Wenn Herzen brechen und Piraten sprechen
"Ich warte immer noch auf deinen unschlagbaren Plan."
Henry nagte nervös an seiner Unterlippe. Seine Augen huschten von seinem Buch rüber zu Leo. "P- plan?"
"Du hast doch einen Plan. Du meintest, du müsstest ihn nur überprüfen." Leo lächelte gereizt.
"Was- ich habe nie gesagt, dass ich einen Plan hätte. Nur eine Idee, mit der ich dir helfen vielleicht könnte."
Leo starrte Henry fassungslos an. Sein Kopf rauchte bereits und die Buchstaben tanzten vor seinen brennenden Augen eine interessante Version des indischen Regentanzes. Leo konnte sich kaum auf die winzigen Dinger konzentrieren.
"Das ist nicht dein Ernst! Ich habe mir mindestens zwanzig Bücher über griechische Mythologie und mindestens genauso viele über chemische Verbindungen mit Kupfer reingepfiffen! Und jetzt sagst du mir, dass du gar keinen Plan hast?? HENRY!"
Das mit den zwanzig Büchern über griechische Mythologie stimmte nicht so ganz.
Es waren vermutlich etwas weniger.
Vielleicht war es auch nur ein halbes Buch gewesen.
Ihr müsst wissen, dass es zu Hades allgemein kaum unbekannte Informationen gab. Die meiste Zeit ging es um seinen Job als Geisterkönig- Styx hier, Zerberus da und die achso hübsche Tochter des Zeus, die er entführt hatte. Bla, bla, bla. Nach dem "Griechische Mythologie-Lexikon" trug Hades noch nicht mal eine Krone, sondern einen billigen Lorbeerkranz aus Gold (oder Plastik, schließlich wuchs in der Unterwelt jetzt nicht so viel). Und wenn Hades sehr gut gelaunt war, trug er auch seinen Hexenhut, den Dingsda des Schreckens.
Alle diese netten kleinen Geschichtchen ließen Hades jetzt nicht so glänzend dastehen.
Aber so unter Legastheniker zu Freizeitleser- wen interessierte das ganze, wenn Zeus der eigentliche Problememacher war?
Also wirklich, der Autor hätte das im Lexikon auch erwähnen können.
Zeus = unsterbliche Dramaqueen und professioneller Fremdgeher (siehe Hera)
Henry schien sich überhaupt nicht wohlzufühlen. "Naja... weißt du... die Idee ist ziemlich riskant..." Er warf Leo einen vorsichtigen Blick zu. "Aber ich glaube, es würde funktionieren."
"Gut. Und wie lautet dein Plan?"
Henry holte tief Luft. "Also. Der Kupferstein in Hades' Krone ist schon seit Jahrhunderten verschwunden. Einer von Hekates Kindern wurde in die Unterwelt geschickt, um ihn zu stehlen, aber auf dem Weg aus der Unterwelt ist dem Kind der Stein in einen der Flüsse gefallen."
Toll gemacht, anonymer Hekate-Typ. Deinetwegen darf ich jetzt diesen verflixten Stein suchen. Was hast du dir dabei gedacht?
"Ja aber... warum hat Hades den Stein nicht einfach aus dem Fluss gefischt?"
Henry zuckte mit den Schultern. "Er wusste ja nicht, dass er bestohlen wurde."
"Und dieser Halbgott-"
"Es war ein Mädchen gewesen. Aber ja?"
"Diese Halbgöttin- was ist mit ihr passiert?"
"Nichts. Nach dem Hekate den Diebstahl auf Twitter veröffentlicht hat, ist das Mädchen spurlos verschwunden. Vielleicht hat Hades sich an ihr gerächt." Henry runzelte die Stirn. "Schon was unfair, nicht?"
"Ja schon... aber in welchem Fluss ist ihr der Stein hinein gefallen?"
"In den Phlegeton. Der Phlegeton -auch Periphlegeton genannt- war ein Feuerfluss mit brennenden, nie verlöschenden Flammen. Er umschloß den Tartarus, welcher wiederum von einer dreifachen Mauer umgeben war. Seine Flammen wurden dazu genutzt, die Bösen zu quälen. Aber wir können den echten Kupferstein nicht mehr retten. Nicht mal Hades könnte das." Henry musterte nachdenklich den Buchdeckel. "Es wird also ziemlich kompliziert werden."
"Ich bin gegen Feuer immun!"
"Du warst gegen Feuer immun ", korrigierte Henry. "Und selbst wenn- von dem Kupfer ist jetzt bestimmt nichts mehr übrig." Er seufzte. "Du hast eine unmögliche Aufgabe bekommen, Leo. Und wir haben nur noch zwei Tage, um sie zu lösen."
"Das ist nicht das einzigste, was du heraus gefunden hast! ", unterbrach Leo ihn verzweifelt. "Es muss eine Möglichkeit geben, den Kupferstein wieder zu holen."
Henry verzog zur Antwort nur das Gesicht und schwieg.
"Dein Plan! Oder eben deine Idee! Raus damit!", forderte Leo. Er verschränkte düster die Arme vor seiner schmächtigen Brust. "Henry!"
Henry mied sorgfältig Leos bohrenden Blick. "Du fragst dich sicher, warum wir Hades nicht einfach einen normalen Kupferklumpen geben können."
"Ich habe schon manchmal darüber nachgedacht ", log Leo. In Wirklichkeit ärgerte er sich, dass er, als Handwerker und Bastler nicht selbst auf so eine logische Lösung gekommen war.
Henry nickte langsam. "Wir könnten einen neuen Stein für Hades schmieden lassen. Eine perfekte Kopie." Er sah Leo fragend an. "Hast du Zugang zu der Werkstatt, Leo?"
Dieser kratzte sich an den Kopf. "Naja... grenzt das nicht an schummeln?"
"Normalerweise würde ich dir zustimmen. Es ist nicht wirklich ehrlich. Aber hey- wie sollten wir sonst an einen Stein kommen, der schon lange nicht mehr existiert? Zeus hat das so beabsichtigt. Ich kann mir gut vorstellen, dass er dir deswegen deine Kraft entnommen hat. Aber er rechnet garantiert nicht mit einer einfachen Kopie."
Leo musste Henry Recht geben.
"Ich habe auch eine Idee... ich muss sie nur noch mit jemandem absprechen ", murmelte Henry auf einmal kleinlaut.
Er sah Leos verwirrte Blicke ausweichend zum beschlagenen Fenster.
Leo kniff die Augen zusammen, erwiderte darauf aber nichts- auch wenn er gerne mehr erfahren hätte.
Er wusste immer noch fast nichts über Henry. Wenn Henry unbedingt Geheimnisse daraus machen wollte, musste er sich allerdings auch nicht wundern, wenn andere im Camp ihm nicht trauten, dachte Leo. Fast direkt danach tat es ihm schon wieder leid, als er Henry so verloren auf dem harten Sessel sitzen sah. Schließlich half Henry ihm ja und war fast so was wie ein Freund. Das war nicht fair. Henry kam ihm jetzt mehr wie ein Mensch vor. Und jeder Mensch hatte Geheimnisse.
Henry fuhr unsicher fort (er schien Leos Blicke bemerkt zu haben): "Aber Hades hat die Steine so hergestellt, dass kein anderer Gott sie je kopieren könnte." Er stockte.
"Na toll ", murmelte Leo.
Mission gescheitert am Auftragsgeber.
Danke Hades!
Ach, gerne.
"Ja. Ziemlich clever." Henry spuckte die Worte förmlich aus. "Aber das ist nicht der Grund, warum sie so wertvoll sind. In den Steinen ist... sie sind aus..." Er biss sich auf die Lippen und verstummte.
Leo sah ihn verwirrt an. "Was?"
Henry räusperte sich. "B-blut." Er wurde kreidebleich. Seine Augen wanderten zu seinem vergoldeten Fuß. Er verzog unmerklich das Gesicht.
"Blut ", wiederholte Leo.
Henry wand sich unter Leos Blick. "Schon mal was von Ephadorika gehört?" Er erschauderte.
"Nein... noch nie gehört."
Henry bleckte nervös die Zähne. "Siehst du."
Leo starrte ihn verständnislos an.
"Er- besser gesagt einer seiner Bediensteten hat... hat sie umgebracht und ihr Blut in- du weißt schon was ich meine..."
"Das Blut einer Sterblichen. Hades hat seine Freundin abgeschlachtet und ihr Blut in die vier Steine verteilt-"
Henry sah aus, als müsste er sich gleich übergeben. "Leo, hör bitte auf..."
