würde er wahrscheinlich den Tower auseinandernehmen, dennoch sorge ich mich um ihn, obwohl ich das nicht sollte.
»Es wäre keine gute Idee, da jetzt reinzugehen, vertraue mir, Celeste.« Dieses Mal gebe ich nach. Es ist nicht mein Problem. Das versuche ich mir wenigstens einzureden.
»Aber vielleicht solltest du dich heute etwas schicker machen. Trotz der Gefahr der Nemesis, kann Tony es nicht lassen, die Party die Partys steigen zu lassen«, warnt sie mich vor.
»Party?«
Thor hat mir davon erzählt, dass der Milliard dafür bekannt ist, dass er gerne Partys feiert, in denen er es maßlos übertreibt. Doch niemals hätte ich gedacht, jemals selbst auf einer zu sein.
»Hält er das wirklich für eine gute Idee?«, zweifelnd sehe ich Charlotte an, deren Bindung ich mit Tony auch noch nicht ganz durchschaut habe.
»Gibt es für eine Party einen guten Zeitpunkt? Wer weiß, wie es morgen aussieht, ich denke, wir sollten die Zeit, die wir noch haben, genießen. Sei es eine Party von Tony«, erwidert sie und ich denke über ihre Worte nach.
Vielleicht hat sie recht. Vielleicht brauchen wir ja alle einen Abend, an dem wir an nichts denken müssen und uns den Kopf über Nemesis zerbrechen. So kommen wir nicht weiter und vielleicht tut es uns auch gut, uns gehen zu lassen und so zu tun, als würde die Gefahr nur darauf warten, uns zu verschlingen.
~
Zweifelnd drehe ich mich in den Spiegel, der sich an meinem hellen Kleiderschrank befindet. Hinter mir erkenne ich das Chaos, das Charlotte hinterlassen hat, als sie meinen Kleiderschrank geplündert hat, der zu 99 Prozent aus Klamotten besteht, die mir nicht gehören.
»Trägt man das so?«, erwidere ich und drehe mich um. Das schwarze Crop Top, das die Schottin aus den Tiefen des Kleiderschranks gezaubert hat, schmiegt sich eng an meinen Oberkörper. Es ist von vorne weit nach oben geschlossen, während die dünnen Träger auf meinem Rücken zu einem ›X‹ verlaufen. Der Rücken ist bis auf die Schnürungen, zu denen die Träger werden, offen. Ich fühle mich nackt, aber irgendwie auch nicht.
Meine Beine hat Charlotte in eine schwarze Lederhose gesteckt, die obenrum enger anliegt, während sie locker an meinen Beinen sitzt. Doch was mir am meisten Sorgen macht, sind die schwindelerregenden hohen Sandalen, deren Schnüre sich ebenfalls um meine Beine schlingen.
»Reicht nicht einfach ein Kleid?« Zweifelnd suche ich den Augenkontakt, doch Charlotte schüttelt heftig mit ihrem Kopf, dass ihre wilden Locken um sie fliegen. »Du siehst verdammt heiß aus! Selbst ich würde dich auf der Party anbaggern!«
»Was?« Meinen entsetzten Gesichtsausdruck beantwortet sie mit einem lauten Lachen. »Entspann dich, ich werde dich schon nicht anbaggern«, kichert sie und hält sich die Hand vor ihren rot geschminkten Mund, der die Herzform ihrer Lippen noch mehr zur Geltung bringt.
»Bei euch ist das alles kein Thema, kann das sein?«, will sie wissen, während sie mir einen etwas dezenten Lippenstift in die Hand drückt. »Du weißt doch, wie das geht, oder?«, will sie wissen und ich rolle mit meinen Augen.
Ich mag zwar auf Asgard aufgewachsen sein, aber nicht hinter dem Mond. Natürlich weiß ich, wie man sich schminkt.
»Wie meinst du das?«, frage ich, während ich mich wieder zum Spiegel drehe und vorsichtig den roten Lippenstift auf meinen vollen Lippen auftrage. Und während ich ihn auftrage, fällt mir auf, wie wenig dezent er in Wirklichkeit ist.
Innerlich verfluche ich Charlotte, aber ich sage nichts. Sie hat sich so eine Mühe gegeben, um mir für die erste irdische Party, auf die ich gehe, zu helfen. Ihr zuliebe mache ich es. Auch wenn es mir nicht klar ist, was sie vorhat.
»Frauen und Frauen«, erwidert sie knapp und ich spüre ihren Blick auf mir.
