ii. ich bin deine nemesis. dein untergang
Heute sollte ein Tag wie jeder andere in New York werden. Die Straßen sind so überfüllt wie jeden einzelnen Tag in den letzten paar Jahren. Dennoch ist heute etwas anders. Als würde irgendwas schwer in der Luft liegen.
Gestresste Geschäftsleute quetschen sich zwischen die vielen Leuten hindurch, während sie über die Volle der Stadt genervt ihr Handy enger ans Ohr pressen, um ihren Anrufer überhaupt verstehen zu können. Man sollte meinen, dass sie es nach den Jahren gewohnt sind, aber immer noch regen sich die Menschen über die gleichen Dinge auf.
Das Wetter, ihre Mitmenschen, die schwankenden Aktien. Nichts ändert sich. Egal, ob tausende Kilometer entfernt ein Krieg herrscht oder nicht, ob ein Virus den ganzen Globus auf Stillstand bringt oder nicht.
Touristen stehen vor dem großen Empire State Building, das hoch in den Himmel ragt und eines der bekanntesten Wahrzeichen der Metropole New York ist. Tausende Touristen tummeln sich jeden Tag um das Gebäude, laden dutzende Bilder auf etlichen Social Media Kanälen hoch.
Hunderte Augenpaare liegen auf dem zweithöchsten Wolkenkratzer in dieser Stadt, dass man meinen sollte, dass irgendjemand mitkriegt, wie sich dunkle Gestalten wie Schatten aus dem Fenster des oberen Stockwerkes abseilen.
Aber Menschen sehen nur das, was sie sehen wollen. Oder sie halten die Gestalten für einfache Fensterputzer, die in so einer Großstadt mit den vielen Wolkenkratzer normal sind.
Doch würde nur einer genau hinsehen, dann würde einem die helle Flagge auffallen, die einer der Kletterer in seiner Tasche hat. Die dunklen Personen, die so vermummt sind, dass man nur die Augen sehen kann, funktionieren wie ein Team. Sie sprechen kein Wort miteinander, während der laute Verkehrslärm selbst bei knapp 350 Meter Höhe zu ihnen durchdringt.
Sie haben einen Auftrag und so handeln sie auch. Es sieht schon fast unmenschlich aus, wie sie immer höher klettern, bis sie an dem Anschlag der Antenne ankommen, die nochmal weitere 62 Meter über ihnen in die Höhe ragt. Sie verspüren keine Angst, als eine vermummte Person sich von der Gruppe löst und eine weiße Flagge aus ihrer Tasche holt.
Der Wind, der da oben herrscht, reißt ihm fast die Flagge aus der Hand, doch eisern hält er sich selbst und die Flagge fest. Sie sind mit dem Empire State Building so verbunden, dass sie zwar stürzen können, das Seil sie aber nicht bis zum Boden stürzen lassen würde.
»Los!«, herrscht eine tiefe Stimme mit Akzent ihn an. Die Person mit der Flagge verliert keine der wertvollen Sekunden, sondern tut das, wofür er geschickt wurde: Er befestigt die Flagge am Wolkenkratzer, sodass wenige Sekunden später die riesige Flagge in ganz Manhattan zu sehen ist.
Erst als die Flagge laut durch die Luft peitscht, fällt die Aufmerksamkeit der Touristen auf die schwarz vermummten Gestalten. Doch so schnell sie auf den Wolkenkratzer gekommen sind, so schnell sind sie auch wieder weg.
So ziemlich zur gleichen Zeit fangen die digitalen Werbetafeln auf dem Times Square an zu flackern.
»Was ist das für ein Mist?«, beschwert sich eine platinblonde Frau, die mit ihren langen manikürten Nägeln jemanden die Augen auskratzen könnte. Gerade hat sie vor einer der Werbetafeln posiert um auf Instagram jeden ihr perfektes Trendsetter Leben unter die Nase zu reiben (was keinesfalls so glamourös ist, wie sie es promotet), als ihr auffällt, wie die Werbetafeln flackern.
Sie wirft ihrem Kameramann, einen armen Mann, der immer noch die Hoffnung hat, die platinblonde Frau würde sich nicht nur auf dem Times Square von ihm ablichten lassen, einen genervten Blick zu, als könnte er etwas dafür, dass die Tafeln auf einmal nicht mehr das perfekte Instagram Bild abgeben.
Doch als die Bilder mit einem Mal schwarz werden und der Times Square dunkler als jemals in der Nacht, hört auch das Barbiepüppchen in ihren viel zu engen Outfit auf zu posen und schaut gespannt auf die Tafeln, wo man plötzlich eine goldene Maske sehen kann.
Es ist, als wäre jeder einzelne Mensch in New York erstarrt. Denn die goldene Maske erscheint nicht nur auf dem Times Square, sondern auch auf jedem einzelnen Bildschirm in dieser Stadt.
Sogar bei den Avengers. Tony, der sich gerade frustriert Blaubeerchen in den Mund geschoben hat, starrt seinen Bildschirm an, der eben noch ein Video von sich auf seiner letzten Mission gezeigt hat, wo er in seinem Iron Man Anzug einen kleinen Jungen gerettet hat. Jetzt starrt er die goldene Maske an. Man erkennt von der Person nichts, außer seine Lippen, die schwarz geschminkt sind.