Leo hielt artig die Klappe.
Für mindestens 10s.
Dann fragte er: "Also müssen wir auch jemandes Blut nehmen?"
Henry trat unauffällig etwas von Leo weg, als hätte er vorgeschlagen einen von ihnen zu häuten. "Schlechte Idee, wenn du mich fragst."
"Aber was nehmen wir stattdessen? Tomatensaft? Tierblut?"
Henry setzte sich zögernd wieder neben Leo. "Zu einfach."
"Was sonst?" Leo wollte nicht gereizt klingeln, aber ihnen lief die Zeit davon.
"Ich weiß vielleicht eine Möglichkeit. Ich sage es dir dann, wenn es so weit ist.", sagte Henry schließlich.
Das fand Leo ziemlich unfair, doch als er die Angst und den Schmerz in Henrys Augen aufglitzern sah...
Vielleicht versteht ihr das nicht. Leo verstand es auch nicht. Aber Leo würde Henry nicht dazu zwingen alte Erinnerungen hochzuwürgen.
Nichts tat mehr weh als Vergangenheit. Man konnte sie sich nicht zurück nehmen. Man konnte nicht ohne Reue und Wehmut darüber sprechen. Es war vorbei- nichts und niemand konnte was daran ändern.
Tief in Leos Brust loderte noch immer ein Feuer- das des Schmerzes. Ob es je gelöscht werden würde?
Leo verbot sich, sich selbst in Selbstmitleid zu ertränken. Also wirklich- könnte sein Gehirn nicht mal praktisch denken?
Leo wandte sich Henry zu. "Du, Henry?"
Henry schloss die Augen. "Was?"
"Ach, nichts." Vielleicht war Leo doch nicht so mutig, für wie er sich immer gehalten hatte.
"Fangen wir an?", fragte Henry unvermittelt. "Wir brauchen Kupfer. Viel Kupfer."
"Aye, aye Käpt'n."
Und Leo hatte eine schon eine Idee, woher er das Kupfer herkriegen könnte...
༎✿༎
"Ich habe noch eine Medaille aus Kupfer!"
"Geht Messing mit Kupfer, oder darf es nur Kupfer sein?"
"OMG, ich habe Gold gefunden!"
"Hier, eine Zange aus Kupfer. Aber kann ich sie später wieder zurück haben?"
"Leute, hier ist sogar ein Kessel aus Kupfer!"
Die Campbewohner quatschten wie wild durcheinander und bedrängten Leo mit Fragen- und mit ihrem Kupfer.
"Ist das Kupfer?"
"Hey Leute, ich habe in Katies Jackentasche paar Kupfermünzen gefunden."
"TRAVIS STOLL!!!!!"
"Meine Kette hat einen Anhänger aus Kupfer. Er würde bestimmt gut mit Henrys Füßchen harmonieren..."
Henry warf Leo einen wütenden Blick zu. "Was hast du dir dabei gedacht?!"
Gar nichts. Du wolltest Kupfer. Ich gebe dir Kupfer, mein Schatzzzz.
Leo zwang sich zu einem Lächeln. "Hey, meine Freunde! Alles Kupfer- aber nur Kupfer!- zu Henry! Wir basteln daraus einen neuen Funkeli für Hades' Hut!"
Henrys Blick war Gold wert.
Leo drehte sich strahlend zu seinen Mitbewohnern um. "Lo-os! Holt alles Kupfer was ihr findet und bringt es zu Henry!"
"Valdez!!!"
Henrys Blick sagte: Lauf, Bitch. Ich bin auch mit lahmen Bein schneller als du.
Leo glaubte es ihm sofort.
Aber er hatte ein dringenderes Problem.
Es hieß Piper und kam auf ihn zu gestiefelt.
"He!"
Leo überlegte sich hinter Henry zu stellen, aber da merkte er, dass Piper nicht zu ihm sondern genau auf Henry zuging.
Henrys Gesicht wechselte von Panik zu Hass.
Piper blieb paar Meter vor ihnen stehen und musterte Henry verächtlich. Sie sandte eine klare Botschaft aus: Keinen Schritt weiter.
Henrys Hände zitterten, doch er schien sich zu einer kalten königlicher Miene zu zwingen.
Leo konnte sich keinen Reim darauf machen.
Kaum wandte Piper den Blick ab, stützte Henry sich am Kupferkessel von Kayla und atmete schwer. Sein Gesicht war blutleer.
"Henry?" Leo trat vorsichtig neben ihn. "Was ist? Ist dir schlecht?"
Henry rang nach Atem. "J- ja, ich meine nein..." Seine Fingerknöchel wurden weiß, so feste umklammerte er Kaylas Kessel. "Ich wollte nur überprüfen, ob das wirklich ein Kessel aus Kupfer ist." Er holte tief Luft. "Er scheint echt zu sein..."
"Na klar ist der echt!"
Henry und Leo zuckten gleichermaßen zusammen, als Kayla Henry beide Hände auf den Rücken legte.
"Klarer Fall von Nervenzusammenbruch. Ist dir schwindelig?" Kayla tastete fachmännisch- besser gesagt, fachfrauisch- Henrys Brust ab. Ihre kurzen braunen Haare fielen ihr ins Gesicht, die Sommersprossen zitterten konzentriert.
"Du hast Atembeschwerden. Liegt vielleicht an deinem Fuß?"
Henry riss sich von Kayla los. "Danke, Frau Doktor. Aber ich und Leo müssen los-" Er warf Leo einen flehenden Blick zu.
"Ach ja stimmt ", murmelte Leo. "Danke für den Kessel, Frau Doktor- ähhh Kayla."
"Der Kessel gehörte Mal meiner Oma. Sie ist letzten Sommer verstorben und hat mir das Haus und alles was da drin noch stand vererbt ", murmelte Kayla. Sie schniefte leise und wandte verlegen den Kopf ab.
"Oh ", machte Leo. "Das tut mir leid..."
Kayla lachte nur. "Sie ist im Schlaf gestorben. Was gibt es schöneres?"
Henry und Leo tauschten einen Blick.
Kayla zuckte mit den Schultern. "Unser Camp hängt davon ab. Ich wünsche euch viel Glück." Sie drehte sich um und verschwand in der Menge aus orangen T-Shirts.
Seit sie von Apollo anerkannt worden war, war sie viel fröhlicher und konzentrierter. Aber den Platz als vorübergehende Hüttenälteste hat sie abgelehnt mit den Worten: Ich warte auf Will. Und wenn ich die einzigste bin.
"Wir haben genug Kupfer ", murrte Henry. Er bemerkte Leos Gesichtsausdruck. "Ich bin gesund, Leo. Mir war nur kurz schwindelig." Seine Haut hatte einen ungesunden Grau-Ton angenommen und Leo kam das nicht so gesund vor.
Aber Henry hatte Recht: sie hatten Kupfer für zwei Jahre gesammelt.
"Gehen wir in die Werkstatt?", fragte Leo. Sein Herz flatterte aufgeregt. Er war schon mehrerer Monate nicht mehr in der Werkstatt gewesen, aus allerlei Gründen. Mal wieder etwas zu bauen war ganz in Leos Sinne.
Henry nickte zerstreut. Er drückte Leo den Kupferkessel in den Arm. "Ja... gleich. Geh schon mal vor. Du kannst schon mal das reinste Kupfer auswählen und schmelzen. Bin gleich wieder da." Er wandte sich um und eilte den sandigen Weg zum See runter.
Leo schüttelte verwirrt den Kopf. Henry war schon ein komischer Typ.
Leo drehte sich in die entgegengesetzte Richtung um und schritt über die Wiese. Der Geruch von frisch geschnittenem Gras erfüllte die Luft. Die Sonne kitzelte Leos Nasenspitze und ließ ihn aufatmen.
Die Werkstatt stand direkt neben der Hephaestus-Hütte.
Leo öffnete die schwere Eisentür. Sie quietschte und erinnerte ihn ein wenig an Festus, seinen Metalldrachen. Leo musste lächeln.
Langsam drehte er sich durch den großen Raum. Staub rieselte leise von der Decke, die Fenster waren dreckig und die Tische waren uneben. Leo konnte sich keinen schöneren Platz zum Arbeiten aussuchen.
Er stellte den schweren Kessel auf den Boden.
"Leo?"
Leos Lächeln verschwand. Langsam wandte er sich um.
Piper holte tief Luft. "Ich möchte mich entschuldigen."
Leo reagierte nicht.
"Bist du sauer?"
