Dinosaurier
Epilog ~ 3 Monate später
„Niall, lass mich endlich arbeiten", sagte ich halb amüsiert, halb frustriert. Mein Lieblings-Ire hatte gestern, als er mit mir und Freddie Eis essen war, erfahren, dass es da jemanden in meinem Leben gab und seitdem vergönnte er mir keine ruhige Minute mehr. „Sag mir doch einfach, wer es ist? Freddie scheint sie ja sehr zu mögen", stocherte Niall weiter, woraufhin ich verwundert eine Augenbraue in die Höhe zog. „Freddie mag sie nicht", erklärte ich kühl und sah meinen Gegenüber herausfordernd an.
„Aber... Er hat doch gestern gemeint, dass du richtig verliebt seist und die beiden auch viel Zeit miteinander verbringen. Verarsch mich nicht, dein Sohn hat bis über beide Ohren gestrahlt, als er von ihr geredet hat", hakte Niall weiter nach. „Ich sag's dir, Niall. Du bist auf dem Holzweg. Und jetzt los, ich muss arbeiten. Ich will heute pünktlich Feierabend machen", erklärte ich und wollte ihm noch ein paar Dinge um die Ohren werfen, damit er endlich einen Abflug machte, da wurde ich von meinem Telefon unterbrochen. „Tomlinson", meldete ich mich schlicht mit meinem Namen, da ich an der Nummer gesehen hatte, dass der Anruf aus der Personalabteilung kam. „Guten Tag, Mr Tomlinson, hier ist Wilde aus dem HR. Ich muss Sie bitten, umgehend in mein Büro zu kommen", erklärte die fremde Stimme am Telefon. Dann gab sie mir noch ihre Raumnummer durch und beendete, ohne überhaupt einen Grund zu nennen, schnell den Anruf.
Mit stark erhöhtem Puls und schwitzenden Händen legte ich den Hörer zurück auf die Station und loggte mich an meinem PC aus. „Ich weiß nicht wieso, aber ich habe das Gefühl, ich werde gleich gefeuert", tat ich Niall meine Überraschung kund und machte keinen Hehl daraus, dass dieser Anruf tatsächlich Angst in mir auslöste. Ich hatte keine Ahnung, warum die Personalabteilung so unvermittelt ein Gespräch mit mir suchte. „Wieso? Wer war das?", wollte Niall erst lachend wissen, als er aber meinen Gesichtsausdruck sah, geriet er ins Stocken. „Ist das dein Ernst? Soll ich mitkommen?", bot er sich an, doch ich schüttelte den Kopf. Irgendwie hatte die Dame zwischen den Zeilen vermittelt, dass das Gespräch keine erfreulichen Gründe haben würde.
„Ich... nein, du musst auch wieder an die Arbeit", antwortete ich Niall, auch wenn ich eigentlich seine Unterstützung gerne in Anspruch genommen hätte. Ich hatte mit schlechten Nachrichten noch nie besonders gut umgehen können. Doch da musste ich nun alleine durch. Was auch immer auf mich zukommen würde. Mein Kollege verabschiedete sich von mir und verließ mit mir gemeinsam mein Büro. Widerwillig lief ich die langen Flure entlang, bis ich vor dem genannten Zimmer anhielt und bestimmt gegen die Tür klopfte. Als ich dann eintrat, stand Ms Wilde auf und reichte mir höflich ihre Hand zur Begrüßung.
Ich setzte mich auf einen der beiden mit schwarzem Stoff bezogenen Schwingstühle und richtete mich etwas auf, um nicht schwach oder ängstlich zu wirken. „Können wir bitte direkt zum Punkt kommen? Warum bin ich hier?", wollte ich ohne Umschweife wissen. Olivia – deren Namen ich vorhin am Türschild gelesen hatte – seufzte und legte den Kopf schief. „Mr Tomlinson, wie Sie wissen, liegen uns unsere Mitarbeitenden sehr am Herzen. Vor allem sind wir bestrebt, eine Atmosphäre zu kreieren, in der alle sich wohlfühlen. Insbesondere legen wir Wert darauf, dass niemand die Grenzen eines anderen überschreitet", begann die Dame in Rätseln zu sprechen. Dann ging mir plötzlich ein Licht auf.
