x. was sich neckt, das liebt sich
Ich schwebe. Es fühlt sich so an, als würde ich auf einer Wolke treiben, die mich immer höher trägt. Ich will meine Augen öffnen, doch sobald ich das versuche, sehe ich nichts als pure Helligkeit, die sich in meine Netzhaut brennt, sodass ich sie schnell wieder schließe.
Was ist passiert? Wo bin ich?
Langsam kommen meine Erinnerungen wieder. Ich erinnere mich daran, dass ich einen Albtraum hatte, in dem ich Pandia, der Göttin des Lichts begegnet bin. Danach bin ich vor den einengenden Wänden meines Zimmers geflohen und habe Zuflucht auf dem Dach des Towers gesucht und auch gefunden.
Für einen Moment habe ich nicht diese pulsierende Wut in mir gespürt, als ich mit Bucky gesprochen habe. Wir konnten uns sogar fast normal unterhalten, auch wenn unsere Stimmung schnell gekippt ist. Danach... Danach wird alles schwammig.
Bucky hat mir Sachen ins Ohr geflüstert, Sachen, die schmerzen, obwohl sie das nicht sollten. Mir kann es egal sein, ob Bucky mich mag oder nicht. Ich mag ihn ja selbst nicht einmal, aber alleine der Gedanke an seine Worte lässt das Licht in mir sich sträuben.
»Celeste.«
Immer wieder flüstert jemand meinen Namen. So lieblich. So wunderschön, dass ich gewillt bin, meine Augen aufzumachen. Die Helligkeit um mich herum verschwindet und ich spüre wieder meinen Körper. Das Gefühl kommt zurück und ich schlage meine Augen auf.
Für den Bruchteil einer Sekunde sehe ich die Besorgnis in den wunderschönen blauen Augen, doch sie verschwindet schnell wieder und ich blicke in die Eiseskälte, die mein Herz zum Gefrieren bringt.
»Sie ist wach.« Bucky entfernt sich aus meinem Blickfeld und erst dann realisiere ich, dass ich wieder einmal im Labor von Tony und Bruce aufgewacht bin.
Hat Bucky mich hergebracht und die anderen geweckt?
Wieso?
»Was ist passiert?«, krächze ich und will mich erheben, aber meine Gliedmaßen sind so schwer, dass ich den Versuch wieder aufgebe und stattdessen meinen Kopf drehe, um zu den drei Männern zu schauen.
»Das sollten wir Bucky und dich fragen«, erwidert Bruce und sieht mich dabei tadelnd an. »Wir haben geschlafen, als Bucky uns über F.R.I.D.A.Y. eine Nachricht zukommen lassen hat, dass du in seinen Armen zusammengebrochen bist.«
»Ich kann mir nicht erklären, was passiert ist...«, murmle ich angestrengt und schließe kurz meine Augen.
»Ich spüre die Kraft ununterbrochen in mir, schließlich ist sie ein Teil von mir und fließt wie das Blut, durch meine Venen... Aber dann...«, ich stocke einen Moment, als ich mich an den Schmerz zurückerinnere.
»Sie ist ein Teil von mir, aber es hat sich angefühlt, als würde sie gegen mich rebellieren, als würde sie versuchen, aus mir herauszubrechen«, murmle ich. Wie Lava ist das Licht durch meine Venen gekrochen.
»Habt ihr mir irgendwas gegeben?«, frage ich und sehe mich um, als würde ich irgendwas finden können, was mich aus meinen Zustand geholt haben könnte. Doch bis auf ein Glas Wasser und eine Blume, die ziemlich verloren auf dem dunklen Nachttisch aussieht, befindet sich nichts neben mir.
»Nein, wie das letzte Mal, haben wir gewartet, bis du aufwachst«, erklärt Tony und tippt sich auf seine Lippe, während er nachdenkt.
»Ist irgendwas passiert?«, will er dann wissen und sieht zu Bucky. »Ich habe nichts gemacht!«, verteidigt dieser sich und hebt unschuldig seine Hände.
»Wir haben nur geredet«, füge ich hinzu. Es ist nicht ganz die Wahrheit, dass Bucky nichts gemacht hat, aber er kann nichts dafür, was mit mir geschehen ist.
»Geredet?« Tony zieht seine Augenbraue hoch, während sein Blick zwischen Bucky und mir herwandert.