"Nein." Leo wich Pipers vielfarbigen Augen aus. Er war nicht sauer. Aber besonders glücklich über Pipers Anwesenheit auch nicht. "Du musste dich nicht entschuldigen."
Piper pustete ein paar Holzspäne vom Tisch und setzte sich auf die Arbeitsfläche. Ihr Armband glitzerte unheilvoll, als ob er die zweifelhafte Ruhe seiner Trägerin ebenso komisch fand wie Leo. "Muss ich wohl. Und ich muss dich warnen. Vor deinen neuen Freund." Piper klang fast vorwurfsvoll. "Diesen Henry."
Leo fuhr zu ihr herum. Jetzt hatte sie seine volle Aufmerksamkeit. "Was ist mit ihm?"
"Er ist nicht das, für was du ihn hälst. Henry ist nicht dein Freund, Leo."
Leo spürte wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Pipers Stimme troff vor Mitleid und das gefiel ihm ganz und gar nicht. "Was ist er dann? Ein Außerirdischer? Ein Vampir?"
Piper sah ihn ernst an. "Das ist nicht witzig, Leo. Du bist in Gefahr. Halte dich von ihm fern."
Leo krallte seine Fingernägel ins Holz. "Woher willst du das wissen?"
Piper sah zögernd zu Leo hoch. "Lina hat es mir erzählt."
"Und du glaubst dieser Irren?"
"Sie hat es echt schwer! Und sie ist nicht verrückt- nur psysisch zerstört. Trotzdem spricht sie noch immer die Wahrheit."
"Sie hat mit Kayla versucht Connor zu erwürgen!", protestierte Leo empört. "Und Henry will mir helfen, nicht mir schaden. Lina hat sie nicht mehr alle."
Piper starrte ihn entgeistert an. "Leo! Sie ist traumatisiert, ihre Persönlichkeit ist gespalten! Du hast keine Ahnung, wie schlimm das für sie sein muss. Und außerdem finde ich Henry auch ziemlich düster. Er wird dich im Stich lassen, so wie er Oscar Mazuru im Stich gelassen hat."
Oscar Mazuru.
"Und wer bei allen Göttern ist jetzt Oscar??"
"Oscar Mazuru- Linas Freund. Henry hat sie und Oscar im Stich gelassen ", wiederholte Piper. Sie erwiderte wütend Leos Blick. "Henry ist ein Verräter. Er hat Lina und Oscar in eine Falle gelockt. Oscar hat sich gewehrt und Henry hat ihn daraufhin umgebracht."
"Und diesen Müll glaubst du? Piper! Henry hat ein gelähmtes Bein, wie soll er gegen einen ausgewachsenen Kerl kämpfen, geschweige denn ihn umbringen? Henry trauert um Oscar!" Leo merkte, wie seine Stimme sich überschlug. "Henry würde mir nie was tun."
Zur gleichen Zeit fragte sich Leo, ob das stimmte. Vielleicht stammte Henrys Narbe ja von seinem Kampf gegen diesen Oscar...
Leo schämte sich für seinen Misstrauen.
Dann schämte er sich, dass er sich schämte.
"Ach ja? Ich wette er hat dir nicht erzählt, woher er seine Narbe hat!", sagte Piper, als hätte sie seine Gedanken erraten. "Er hat dir nichts über sich erzählt, oder?"
"Nein, aber-"
"Und er hat auch sonst nichts über seine Vergangenheit erzählt?"
"Nein, aber-"
"Leo. Hat er je erwähnt, dass er dein Freund ist?"
Leo kämpfte mit den Tränen.
Pipers Blick wurde weicher. "Leo. Vielleicht hast du Recht und Henry möchte wirklich nichts Böses. Aber passe wenigstens etwas auf, okay?" Sie schien was in seinem Blick zu suchen.
Vielleicht die Wahrheit.
Leo schloss die Augen und öffnete sie langsam wieder. "Ich passe IMMER auf."
Piper hob wenig überzeugt eine Augenbraue hoch. "Aha." Sie lächelte. "So wie immer also." Und es war ein echtes Lächeln.
Leo versuchte ein Grinsen.
Aber seine Gesichtszüge waren so schwer wie Blei.
Da wurde die Tür aufgerissen und ein verlegener Henry stolperte hinein.
Seine Ohren waren hochrot und er warf Leo einen merkwürdigen Blick zu.
Leo hoffte, dass Henry nicht gelauscht hatte.
Denn es sah leider verdammt danach aus.
"H- hallo Piper. Hallo Leo."
Piper musterte Henry mit versteinerter Miene.
Schlechtes Timing, Henry...
Henry torkelte wieder zurück in Richtung Tür. "Äh, ich sehe, ihr seid beschäftigt..." Er lächelte nervös.
"Nein. Schon gut. ", knurrte Piper. Sie stand auf und drängte sich an Henry vorbei raus. "Fangt schon mal an mit euren Kupferkram. Ich hole Verstärkung." Sie schloss lautlos die Tür hinter sich.
Leo und Henry tauschten einen irritierten Blick.
"Kupferkram?", fragte Henry mit hochgezogenen Augenbrauen. "Verstärkung?"
Leo zuckte hilflos mit den Schultern. "Keine Ahnung..." Er sah verlegen hoch zu Henry. "Hast du- hast du gelauscht?"
Henry warf einen wütenden Blick in Richtung Tür. "Nein. Sie hat mich reingeschubst." Er schnaubte.
"Was?"
"Dieses Mädchen. Was eben von meinem Fuß gelabert hat. Die, die meinte, ihr Anhänger würde zu meinem Fuß passen... sie hat behauptet, dass ihr über mich redet." Henry wurde scharlachrot. "Äh, ich habe mich vorgebeugt, um durchs Schlüsselloch zu gucken. Dann sah ich, dass die Tür gar kein Schlüsselloch hatte, und da ähhh... hat sie die Tür geöffnet und mich einfach reingeschubst..."
"Das war Drew ", presste Leo zornig hervor.
Henry zuckte hilflos mit den Schultern. "Kann sein..."
"Ich werde sie erwürgen ", knurrte Leo. "Aber zuerst die Mission. Dann Drews Hinrichtung. Hast du jetzt mit diesen jemanden gesprochen, mit dem du noch unbedingt sprechen wolltest?"
Henry sah auf einmal sehr müde aus. "Ja." Er sah nachdenklich zum Kupferkessel hinunter.
Da Henry allen Anschein nach nicht darüber reden wollte, wechselte Leo das Thema: "Wir brauchen eine Art Gussform, damit wir wissen, welche Form der Stein hatte..."
"Nein... brauchen wir nicht. Wenn alles nach Plan läuft, ergibt sich das von selbst." Henry lächelte finster.
"Auf einmal haben wir einen Plan." Leos Mund schmeckte nach Rosen.
"Ich weiß... das kommt jetzt vermutlich-"
"Du möchtest mir nicht den ganzen Plan verraten, weil du Angst hast, ich würde dann nicht mehr mitmachen." Leo lächelte schief.
"Wie hast du das erraten- ich meine, nein. Ich möchte dir den Plan schon sagen, aber... ähhhhh..." Henry suchte verzweifelt nach Ausflüchten, doch Leo grinste. "Schon klar, Käpt'n. Ich mache schon alles was du sagst. Also, fast alles."
Henry verdrehte zur Antwort nur die Augen, aber Leo sah dass er sich verstohlen eine Träne aus dem Gesicht wischte.
Henry hob das Kinn; vermutlich um seine kleine Gefühlsregung zu kaschieren. Leo konnte darüber nur den Kopf schütteln.
Warum war Henry nur so aufgewühlt? Und gleichzeitig zu verklemmt, um darüber zu reden? Was verbarg er?
"Du kannst mit mir über alles reden ", sagte Leo vorsichtig.
Henry legte die Augen nieder. "Ich weiß."
Er sagte nicht: "Aber ich möchte nicht" und Leo sagte nicht: "Erzähle mir doch, was dich bedrückt"
Vielleicht war das ein Zeichen von Freundschaft- dass man sich auch ohne Worte einander viel erzählen kann. Leo wusste es nicht.
Henry starrte aus dem Fenster. "Wollen wir-"
Die Tür wurde aufgeschlagen. Wie zwei Rachegöttinnen schritten Lina und Calypso in den Raum. Das heißt- Lina sah aus wie eine Rachegöttin und Calypso wie eine griechische Prinzessin.
