☆゚.*・。゚ Flashback ☆゚.*・。゚
Oscar grinste zu Henry hinab. "Na?"
Er balancierte vorsichtig auf der harten Mauer und versuchte nicht runter zu fallen.
Gleichzeitig ließ er seinen Zauberstab durch die Luft wirbeln. Funken sprühten auf Henry, der missmutig zu Oscar hochstarrte.
"Lass das. Ich kann nicht auch noch auf dich aufpassen."
Sammy hing kopfüber vom Baum und versuchte aus unergründlichen Gründen einen Apfel Pink zu färben.
Warum auch immer.
"Du fällst gleich runter ", rief Henry ihm zu. "Und diesmal sag ich's Mom."
Sammys grüne Augen funkelten wie die eines Wahnsinnigen. "Mann Henry. Ich hab's fast geschafft! Er ist schon dunkelorange!" Seine dunklen Haare standen von allen Seiten ab.
Henrys Mundwinkel zuckten wütend. "Samuel! Komm runter! SOFORT!"
Er klang nicht sonderlich besorgt.
Sammy streckte ihm die Zunge raus. "Nö."
"Sammy..."
"Ich will nicht- ahhhh!"
Henry packte Sammys Fuß und zog ihn einfach vom Baum.
Sammy wehrte sich und trat Henry mitten ins Gesicht.
Oscar wunderte sich mal wieder, wie die beiden miteinander verwandt sein konnten.
Geschweige denn schon seit 10 Jahren zusammen lebten ohne sich bisher umgebracht zu haben.
"AUA!"
Henry taumelte von Sammy weg und rieb sich seine Nase. Blut spritzte auf die Kieselsteine. "Dieses kleine Arsch-"
"Du hast mich Arsch genannt! Das sage ich Mama!"
Henry musterte seinen Bruder finster und hob drohend seinen Stab in die Luft. "Noch so eine Aktion-"
Sammy schnappte sich Henrys Zauberstab und zerbrach ihn vor den Augen seines Besitzers. "UPS."
Oscar hielt die Luft an.
Einige Sekunden starrte Henry verständnislos auf die beiden Hälften. Dann schnappte er nach Luft. "SAMMY!" Henry fauchte wie eine wütende Katze. "Du- du... mein Stab..."
Sammy grinste böse und lief den Hang hinunter.
Henry sah fassungslos von einer Stabhälfte zur anderen. "Das... das hat er gerade nicht wirklich getan, oder? Das habe ich mir eingebildet."
Oscar nickte. "Das hast du dir total eingebildet."
Henry verzog zur Antwort nur das Gesicht.
"Ach komm. Dein Vater stellt doch haufenweise Stäbe her."
"Das stimmt ", gab Henry zu. "Aber er soll nicht einfach aus Spaß Sachen kaputt machen. Außerdem ist Dad im Moment total beschäftigt."
Seine Augen hatten sich allerdings deutlich verdunkelt bei der Erwähnung seines Stiefvaters.
Oscar zuckte mit den Schultern. "Was wollten wir hier noch mal machen? Wollten du und Sammy nicht-"
Dann hellte sich Henrys Miene wieder auf. "Oh ja. Ich will dir was zeigen, Oscar. Komm mit."Er hielt Oscar einladend seine Hand hin.
Oscars Herz klopfte schneller. "Ich..."
Henry fasste einfach Oscars Hand und zog ihn mit sich.
So geht's auch.
Sie liefen die Hügel hinab, immer tiefer ins Tal. Als es stärker bergab ging, fing Henry an zu rennen. Dunkle Tannen, Wiesen mit allerlei Blumenarten rasten an Oscar vorbei, Henry umfasste fester Oscars Hand...
Es war wie ein viel zu schöner Traum.
Oscar hatte schon völlig die Orientierung verloren, als Henry (kaum außer Atem übrings) stehen blieb. "Augen zu!"
Oscar zögerte.
Henry grinste. "Glaubst du echt, ich schubse dich in einen Abgrund wenn du die Augen zu hast?"
Oscar nickte erleichtert. Er hatte gewusst, dass Henry ihn verstehen würde.
Henry kniff ihn in die Seite. "Mann Oscar! Vertrau mir!"
"Äh..."
"Komm schon!"