„Glauben Sie mir, ich gebe mir immer Mühe, für meine Mitarbeitenden eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen. In allen Mitarbeitergesprächen weise ich immer wieder darauf hin, die Grenzen des jeweils anderen zu respektieren und auch Abstände einzuhalten. Da können Sie gerne alle aus meinem Team fragen. Aber Sie können sich sicher sein, dass ich einen Vorfall gemeldet hätte, wenn mir einer zu Ohren gekommen wäre", erklärte ich und bemühte mich, meine Gewissenhaftigkeit auch durch meinen Tonfall zu zeigen.
„Ich bin mir sicher, dass Ihnen nichts zu Ohren gekommen ist, Mister Tomlinson. Die Anschuldigung richtet sich ja auch gegen Sie." Ich spürte, wie mir vor Schock kurz das Herz stehen blieb und ich aufhörte zu atmen. Außerdem konnte ich spüren, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht wich und meine Augen riesengroß wurden. „Gegen mich? Das kann nicht sein", stotterte ich und grub in meinen Erinnerungen, ob es je einen Moment gab, der auf eine andere Person anders gewirkt hatte als auf mich. „Ich würde nie...", holte ich erneut zu meiner Verteidigung aus, doch ich vergaß alles, was ich sagen wollte, als Olivia ihre Schreibtischschublade öffnete und einen Umschlag herauszog. Verwundert beobachtete ich, wie sie ein Bild zutage beförderte und dieses schließlich vor mir auf dem Schreibtisch ablegte.
„Da sind doch Sie, oder, Mister Tomlinson?", sagte Ms Wilde und zog dabei provokant ihre Augenbrauen in die Höhe. Ich begutachtete das Bild, dann atmete ich tief ein und wieder aus. „Was halten Sie davon, ihn herzubeten und nach seiner Sicht der Dinge zu fragen?", machte ich einen Vorschlag und lehnte mich im Stuhl zurück, wobei ich versuchte, mich etwas zu entspannen. „Gut", gab sie kurzangebunden eine Antwort und griff sofort nach dem Hörer.
Keine fünf Minuten später klopfte es auch schon an der Tür. „Herein", sagte Ms Wilde mit überraschend autoritärer Stimme, dann streckte auch schon Harry den Kopf zur Tür herein. „Guten Tag, ich bin Harry Styles. Sie wollten mich sprechen?", sagte der Mann, nachdem er eingetreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Ja, setzen Sie sich doch bitte, Mr Styles", erwiderte Olivia, die nun das Foto präsent vor Harry auslegte. „Können Sie mir erklären, wie diese Situation zustande kam? Ich bitte Sie, frei zu sprechen", sagte sie, während sie ihren Blick immer wieder zwischen dem brünetten Mann und mir hin und her schweifen ließ.
Ich sah, wie Harry eingeschüchtert zu mir sah, woraufhin ich mich bemühte, ihm mit meinem Blick mitzuteilen, dass er nichts zu befürchten hatte. „Sag einfach die Wahrheit", sagte ich möglichst liebevoll und mit einem sanften Lächeln im Gesicht, nachdem sein Schweigen sich in die Länge zog. Aufmerksam beobachtete ich, wie er zuerst schluckte, dann aber nach dem Foto griff, das wohl an dem Tag entstanden war, nachdem er zum ersten Mal bei mir übernachtet hatte und wir uns in der Teeküche getroffen hatten.