Calypso schenkte Leo ein unsicheres Lächeln und zupfte nervös an ihren schneeweißen Chiton. Sie schien sich in Linas Gegenwart nicht wirklich wohlzufühlen.
Das war Lina aber ziemlich egal- ihre gelben Augen hefteten sich auf Henry. "Was hast du vor?" Es klang nicht nach einer Frage, eher nach einer missbilligenden Feststellung.
Sie strich sich eine kastanienbraune Locke aus der Stirn und funkelte Calypso wütend an. "Du musst mir nicht folgen. Ich werde schon niemanden umbringen."
Calypsos Lächeln verrutschte um paar Millimeter. "Mag sein. Aber Piper wollte, dass ich dir das Camp zeige-"
"- was sie mir heute schon zum dritten mal gezeigt hat. Und was ich inzwischen in- und auswendig kann ", beendete Lina verächtlich. "Ich brauche keinen Babysitter." Sie erdolchte Henry nun nahezu mit ihren Augen. "Was hast du vor?"
Henry erwiderte ihren Blick standhaft. "Ich mache nichts."
Lina legte den Kopf schief. "Ich habe nicht gefragt, was du tust, sondern was du vorhast."
Henry seufzte. "Lina..."
"Was?" Sie verzog schmerzverzerrt das Gesicht. "Ich möchte das nicht nochmal erleben. Und weißt du was, Henry? Du hast dich kein bisschen verändert. Du wirst den anderen wieder den Vortritt lassen und am Ende deinem Vater gehorchen?"
Henry zuckte zusammen. "Mein Vater ist tot."
"Lüge mich nicht an ", zischte Lina. Ihre Stimme war rasiermesserscharf. "Dein Vater ist niemals ein Muggel gewesen."
Henry wurde bleich.
"Was sind Muckels?", fragte Leo beiläufig.
"Muggel ," korrigierte Lina automatisch. "Muggelstämmige. Nichtmagische."
"Ach, das erklärt ja alles."
Lina beachtete Leo nicht. "Henry. Du musst dich langsam entscheiden. Ist dir das klar? Dein Vater oder das Leben deiner Freunde? Anerkennung oder Schmerz?"
Leo drehte sich gerade rechtzeitig um, um Henrys mörderischen Blick zu bemerken. "Noch ein Wort über meinen Vater ", hauchte Henry bedrohlich ruhig. "Und du wirst dir wünschen, nie von ihm gehört zu haben."
Lina verzog unbeeindruckt den Mund. "Du kannst mir nicht drohen. Ich habe keine Angst."
Calypso blinzelte. "Keiner droht irgendwie irgendwen. Ich darf doch nicht an dem ersten Tag als Babysitterin einen schlechten Eindruck hinterlassen."
"Ich bin kein Baby!", brüllte Lina.
"Du verhältst dich aber wie eins", gab Calypso resulut zurück. "Henry kann nichts für seinen Vater, ebenso wie ich für meinen." Sie sah Henry direkt in die Augen. "Herkunft und Blut bedeuten nichts."
Leo nickte. "Genau. Calypso hat Recht."
"Hast du überhaupt zugehört?"
"Ja, Calypso. Es ging um- ähh... Blut und Herkunft und sowas..."
Calypso verdrehte die Augen.
Lina warf Henry noch einen verächtlichen Blick zu. "Du wirst schon noch sehen, was fehlendes Vertrauen bewirken kann." Sie musterte Calypso hochmütig. "Ich finde den Weg übrings auch alleine zurück." Sie trat zur Tür und tänzelte hinaus.
Calypso seufzte entnervt und folgte ihr unauffällig. Sie drehte sich noch einmal um, bevor die Tür zufiel und zischte in Leos Richtung: "Piper!"
Leo fragte sich, ob heute der 1. April war und ihn alle verwirren wollten. Wenn ja, dann klappte es auf jeden Fall.
Henry sank langsam gegen die Wand zurück, winkte aber ab, als Leo was sagen wollte. "Mir geht es gut."
Ja. Deshalb kannst du auch nicht gerade stehen und siehst aus, als hättest du Trainer Hedge in Unterhose gesehen.
Aber Leo unterdrückte seine Einwände und schnaubte nur. "Fangen wir jetzt an?"
Henry lächelte schwach und zog sich langsam hoch.
Leo stellte den Kupferkessel auf den Tisch, damit Henry sich nicht bücken brauchte.
Henry griff nach Katies Münzen und untersuchte sie abschätzig. "Die sind aus Zink." Er fischte Clarisse' Schild aus dem Kessel. "Das auch."
Leo nickte nur und holte ein großes Schwert hervor, was unheimliche grüne Funken spritzte. "Ähm, das verwenden wir wohl nicht."
Henry stimmte zu und hielt Leo etwas rundes vor die Nase. "Das hier auch nicht."
Leo musterte Drews Anhänger. "Was soll denn damit sein, außer dass die widerlichste Person im Camp sie berührt hatte?"
Henry sah ihn beleidigt an.
"Ich meinte Drew, nicht dich ", erklärte Leo hastig.
"Siehst du den rosaroten Schimmer? Und diese Einkerbung an der Seite? Das Teil wurde mit Magie bearbeitet."
Leo beugte sich über den Tisch, konnte aber nichts finden.
Henry ließ den Anhänger angewidert fallen. "Woher kennt diese Drew eigentlich diesen Zauber? Er ist sehr kompliziert und erfordert viel Fingerfertigkeit."
Leo zuckte mit den Schultern. "Vielleicht von ihrer Mom Aphrodite. Oder sie hat sich ihn selber ausgedacht. Sie ist abartig gut im Zerstören von Freundschaften und Beziehungen." Leo spuckte angeekelt. "Sie ist grässlich."
"Kann ich mir vorstellen." Henry musterte zufrieden ihren Haufen aus Kupfer. "Ich glaube, wir sind fertig."
"Ja, Käpt'n."
Henry lachte leise und machte direkt danach ein schuldbewusstes Gesicht.
Der Kupferkessel funkelte fröhlich im warmen Licht. Leo starrte in das rostgoldende Spiegelbild von ihnen.
Die Tür wurde aufgerissen- zum was-weiß-ich-für-wie-vielten-mal in diesem Kapitel.
Aber diesmal war es eine Armee. Besser gesagt- der ganze Deathboy-Club.
Zu Leos Enttäuschung hatten sie nicht ihre Club T-Shirts an, sondern wie üblich die orangen Camp Half-Blood Schinken.
Ehrlich... was hat sich der Hersteller dieser T-Shirts eigentlich gedacht?
"Oh, ich muss T-Shirts für ein Camp herstellen, in dem sich griechische Halbgötter vor Monstern verstecken und lernen, sich zu verteidigen. Und damit es nicht auffällt, mache ich sie mal ORANGE. Das wird überhaupt nicht auffallen."
Wie auch immer. An der Spitze stand eine ziehmlich schlecht gelaunte Piper. "Ich habe Hilfe besorgt."
"Ah, wie nett. Warum?"
Piper durchbohrte Leo mit einen weniger freundlichen Blick. "Ach, nur so."
"Aha." Henry warf einen nervösen Blick auf Clarisse, die ihren Speer zufällig auf seine Brust gerichtet hatte. Er schluckte. "Wie nett."
"Und wie lautet euer Plan?", fragte ein sehr motivierter Typ in orangen T-Shirt (erklärt sich von selbst), vermutlich ein Sohn des Ares. "Darf ich jemanden umbringen?"
"Nein, Trainer ", antwortete Leo automatisch.
Der Aressohn sah ihn bedröppelt an und setzte sich auf die Arbeitsfläche des Tisches und kippte eine Vase um (was zum Hades machte die dort?).
Nyssa knirschte mit den Zähnen und stellte die Vase vorsichtig wieder hin.
"Wir waren gerade dabei, Kupfer einzuschmelzen ", fing Leo an.
Nyssa runzelte die Stirn. "Doch nicht etwa in meinem Ofen?!"
Zur Erklärung... Nyssa besaß ein separates Öfchen nur für sich. Es war quasi ihr Territorium und wer ihn auch nur zu lange ansah, bekam böse Blicke.
Leo schüttelte hastig den Kopf. "Ne, im Hauptofen."
Nyssa nickte zufrieden. Dann straffte sie die Schultern. "Dann mal los! Heizt den Ofen an und fangt an!"
Eine Tochter der Aphrodite sah verwirrt zu Piper. "Ich dachte, wir treffen uns wegen unserer Verkupplungsversuche von Nico und Will." Ihre Schwestern murmelten zustimmend.
Piper knurrte.