»Geredet? Ihr? Ist klar«, sagt er dann und schüttelt seinen Kopf, bevor er sich auf seinen Drehstuhl fallen lässt und nach vorne in eine Tüte mit Blaubeerchen greift, die er sich in seinen Mund stopft.
»Das haben wir«, beharre ich. »Oder siehst du, dass jemand ein blaues Auge hat?« Tonys Blick schweift über mein Gesicht, dann über Buckys. Ergeben seufzt er.
»Also, wenn ihr ›geredet‹ habt, warum hast du geglüht, als wärst du eine Bordsteinkante in Las Vegas am 7. Juli?« Bei dem Wort ›geredet‹ setzt er seine Finger in Anführungszeichen.
»Ich weiß es nicht«, seufze ich leise und beiße mir auf meine Unterlippe. Ich fühle mich so schwach. Es ist meine Kraft, also sollte ich sie auch zu kontrollieren wissen, aber sie kontrolliert mich.
»Dürfen wir dir Blut abnehmen?«, will Bruce wissen und verwundert blicke ich ihn an. »Denkst du, das macht uns schlauer?«, erwidere ich. Der Wissenschaftler zuckt mit seinen Schultern.
»Es ist ein Anfang. Und wenn nicht, dann müssen wir dich nach Wakanda schicken, so wie den ehemaligen Winter Soldier.« Bei Bruces Worten zuckt Bucky zusammen, als hätte man ihn geschlagen.
»Haltet mich nur da raus!«, knurrt er und dann stürmt er aus dem Labor hinaus. Die Tür knallt hinter ihm zu und verschreckt starre ich sie an.
»Was hat er?« Stelle ich die Frage in den Raum.
Tony seufzt, während er mit seinem Stuhl auf mich zurollt. »Wir halten alle an der Vergangenheit fest. Aber bei Bucky... Die Vergangenheit hält ihn fest.«
Buckys Vergangenheit wird mir immer nur bruchstückhaft entgegengeworfen, doch so langsam scheine ich dieses Puzzle zusammenfügen zu können.
Ich nicke nur und starre weiterhin die Tür an. Währenddessen bereitet Bruce alles vor, um mir mein Blut abzunehmen. Was der Wissenschaftler darin sieht, mir Blut abzunehmen, weiß ich nicht. Aber er hat recht. Es ist besser als nichts.
»Es wird kurz pieken«, warnt Bruce mich vor, nachdem er an meinem Oberarm einen Stauchschlauch gelegt und zugezogen hat. Dadurch treten meine Gefäße besser aus. Ich spüre den Stich, als er meine Vene trifft, doch im Gegensatz zu meinen vorherigen Schmerzen ist das nur ein Streicheln.
»Ihr habt also geredet?«, hakt Tony wieder nach und ich seufze. Seine braunen Augen ruhen auf mir und mustern mich, als er versucht herauszufinden, ob ich ihn anlüge.
»Wir haben zwei Münder, also ja, wir reden«, erwidere ich genervt darüber, dass der Milliardär sich auf dieses Thema versteift hat. Ich versuche nämlich, das zu verdrängen, was oben auf der Terrasse passiert ist. Das was ich gespürt habe, bevor meine Kraft sich gegen mich gewendet hat.
»Ich habe auch einen Mund, aber damit mache ich meistens was anderes«, bei Tonys Worten, verziehe ich mein Gesicht. Sein Ruf eilt ihm voraus, wobei ich für einen Moment gedacht habe, dass da was zwischen ihm und Charlotte laufen könnte.
»Nein, danke!«, brumme ich angewidert. Dabei widert es mich ganz und gar nicht an, wenn ich daran denke, wie sich Buckys Lippen auf meine anfühlen würden. Egal, wie sehr ich seinen Charakter verabscheue, ich kann es nicht leugnen, aber etwas zieht mich an dem ehemaligen Winter Soldier mit dem leidenden Ausdruck in den Augen an.
»Bei uns auf der Erde gibt es ein Sprichwort: Was sich neckt, das liebt sich«, behauptet er und ich rolle mit meinen Augen. Ich kenne dieses Sprichwort, ich kenne Geschichten darüber, wie aus Feinden Freunde und später Verliebte werden, aber wir sind hier in keinem Buch.