„Warum gibt es ein Foto davon?", wollte Harry von mir wissen, bevor er überhaupt erst zu einer Erklärung ausholte. Als Antwort zuckte ich schlicht mit den Schultern. „Keine Ahnung. Es scheint, als wolle mir irgendwer etwas anhängen", erklärte ich gelassen und legte den Knöchel des einen Fußes auf dem Knie des anderen Beines ab. „Mr Styles, bitte beantworten Sie mir meine Frage: Hat Mr Tomlinson Sie gegen Ihren Willen berührt und somit seine Machtposition ausgenutzt?", wollte Olivia mit fordernder Stimme wissen. Nachdem sie das gesagt hatte, blieb es kurz still im Raum. Dann wandte Harry mir seinen Blick zu und wartete von mir ein unscheinbares Kopfnicken ab, bevor er sich wieder in aller Ernsthaftigkeit zu Ms Wilde umdrehte.
„Ich kann mich noch sehr genau an diesen Tag erinnern. An diesem Morgen habe ich mit Mr Tomlinson in der Teeküche geflirtet, woraufhin er mich gefragt hat, ob er mich berühren darf. Ich habe natürlich ‚ja' gesagt. Aber nicht, weil er mein Boss ist", sagte Harry und sah Olivia schon beinahe arrogant an, „sondern weil wir uns schon seit unserer Kindheit kennen und ich mittlerweile Louis' Partner bin." Nachdem diese Worte gefallen waren, war es kurz still im Raum und Olivia sah – ohne ihre Überraschung zu verstecken – zwischen mir und Harry hin und her.
Als die Stille dann unangenehm wurde, räusperte Ms Wilde sich und fuhr mit ihrem Schreibtischstuhl zurück, um an einem der Aktenschränke zu hantieren. Dort zog sie ein loses Blatt Papier heraus, welches sie dann vor uns ablegte.
„Ich gehe davon aus, dass sich diese Beziehung einvernehmlich abspielt und hier keine Machtposition ausgenutzt wurde?", sagte sie, doch die hochgezogene Augenbraue zeigte deutlich, dass es sich hierbei eigentlich um eine Frage handelte. Dass sie dabei aufmerksam zu Harry blickte machte dies noch deutlicher. „Nein, absolut nicht", erklärte Harry und schmunzelte etwas. Sein ganzer Gesichtsausdruck spiegelte wider, wie absurd dieser Gedanke für ihn war. Innerlich atmete ich erleichtert auf, denn ich hatte mir wirklich Mühe gegeben, Berufliches und Privates zu trennen. „Im Gegenteil, er hat mich immer nach meinem Einverständnis gefragt, bevor wir einen Schritt weitergegangen sind und er hat mir auch immer wieder klargemacht, dass er nicht als mein Teamleiter mit mir spricht, sondern als ein alter Freund, bzw. jetzt als mein fester Freund."
„In Ordnung", meinte Olivia und legte einen Kugelschreiber bereit. „Unserem Unternehmen ist es sehr wichtig, dass es zu keinen übergriffigen Handlungen kommt. Daher muss ich euch bitten, hier zu unterschreiben und zu bestätigen, dass sämtliche Handlungen in beidseitigem Einverständnis geschehen." Harry nickte sofort, nachdem sie das gesagt hatte und griff, ohne zu zögern, nach dem Kugelschreiber.
In diesem Moment, als ich neben ihm saß und wir beide ein Dokument unterschreiben mussten, das unsere Beziehung offiziell bestätigte, fühlte es sich beinahe so an, als würden wir gleich eine Eheurkunde unterschreiben. Ich konnte gar nichts dagegen tun, als meine Mundwinkel freudig in die Höhe zuckten und sich vor meinem inneren Auge Szenen abspielten, wie wir unsere gemeinsame Zukunft verbrachten. Ich sah vor mir, wie wir tatsächlich vor den Altar schreiten würden, wie wir Ausflüge mit Freddie unternehmen würden oder auch wie wir Momente in zärtlicher Zweisamkeit verbringen würden und wie ich jeden Abend an Harry geschmiegt einschlafen würde. Ich konnte mir gar nichts Schöneres mehr vorstellen.