Sofort hielten alle die Klappe.
"Alle helfen mit ", sagte sie ruhig, aber ihre Augen zuckten gereizt. "Ihr müsst-"
"Ich trete aus, wenn es nicht um Nico und Will geht ", unterbrach sie die arrogante Zieg- ich meine, dieses Aphrodite- Töchterchen. "Ich möchte mir nicht die Finger schmutzig machen." Sie drehte sich ohne noch ein Wort zu verlieren um und verließ die Werkstatt, gefolgt von mindestens drei ihrer Schwestern.
Die anderen blieben und starrten Piper erwartungsvoll an. Sie zuckte nur mit den Schultern und gab das Wort an Nyssa weiter.
Äh, zumindestens wollte sie das.
Nyssa verteilte unterdessen die Aufgaben: "Also Connor. Du darfst nicht an den Kessel. Du auch nicht, Travis. Mary Lou, du bereitest das Wasser und den Kessel vor. Und du, Kayla- halte Katie und Travis auseinander. Katie ist ziemlich gut in erwürgen. Ach ja, Lou Ellen..."
Der Aressohn wandte sich zu Leo um. "Während sie das Kupfer einschmelzen, möchte ich noch mal mit dir reden."
Ach du heilige Hera.
"Worüber?", fragte Leo schließlich. "Und äh, sorry, wie heißt du?"
"Ich heiße Anna. Nein, Anton. Oder doch Albert...? Ne ne, Alibaba." Der hünenhafte Kerl kratzte sich am Kopf und sah hinunter auf seinen Namensschild. "Achso... nein, ich heiße Apollo."
Das konnte ja heiter werden...
"Ich nenne dich einfach..." Leo kniff die Augen zusammen und las die verschnörkelten Buchstaben. "Du heißt... Alfons."
Alfons nickte erleichtert. "Ja, ja. Ich bin etwas vergesslich..."
"Ah. Du bist neu in Camp Half-Blood?", fragte Leo.
"Ne.. bin seit gestern hier."
"Ah. Und du bist ein Sohn des Ares?" Leo kam sich langsam bescheuert vor.
"Nein. Ich bin ein Sohn von Jesus." Er lächelte stolz. "Das Mädchen da hat mir das erzählt." Alfons deutete auf Piper. "Sie ist hübsch."
Leo sah zu Nyssa rüber. "Ah. Und was möchtest du wissen?"
"Wie heißt sie?" "Du meinst Piper? Oh, sie heißt Piper."
Leo hatte keine Ahnung, ob dieser Alfons wirklich so doof war, wie er tat, aber Leo hatte Angst, dass das ansteckend war. Deshalb rang er sich ein halbherziges Lächeln ab. "Also gut, Sohn des Jesus. Ich muss jetzt dringend weiter."
Alfons nickte. "War schön dich kennenzulernen, Laura." Er drehte sich um und ging rüber zu den Hermeskindern.
Leo schüttelte verwirrt den Kopf und knallte fast gegen Kayla.
"Hast du Alfons gesehen?", fragte sie besorgt.
"Er war eben noch bei Connor-"
"Um Himmels Willen..!", entfuhr es Kayla und sie eilte davon.
Heute war eindeutig der 1. April.
"Leo! Das Kupfer ist fertig geschmolzen!", rief Lou Ellen. Sie spielte aufgeregt mit einer ihrer Zöpfen. "Es ist echt heiß."
"Wer ist heiß?", fragte Cecil. Er schielte zu Lou Ellen hinüber, die prompt errötete.
Piper verdrehte nur grinsend die Augen und stupste Leo bedeutend an.
Doch Leo war zu fasziniert vom jetzt flüssigen Metall.
Piper verschränkte die Arme. "Und jetzt?" 52 Augen richteten sich auf Leo.
Leo sah ratlos zu Henry.
Das wäre ein guter Einsatz für seinen genialen Plan...
Henry holte tief Luft. "Das wird riskant ", warnte er.
"Riskant ist mein zweiter Vorname."
"Beide Hände ins geschmolzene Kupfer!", befahl Henry.
Leo runzelte die Stirn. "Riskant hast du gesagt. Das ist höchstens dumm."
"Du hast gesagt, dass du alles machst, was ich sage!", erinnerte Henry ihn.
"Fast alles, habe ich gesagt ", erwiderte Leo scharf. "Und das scheint mir einer Erklärung würdig."
Das scheint mir einer Erklärung würdig. Leo wollte das schon immer mal sagen. Es klang so erwachsen.
Henry warf Leo einen verärgerten Blick zu. "Na schön. Da wir kein echtes Blut beimischen wollen, weder von Tier- noch Menschensopfern, müssen wir Hades wohl ein gedankliches Opfer leisten. Und das funktioniert so: drei Personen legen ihre Hände ins geschmolzene Kupfer und widmen sich ganz dem Gott- also, Hades. Sie müssen sich im Gedanken vereinen und gemeinsam den Stein formen." Henry machte eine Kunstpause. "Gut ist, wenn die Personen sich vertrauen." Henry sah Leo frustriert an, wie um zu sagen: Dich würde ich da auf keinen Fall nehmen, Heini. "Okay. Ich brauche noch zwei Personen. Noch Fragen?"
Leo hatte eine Menge Fragen. Er begann mit der ersten: "Was ist das für ein Plan?"
"Gar keiner." Henry seufzte.
"Bist du betrunken? Oder geisteskrank?"
"Nicht mehr als du."
Okay. Damit hätten sich alle anderen Fragen der Anwesenden auch geklärt.
Nur Kayla fragte nach: "Du möchtest also das machen? Also, deine Hände ins geschmolzene Kupfer legen?" Sie klang nicht sarkastisch oder ungläubig, nur besorgt.
Henry nickte. "Ich weiß schließlich als einziger, wie es funktioniert. Aber ich brauche noch zwei weitere Leute-"
Er sah hoffnungsvoll in die Runde. "Freiwillige?"
Alle traten paar Schritte zurück, um die Freiwilligen vorzulassen.
Leo räusperte sich. "Also-"
Calypso streckte sich grazil und trat an Henrys Seite. "Ich würde gerne dazu beitragen das Camp zu retten. Ich meine... ich bin über 3000 Jahre alt und habe schon viele Rituale durchgemacht. In mir fließt Blut des berüchtigten Atlas, der den Himmel trug, außerdem bin ich unsterblich gewesen. Ich wäre eine gute Wahl." Sie richtete ihre bernsteinfarbene Augen auf Henrys. "Ich helfe gerne ", bot sie an.
"Nein!" Leo sprang auf. "Nicht Calypso!"
Calypso starrte ihn wütend an. "Ich brauche keine Leibgarde. Es ist Henrys Entscheidung, nicht deine."
Henry zögerte. Dann nickte er. "Calypso, du wirst eine große Unterstützung sein."
Leo platzte fast vor Wut.
"Wir brauchen noch jemanden drittes ", fuhr Calypso unbeirrt fort. Sie sah Henry fragend an, als ob sie um Erlaubnis bat. Dieser lächelte aufmunternd. "Ich vertraue nur einer Person eine so mächtige Aufgabe an..." Sie lächelte.
Leos Herz hämmerte vor Glück. "Calypso-"
"Piper."
"Was?!" Leo starrte seine Freundin völlig außer sich an. "Was ist mit mir?"
Calypso kniff die Augen zusammen. "Ich traue es dir nicht zu."
Pipers Augen weiteten sich entsetzt. "Ich?? Wieso?"
Calypso nahm Pipers Hände. "Deine Instinkte sind verlässlich, deine Gefühle unbetrügbar. Wenn einer für sowas geschaffen ist, dann ja wohl die Königin des Charmsprech. Nimmst du die Herausforderung an, McLean?"
Piper blinzelte überwältigt. "Du schmeichelst mir. Natürlich- ich würde alles tun, um diese Mission zu vollenden."
Leo konnte es nicht fassen. "Das ist MEINE Aufgabe! Ich soll Kupfer besorgen!"
Piper sah Leo kalt an. "Du hattest bis jetzt drei Tage Zeit gehabt und bist nur durch Henry soweit gekommen!"
Henry zuckte zusammen. "Das stimmt doch gar nicht ", murmelte er. Er sah Leo verzweifelt an. "Leo. Zwei sind zu wenig, und vier zuviel. Verstehst du? Lass uns dir helfen!" Seine Augen leuchteten. "Du hast bis jetzt viel geschafft, lass uns anderen doch auch eine Chance unsere Eltern zu beeindrucken!"