»Was zum Teufel?«, murmelt er leise und schluckt das letzte Blaubeerchen runter.
»Bruce, Charlotte!«, ruft der Brünette nach zwei der Avengers, die sich gerade neben ihm im Labor befinden und sich über ein Relikt gebeugt haben, das Steve Rogers in der letzten Mission erbeutet hat.
Der ältere Wissenschaftler und die dunkelblonde Schottin sehen sofort auf und gehen zu dem Milliardär. »Was ist das?«, fragt Charlotte verwundert, als sie über die Schulter von Tony blickt.
»Ich weiß es nicht...«, erwidert der Anzugmann und tippt auf seinem Tablet rum, doch egal, was das Genie versucht, das Bild der goldenen Maske verschwindet nicht.
»Ich bin deine Nemesis. Dein Untergang«, plötzlich ertönt aus allen Bildschirmen die gleiche mechanisch verzerrte Stimme, die einem eine Gänsehaut über den ganzen Körper jagt.
Ob alt oder jung. Groß oder klein. In diesen Minuten starren alle auf ihre Bildschirme und lauschen den Worten der goldenen Maske. Doch jedem schwirrt die gleiche Frage durch den Kopf: Wer ist das? Was will sie? Was hat das alles zu bedeuten?
Langsam und fast schon gruselig, kommt die Maske dem Bildschirm näher. Zwei Löcher, in denen normalerweise die Augen vorlugen, starren schwarz in die Kamera. Dort befinden sich keine Augen. Die Stellen sind so schwarz, wie die schwärzesten Löcher im Weltall.
»Ihr glaubt, dass die Avengers die Guten in dieser Geschichte sind? Die Helden. Die, die die Menschheit retten. Sie von allem Bösen befreien?«, spricht sie weiter.
»Hydra?«, murmelt Bruce leise, doch kriegt sofort ein Ellenbogen von Charlotte in die Seite. Sie will jedes einzelne Wort verstehen, was diese Maske zu ihnen sagt, damit sie jedes einzelne Wort gegen sie verwenden kann. Denn auch, wenn ihre Familie wohlbehütet auf Islay Island ist, sind die Avengers in der Zeit zu ihrer zweiten Familie geworden. Und sie beschützt ihre Familie.
»Es ist einfach, die Augen vor einer Lüge zu verschließen. Es ist einfacher, sie hinzunehmen, ihr zu glauben – aber der Glaube wird bald erlöschen und die Wahrheit wird ans Licht kommen.«
Dann wird der Bildschirm schwarz und Tony starrt in das Spiegelbild seines Gesichts. Charlotte und Bruce werfen sich einen Blick zu, der nicht gleicher sein kann.
»War das ein Angriff auf die Avengers?« Bruce ist der erste, der die totale Stille zwischen den drei Avengers unterbricht. Aber keiner der beiden anderen weiß eine Antwort darauf.
Celeste
Der Weltenbaum verkörpert den Kosmos und die neun darin vorhandenen Welten. Doch nicht immer waren es neun Welten gewesen. Eine längst vergessene Welt ist einst die gleichen Bahnen wie die anderen Welten gekreist. Eine unbekannte Dunkelheit hat diesen Planeten heimgesucht und jeden ihrer Bewohner verschlungen – fast jeden.
»Celeste.« Langsam hebe ich meinen Kopf. Immer noch schwirren die Buchstaben vor meinen Augen. Die goldgeschmückte Bibliothek ist mein Lieblingsort in Asgard. Dicht danach kommt der Garten, der in so hellen Farben strahlt, dass er mich an meinen Heimatplaneten Bhati erinnert. Nur, dass die strahlende Schönheit, die einst auf dem Planeten zuhause war, nicht mehr existiert.
Es ist so lange her, dass die Erinnerung an den farbenfrohen Planeten immer mehr verblasst. Meine wunderschönen Erinnerungen werden von der gleichen Dunkelheit getrübt, die auch meinen Planeten heimgesucht hat.
Sie kam so langsam und schleichend, dass keiner der Mitbewohner mitbekommen hat, wie sie langsam ihre tödliche Kralle ausgestreckt hat und sie zu sich geholt hat.
»Boffur«, erwidere ich leise und klappe das vergilbte Buch zu, bevor ich zu dem rothaarigen Asen blicke, der neben mir aufgetaucht ist. Wie immer, wenn er im Dienst ist, trägt er die typische Asen-Uniform.
»Lady Celeste, Odin schickt mich. Er will Euch sprechen«, spricht er und neigt dabei leicht seinen Kopf, dass ich mich fühle, wie die Königstochter, die ich eigentlich bin.
Die Königstochter einer Welt, die einst die schönste in den Welten war. So schön, mit ihren endlos blühenden Blumenwiesen und den freundlichen Wesen, die dem Licht glichen.
»Odin?«, verwundert ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. Odin ist wie ein Adoptivvater für mich. Immer noch drehen sich meine Albträume um den einen Tag, der alles verändert hat.