In genau diesem Moment wurde mir bewusst, dass Harry nicht einfach nur mein Freund war. Mir wurde bewusst, dass ich nichts lieber tun würde, als mein Leben mit ihm zu verbringen und alle glücklichen Momente mit ihm zu teilen. Mir wurde bewusst, dass ich mehr empfand als nur einfache Verliebtheit. Und mir wurde bewusst, dass die Gefühle von damals nicht einmal annähernd so intensiv waren wie die, die ich heute empfand.
Ich unterschrieb die Erklärung, dann griff ich nach Harrys Hand und sah ihm liebevoll in die Augen, während ich unsere Finger verschränkte. Dann verabschiedeten wir uns von Ms Wilde und verließen mit einem Lächeln auf den Lippen Hand in Hand das Büro. „Das hat sich richtig gut angefühlt. Aber ich hoffe, dass du meinetwegen keine Schwierigkeiten bekommst", sagte Harry, als wir allein in dem ansonsten verlassenen Flur standen. Ich schüttelte den Kopf und griff derweil nach seiner anderen Hand, wo ich dann mit meinem Daumen über seinen Handrücken streichelte.
„Keine Ahnung, wer mir sexuelle Belästigung anhängen wollte, vielleicht war es ja der eine Kollege, dem ich letzte Woche die Kündigung überreichen musste. Aber ich bin auch froh, dass es endlich raus ist. Dann können wir endlich unseren Freunden davon erzählen. Und vor allem auch Niall. Der löchert mich ohne Unterlass. Es wundert mich echt, dass er es noch nicht herausgefunden hat. Schließlich schaffe ich es kaum, meine Gefühle für dich zu verbergen", grübelte ich laut und musterte dabei Harrys einnehmendes Lächeln. Ich war kurz davor, ihm zu sagen, von welchen Gefühlen ich genau sprach, doch das musste noch bis zum Abend Zeit haben.
Als wir Feierabend hatten, holte ich Harry an seinem Schreibtisch ab und wir liefen nebeneinanderher zum Foyer. Dort saß noch immer Niall am Empfangstresen und tippte gelangweilt etwas in den Computer ein. „Hey Nervensäge, du wolltest doch wissen, mit wem ich zusammen bin", sagte ich, noch während ich auf ihn zu ging. Ein Blick über meine Schulter verriet mir, dass Harry direkt hinter mir lief und mindestens genauso amüsiert war wie ich.
„Ach und plötzlich verrätst du es mir?", wollte Niall misstrauisch wissen und schenkte den wenigen Menschen, die außer uns den Eingangsbereich durchquerten, keine Beachtung mehr. „Ja, weil ich es jetzt nicht mehr geheim halten muss", erwiderte ich, dann griff ich hinter mich und verschränkte stolz meine Hand mit Harrys. „Eigentlich hast du es schon am ersten Tag erraten. Du hast direkt gesehen, dass Harry mein Oberteil trug und du hast vermutet, dass ich in der Nacht zuvor Sex hatte. Aber du hast es scheinbar nicht geschafft, beide Infos zu kombinieren", lachte ich, dann drehte ich mich zu Harry um und drückte ihm schnell einen Kuss auf die Lippen.
Nachdem ich mich wieder zu dem Mann am Empfang umgedreht hatte, begegneten mir vor Erstaunen aufgerissene Augen. „Wie lange sind du und ich jetzt schon befreundet?", wollte Niall tonlos und beinahe schockiert wissen. „Warum wusste ich nicht, dass du auch auf Männer stehst?", wollte er von mir wissen, woraufhin ich verwundert meine Augenbrauen nach oben zog und meine Stirn in Falten legte. „Ich habe da nie ein Geheimnis draus gemacht", stellte ich fest, doch Nialls Überraschung schien in seinem Gesicht festgemeißelt zu sein.