Oscar spürte, wie Henry seine beiden Hände bedächtlich auf Oscars Augen legte. Blut stieg ihm ins Gesicht, heiße Schmetterlinge meldeten sich in schwach seiner Magengegend. Durch Henrys Handritzen blitzte gleißendes Sonnenlicht hindurch. "Henry-"
Henry führte ihn vorsichtig weiter. "Alles gut. Ich bin bei dir." Sein Atem strich über Oscars Ohr. "Wenn du fällst, falle ich mit, okay?"
Fand er, dass das beruhigend klang?
Oscar schluckte und schloss die Augen.
Blind tasteten die beiden Jungen weiter.
Endlich ließ Henry Oscar los. "Schau."
Oscar riss die Augen auf.
Der Himmel war fast unbewölkt, nur eine kleine, weiße Schäfchenwolke verdeckt die Sonne bis zu ihrem glühenden Mittelpunkt. Noch brannte sie unbarmherzig auf Oscars Gesicht.
Die vielen blutroten Schlieren spiegelten sich auf den spitzen Felsen der Klippe.
Weiter unten konnte er die üppige Vegetation und die tausend verschiedenen Grüntöne bewundern.
Ein winziges Bächlein bannte sich zwischen den alten Bäumen hindurch.
Henry lachte hell auf.
Ein hundertfaches Lachen schallte fröhlich zurück.
Oscar erschauderte.
Henrys Stimme war so... so...
Henry nahm Oscars Hand und stoppte somit jegliches peinliche Geschwärme. Er holte tief Luft und deutete zum Horizont. "Schau Mal darüber."
Die Wolke war weitergezogen, nun glühte der Horizont in den verschiedensten Rot-Tönen. Weiter unten, wo die Sonne das die Felsen küsste, war er beinahe tiefrosa, schräg vor Oscar hellrot und direkt über ihm schon indigoblau. Eine Sehnsucht, die Oscar sich nicht selbst erklären konnte, stieg in ihm hoch.
Wie frei hier alles ist!
Ein Geruch von verbranntem Holz stieg ihm in die Nase. Er blickte sich um und erspähte eine Rauchwolke, vermutlich ein Lagerfeuer. Eine kühle Brise ließ ihn sanft erschauern. Unter seinen Turnschuhen spürte er glatte, seidige Steine, das Gebirgswasser hat sie vermutlich über Jahrmillionen so weich geschliffen.
Dann registrierte Oscar die mehreren tausend Meter unmittelbar unter ihm.
Oscar brachte ein gebrabbeltes "ogottogott" heraus und packte Henrys Arme um nicht in die wunderschöne Tiefe zu stürzen.
Henry räusperte sich verlegen. "Ähm. Vielleicht hätte ich dich vorher fragen sollen... hast du Höhenangst?"
"Nein ", stöhnte Oscar. "Überhaupt nicht."
Henry grinste. "Dann ist ja gut. Wie findest du es?"
Oscar sank halb ohnmächtig zu Bode. "Es ist... wow. Einfach wow, hörst du? Aber gehe bitte etwas weg vom Abgrund. Wenn du nicht willst dass ich an einem Herzinfarkt sterbe."
Henry setzte sich neben Oscar und ließ seine Beine über den Abgrund baumeln.
Oscar fand das schon ziemlich provokant.
Bevor er sich entschließen konnte Henry einen kleinen Schubs zu geben, sagte Henry leise: "Wie lange bist du schon bei uns?"
Diese Frage warf Oscar ein wenig aus der Bahn. "Ähm... der wievielte Juli ist es?"
Henry starrte ihn an. "Wir haben AUGUST Oscar!"
Oscars Herz wurde schwer. "W-was?"
"Du bist schon mehrere Wochen bei uns... fast 2 Monate."
Oscar dachte an die wunderschöne Tage bei Henrys Familie. Er war so friedlich und glücklich gewesen wie lange nicht mehr. Mittlerweile war Sammy auch so was wie Oscars kleiner Bruder geworden- Oscar war überrascht über seine tiefen Gefühle. "Darf ich... darf ich vielleicht..."
Henry nickte ihm ermutigend zu. "Frag!"
Oscar sah ihn zögernd an. "Kann ich vielleicht... für immer bei euch wohnen?"
Henry strahlte ihn an. "Ich habe SO lange gewartet, dass du fragst!"
Oscars Herz flatterte. "W-wirklich?"
Henrys Atem roch nach reifen Äpfeln. "Ja."
Sie standen nun so dicht zusammen. Wäre die Klippe nicht, hätte Oscar sich vielleicht getraut mehr zu fragen.
