siebenundsechzig. [eliza]
e l i z a
»She knew she loved him when home went from being a place to being a person.«
- E. Leventhal
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Ich musste mich zusammenreißen, nicht die ganze Zeit mit offenem Mund aus dem Fenster zu gucken. Ohne Zweifel, New York war wunderschön. Staunend betrachtete ich die Landschaft aus dem Taxi. Unglaublich große Hochhäuser und die unterschiedlichsten Menschen rasten an mir vorbei, ehe ich nur zweimal hingucken konnte. Nur wenn der Verkehr mal kurz stoppte, konnte ich einen längeren Blick erhaschen.
Wobei ich log, wenn ich behauptete, dass mir das alles nicht auch Angst machte. Der unglaubliche Lärm war beinahe betäubend. Überall konnte ich Schreie, Automotoren und Hupen hören. Auch nicht zu vergessen wäre das Radio meiner Taxifahrerin, dass schon die ganze Zeit Drake abspielte, währenddessen sie leise mitsummte. Sie war ohnehin eine sehr schillernde Persönlichkeit. Als ich am Flughafen ins Taxi gestiegen bin, konnte ich mir nicht verkneifen, zwei Mal hinzugucken. Ich schätzte sie zwar schon auf Mitte bis Ende fünfzig, sie sah aber eher aus wie ein einziger Paradiesvogel. Vor allem ihr knallorangenen Haar und das bunte Make-Up viel auf. Dennoch war sie mir um einiges lieber als das unfreundliche Klischee, was sonst New Yorker Taxifahrern hinterher gesagt wurde.
»Erstes Mal in New York, huh?«, sprach sie mich überraschender Weise an, nachdem Nonstop zu Ende gegangen war. Sie hatte noch nichts davor zu mir gesagt gehabt. »Zu Besuch oder im Urlaub?« Ich lächelte in mich hinein. »Es ist irgendwie beides.« Die Taxifahrerin nickte, allerdings entging mir ihr skeptischer Blick nicht. Im Gegensatz zu gefühlt Hunderten Mädchen am Flughafen. Ich war überrumpelt gewesen, als mich plötzlich so viele nach einem Foto fragten und es immer mehr wurden. Klar war es nicht das erste Mal gewesen, allerdings waren es selten so viele. Wobei ich mich immer wieder fragte, was ich ihnen brachte. Ich war schließlich nur berühmt dafür, Shawn's Freundin zu sein und nicht als ein Idol.
»Nichts für ungut Kindchen, aber wie kannst du dir dass Waldorf Astoria leisten? Es ist das Bonzen-Hotel überhaupt.« Ich lachte nervös und kratzte mir am Nacken. »Wissen Sie, dass ist eine ziemlich lange Geschichte.« Sie nickte, aber wirkte nur noch irritierter. Aber was sollte ich ihr auch erzählen? Doch die Taxifahrerin hinterfragte mich nicht mehr und wir verbrachten den Rest der Fahrt schweigend.
Knapp zehn Minuten später kamen wir am Hotel an und ich stieg aus. Sie hatte wirklich nicht unrecht gehabt: Es war allein schon von außen ziemlich beeindruckend. Ein scheinbar unendlich großes, in hellgrau gestrichenes Gebäude stand vor mir. Die großen Fenster und die massive Eingangstür konnte einen schon erahnen lassen, dass etwas sehr luxuriöses dahinter stecken musste. Ich wollte gar nicht wissen, was Shawn für das Hotelzimmer bezahlen musste.
»Dein Koffer«, meinte die Taxifahrerin und drückte ihn mir in die Hand. Ich war so damit beschäftigt gewesen, die Umgebung um mich herum zu betrachten. So hatte ich gar nicht bemerkt, dass sie bereits den Kofferraum aufgemacht hatte.
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Es war Anfang September und es herrschten hier hochsommerliche Temperaturen. Vermutlich hatte ich mich einfach zu sehr an das kalte Wetter gewöhnt, da in Neuseeland gerade erstmal der Winter vorbei war und die Temperatur mal etwas mehr als 15 Grad Celsius betrug.