„Einmal waren du, Zayn und ich feiern. Das war lange, bevor er mit Liam zusammengekommen ist. Und er hat den ganzen Abend heftig mit dir geflirtet. Du hast das nicht einmal gemerkt", brachte Niall seine Gedanken zum Ausdruck, was von einem Hustenanfall seitens Harry quittiert wurde. „Zayn hat mit mir geflirtet?", presste ich beinahe angewiedert hervor. „Jep, er hat danach zu mir gesagt, dass du komplett hetero bist. Ansonsten wärst du sofort auf ihn angesprungen. Ich glaube, er war wirklich enttäuscht", erklärte Niall die Lage, woraufhin ich nur daran denken konnte, dass ich froh war, seine Annäherungsversuche nicht bemerkt zu haben. Als Kumpel-Freund war er für mich super, doch ich hätte ihn niemals als Freund-Freund ertragen.
„Das ist mir echt entgangen. Aber es scheint, als hätte ich schon immer auf den Einen gewartet", erklärte ich aufrichtig und drückte kurz Harrys Hand, um ihm zu verdeutlichen, dass ich ihn damit meinte. „Jetzt haben wir uns ja endlich gefunden", flüsterte Harry mir ins Ohr, bevor er mir einen Kuss auf die Wange hauchte. „Mr Tomlinson, wir müssen uns dringen einmal treffen, dass du mir das genauer erklären kannst. Aber jetzt erzähl mal, wie ist Sex am Arbeitsplatz so?", wechselte Niall schlagartig das Thema und wackelte dabei bedeutungsvoll mit seinen Augenbrauen. Ich lachte belustigt auf, dann warf ich ihm einen schmutzigen Blick zu und sagte nur ein Wort: „Heiß." Anschließend zog ich schnell Harry mit mir mit in Richtung Ausgang. Ich wollte nicht herausfinden, was Niall noch von uns wissen wollte. Außerdem mussten wir endlich Freddie von der Schule abholen.
In der Querstraße der Schule – direkt vor der Schule war für meinen Geschmack zu viel Verkehr – stiegen Harry und ich aus dem Auto aus und lehnten uns anschließend gelassen dagegen. „Meine Mum möchte dich treffen", eröffnete Harry, nachdem wir mehrere Minuten einfach nur dagestanden waren und die Sonne genossen hatten, die an diesem Nachmittag besonders fröhlich auf uns herabschien.
Ich schluckte schwer, dann nahm ich die Sonnenbrille ab, um ihm besser in die Augen sehen zu können. „Ich habe Anne schon lange nicht mehr gesehen. Denkst du, sie wird mich mögen?", wollte ich wissen. Daraufhin nickte Harry voller Überzeugung. „Sie wird dich lieben", versicherte er mir, woraufhin ich mir schnell auf die Lippen biss. Da war wieder dieses kleine Wort, das mir heute Morgen erst in den Sinn gekommen war. Doch im Laufe des Tages, je mehr Gedanken ich mir zu dem Thema gemacht hatte, wurde ich mir meiner Gefühle immer sicherer. Und ich wusste auch, dass ich es nicht lange für mich behalten könnte. Ich war viel zu aufgeregt und würde Harry am liebsten sofort meine Gefühle gestehen. Doch dies war nicht der richtige Ort und auch nicht die richtige Zeit dafür.
„Daddy", wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Freddie auf uns zugerannt kam. „Was ist jetzt meine Überraschung?", rief er ganz aufgeregt, noch bevor er bei uns war. Ich schmunzelte, dann trat ich einen Schritt vor und zog ihn schnell in meine Arme, bevor er auch Harry mit einer Umarmung begrüßte. Zufrieden beobachtete ich die beiden, die sich immer vertrauter wurden. Freddie wurde deutlich gelassener im Umgang mit Harry, was ich als gutes Zeichen wertete. „Es wäre doch keine Überraschung, wenn wir es dir jetzt sagen."