Aber er hatte Angst, dass Henry vor Überraschung die Klippe runter fliegen würde.
Henry legte den Kopf schräg. "Du könntest mein Bruder sein. Ich bin mir sicher dass Mom dich sofort adoptieren würde."
Oscar ließ augenblicklich Henrys Hand fallen. "Nein."
Wenn er Henrys Bruder war, konnte er ja nicht gleichzeitig...
(Denkt euch an dieser Stelle einfach was aus. Oscar war so peinlich berührt gewesen, dass er den Gedanken nicht zu Ende geführt hat. Schade übrigens.)
Henry sah Oscar enttäuscht an. "Warum nicht?"
"Weil... weil..."
Henry wartete.
"Naja... ich... du..."
Henry wartete...
Oscar lief feuerrot an. "Nicht so wichtig."
"Sag doch einfach!", unterbrach ihn Henry ungeduldig. "Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken dass du in mich verknallt bist!"
Uff.
Das hat getroffen.
Oscar sah betroffen zu Bode. "Ähhhh...."
"Was?", fragte Henry nun vollkommen verwirrt. Er legte seine Stirn in Falten."Sag jetzt nicht, dass du- ach, ich blicke da nicht mehr durch..."
Oscar wünschte sich ein Loch, wo er reinspringen konnte.
Henry versuchte derweil eine logische Erklärung für Oscars Schweigen zu finden. "Du bist nicht in mich, oder? Du bist nur entsetzt, dass ich so was denke, stimmt? Also..."
"Macht mal Platz ihr Turteltauben!"
Oscar und Henry wären vor Schreck beinahe beide die Schlucht runtergesprungen.
Das heißt, Oscar wäre es.
Henry war mal wieder die Ruhe (nicht Stille, das ist jemand anders... (;) selbst und zog Oscar wie selbstverständlich vom Abgrund weg. "Sammy?! Du hättest mich gerade fast umgebracht. Man schleicht sich nicht an Leute an!"
"Stimmt ", pflichtete Oscar verlegen bei, "Sowas macht man nicht."
Sammy beeindruckte das wenig. Er wackelte nur mit den Augenbrauen. "Schön geflirtet?"
Es war schwer zu sagen, wer schneller errötete.
"Also echt, Sammy ", schimpfte Henry. "So was fragt man nicht." Er warf Oscar einen Kleine-Brüder- Augenrollen zu. "Und wir haben nicht geflirtet, stimmt's Oscar?"
"Doch. Ich meine nein. Äh, ja. Egal."
Henry war zu irrtiert um was anständiges zu erwidern. "Ähhh... ja, genau. Ich habe Oscar die Berge gezeigt."
Sammy grinste Oscar breit an. "Beeindruckend, stimmt's?"
Dieser nickte hastig. "Ja. Total." Und es stimmte diesmal auch: es war einfach eine bombastische Aussicht. Warum muss es nur so hoch sein?
Henry sah Sammy wütend an. "Du hast meinen Stab kaputt gemacht und bist dann zu Mom gerannt. Ich hab's fast vergessen..."
Sammys grüne Augen glitzerten. "Oh ja. Das war lustig."
"War es nicht!", zischte Henry. "Dad wird denken, dass ich es war!"
Sammy quiekte begeistert. "Es wird ja immer lustiger!"
"Ich könnte dich umbringen ", zischte Henry.
"Mach's doch ", schlug Sammy seelenruhig vor.
Bevor Henry sich das genauer überlegen konnte, zupfte Oscar an seinen Ärmel. "Äh- Wollten wir nicht disapperieren üben?"
Henry sah ihn stirnrunzelnd an. "Seit wann?"
"Naja. Seit exakt vier Sekunden. 5, 6, 7..."
"Wir sind erst Viertklässler. Also bitte, Oscar. Wenn du dir schon eine Ausrede ausdenkst, gebe dir wenigstens etwas Mühe."
"Wir sind in paar Tagen Fünftklässler", korrigierte Oscar. "Außerdem kannst du das doch schon. Du kannst es mir beibringen."
Tatsächlich wünschte Oscar es sich schon seit geraumer Zeit. Sich einfach so weg teleportieren, wenn man es will...
Also, Oscar würde es Willkommen heißen.
Aber Henry schüttelte den Kopf. "Oscar... es war schon doof genug von mir dir kleinere Zauber beizubringen. Aber disapperieren -"
"Ich will auch!", rief Sammy.