»Also so wie du und Charlotte?« Tony kann man nur mit seinen eigenen Waffen schlagen und tatsächlich funktioniert es. Er öffnet seinen Mund, klappt ihn dann aber schnell wieder zu und gibt sich geschlagen.
»Fertig!« Sagt Bruce und ich erinnere mich daran, dass er mir gerade Blut abgenommen habe, was ich durch die Diskussion mit Tony total vergessen habe.
»Danke, Bruce«, erschöpft reibe ich über die Stelle, in der vor wenigen Sekunden nach eine Nadel gesteckt hat, bevor ich mich vorsichtig auf meine Beine stelle. »Wir sollten jetzt alle schlafen gehen. Morgen ist ein neuer Tag«, erwidert Bruce, nachdem er mein Blut in eine Art kleinen Kühlschrank gestellt hat, wo andere, kleine Phiolen drin sind. »Oder eher in ein paar Stunden«, brummt Tony.
~
Der Flur liegt dunkel vor mir. Langsam komme ich meinem Zimmer näher, doch ich weiß genau, dass ich heute keinen Schlaf mehr finden werde. Mein Kopf brummt, während ich versuche, all das, was passiert ist zu verarbeiten.
Es war nur ein Traum, dennoch schweben mir die Worte von Pandia umher, wie ein lästiger Ohrwurm. Ich kriege sie einfach nicht aus meinem Kopf heraus.
Es hat sich täuschend echt angefühlt. Sie hat täuschend echt ausgesehen, auch wenn ich ihr vorher noch nie in meinem Leben gegenübergestanden habe.
»Celeste?« Erschrocken fahre ich herum, als ich die müde Stimme von Charlotte höre. Die dunkelblonde Frau steht mit einem unordentlichen Dutt in der Tür und hält sich die Hand vor dem Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken.
»Du bist wach«, stelle ich fest, was Charlotte amüsiert zucken lässt. »Wo kommst du her?«, will sie wissen und ich seufze. »Aus dem Labor.«
Einen Moment zögert die Schottin, doch dann stößt sie die Tür weiter auf. Ich folge dankend der stummen Aufforderung und betrete vor ihr ihren eigenen Bereich.
Ihr Zimmer unterscheidet sich nicht sonderlich von meinem, lediglich die persönlichen Bilder einer riesigen Familie schmücken die Wand, genauso wie ein Poster irgendeiner Band an der Wand hängt, die ich nicht kenne.
Charlotte bemerkt meinen fragenden Blick. »Das sind Imagine Dragons. Meine drei kleineren Brüder lieben diese Band, weswegen ich mit ihnen gemeinsam auf einem Konzert war. Irgendwann zwischen ›Believer‹ und ›Warrior‹ haben sie sich in mein Herz geschlichen«, erzählt Charlotte und ich lächle, obwohl ich absolut keine Ahnung habe, wer die Typen sind. Aber sie erzählt mir von sich aus etwas Privates. Das hat viel Wert.
»Setz dich ruhig«, erwidert sie und deutet auf das Bett, das sie unordentlich hinterlassen hat. »Wieso bist du wach?«, frage ich sie und lehne mich mit meinem Rücken gegen die Wand, während ich meine Beine ausstrecke.
»Ich habe nachgedacht«, zuckt sie mit ihren Schultern, bevor sie einen Stuhl direkt vor das Bett stellt, sodass wir uns ansehen können.
»Du?«
»Ich hatte einen Albtraum.« Wissend nickt Charlotte, bevor sie ihren sowieso schon losen Dutt löst und sich einen neuen macht.
»Willst du darüber reden?«, fragt sie als sie fertig ist, und diesmal zucke ich mit meinen Schultern. Will ich das? Bisher habe ich noch nie mit jemandem darüber geredet. Also so wirklich. In Asgard hatte ich keine beste Freundin, wie es hier auf der Erde so heißt.
Heimlich beobachte ich Charlotte aus meinen Augenwinkel. Könnten die Schottin und ich vielleicht Freunde werden? Ich habe keine Erfahrung, wie man das anstellt. In Büchern klingt alles immer so einfach. Die Protagonistin trifft auf ihren Traumprinzen und nach einem mehr oder weniger steinigen Weg finden sie zueinander.
»Hast du manchmal Träume, die sich so real anfühlen, dass du wirklich glaubst, dass sie es sind?«, frage ich sie.