Als wir keine zehn Minuten später daheim im Wohnzimmer standen, blühte Freddie, was wir vorhatten. „Wir schauen endlich den Dinofilm?", riet er mit strahlenden Augen. Grinsend nickte ich. „Ja, und es wird sogar noch besser. Los, hilf mir, das Sofa etwas auf die Seite zu schieben, dann können Harry und ich unsere Matratzen hier her legen", entgegnete ich und war mindestens genauso aufgeregt wie Freddie selbst. Es dauerte nicht lange, da hatten Harry und ich beide Matratzen von meinem – eigentlich könnte man schon beinahe 'unserem' sagen – Boxspringbett ins Wohnzimmer befördert, wo dann Freddie mit purer Begeisterung eine Höhle drumherum baute. Dafür benutze er sämtliche Stühle vom Esstisch und einen ganzen Stapel Laken, den ich für ihn bereitgelegt hatte.
„Ich gehe kurz eine rauchen. Wenn ich zurück bin, können wir ja Pizza bestellen", erklärte ich, als wir das meiste aufgebaut hatten. Auf dem Balkon lehnte ich mich mit dem Po gegen das Geländer und zündete mir eine Zigarette an, an welcher ich anschließend genüsslich zog. Mit einer inneren Zufriedenheit, die mir ein warmes Gefühl ums Herz bescherte, beobachtete ich durch die Glasscheibe hindurch, wie Freddie und Harry gemeinsam eine Lichterkette in unserem provisorischen Zelt anbrachten. Als Harry daraufhin von der Bildfläche verschwand, nutzte ich meine Gelegenheit und klopfte gegen das Fenster. Als ich Freddies Aufmerksamkeit hatte, winkte ich ihn zu mir, eine Aufforderung, der er schnell folgte.
Hastig drückte ich meine Zigarette aus und nahm ein Pfefferminz zu mir. „Hey, mein kleiner Dinosaurier", begrüßte ich meinen Sohn, als er zu mir auf den Balkon trat und die Tür hinter sich zu zog. „Was ist los, Daddy?", wollte er von mir wissen, woraufhin ich tief durchatmen musste. „Ich wollte einfach mal mit dir plaudern. Du scheinst dich ja gut mit Harry zu verstehen?", deutete ich eine Frage an und beobachtete, wie Freddie daraufhin unbeeindruckt mit den Schultern zuckte. „Ich mag ihn", erklärte er geradeheraus, was zur Folge hatte, dass sich bereits ein Teil meiner Anspannung löste.
„Harry und ich sind schon mehr als zwei Monate zusammen. Und wir müssen uns ja auch erst wieder aneinander gewöhnen. Wie findest du, dass wir jetzt feste Tage haben, an denen Harry hier ist? Mein Gedanke war nämlich, dass uns diese ganze Gewöhnungssache vielleicht etwas leichter fällt, wenn wir feste Strukturen haben und wissen, was uns erwartet." Erneut zuckte Freddie mit den Schultern. „Er ist fast genauso oft da wie ich", sagte Freddie und schmollte dabei etwas. Ohne zu zögern ging ich in die Hocke und legte meine Hände an seine Arme.
„Wenn man verliebt ist, verbringt man eben gerne Zeit miteinander. Aber es bedeutet nicht, dass er mir wichtiger ist als du. Niemand ist mir wichtiger als du, Freddie. Du bist meine Familie. Das habe ich dir schon einmal gesagt. Du und ich sind eine Familie und wir entscheiden gemeinsam, wer Teil dieser Familie werden darf", wiederholte ich meine Worte von damals und wartete daraufhin geduldig auf Freddies Reaktion. „Das weiß ich, Daddy. Und ich mag, wenn Harry hier ist. Aber er ist auch hier, wenn ich nicht da bin." Nachdem er das gesagt hatte, konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
„Glaub mir, wenn du nicht hier bist, vermisst Harry dich auch. Er fragt immer nach dir. Und wie du weißt, reißt er mir neuerdings immer das Telefon aus der Hand, wenn du und ich abends telefonieren, damit er auch noch mit dir reden kann." Diese Worte schienen genau das zu sein, was Freddie gebraucht hatte, denn endlich leuchteten seine Augen wieder auf.