Henry warf Oscar einen Siehst-du-was-ich-meine-Blick zu. "Nein, Sammy. Ich lasse das nicht zu."
Sammy verschränkte beleidigt die Arme vor seiner Brust.
"Das Magisterium hat bis jetzt beide Augen zugedrückt- schließlich stellt Dad ihre Zauberstäbe her und muss hin und wieder auch Minderjährige sie testen lassen." Henrys Blick wurde merkwürdig abwesend.
"Dad erlaubt es uns ", sagte Sammy überzeugt.
"Tut er NICHT!" Henry sah ihn missbilligend an. "Er hat mir disapperieren nur beigebracht, damit ich auf dich aufpassen kann." Er seufzte tief. "Aber disapperieren... das Magisterium würde das sofort merken, wenn wir das hier machen würden. Wir sind zu weit weg vom Haus. Und Dad wäre gar nicht begeistert."
Oscar hatte Henrys Stiefvater nur paar Mal gesehen. Er war ein hochgewachsener Mann, mit schwarzen, krausigen Locken und stechend grünen Augen. Wie gesagt, Oscar hatte nie oft mit ihm gesprochen. Wenn er ehrlich war, hatte er sogar ein bisschen Schiss vor dem strengen Zauberstabhersteller.
Oscar wusste, dass Mr. Lupin nicht Henrys leiblicher Vater war, sondern Sammys.
Sammy war seinem Vater gar nicht ähnlich- außer vom Aussehen her. Sammy stellte oft Sachen an und schob sie in Henrys Schuhe.
Mr. Lupin und Henry gingen ziemlich kühl miteinander um.
Oscar war trotzdem überrascht gewesen, dass Sammy ein viel größeres Zimmer und fast doppelt so viel mehr Muggelspielzeuge als Henry besaß.
Daraufhin hat Henry nur verkniffen gelächelt. "Ach, passt schon ", hatte er erwidert. "Ich brauche nicht viel um glücklich zu sein."
Henry hatte Oscar eingeschärft außerdem, nicht in der Anwesenheit seines Vaters von Hogwarts zu erzählen. "Nachher lässt er mich nicht mehr nach Hogwarts, wenn er herausfindet, dass es mir dort Spaß macht ", hatte er gescherzt.
Ob das ein Scherz war, konnte Oscar heute nicht mehr sagen.
Immer wenn Sammy mit strahlendem Gesicht von einem neuen Geschenk vom großen Daddy redete, verzog sich Henry mit einer Entschuldigung in seine Kammer, die mehr einem Bügelzimmer als Schlafzimmer glich.
Oscar fragte sich, ob Henry nicht eifersüchtig auf Sammys Geschenke war. Verständlich wäre es ja.
Er selber wäre es auf jeden Fall.
"Aber ihr könnt es ja im Haus machen." Sammy lächelte zufrieden. "Problem gelöst."
"Wir." Henrys Augen blickten starr geradeaus. "Nicht du."
Sammy mimmte ein unterwürfiges Lächeln vor. "Klar, Henry."
In Oscars Augen ergab das keinen Sinn.
Sammy war nur dann unterwürfig, wenn er was plante.
"Wie auch immer ", fuhr Henry ungerührt fort, "Sammy, du gehst jetzt zu Mom zurück."
"Mama ist zur Arbeit gefahren ", protestierte Sammy. Er spielte mit seinen bestimmt teuren, rotgestreiften Schnürsenkeln. "Und sie sagte, dass du auf mich aufpassen sollst."
Henry starrte die Schuhe verbissen an. "Ah. Von Dad?" Es war mehr eine bittere Feststellung als eine Frage.
Sammy nickte gelangweilt. "Du könntest auch neue gebrauchen ", sagte er mit Blick auf Henrys Füße.
Oscar konnte das breite Loch an Henry verdreckter Schuhsohle erkennen. Henry bemerkte seinen Blick wurde scharlachrot. "Geh ins Haus, Sammy. Mach dir was zu essen. Ich komme nachher, ja? Und stelle nichts an. Bitte. Ich und Oscar werden direkt danach auch kommen."
Sammy nickte artig. "Ja, Professor Henry."
Henry musterte ihn besorgt. "Wirklich, okay? Nicht so wie letztes Mal." Seine kupferfarbene Augen sprachen für sich, was letztes Mal passiert war.
