#4
3 Tage nach dem Sprung
"Alles klar, wir sind bereit. Sie auch, Mrs. Mason?"
Die alte Frau nickte und fummelte nervös an dem Griff ihrer Handtasche. Sie schaute dem Polizeichef in die Augen und fing an, über den besagten Abend zu erzählen.
"Ich machte einen kleinen Verdauungsspaziergang und lief über die Brücke. Etwa 200 Meter von der Brücke entfernt kam mir ein Mädchen entgegen, ich schätzte sie auf 16 oder 17 Jahre."
"Wie sah das Mädchen aus, Mrs. Mason? Beschreiben Sie sie.", fragte der Polizeichef. Seine laute Stimme hallte durch den kleinen, abgedunkelten Raum.
"Ihre Haare waren schulterlang und silbern, das ist mir als erstes an ihr aufgefallen. Sie hatte einen grauen Kapuzenpullover an und hörte Musik, denke ich. Aber ihr Blick war sehr abweisend. Ich glaube nicht, dass sie mich bemerkt hat."
"Und was ist dann passiert?"
"Etwa zwei bis drei Minuten später hörte ich einen Planscher, als wäre jemand ins Wasser gefallen. Nur eine Sekunde später einen Schrei. Aber es klang nicht wirklich nach einen Schrei, es klang wie ein... wie..." Die Frau suchte nach dem richtigen Wort. "Ein Krächzen! Ja, wie ein Rabe, daran musste ich als erstes denken! Das war der Moment, in dem ich losgelaufen bin. Ungefähr fünf Sekunden später hörte ich den nächsten Planscher und als ich an der Brücke ankam, sah ich das Mädchen und einen Jungen im Wasser treibend."
"Wie sah der Junge aus?"
"Er hatte schwarze Ringellocken. Seine Augen waren geschlossen. Die Haut war blass und er hat sich nicht bewegt, genauso wenig wie das Mädchen. Dann habe ich den Krankenwagen gerufen."
"Haben Sie den Jungen vorher gesehen? Also, wie er zur Brücke gelaufen ist?"
Die Frau schüttelte den Kopf. "Nein, ich habe den Jungen noch nie zuvor gesehen." Sie seufzte schwer. "So ein schrecklicher Unfall."
Der Polizeichef schaute seine Kollegin neben ihm an, die etwas verunsichert zurückblickte.
"Mrs. Mason...", begann er dann, "Ihrer Erzählung und unseren Vermutungen zufolge hat es sich bei dem Fall Chiara Jefferson und Damien Volk nicht um einen Unfall gehandelt..." Er schluckte schwer und überließ seiner Kollegin das Reden.
"Sondern um Suizid. In beiden Fällen."
Mrs. Mason blieb wortwörtlich die Spucke weg. Sie konnte nicht fassen, dass diese zwei jungen Menschen mit voller Absicht sich in den Tod gestürzt hatten.
"W-Wie kommen Sie darauf?", stammelte die alte Dame.
Der Polizeichef holte tief Luft und erzählte: "Bereits nach dem Gespräch mit Chiara Jeffersons Mutter, die uns gestanden hat, dass ihre Tochter depressiv gewesen ist und mentale Schwierigkeiten hat, hatten wir Selbstmordvermutungen. Ihre Aussage hat dies nochmal bekräftigt. Was Damien Volk angeht...da tappen wir im Dunkeln. Er hat in den letzten Wochen keine Anzeichen auf Depressionen gezeigt. Jedoch zeigen seine Verletzungen, dass er nicht an einem Unfall gestorben ist... Es tut mir leid, Ihnen das mitzuteilen, aber Sie können sich den Mitleid sparen. Die Beiden haben es so gewollt."
Mit diesen Worten verließ er mit seiner Kollegin den Raum.
*****
Vor der Tür wurden die Beiden von Mrs. Jefferson erwartet, die selbstverständlich drauf hoffte, dass ihre Tochter unbeabsichtigt gestorben war. Der Polizeichef war sich jedoch im Klaren, dass, als das Krankenhaus sie angerufen und über den Tod von Chiara informiert hat, sie es im Inneren gewusst hatte, dass es so weit kommen würde.
"Und?", fragte Mrs. Jefferson. Sie war verheult und schien am Boden zerstört zu sein. In den letzten drei Tagen hatte sie wohl keine Minute Schlaf bekommen, denn dunkle, tiefe Ringe zierten ihre Augen, dass Gesicht war leichenblass und ausgezehrt.
Er seufzte. "Mrs. Mason hat unsere Vermutungen bestätigt und-" Doch weiter kam er nicht, sondern wurde von Mrs. Jeffersons Schluchzer unterbrochen.
"Es tut mir leid...", sagte er und ließ abermals eine Frau, deren Welt zusammenbricht, allein, während zur selben Zeit eine andere in Flammen aufgeht.
*****
Evelyns Augen brannten. Mit den Worten "Deine beste Freundin hat Selbstmord begangen" begrüßte ihre Mutter sie am Frühstückstisch.
"Es tut mir leid, Schatz.", meinte Mr. Walker ohne den Blick von der Zeitung abzuwenden und mit der Wärme eines Eiswürfels.
"Nein...", stieß Evelyn hervor und schluckte, um ihre Stimmbänder in den Griff zu bekommen. "Nein!", schrie sie dann mit letzter Kraft, damit ihre Eltern auf ihre Verzweiflung aufmerksam wurden, doch Mrs. Walker rührte unbeeindruckt ihren Kaffee und sagte in dem strengen Tonfall, der Evelyn schon immer zum Ausrasten gebracht hat: "Nicht in diesem Ton, junge Dame. Setz dich doch und hör mir zu. Du musst etwas geduldiger sein."
Doch ihre Geduld hatte sie bereits bei "deine beste Freundin hat Selbstmord begangen" verloren.
"Nein! Vergiss es! Ich scheiße auf meinen Ton! Ich werde mich nicht setzten und auch nicht zuhören! Denn das macht mich nicht geduldiger!"
"Evelyn-"
"NEIN! Meine beste Freundin ist tot, verfickte Scheiße!" Damit hatte Evelyn ihre wohlverdiente Ruhe und setzte sich, ohne auch nur etwas anzurühren. Normalerweise hätte ihre Mutter sie dazu aufgefordert, etwas zu essen, doch sie blieb stumm. Und selbst wenn würde sie nicht auf sie hören. Es war ihr egal. Es war egal, ob sie Hunger hatte oder umfiel.
Hauptsache tot.
Hey, Menschis,
Ja, stellt euch vor, ich melde mich auch mal zu Wort, allerdings nur um mich für den Support zu bedanken, den ich in den 3 Kapiteln plus den Prolog bekommen habe.
Danke an jeden, der die Story liest und für sie votet <3
Außerdem stehen die letzten Tage vor meinen Osterferien vor der Tür, weshalb ich etwas mehr beschäftigter sein werde. Ich versuche, vorzuproduzieren, kann aber nichts versprechen.
:)
[797 Wörter]
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