»Manchmal ist es schwierig, Traum von Realität zu unterscheiden. Träumt man wirre Dinge, die auf den zweiten Blick keinen Sinn machen, dann weiß man, dass man träumt. Aber manches ist so nah an der Realität dran, dass man sich einbildet, dass es das auch ist.« Ihre Worte überraschen mich, es klingt so leicht, wie es über ihre Lippen kommt.
»Ich habe von meinem Planeten geträumt«, fange ich an zu erzählen, während Charlotte mir aufmerksam zuhört und mich aussprechen lässt. Ihre blauen Augen ruhen auf mir und geben mir die Kraft, weiter zu sprechen.
»Es war, wie der Tag, bevor ich nach Asgard gekommen bin. Meine Mom ist vor mir gelaufen und ich bin ihr gefolgt, doch ich konnte nicht folgen. Die Dunkelheit hat sie wie ein Schatten verschlungen und ich war plötzlich alleine. Es hat sich so komisch angefühlt. So real, aber irgendwie auch nicht. Ein Licht hat mich angezogen, es war anders als das meines Volkes... Und dann..«, es fällt mir nicht leicht, es auszusprechen. Immer noch kann ich es nicht glauben, was ich in meinem Traum gesehen habe.
Es war nur ein Traum. Nur ein Traum, der sich verdammt real angefühlt hat. Aber immer noch ein Traum. Wie ein Mantra fliegen diese Worte durch meinen Kopf, aber ich glaube nicht an sie. Es hat sich anders als meine anderen Träume anfühlt.
»Pandia. Sie stand plötzlich vor mir. Charlotte, das kann kein Traum gewesen sein«, zweifelnd sehe ich die Schottin an, doch sie schenkt mir nur ein beruhigendes Lächeln. Ich weiß nicht, wann es passiert ist, doch in den letzten Tagen hat sie Stück für Stück ihr Misstrauen mir gegenüber abgelegt.
»Pandia? Die Göttin deines Planeten, oder?«, will sie wissen und ich nicke.
»Ich habe sie für eine Legende gehalten. Sowas, wie ihr über die Götter gedacht habt, bevor einer von ihnen eure Welt an sich reißen wollte. Ich bin mit Geschichten über die Göttin die unseren Planeten aus dem Nichts erschaffen hat aufgewachsen, wir haben Feste ihretwegen gefeiert, aber nie hat sie einer gesehen.«
Ich ende und die Stille breitet sich zwischen uns aus. »Ich glaube dir, wenn du sagst, dass du nicht glaubst, dass sie dir begegnet ist. Weißt du, was ich in den letzten Monaten gelernt habe, seitdem ich bei den Avengers bin?«, fragt sie mich und schlingt ihre Arme um ihre Beine. Ihr Kinn ruht auf ihren Knien und darüber hinweg sieht sie mich an. Fragend sehe ich sie an.
»Nichts scheint so, wie es auf den ersten Blick aussieht. « Charlotte hat recht. Nichts erscheint auf den ersten Blick, wie es wirklich ist. Die Avengers wirken auf den ersten Blick wie ein knallbunter Haufen, der einfach zusammengewürfelt wurde und keine Wahl hatte. Diese hatten sich auch nicht, doch wenn man sie näher kennenlernt, hinter ihre Fassaden blickt, dann merkt man, dass sie alle gebrochenen Seelen sind, die sich gefunden haben.
»Was hat sie gesagt?«
Ich kaue auf meiner Unterlippe herum, bevor ich mit meinen Schultern zucke. Langsam schwindet der Mond vom Himmel und die ersten Sonnenstrahlen treffen auf den dunklen Holzboden.
»Eigentlich nichts. Ich war in dem Moment so wütend, weil sie einfach zugesehen hat, wie ihr eigener Planet von der Dunkelheit befallen wurde. Ihre Worte waren ›Die Geschichte ist geschrieben. Sie musste passieren‹ Was soll das bedeuten? Ist der große Plan, dass ein Planet vernichtet werden muss? Für was?« Tränen sammeln sich in meinen Augen und dann macht Charlotte etwas, womit ich niemals gerechnet habe.
Leichtfüßig springt sie von dem Stuhl auf und zieht mich einfach in ihre Arme. Sie drückt mich an sich. Ein unbekanntes Gefühl der Wärme überkommt mich, als ich mich fester an sie drücke und zulasse, dass sie mich tröstet.
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