»Du meinst...?«, hake ich nach und drehe mich zu ihr um, nachdem meine ganzen Lippen die rote Farbe angenommen haben. So sehr mich diese Auffälligkeit auch stört, Charlotte hat echt einen guten Blick dafür. Das Rot passt perfekt zu meinen etwas dunkleren Hautton.
»Liebe und Sex.«
Es ist nicht, dass ich davon noch nie etwas gehört habe, oder das es das auf Asgard nicht gibt. Ich habe oft Geschichten gehört, in denen sich ein Mann zwei Frauen genommen hat, oder Geschichten gelesen, in denen sich die Protagonistin nicht nur in einen Mann verliebt hat, sondern in zwei. Komischerweise meistens in Brüder, aber noch nie habe ich selbst daran gedacht. Vielleicht, weil mir die meisten Frauen in Asgard gegenüber nicht gut gesinnt waren, oder weil ich mich schon immer mehr für Männer interessiert habe. Ich weiß es nicht.
»Naja. Es gibt Gerede darüber, aber ich habe mich nie daran beteiligt«, sage ich. »Also, nicht dass es mich stören würde«, füge ich schnell hinzu. Ich will Charlotte nicht verurteilen. Sie darf lieben wen sie will. Es ändert nichts daran, dass sie die Charlotte ist, die ich kennengelernt habe.
»Celeste, ich bin nicht bi«, lacht sie amüsiert über meinen peinlichen Versuch, die Konversation nicht in die falsche Richtung zu lenken. »Die Frauen schaut man sich lieber an, aber ich habe dann doch lieber einen Schwanz zwischen den Beinen.«
Ich erstarre. Ich bin keinesfalls Prüde oder Jungfrau, aber dieses offenherzige Statement überfordert mich dann doch ein wenig.
»Ach komm, Celeste«, kichert Charlotte, sichtlich amüsiert bevor sie sich an meinem Arm unterhakt. »Der Abend wird noch sehr lustig werden«, prophezeit sie und ich habe die Befürchtung, dass sie damit noch untertreibt.
Die laute Musik, die vom obersten Stockwerk zu uns dringt, hört man bestimmt im gesamten Tower. Ich weiß nicht, wie viele Leute Tony Stark kennt, aber so wie es klingt, hat er halb New York eingeladen, um mit ihm zu feiern.
»Feiern wir eigentlich aus einem bestimmten Grund?«, frage ich die Schottin, nachdem einige Zeit nur die gedämpfte Musik Tonys und unsere Hackenschuhe auf dem Boden zu hören waren.
»Tony Stark braucht keinen Grund, um eine Party zu schmeißen«, erwidert sie Achsel zuckend. Im gleichen Moment stößt sie die Tür auf und als würden wir ein komplett anderes Leben betreten, schlägt uns warme Luft und der Geruch von Alkohol entgegen.
»Heilige Scheiße...«, murmle ich leise, als ich die ganzen fremden Menschen sehe. Einige haben sich in der Mitte zum Tanzen zusammengetan, während andere am Rand stehen und sich über den Lärm hinweg versuchen zu verstehen. Wiederum andere sind an der hauseigenen Bar Tonys, wo ich einen unbekannten Mann sehen kann, der Getränke ausschenkt.
»Du hast nicht übertrieben«, murmle ich leise, doch durch die laute Musik, die uns beschallt, kann die dunkelblonde Frau mich nicht verstehen.
Charlotte schnappt sich meinen Arm und zieht mich durch die Menschen, direkt zu der Bar, wo wir auf Bruce treffen, der auf einem der Hocker sitzt, ein Bier in der Hand hat und vielmehr die Leute um sich herum beobachtet.
»Bruce!«, ruft Charlotte und erfreut heben sich Bruces Mundwinkel, als er uns erkennt. »Ich frage mich jedes Mal, wie viele Leute Tony noch nicht vergrault hat«, sagt er, während meine Augen den Raum abscannen und sofort Tony finden, der irgendwie durch die Leute torkelt, dass es mich wundert, dass er überhaupt noch den Weg findet.
Charlotte folgt meinem Blick und presst genervt ihre Lippen aufeinander. »Ich brauche jetzt Alkohol«, brummt sie und beugt sich über den Tresen und schnappt sich einfach eine Wodkaflasche. So schnell konnte ich nicht schauen, da hat sie die Flasche geöffnet und sie an ihren Lippen angesetzt und einen großzügigen Schluck genommen.