Sammy verdrehte seine Augen. "Das war nur ein kleiner Spaß gewesen." Als Henry nur schnaubte und sich wegdrehte, grinste Sammy hinterhältig. Er winkte Oscar albern zu und hüpfte zurück in Richtung Haus.
"Ich will ihn nicht allein lassen ", murmelte Henry leise, ohne Oscar anzusehen. "Vor paar Jahren..." Er brach ab und fing dann nochmal von vorne an. "Das letzte Mal hat er das Haus in Flammen gesetzt und hat behauptet, dass ich es gewesen wäre. Verstehst du? Und sein Vater glaubt ihm alles."
Oscar legte Henry mitfühlend seinen Arm auf die Schulter. Das hatte er nicht gewusst..."Ich kann ja sagen, dass du es nicht warst ", bot er hilflos an.
"Danke." Henry seufzte schwer. "Aber ich glaube kaum, dass das was bewirken würde." Wortlos stapfte er an Oscar vorbei Sammy hinterher.
Oscar folgte ihm mit einem kleinen Gewissensbiss.
Denn er wusste, wer wirklich vor drei Jahren das Haus angezündet hatte.
Es war kein geringerer als der Gott der Diebe persönlich.
Oben angekommen, ließ sich Oscar erschöpft auf die Wiese fallen. "Pause!"
Henry schüttelte belustigt den Kopf. "Was soll das denn?"
Oscar sah zu ihm hoch und musste auf dem Weg kurz die muskulösen Waden Henrys betrachten. Er vermutete, dass Henry sein ganzes Leben lang hier hoch und runter gerannt war, jeden Morgen, um den fantastischen Sonnenaufgang zu bestaunen.
Kein Wunder, dass der Typ nie außer Atem war.
Oscar seufzte und rappelte sich wieder auf. "Ein Versuch war's wert." Henry lachte trocken. "Sammy hat inzwischen bestimmt das ganze Haus auseinander genommen, während du hier am Keuchen warst."
Das fand Oscar ziemlich unfair. Er war nun mal als Stadtkind nicht gewöhnt, Berge hochzukrackseln.
Als er das Henry sagte, blinzelte der nur unbeindruckt. "Berg? Das war ein Mini-Hügelchen."
Oscar nahm sich vor, nie mit Henry in den Bergen wandern zu gehen.
Endlich standen sie vor der Haustür.
Henry starrte beunruhigt nach oben.
"Ist was?", fragte Oscar.
"Es brennt nicht. Und es sieht auch nicht besonders zerstückelt aus. Irgendwas stimmt nicht."
(Ja, so geht es allen Leuten mit kleinen Geschwistern.)
Oscar öffnete die Tür und ging ins Haus.
Henry folgte ihm zögerlicher.
Das einzige, was sie hörten, waren ihre eigenen Schritte und Atemzüge.
Es stimmt etwas nicht.
Henry und Oscar tauschten einen langen Blick.
Es stimmt hier etwas nicht ganz und gar nicht.
Es war viel zu still.
Oscar drückte die Klinke runter und schleppte sich weiter die gefühlt endlos lange Treppe zu Sammys Kinderzimmer hoch.
Henry drängelte sich vor und klopfte an die mit Tesafilm beklebte Tür. "Sammy? Alles okay?"
Als niemand antwortete, stieß Henry die Tür auf.
TRIGGERWARNUNG!!!
Es wird jetzt blutig.
Und damit meine ich, so RICHTIG.
Wenn du das nicht verkraften kannst, überspringe bitte dieses Kapitel SOFORT.
Okay?
Generell würde ich sagen: Lies nicht weiter, wenn du unter 13 bist.
TRIGGERWARNUNG!!!
Blut. Überall Blut.
Der Boden glänzte hellrot.
Oscar schrie auf.
Henry fiel auf die Knie und würgte. Sein Gesicht war leichenblass. "S-sammy... wo ist er?"
Oscar sah sich um.
Sein Herz blieb fast stehen, als er in der Blutlache einen Körper identifizieren konnte...
Henry stieß einen herzzerreißenden Schrei aus und schlitterte über den Marmorboden zu seinem Bruder hinüber, von dem nur noch ein Fetzen übrig war. "N-nein..."
"Er- er hat versucht zu disapperieren... ", murmelte Oscar geschockt. "Aber wie- woher..."