„Harry und ich wären kein Paar, wenn ihr euch nicht verstehen würdet. Aber ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ihr euch mögt. Harry bedeutet mir nämlich echt viel. Und... das möchte ich dir sagen, bevor ich es Harry sage: Ich habe gemerkt, dass meine Gefühle für ihn stärker geworden sind. Ich bin nicht nur einfach in ihn verliebt. Ich mag, wenn er bei mir ist und ich mag, wer ich bin, wenn er bei mir ist. Ich fühle mich mit ihm wirklich wohl und ich vermisse ihn, wenn er nicht bei mir ist. Deshalb möchte ich ihm sagen, dass ich ihn liebe", teilte ich meine Gedanken mit meinem Sohn und erntete dafür nur eine verständnislose Grimasse. „Weiß er das nicht schon?", wollte er wissen.
Ich zuckte mit den Schultern und blickte kurz an Freddie vorbei ins Wohnzimmer, wo Harry gerade unser Bettzeug in der Höhle verstaute. „Er weiß, dass ich in ihn verliebt bin und Gefühle für ihn habe. Aber wenn man einander sagt, dass man sich liebt, dann hebt das eine Beziehung auf die nächste Stufe. Man zeigt, dass es ernst mit einem ist und vielleicht auch, dass man sich eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann. Aber da ich dich mehr liebe als jeden anderen Menschen auf diesem Planeten, wollte ich das erst mit dir besprechen. Und ich hatte gehofft, deine Unterstützung dafür zu haben."
Freddie nickte erst langsam und zögerlich, dann immer schneller. „Ist okay. Können wir jetzt endlich Pizza bestellen?" Als diese Worte seinen Mund verlassen hatten, hatte ich meine Mühe nicht auf der Stelle loszulachen. „Ja, lass uns endlich wieder zu Harry gehen."
Kurze Zeit später lagen Harry, Freddie und ich in unserer Höhle und sahen den Dinofilm, den Freddie unbedingt sehen wollte. Die Pizza war längst gegessen und mit Erleichterung hatte ich festgestellt, dass wir das geschafft hatten, ohne unsere Betten komplett mit Soße zu beschmieren. Immer wieder blickte ich über Freddie hinweg zu meinem Freund, zu meinem Partner, dessen Anblick nicht nur mein Herz zum Klopfen brachte, sondern auch dafür sorgte, dass sich ein warmes Gefühl der Geborgenheit in mir breit machte.
Als er irgendwann in der Mitte des Films meinen Blick erwiderte, warf ich ihm einen Luftkuss zu und genoss, wie er auf meinen ganzen Körper wirkte. Ich hatte das Gefühl, angekommen zu sein. Zu Hause zu sein. Mir wurde klar, dass es keinen perfekteren Zeitpunkt, keinen perfekteren Ort geben würde, um ihm meine Gefühle zu gestehen. Jetzt und hier war genau richtig. Also nahm ich all meinen Mut zusammen und... „Ich liebe dich, Louis", vernahm ich die sanfte Stimme meines Freundes, die mich aus der Flut meiner Gedanken zog und mich völlig überrumpelte. Doch bevor ich überhaupt irgendwie reagieren konnte, hörten wir von Freddie ein lautes „Nein!"
Mein Sohn sprang auf, schwang sich rittlings auf Harrys Bauch und rüttelte meinen Freund an den Schultern. „Nein, nein, nein", sagte er und ich spürte, wie mir das Herz stehen blieb. Hatte ich ihn vorhin überfordert oder hatte er mir erst gar nicht zugehört. Aber nicht Freddies Einverständnis zu haben, würde unsere Beziehung um einiges schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich machen.