Die Dunkelheit kam plötzlich und schnell. Wie ein Virus hat sie sich über Bhati ausgebreitet. Zuerst waren es die Kinder und die Alten. Es war eine Art Seuche, die ihnen das Licht genommen hat, das sie zum Leben brauchen. Ein dunkler Schleier hat sich über ihre Augen gelegt und die Heiler waren überfordert, doch das Licht, das ihnen das Leben schenkte, konnte die Dunkelheit nicht vertreiben.
Ich musste mit ansehen, wie mein Volk um mich herum von der Dunkelheit eingenommen wurde. Wie ihnen ihr goldenes Strahlen genommen wurde, das so essentiell für mein Volk ist.
Meine Eltern, das Königspaar, haben mich eingesperrt. Weder Heiler, noch unseren Priester haben sie an mich hereingelassen – so lange, bis sie mich selbst nicht mehr besucht haben. Ich war klein und habe das nicht verstanden, als ich in der dunklen Nacht wach wurde und meine Mutter mich nach draußen zu unserer Brücke, die mit dem anderen Planeten verbunden ist, gebracht hat.
Meine Mutter war niemals eine Frau, die geweint hat. Sie war stark, doch in diesem Moment haben mich ihre blauen Augen gebrochen angesehen. Die Angst in ihrem Blick hat mir die Luft zugeschnürt, genau wie die bedingungslose Liebe, die sie mir jeden einzelnen Tag entgegengebracht hat.
Ihre blauen Augen wurden langsam schwarz. So schwarz, wie das dunkelste Loch. Das letzte Symptom, bevor die Dunkelheit die Bewohner Bhatis komplett eingenommen hat.
Ihre letzten Worte, bevor sie mich durch die Brücke nach Asgard geschickt haben, verfolgen mich immer noch. Tag für Tag, Nacht für Nacht höre ich ihre Worte in meinen Ohren.
»Es ist okay, mein Lichtkind. Es ist okay. Wir haben dich lieb, doch für uns ist es zu spät. Du magst es noch nicht verstehen, aber es ist das richtige. Wir lieben dich.«
Wie ein Neugeborenes habe ich geschrien, wollte mich nicht von meiner Mutter lösen, doch sie war stärker. Ein letzter Blick in ihre dunklen Augen, dann hat mich der Strahl der Brücke erfasst und ich bin durch die Welten nach Asgard gereist. In Sekundenschnelle war mein altes Leben vorbei.
Mit Tränen verschmierten Augen habe ich in goldene Augen gestarrt. Sanft hat der dunkle Mann seine Hand ausgestreckt und meine Schulter berührt. »Es ist okay. Du bist in Sicherheit, Celeste, Tochter des Lichts.«
»Lady Celeste?« Boffur reißt mich aus meinen Gedanken. »Ich danke Euch, Boffur«, bedanke ich mich hastig. Ich schnappe mir das Buch, das ich mir aus der Asgardischen Bibliothek ausgeliehen habe und haste, ohne auf die Wache zu warten, hinaus.
Mittlerweile kenne ich die Häuser Asgards wie meine eigenen. Die Gänge sind mir so vertraut geworden, fast noch vertrauter als die ganzen Geheimgänge, die ich gemeinsam mit Thor als Kind ausgekundschaftet habe.
»Odin«, sage ich freundlich, als ich den Saal betrete, in dem Odin auf seinem Thron sitzt. Seine Präsenz ist mächtig und auch wenn er für mich mehr als nur ein König ist, fühle ich mich immer eingeschüchtert, wenn seine Aura mich umgibt.
»Celeste, mein Kind«, erwidert er und deutet mir an, dass ich mich vor ihm auf die Stufen setzen soll. Ich spüre die Blicke der Wachen auf mir, die mich zwar kennen, dennoch nicht sicher genug sein können, während ich dem stummen Befehl Odins nachkomme und ich mich auf die marmornen Treppenstufen setze.
»Es ist Zeit, dass ihr etwas anderes seht«, fängt Odin an. Nervös pocht mein Herz in meiner Brust, während ich mit meinem Ringfinger spiele, den ich in meinem Schoß gebettet habe. Eine Angewohnheit, wenn ich nervös bin.
»Wie meint Ihr das?«, frage ich und sehe ihn mit großen Augen an.
Es ist Jahre her, seitdem ich den Allvater gebeten habe, dass er mich ziehen lassen soll. Ich will durch die neun Welten reisen, ihre Bewohner kennenlernen, denn so schön Asgard ist. Man langweilt sich hier schnell.
»Midgard braucht jemanden wie dich«, sagt er leise und sieht mich ernst durch sein Auge an. Das andere ziert eine goldene Augenklappe. Mir fällt nicht einmal auf, dass er die Höflichkeitsform weglässt, doch das Persönliche lässt seinen Satz nur noch dramatischer wirken.
»Midgard?« frage ich und erhebe mich. Meine Beine können nicht mehr still halten. Ich habe bereits von Midgard gehört. Es war Thor, der mit Erzählungen aus Midgard wiedergekommen ist.
»Die Avengers brauchen dich.«
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