"Egal! ", fauchte Henry erstickt. "Du musst Mom holen. Ich werde versuchen ihn irgendwie wieder zusammen zu flicken-"
"Es ist zu spät Henry ", sagte Oscar verzagt. "Sein Herz- es schlägt nicht mehr. Er ist völlig zerstückelt... Henry, er ist tot." Die Erkenntnis ließ ihn erzittern. "Es hat keinen Sinn."
"NEIN!" Henry heulte auf. "Ist er NICHT! Ich kann ihn noch retten..." Wie ein Besessener tastete er im Blut nach weiteren Körperteilen seines Bruders. "Ich werde ihn retten!" Sein Umhang und sein Shirt waren schon blutgetränkt, seine Hände leuchtend rot. "S-sammy..."
Oscar sah traurig zu. "Henry... komm bitte wieder zur Vernunft..."
Henry sah auf. In seinen Augen glitzerte der nackte Wahnsinn. "Er lebt noch, Oscar! Ich- er..." Er verstummte verzweifelt. "Er kann nicht tot sein ", hauchte Henry verstört.
Die Trauer um Sammy vermischte in Oscar sich mit Angst um Henry. "Henry... komm zu dir... alles wird gut..."
"Nichts wird gut ", flüsterte Henry tonlos. Er brach im Blut zusammen.
"HENRY!!"
Henry hustete schwach. Seine Tränen vermischten sich mit Sammmys Blut. "Nein... nein, nein, nein... Sammy..." Er schloss schmerzverzerrt seine Augen. "Sammy..."
Oscar zerrte Henry von den Überresten seines Bruders weg. Henry wehrte sich noch nicht mal. Seine Augen waren glasig vor Schmerz und bodenloser Trauer.
Oscar fühlte sich wie ein ausgehöhlter Kürbis. Der Junge, mit dem er gelacht und gespielt hatte war nicht mehr da. Er war tot und nie wieder würden sie gemeinsam etwas unternehmen. Oscar blinzelte seine Tränen weg. Er wagte nicht sich vorzustellen wie schlimm sich Henry fühlen musste, der Sammy fast sein Leben lang gekannt hatte.
Vaage registrierte Oscar wie die Haustür aufgestoßen wurde.
Schritte kamen die Treppe zu Sammys Kinderzimmer hoch.
Noch eine Tür wurde aufgerissen.
Ein Schrei.
"Oh Götter! Was ist passiert?"
Götter. Mehrzahl.
Oscar sah schwach hoch.
Henrys Mutter beugte sich entsetzt über Oscars Schulter. "Was ist hier passiert?" Ihre braunen Haare fielen ihr ins Gesicht. Sie sah so anders aus als Oscars Mutter, doch Oscar wusste: sie würde ihn umbringen, wenn er etwas mit dem Blut ihres Sohnes zu tun hatte. Er erkannte es an ihrer viel zu ruhigen Stimme. "Oscar, antworte!"
Offenbar hielt sie ihn für den einzigen Ansprechbaren.
Henry lag immer noch wimmernd über Oscars Beine.
Oscar begann stockend zu erzählen.
Er sprach die letzten Sätze nicht aus; dass Sammy versucht hat zu disapperieren und sich dabei selbst umgebracht hat.
Aber Henrys Mutter wusste es.
Sie sank neben Henry auf den Boden. "Henry."
Oscar war schockiert über ihre nüchterne Stimme. Er erwartete, dass sie jeden Moment ausrasten würde. "Es ist nicht Henrys Schuld!"
Sie drehte sich langsam zu Oscar um. In ihren Augen sah Oscar Unmengen an Schmerz und Trauer aufglühen, aber auch Entschlossenheit. "Ihr müsst gehen. Jetzt. Bevor mein Mann nach Hause kommt." Ihre Lippen pressten sich zusammen, so wie Henry es immer machte, wenn er traurig war. "Bitte."
Henry hob den Kopf. Sein ganzer Körper war blutverschmiert- mit Sammys Blut, das Blut seines Halbbruders. "Ich- es tut mir-"
"Es ist nicht deine Schuld ", schnitt seine Mutter ihm das Wort ab. "Aber Sammy ist nicht fort. Das ist ein Trick." Ihre Augen loderten hasserfüllt auf. "Von deinem Vater."
Henry sah seine Mutter verzweifelt an. "Natürlich ist er fort!" Er schluchzte heiser auf. "Für immer."