Leos Zorn verrauchte. "Na gut." In seinem Inneren wusste Leo aber, dass gar nichts gut war.
Kaylaa und Connor hoben vorsichtig den Kupferkessel an und stellten ihn auf den Tisch.
Henry holte tief Luft und ließ seine Hände in die rostgoldende Mischung sinken, als wäre es Wasser. Piper musterte ihn prüfend; vielleicht suchte sie Anzeichen von Schmerz. Aber Henry stand ganz gelassen da und wartete auf die Mädchen.
Als nächstes tauchte Calypso vorsichtig ihre Hände in den glitzernden Sud. Bis zum Ellenbogen verschwanden ihre Arme darin. Sie machte große Augen, aber auch sie zeigte keinen Schmerz.
Leo merkte, wie er die Luft anhielt.
Piper starrte unschlüssig in den Kessel.
"Komm!", lockte Calypso sie. "Es ist nicht heiß."
Die Umstehenden schnaubten überrascht und tauschten zweifelnde Blicke. Jeder hatte gesehen, wie der Kessel über das Feuer gehangen hatte.
Connor lutschte an seinen verbrannten Fingern, die er vom Tragen des ergattert hatte.
"Es ist warm ", stimmte Henry zu, " aber nicht heiß."
Piper berührte vorsichtig mit ihren Finger die Oberfläche des Kupfers und zuckte sofort zurück.
"Los! Trau dich, Prinzessin!", rief Clarrisse. Ihre zerfransten Haare standen wild von ihren Kopf ab, die Wangen gerötet von der Hitze im Raum.
Piper fauchte verärgert und ließ ihre Hände ins Kupfer gleiten. Sie schnappte nach Luft.
Henry war ihr einen mitfühlenden Blick zu. "Es könnte vielleicht was weh tun..."
"Und das sagst du jetzt?", knurrte Piper.
Calypso blinzelte gelassen. Ihre zimtbraunen Locken fielen ihr über die Schulter und ihre Nase zuckte, sonst konnte man meinen, sie würde ihre Hände im See abkühlen.
Piper dagegen kämpfte schon mit Schmerzen. Ihre Knie zitterten gefährlich und ihr Gesicht verzerrte sich.
Henry presste die Lippen aufeinander und sah hoch zu Leo. Für paar Sekunden trafen sich ihre Blicke wie zufällig. Henrys Blick wanderte weiter zum Fenster und verharrte dort.
Piper keuchte auf. Alles Farbe wich aus ihrem Gesicht und ließ einen ungesunden Grünton zurück.
Henry und Calypso tauschten einen besorgten Blick. "Kannst du noch?", fragte Henry vorsichtig. Seine Augen wurden plötzlich dunkel. "Du kannst auch noch aussteigen..."
Piper schüttelte energisch ihren Kopf. "Ich schaffe das." Sie lächelte gezwungen. "Wann kommt endlich dieses Vereinigungs-Ding?"
Henry schloss die Augen. Das Kupfer begann zu blubbern und spritzen. Calypso tat ihm nach. Ihre Augenlider flatterten, aber sie war wie in Trance.
Piper sah nervös zu Calypso. "Cal- calypso?"
Henrys Mundwinkel zuckten, als ob er sich ein Lächeln verkneifen würde, doch auch er öffnete nicht die Augen. Seine Wangen glänzten fiebrig, die Ohren liefen rosa an.
Wie hypnotisiert schloss nun auch Piper die Augen.
Leo bekam es mit der Angst zutun. "Leute? A- alles paletti?"
Henrys Kopf kippte lasch nach vorne. Leo packte im letzten Moment seinen Haarschopf und riss ihn zurück. Henrys Haarspitzen und Nasenspitze waren nun rostgolden.
Die anderen tuschelten nervös und warfen den (hoffentlich nur) schlafenden angsterfüllte Blicke zu.
Kayla beugte sich über Pipers Nase und befühlte ihr Handgelenk. Sie lächelte erleichtert in die Runde.
"Und Calypso?", flüsterte Leo ängstlich.
Kayla nickte verständnisvoll und schlich sich zu Calypso. "Sie atmet auch noch ", stellte sie fest.
Leo atmete auf. "Und Henry?"
Kayla ging zu Henry und legte zwei Finger an seinem Arm. Sie erstarrte und legte ihren Kopf über Henrys Nase. "Er atmet auch ", sagte sie schließlich leise. "Aber schwach. Schwächer als Piper oder Calypso."
Das beunruhigte Gemurmel wurde lauter. Leo drehte sich gereizt zu ihnen um. "Ruhe!"
Stille.
Alle starrten geschockt über Leos Kopf.
"Was?" Leo wurde rot. "Brenne ich wieder?"
Kayla grinste. "Du- du..." Sie warf Clarisse einen Blick zu und dann war es um die beiden geschehen.
"PAHAHAHAHAHAHA!!"
"Was ist?"
"PAHAHAHAHAHAHA!!!"
"Leute!!! Sagt mir, was los ist. Bitte-"
"Hahahahaha-"
"Mann!"
"HAHAHA!!!"
"KAYLA!"
"hahaha..."
Leo könnte in den Boden versinken. "Mädels! Ihr sagt mir jetzt SOFORT was los ist-"
"Hahahahaha-" Kayla krümmte sich vor Lachen. "Bei den Göttern- PAHAHAHAHAHAHA!- du müsstest dich sehen... HAHAHA!!!"
Leo sah beleidigt zu den anderen. Was auch immer so lustig war, sie sahen es nun auch. Connor vergass ganz seine verbrannte Hand und kicherte haltlos. "Travis- warst du das?"
Travis sah verwirrt zu Leo. "Was war ich?"
"Tue nicht so!" Connor grinste breit.
Travis sah genervt zu Leo. "Was ist so komisch- oh. PAHAHAHAHAHAHA!! Leo, du tust mir so leid... nicht. HAHAHA!!!"
Bei den Göttern, was war so komisch?
"LEUTE! Sagt mir jetzt bitte einer, was los ist-"
"Hahaha- "
"GRRRR!!!"
Plötzlich regte sich was am Tisch. Es war fast unheimlich, wie sincron Henry und Calypso hochschraken.
"Himmel ", hauchte Henry. Seine Gesicht war leichenblass, seine dunklen Augen irrten umher. "W-wie-"
Calypso hob verwirrt den Kopf. Ihre langen Haare fielen ihr ins Gesicht. "Hast- hast du das gerade auch gesehen? ", fragte sie Henry tonlos.
"Was?" Henry holte zitterternd Luft.
"E-eine Tür. Dieser Fluss. Ein Mann, der nach einer Münze fragte-" Sie stockte. "Er sagte... dass Gedanken nicht genügen. Er möchte was besseres als nur leere Gedanken. Was... festes."
Leo sah sie bestürzt an.
Die anderen hörten auf zu lachen.
"Nein." Henry hustete schwach. "Ich war mit Piper bei-"
Das Kupfer begann plötzlich zu brodeln. Riesige Blasen zerplatzen an der Oberfläche und spritzten in ihr Gesicht. Henry wich instinktiv zurück. Sein Blick fiel auf die noch schlafende Piper. "Jemand- jemand muss sie wecken..."
In diesem Moment passierten einige Dinge, die lieber nicht passiert wären. Das Kupfer stieg an- das glitzernde Metall schoss über den Rand. Calypso schrie gellend auf vor Schmerz.
Es war das schlimmste Geräusch, was Leo je gehört hatte.
Henry riss ihn und Piper weg von der kochend heißen Flüssigkeit.
Wie von einer Tarantel gestochen wachte Piper auf. Sie sah verwirrt von Leo zu Henry. Als sie Henry erkannte, verzerrte sich ihr Gesicht zu einer wütenden Grimasse.
Sie wollte was sagen, doch Leo hörte sie nicht mehr.
Blut rauschte in seinen Ohren.
Calypso...
Der Kessel war umgekippt, in heller Panik war jemand dagegen gelaufen.
Das gesamte Kupfer ergoss sich über Calypso. Schreie hallten durch die Werkstatt.
Kayla griff Calypso unter die Arme und zog sie vom Kessel weg.
Leo keuchte auf, als er die Brandwunden an Calypsos Händen und Beinen sah. "Nein, nein, nein..."
Er lief zu ihnen, doch Austin versperrte ihm den Weg. "Kein Schritt weiter." Seine Augen loderten vor Angst, aber auch Entschlossenheit. "Platz für Calypso!" Er rempelte Leo achtungslos aus dem Weg und drängte die panischen Campbewohner zurück. "Weg!"
