#2
1 Monat vor dem Sprung
Die Sonne scheint auf einem hellblauen Himmel, der von einzelnen Wattewölkchen geziert wird. Heute ist ein guter Tag, das spüre ich. Etwas nervös fahre ich mit einer Hand durch meine Haare. Als ich gestern das erste Mal in den Spiegel geschaut habe, ist es mir sehr schwer gefallen, die Brünette, die vor ein paar Stunden noch da gestanden hat, wiederzuerkennen. Diesmal ist es leichter gewesen und ich könnte mich wirklich daran gewöhnen.
Ich laufe zu meinem Spind und habe es noch nicht einmal geschafft, ihn zu öffnen, da werde ich bereits entdeckt.
"Chiara? Hey, wie geh...", fängt Damien an, stoppt und betrachtet für einen Moment meine silberne Mähne. Erst scheint er verwirrt zu sein, bevor schließlich die Erkenntnis in seinem Gesicht aufblitzte.
"Du hast es ernsthaft getan? Das glaub ich nicht. Krass!"
"Ich hatte die Wahl. Und hätte ich mehr getrunken, wäre die Kotze genau auf Ruths Schuhen gelandet. Und das wollen wir ja nicht.", meine ich.
"Aber ich muss sagen...". Damien pustet Luft aus. "Es steht dir. Passt zu deinen Augen." Er macht eine Pause. "Hör zu, was auf Ruths Party passiert ist-"
Ich falle ihm ins Wort: "Ich weiß, ich weiß. Wir waren beide betrunken. Es ist jetzt so und daran können wir nichts ändern. Versuchen wir einfach es zu vergessen, okay?" Ich werde lauter als beabsichtigt.
"Alles klar... Dann sehen wir uns in Geschichte?", fragt er. Ich nicke, hole die Sachen aus dem Spind und laufe in die entgegengesetzte Richtung. Ihm will ich heute sicherlich nicht mehr begegnen. Während ich überlege, heute blauzumachen, entdecke ich in der Menschenmenge Evelyn und kämpfe mich zu ihr.
"Hey, Lynn? Haben wir die erste Stunde zusammen? Welches Fach nochmal?", plappere ich drauf los.
"Mach mal halblang. Wir haben gleich zusammen Sport."
"Schwänzt du mit mir heute die Fünfte? Ich... äh... bin nicht in Stimmung für Geschichte, weißt du?" Ich bin schon immer eine miserable Lügnerin gewesen, weshalb Lynn mein Gequatsche sofort mit einem misstrauischem Blick quittiert.
"Und jetzt die ganze Wahrheit bitte.", bestellt sie in ihrem typisch-gleichgültigen Restaurant-Tonfall, der den Kellnern klarmacht, dass sie nichts von ihnen will.
"Erzähl ich dir später.", zische ich so leise wie möglich und hole meinen Hunde-Kulleraugen-Blick heraus. "Also, schwänzt du mit mir?"
Sie seufzt, was ich als ein Ja betrachte. "In der Fünften hab ich Politik, darauf kann ich verzichten."
Mein erleichtertes "Danke" geht in dem Gekreische der Schulklingel unter.
*****
"Ist das dein Ernst? Du hast nur geschwänzt, um Damien Volk aus dem Weg zu gehen? Ich habe auf eine bessere Pointe gehofft. Einfach enttäuschend.", ruft Lynn und schmeißt ihre leere Coladose in den Mülleimer, nur um gleich die nächste zu öffnen.
"Nach dem, was auf der Party passiert ist, wäre es besser, wenn wir für eine Zeit lang nicht miteinander reden...", murmele ich und werde bei der Erinnerung rot.
Lynn legt den Kopf schief. "Und was genau ist denn auf der Party passiert?", fragt sie interessiert.
Ich schaue sie verwirrt an. "Hast du das nicht mitbekommen? Du warst doch da."
"Ich trinke nichts...", fängt sie an und wird von meinem trockenen "Stimmt, du hast einen Energydrink nach dem Anderen in dich gestopft" kurz unterbrochen und fährt dann fort: "...und ich hatte keine Lust mit einem Haufen kreischender, betrunkener 11-Klässler Wahrheit oder Pflicht zu spielen. Ich habe ja das Endergebnis gesehen." Sie deutet auf meine Haare. "Also, Chiara, was ist passiert? Und lass bloß nichts aus!"
[551 Wörter]
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