„Freddie", ertönte nun Harrys Stimme, während seine Hände sanft nach den Handgelenken meines Sohnes griffen. „Ich...", begann er, doch scheinbar fehlten auch ihm die Worte. „Freddie, was ist denn los?", wollte ich nun wissen und legte dabei skeptisch meine Stirn in Falten. Mein Sohn rümpfte die Nase, dann sah er wieder zu Harry. „Du darfst das nicht sagen. Nimm es wieder zurück", forderte er streng. „Warum?", wollte Harry daraufhin wissen, wobei ihm anzumerken war, dass er die Situation nicht einzuschätzen wusste. „Weil Daddy es dir zuerst sagen wollte! Er hat es mir vorhin gesagt", erklärte er.
Erleichtert, dass Freddie nicht wirklich etwas gegen seine Liebesbekundung hatte und auch gerührt von der Liebesbekundung selbst, vergaß ich für einen Moment das Atmen. Ich hatte plötzlich nur noch Augen für diesen Mann, der mir gerade gesagt hatte, dass er mich liebte. Nach all den Jahren, in denen ich mir das erträumt hatte und nach all den Jahren, in denen ich geglaubt hatte, dies niemals zu hören zu bekommen, lag ich nun hier und versuchte diese Worte immer und immer wieder aus meiner Erinnerung abzuspielen. „Ist das wahr?", fragte Harry, woraufhin Freddie von ihm herunterkletterte und sich wieder zwischen uns legte.
Ich musste mich erst etwas besinnen, um mich zu erinnern, wovon Harry überhaupt redete. Als es mir wieder einfiel, nickte ich eifrig. „Ich liebe dich, Harry", war alles, was ich sagte. Doch es schien Harry zu genügen, denn seine Augen begannen sogleich zu leuchten und seine Lippen formten ein glückliches Grinsen. Auch ich war in diesem Moment erfüllt von Glück, weshalb ich mich über Freddie hinweg in seine Richtung beugte und sanft meine Lippen auf seine legte. „Ich liebe dich", flüsterte ich gegen seine Lippen und küsste ihn erneut, bis wir von Freddie unterbrochen wurden. „Iiiiihhhh", schrie er, weil er unseren Kuss aus nächster Nähe betrachten musste.
Ich lachte etwas gegen Harrys Lippen, dann machte ich kurzen Prozess und bedeckte ich Freddies Augen mit meiner Hand, damit ich meinen Freund noch einmal küssen konnte. „Sag es nochmal", forderte ich, als ich, erhitzt vom Kuss, mit erröteten Wangen seinen Blick erwiderte. „Ich liebe dich", sagte Harry mit einem einnehmenden Lächeln auf den Lippen, dann konnte ich mich nicht mehr halten und küsste ihn erneut. Dass mein Sohn belustigt weitermeckerte, ignorierte ich gekonnt. Mit aller Liebe und Leidenschaft küsste ich Harry und genoss mit allen Sinnen den Moment. Ich war einfach rundum glücklich. Und ich spürte, dass unser Glück gerade erst begann.
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[4124 Wörter, 26.06.2024]
Das war der Epilog, meine Lieben. Die kleine Geschichte ist mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen, weshalb die Länge dieses Kapitels auch etwas explodiert ist. Ich hatte einfach so viele Ideen, die ich mit euch teilen wollte.
Gab es denn Momente, die euch besonders gut oder auch überhaupt nicht gefallen haben? Welche Szenen bleiben euch im Gedächtnis? Was hat euch gefallen? Was nicht?
Ich hoffe, ich konnte mein Ziel erreichen und euch eine kleine Geschichte schenken, bei der man sich ohne viel Drama einfach wohlfühlen kann.
Danke an alle, die fließig mitgelesen, Sternchen gedrückt und kommentiert haben. Ich weiß das sehr zu schätzen.
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