Kayla und Clarrisse nahmen Calypso sanft in die Mitte und schleppten sie vorsichtig aus dem kleinen Raum.
Im heillosen Durcheinander rutschten paar im glühend heißen Kupfer aus.
Der Boden rauchte gefährlich.
Leo wollte Kayla und Clarrisse hinterher, aber Henry packte ihn bei beiden Armen und zerrte ihn zurück. "Du kannst ihr nicht mehr helfen!"
Leo riss sich verzweifelt los. Doch anstatt zu Calypso zu rennen, stürzte er zur Pfütze aus Kupfer. Etwas Rotes vermischte sich langsam im rostfarbenen Gold.
Calypsos Blut...
Nein...!
Leo drehte sich wutentbrannt zu Henry um. "Das war von Anfang an dein Plan gewesen!" Er brüllte fast.
"Was?", schrie Henry aufgebracht zurück. Seine dunklen Augen funkelten wild. "Was für ein Plan??"
"Du wolltest Calypso opfern! Wie Ephadorika!" Seine Stimme hallte schrill durch die Werkstatt. "Du mieser Verräter! Piper hatte Recht gehabt, dir nicht zu trauen!"
Henry sah Leo fassungslos an. "Ich habe nichts-"
Leo schubste Henry gegen den Kessel.
Henry stolperte und knallte unsanft auf den Boden.
Drohend kam Leo auf ihn zu. "Es war deine 'Idee' gewesen. Du wolltest sie von Anfang an sterben lassen, oder? So wie diesen Oscar..."
"Oscar?", hauchte Henry. Er würgte und krabbelte von Leo weg. "Ich habe Oscar nichts getan-"
Leo packte Henrys Arm und schüttelte ihn heftig. "Oh doch..." Da rutschte Henrys Ärmel hinunter. Mehrere dünne, lange Narben zogen sich quer über Henrys Arm.
Leo entzifferte Buchstaben... O... S... C... A... R... M...A... Z...
Henry riss sich von Leo los.
Aber Leo hatte genug gelesen und verstanden. "Du- du- ich kann es nicht fassen, dass ich dir getraut habe. Verschwinde. Trete mir nie wieder unter die Augen, Goldfuß."
Leo spuckte verächtlich in Henrys Gesicht. "Du elender-"
Zwei schlanke Hände packten ihn und drehten ihn um. Kayla atmete schwer. Leo wusste nicht, ob sie sich auf ihm abstützte, oder ihn von Henry wegzerren wollte. "Leo... Calypso... sie wird wieder gesund. Es ist nur ein kleiner Schock und paar Verbrennungen. Sonst nichts. Es ist unglaublich- aber Henry hat dich und Piper vor was viel schlimmeren bewahrt." Sie lächelte hektisch. "Ich muss schauen, ob es noch Verletzte gibt..." Wie ein Roboter drehte sie sich um und verschwand.
Der verspätete Schock brachte Leo fast um. Er taumelte gegen die Wand und musste husten. Alles verschwamm vor seinen Augen... Als er wieder klar sehen konnte, hörte er Stimmen.
"Es ist unfassbar, was du tun wolltest!"
"Piper!" Henrys Stimme klang erschöpft und verzweifelt. "Ich weiß nicht, wovon du sprichst..."
"Von deinen Vater natürlich!"
Eine tödliche Stille entstand. "Ich habe keinen Vater ", hauchte Henry schließlich. "Wag es nicht-"
"Lügner! Ich werde Leo die Wahrheit erzählen, du nichtnutziger Heuchler!"
Pipers Charmsprech ließ alle Knochen in Leos Körper vibrieren. Alle negative Gefühle drückten gleichzeitig auf ihn ein, Leo wurde heiß und dann wieder kalt. Sein Schädel brummte und er fühlte sich wertloser und unwichtiger denn je.
Von irgendwo her hörte er ein Schluchzen.
Leo öffnete verwirrt die Augen und rappelte sich auf.
Er konnte gerade noch die Tür zuknallen sehen.
Piper hockte wie betäubt vor der Tür und hielt etwas in der Hand.
"Piper?" Leos Stimme klang brüchig. Schuldgefühle drohten ihn zu übermannen. "Henry!"
"Er ist weg ", murmelte Piper. Sie sah verlegen hoch zu Leo. "Vielleicht habe ich etwas übertrieben..."
Nein! Henry durfte nicht Camp Halfblood verlassen!
Leo erinnerte sich an all die schrecklichen Dinge, die er Henry an den Kopf geworfen hatte.
Und alles nur wegen paar kleinen Brandwunden.
Piper zitterte am ganzen Körper. "Lies dir das durch..." Sie hielt Leo das Pergament unter die Nase.
Eine blutrote Schrift schmückte das trostlose Papier. Leo brauchte etwas, bis seine Augen sich an die anstrengende Schrift gewöhnte.
Lieber Henry,
immer erwische ich dich im falschen Moment. Dein Bruder Sammy wäre stolz auf seinen großen Bruder gewesen. Sein Verlust tut mir sehr weh und hat mich ehrlich getroffen.
Ich gebe dir eine einmalige Chance, seinem Tod einen Sinn zu geben.
Ich habe dich und deine Freundin aus dem Lotus Hotel gerettet. (Ich erwarte keine Dankbarkeit.)
Bestimmt hast du schon über Zeus' Triumph über Hades erfahren. Noch wenige Tage und mein Vater wird auch die Unterwelt beherrschen. Doch unglücklicher Weise leistet das Camp Half-Blood Widerstand.
Natürlich ist das lächerlich- Hades hat schon verloren und er weiß das.
Aber in deinem Camp lebt ein Sohn des Hephaestus. Er ist ein Knackpunkt in Hades' hoffnungslosen Plan. Zeus hat mir aufgetragen ihn umzubringen. Aber ich darf mich nicht öffentlich am Blutbad beteiligen. Aber ich habe dich noch nicht anerkannt- im nachhinein ein ziemlich kluger Schachzug. Ich kann dich ganz leicht einschleußen, ohne Verdacht zu erregen.
Bringe mein Werk zu Ende, und bringe Leo Valdez um. Ich werde dich sofort danach anerkennen und den Nebel fälschen.
Niemand wird je von Leo Valdez gehört haben.
TÖTE IHN.
Ich habe gemerkt, dass du dich mit ihm angefreundet hast. Du denkst genauso wie ich, oder?
Ich bin nicht stolz auf die Vorstellung deinen einzigen Freund sterben zu lassen.
Aber wenn du meine Bitte erfüllst, werde ich dich reich beschenken.
Ich werde nicht noch mal wie bei Luke Castellan einen Fehler begehen und meine Kinder gar nicht unterstützen.
Ich bin nicht mehr Hermes- ich habe mich endgültig für Merkur entschieden.
Griechen machen Fehler mit Gefühlen. Römer haben keine.
Ich hoffe, dass du dich im Camp trotz allem wohl fühlst.
Nachdem du das hier gelesen hast, verbrenne den Brief.
dein Vater
Während dem Lesen wurde Leos Herz schwerer, bis es ihm die Kehle zuschnürrte.
Piper legte ihm sanft eine Hand auf den Rücken. "Es tut mir so leid, Leo."
Leo sprang auf und zerknüllte das Papier in seiner linken Faust. "Wie kann jemand so grausam sein?" Er vergrub völlig zerstört seinen Kopf in seinen Händen. "Was habe ich Merkur getan? Was habe ich Hermes getan? Was habe ich Zeus getan?" Heiße Wut floss durch Leos Körper. "Ich muss mit Henry sprechen." Er stürzte entschlossen zur Tür. "Bei den Franks kugelsicheren pinken Unterhöschen, der kann was erleben."
Piper stand unsicher auf. Ihre Haare klebten in ihrem aschfahlen Gesicht, die Augen glitzerten vor Schmerz. "Was hast du vor, Leo?"
Leo drehte sich nicht um. Er packte die Türklinke und riss sie auf.
"Leo!"
Er achtete nicht auf Piper.
Leo jagte nach draußen. Frische Luft peitschte in sein schweißnasses Gesicht. Hals über Kopf raste er weiter und versuchte seine Gefühle unter Kontrolle zu kriegen, die wie verrückt spielten.
Warum hat Henry ihn nicht getötet? Er hatte mehr als einmal die Gelegenheit dazu gehabt.
Leo keuchte trotzig und lief über den sandigen Weg runter zum See. Alle seine Instinkte rieten ihm, sich vom Wasser fern zu halten, aber sein Kopf schrie ihn an, sich zu beeilen.