Driale Grœm - so hieß Henrys Mutter mit ihrem Mädchennamen, den sie nie ablegen wollte- umarmte ihren Sohn zum letzten Mal. "In meinem Herzen ist er nicht tot. Und Hermes wird sich entschuldigen- das weiß ich."
Henry hörte ihr garnicht zu. "Ich will nicht weg. Mom-" Er schloss schmerzverzerrt seine Augen. "Bitte..."
Driale musterte Oscar prüfend. Dann lächelte sie grimmig. "Sohn des Sonnengottes. Pass auf meinen Henry auf."
Oscar legte die Augen nieder. "Es wäre mir eine Ehre."
Henry starrte ihn an. "Was- was soll das?" Er sah von Oscar zu seiner Mutter und zurück. "Was- was-"
Oscar griff Henrys Hand und zog ihn sanft aus dem Zimmer.
Als sie den Flur betraten, versuchte Henry sich loszureißen. Er schrie. Er spuckte. Er kratzte. Er flehte. Er bettelte. Er trat. Er biss.
Oscar ließ ihn nicht los, bis sie die Wiese überquert haben.
Als Oscar die Spitzen der Eichen erkennen konnte, löste er sich von seinem Freund.
Henry riss sich los und rannte kopflos, ohne sich nochmal umzudrehen, los.
Oscar folgte ihm.
"Bleib stehen!"
Henry schluchzte verzweifelt und blieb zu Oscars Erstaunen tatsächlich stehen. Die Tränen liefen ihm lautlos übers Gesicht. "Geh. Geh einfach. Okay? Lass mich in Ruhe."
Oscars Herz schmerzte bei diesen Worten, aber er konnte Henry nicht zurück lassen.
Nicht in diesem Zustand.
Und vor allem nicht so nah an der grässlichen Schlucht.
Oscar konnte schon die spitzen Steine sehen.
Noch ein falscher Schritt...
Henry schien blind vor Trauer zu sein. Er lief einfach weiter, geradewegs auf das Ende zu...
Oscar holte ihn ein und fasste vorsichtig Henrys Hand. "Henry."
Henry krümmte sich. "Das Blut... Sammy... nein, nein, nein..."
Oscar drückte tröstend Henrys Hand. "Henry..."
Henry riss sich los. "Geh!"
Oscar sah sich nervös um.
Sie kamen dem Abgrund immer näher...
Henry wich vor Oscar zurück. "Ich hasse dich. GEH!"
Er stolperte.
Oscar packte Henry bei beiden Armen und hielt ihn fest. "Dreh dich um."
Verzweifelung loderte in Henrys Augen auf. Langsam wandte er sich um.
Gähnende Leere.
Oscar konnte sehen, wie Henrys Hände krampfhaft zitterten. "Henry...", murmelte er sanft.
Henry sank vor der Klippe zusammen und wimmerte leise. Tränen flossen in Bächen seine Wangen hinunter. "Hier haben Sammy und ich immer zusammen gespielt ", flüsterte er mit tränenerstickter Stimme. "Oh Sammy..."
Oscar setzte sich wortlos neben ihm und breitete hilflos seine Arme aus.
Henry lehnte seinen Kopf gegen Oscars Brust. "Er war gerade noch da... gerade habe ich noch mit ihm gesprochen... gerade..." Seine Stimme war monton vor Trauer und Schmerz. "Oh Sammy... es ist... alles meine Schuld...."
Oscar zog Henry näher zu sich heran und ignorierte sein Herzklopfen. "Was redest du denn da? Es nicht deine Schuld." Er legte einen Arm um seinen Freund. "Nicht weinen. Das hilft Sammy jetzt auch nicht mehr."
Henry bebte am ganzen Körper. "Ich habe versagt."
Oscar schüttelte überzeugt den Kopf. "Ist es nicht." Er fasste Henrys Gesicht mit beiden Händen und sah ihm tief in die Augen, die sich vor Schmerz verzerrt haben. "Ich werde es dir irgendwie irgendwann klar machen. Aber jetzt müssen wir los."
Henry starrte nur leer zurück. Dann sagte er leise: "Aber wohin? Mein Stiefvater wird mich suchen, Oscar."
"Zu deinem und meinem Zuhause." Oscar strahlte ihn an, obwohl ihm garnicht danach zumute war.
"Auf nach Hogwarts, mein Freund."
Der Wind blies die Worte quer über das Land.
Auf nach Hogwarts.
- Ausschnitt aus „Die eisernen Bände"-
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