Ich werfe Bruce einen fragenden Blick zu, doch seine Mundwinkel zucken nur. Er weiß also, was das Problem ist. Charlotte hält mir die Flasche hin und nach kurzem Zögern greife ich sie und nehme einen Schluck von der brennenden Flüssigkeit.
Ganz leicht verziehe ich mein Gesicht, als der Wodka brennend meine Speiseröhre runterrinnt. »War das dein erster Schluck?«, will Bruce wissend und immer noch mein Gesicht verziehend nicke ich. »Zumindest von eurem Alkohol... Unseres brennt weniger«, erwidere ich, bevor ich meine Lippen wieder an die Flasche ansetze und einen weiteren Schluck nehme, doch auch nach dem zweiten Mal wird es nicht unbedingt besser.
Warum findet Tony dann so einen Gefallen daran?
»Lass uns tanzen gehen.«
Gerade als ich mich neben Bruce auf einen der Hocker setzen will, hindert die Schottin mich daran. Irgendwann auf dem Weg von meinem Zimmer in den obersten Stock des Towers hat sie scheinbar beschlossen, heute wirklich alles zu vergessen, aber vor allem den Milliardär zu provozieren.
Die Blicke zwischen ihnen, die sie sich immer wieder zugeworfen haben, wenn sie gedacht haben, niemand würde es merken, machen plötzlich einen Sinn. Ich will nachfragen, irgendetwas sagen, dass die Schottin aufmuntern kann, aber ich weiß nicht was.
Charlotte nimmt einfach meine Hand und zieht mich von dem Wissenschaftler zurück, den wir mit seinem Bier alleine lassen. Fasziniert sehe ich mich um, doch in diesem Raum geht in derselben Sekunde so vieles gleichzeitig ab, dass man niemals alles überblicken kann.
Ich spüre viele Körper an meinen und will mich bei jeden entschuldigen, den ich aus Versehen anremple, weil Charlotte ein klares Ziel hat. Doch weder können sie mich hören, noch scheinen sie sich daran zu stören.
Zwischen den vielen Leibern der Menschen wird mir unendlich warm, doch so langsam schwappt ihre Euphorie in mir über. Die Musik dröhnt in meine Ohren und auch wenn ich den Song nicht kenne, passe ich mich der Bewegung der Menge an.
Charlotte muss lächeln, während sie sich ebenfalls zum Beat der Musik bewegt. Ich erwidere es, während mein Blick ihren Körper runterwandert. Im Gegensatz zu mir hat sie sich ein erdfarbenes Kleid angezogen, dass niemand besser stehen könnte als ihr. Ihre Bewegungen sind anmutig – so viel besser als meine.
Sie weiß, wie sie tanzen muss, um die Männer mit ihren Reizen zu verführen. Während sie ihre Hüfte schwingt, wandert sie mit ihren Händen zu ihren Haaren. Der trübe Blick ist aus ihren Augen verschwunden, stattdessen funkeln sie jetzt mit der Discokugel über uns um die Wette.
Ich schließe meine Augen und lasse mich von der Musik leiten. Sie verführt mich dazu, alles zu vergessen. Sie verspricht das, was sie hält. Nemesis, das Buch und die ganzen Geheimnisse, die mir drohen, mich zu verschlingen, einfach zu vergessen. Nichts lasse ich heute Abend an mich ran. Wenigstens für einen Moment vergesse ich das Chaos, das in meinem Kopf herrscht und mich nicht mehr klar denken.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergeht. Wie lange Charlotte und ich einfach tanzen, als würde es keinen Morgen geben. Doch als ich einen brennenden Blick auf mir spüre, der mein Licht zum Flirren bringt, schlage ich meine Augen auf.
Das bunte Licht flackert und dennoch brennen sich seine blauen Augen in meine. Bucky lehnt an der Bar, während er mich nicht aus seinem Blick lässt. Das Licht wirft einen dunklen Schatten auf ihn, der ihn wie ein schwarzer Engel scheinen lässt.
Ich erwidere seinen Blick und fühle ihn so intensiv auf mir, als würde er nur wenige Zentimeter vor mir stehen und keine Meter, wie die, die uns trennen. Selbst wenn ich mich losreißen wollen würde, dann könnte ich es nicht.
Die Dunkelheit, die Bucky umgibt, zieht mich an, wie die Motte zum Licht. Ich sollte wegrennen, mich ihr entziehen, bevor es zu spät ist, doch das Volk des Lichts scheint sich nach der Dunkelheit zu verzehren.
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