Leos Augen füllten sich mit Tränen, die ihm in Bächen hinunter rollten.
In seinem Schleier aus Tränen konnte er eine schlanke Silhouette erkennen, die bis zu den Knien im Wasser stand. Sie stakste unbeirrt weiter, obwohl das Wasser bestimmt eiskalt war. Je näher Leo kam, desto hastiger bewegten sich die Wellen auf dem Wasser. Die Gestalt huschte aus dem Wasser und eilte über den Strand in den Schatten der Bäume.
Doch Leo registrierte den unbeholfenen Gang, er hörte Metall an den Steinen kratzen.
"Henry!"
Henry hechtete weiter. In seiner Hast bemerkte er nicht, dass sein Metallfuß zwischen zwei Felsen hängen blieb. Henry schrie überrascht auf und ging mit einen dumpfen Geräusch zu Bode.
Leos Herz setzte einen Schlag aus und er begann zu sprinten. Geschickt (oder eher weniger) stolperte er über die glatt geschliffenen Steinen des Sees, bis er vor Henry zum Halt kam.
Henry hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet, doch er rührte sich keinen Millimeter.
Stumm starrten sie sich an.
Henrys Augen waren gerötet. Leo fragte sich, ob er geweint hatte.
"Ich weiß es ", brachte Leo schließlich hervor, während Henry zur gleichen Zeit fragte: "Wie viel weißt du?"
Sie starrten sich irritiert an, bis Henry den Blick abwandte.
Das Sonnenlicht spiegelte sich in Henrys leere Augen. Henrys Gesicht war bleich wie das eines Totens. Das rechte, gesunde Bein war von Disteln zerkratzt. Leo vermutete, dass Henry den ganzen Weg barfuß gelaufen war. Und zwar absichtlich durch den dornigen Weg.
Leo setzte sich zögernd neben Henry hin.
Henry wich mit vor Schrecken weitaufgerissenen Augen zurück. Zum ersten Mal konnte Leo Henrys Augenfarbe erkennen- sie waren rotgold, die Farbe von Kupfer.
"Wer ist Sammy?", fragte Leo schließlich.
Henry rutschte unbehaglich von Leo weg, doch Leo war schneller und hielt ihn fest. "Henry. Du kannst mir vertrauen."
Henry sah ihn wütend an. "Lass mich los."
Leo ließ ihn verlegen los.
Henry rieb sich finster sein Handgelenk. Dort, wo Leo ihn gepackt hatte, waren rote Fingerabdrücke zu sehen. Leo hatte wohl was fester zugedrückt als erwartet. Er wollte sich schon entschuldigen, da murmelte Henry: "Sammy war mein Bruder."
"War?", hakte Leo nach und könnte sich auch schon wieder dafür schlagen. Wie taktlos von ihm.
"Er ist tot ", hauchte Henry erstickt. "Und es ist meine Schuld." Er malte mit einem angetriebenen Stock Muster in den Sand.
Leo wollte was Aufmunterndes sagen, aber seine Stimme versagte kläglich.
"Es war ein Abend wie jeder andere gewesen. Ich, Sammy und Oscar sind alleine Zuhause gewesen, weil wir Ferien gehabt haben. Oscar lebte bei uns seit seine Mutter verunglückt war." Henry stockte. Leo nichte aufmunternd. "Ich hatte heute zum ersten Mal Disappier-Unterricht gehabt ", erinnerte sich Henry.
Leo fragte sich, was disappieren war, traute sich aber nicht Henry zu unterbrechen.
"Die Prüfung wurde so spät in die Ferien verlegt, damit auch andere, die nicht mehr Hogwarts besuchten, am Disaappier-Unterricht teilnehmen konnten. Jede freie Minute haben ich und Oscar dafür trainiert. Sammy hat immer zugesehen. Ich habe nicht gewusst, dass er uns beobachtet hat..." Henry begann zu zittern. Leo nahm still Henrys Hand und drückte sie sanft. Henry holte tief Luft und erzählte weiter: "An diesen Tag haben ich und Oscar wieder geübt zu disappieren. Oscar... war echt gut. Ich bekam es auch so halb hin. Wir wurden übermütig und probierten andere Sachen aus... wir- wir..." Henry brach ab und wimmerte. "Ich kann das nicht..."
"Henry. Du kannst das." Leo sah seinem Freund fest in die Augen. "Du wirst das schaffen. Neben Calypso habe ich selten eine so starke Person kennen gelernt. Du bist stärker als deine Vergangenheit."
Henrys Atem beruhigte sich langsam wieder. In seinen kupferfarbenen Augen leuchtete etwas anderes als Schmerz und Trauer auf. "Danke Leo." Er räusperte sich und fuhr fort, als wäre nichts passiert. "Ich und Oscar waren begabte Zauberer. Ich vertraute ihm blind. Wir schworen einen Eid. Wir würden uns nie verraten oder uns schaden. Ich schwor diesen Eid vor allem aus einem Grund: Ich wusste, dass Oscar einen großen Fehler begehen würde. Ich dachte, wenn er sich an unseren Schwur halten würde, könnte nichts und niemand uns beide außenander bringen." Henry starrte betroffen zum Himmel. "Wie konnte ich mich nur so irren? Wie auch immer, Sammy beobachtete uns immer noch. Ich... ich glaube, er wollte auch disappieren, uns nach machen. Wir waren seine größten Vorbilder. Er- er sprach den Spruch... und einen Teil von ihm konnte er wirklich weg disappieren... doch seine andere Körperhälfte blieb einfach wo er war... er- er... ist verblutet. Als ich und Oscar ihn fanden, war es schon zu spät. Als Mom das gesehen hatte... sie hat mich und Oscar rausgeworfen. Nun war Hogwarts unser einziges Zuhause. Wir haben überall herum erzählt, dass Sammy die Schule gewechselt hatte. Alle haben uns geglaubt. Sogar Will." Henry schluckte.
Leo schwieg, weil er erwartete, dass noch was kam.
Aber Henry starrte nur verzweifelt aufs Wasser und raufte sich die Haare. Tränen liefen ihm lautlos übers Gesicht und tropften das Kinn runter in den Sand.
Leo klopfte ihm unbeholfen auf die Schulter. "Hey."
"Er hatte grüne Augen gehabt ", hauchte Henry tonlos. "So wie Piper. Er hat immer mit mir Piraten gespielt, er fand das faszinierend. Und er war Wills bester Freund gewesen."
Leo ging nicht auf Pipers Augenfarbe ein; dass sie alle Farben hatte und sie nur im Licht grün waren.
"Will hat nicht mehr nach Sammy gefragt. Niemand hat das. Alle haben gedacht, dass er auf der neuen Schule glücklich war." Henry schluchzte unterdrückt.
Leo nahm Henry verlegen in den Arm. "Es ist nicht deine Schuld gewesen."
"Doch!" Henry riss sich von Leo los. "Ist es wohl. Wir durften als Minderjährige nicht disapperieren. Es war strengstens verboten." Er sah verzweifelt zu Leo hoch. "Wir sind so dumm gewesen... und so naiv..."
"Leo! Henry!"
Henry und Leo stoben auseinander.
Piper kam den Strand runter gejagt. "Leute!!!"
Leo stand auf und stellte sich schützend vor Henry. "Henry hat nichts-"
Piper atmete heftig und sah freudestrahlend zwischen Henry und Leo hin- und her. "Es- es hat funktioniert."
~ Kapitel Ende, 8500 Wörter ◉‿◉
Tag: Mittwoch, der 7.4
Stimmung: 🤳🏼🥺
Dieser Teil mit Henry am Ende war total übertrieben und dramatisiert. Ich weiß auch nicht, warum ich Leos ohnehin schweres Leben noch schlimmer mache (wie ist das überhaupt möglich?)
Arme Calypso...
Es waren vermutlich mehr Rechtschreibfehler als beabsichtigt drin- aber bei so langen Kapiteln bin ich am Ende immer so monton.
Ich freue mich übrigens immer über Kritik 🙃
Und ich habe nur einmal ein "༎✿༎"die gebraucht *stolz*
Achja, und bitte lasst Mal Feedback da xD
Ich denke immer, wenn ihr nichts sagt, dass irgendwas mit dem Kapitel nicht stimmt :l
Und dann suche ich wie eine Verrückte nach Rechtschreib- Logikfehlern. Und ja, ich werde immer fündig...
Wie auch immer, ich wünsche euch noch einen schönen Tag! ;)
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