»Ich will ja nicht unhöflich sein, aber du hast mich noch nicht bezahlt.« Schnell zog ich schnell meinen Portemonnaie heraus und hielt er hastig die Geldscheine hin. Wie peinlich. Seit wann war ich denn so eine Tagträumerin? »Na dann. Noch einen schönen Aufenthalt in New York, Kindchen«, verabschiedete sich die Taxifahrerin, nachdem sie das sorgsam verstaut hatte. Ich lächelte dankbar und winkte ihr noch kurz zum Abschied, bevor sie zurück ins Auto ging und ich das Hotel betrat.
»Heilige Scheiße«, murmelte ich leise. Und ich hielt schon die Außenfassade eindrucksvoll. Allein die Lobby erinnerte mehr an einen Palast, als an ein wirkliches Hotel. Alles war in gold und weiß Tönen, selbst ein prunkvoller Kronleuchter hing von der Decke. Plötzlich fühlte ich mich total fehl am Platz. Meine Knie schlotterten ein wenig, als ich zur Rezeption hinüberging. Glücklicherweise lächelte mich die Hotelangestellte freundlich an.
»Guten Tag, Ms. Alastair. Ich hab Sie schon erwartet. Mr. Mendes wartet schon auf dem Zimmer. Ich begleite Sie.« Bevor ich überhaupt den Mund aufmachen konnte, trat sie hinter der Theke hervor. »Dankeschön«, murmelte ich, woraufhin sie nur freundlich nickte. Ein paar Minuten später, nach einer peinlich still verlaufenden Aufzugfahrt, befanden wir uns in einen scheinbar ewig langen Gang. Die Hotelangestellte ging mit eiligen Schritten immer noch weiterhin voran. Schließlich hielt sie an der allerletzten Tür an. »Hier ist es. Das ist ihre Zimmerkarte. Ich wünsche Ihnen und Mr. Mendes noch einen schönen Aufenthalt«, sagte sie und drückte mir ein kleines Kärtchen in die Hand. »Dankeschön.« Sie nickte noch einmal kurz, bevor sie sich umdrehte und wieder zurückging. Zuerst versuchte ich es durch Türklopfen. Da Shawn aber nicht aufmachte, schloss ich die Tür doch mit der Karte auf.
Wieder entfuhr mir ein kleines „Wow", als ich dass Zimmer vor mir erblickte. Dieses Hotel war wirklich ein einziger Palast. Doch ich konnte nicht lange den prächtigen Raum bestaune und zuckte zusammen, als ich plötzlich von hinten umarmt würde.
»Buh«, flüsterte Shawn mir leise lachend ins Ohr. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich mich umdrehte. Wusste er eigentlich, was er mir mit seinem dämlichem schiefem Grinsen antat? »Oh mein Gott, du hast mich zu Tode ersch-«, ehe ich den Satz zu Ende ausgesprochen hatte, legte Shawn seine Lippen auf meine.
Oh mein Gott, wie ich das die letzten zwei Monate vermisst hatte. Wie sehr ich ihn vermisst hatte.
Zuerst war der Kuss unschuldig, doch schnell wollten er als auch ich mehr. Shawn ließ erneut seine Hände auf meine Hüfte wandern und zog mich noch näher zu ihn heran, währenddessen ich seine Hände in seinen Haaren vergrub. Ich erschauderte, als er begann kleine Küsse an meinen Hals zu verteilen. »Shawn«, kicherte ich leise. Er ließ grinsend von mir ab. Eine Sekunde sagte niemand von uns etwas, wir schauten uns nur glücklich an. Ich bemerkte, wie meine Wangen sich leicht rosa färbten.
»Denkst du nicht, dass ein Friseurbesuch wieder einmal notwendig wäre?«, wechselte ich das Thema und umwickelte mit dem Finger eine seiner Locken. Er stupste mir auf die Nase. »Dasselbe könnte ich zu dir auch sagen. Deine Haare sind richtig lang geworden.« Er hatte recht, mittlerweile gingen sie mir schon über die Schulter.
»Ich kann es immer noch nicht fassen. Habe ich dir eigentlich schon gesagt, dass deine Idee noch ein paar Tage in New York zu verbringen genial war?«
»So ziemlich zehntausend Mal. Es tut mir übrigens leid, dass ich nicht persönlich zum Flughafen gekommen bin. Aber es wäre mit den ganzen Fans vermutlich katastrophal geworden.« Ich schüttelte den Kopf. »Du musst dich für nichts entschuldigen. Schließlich verbringen wir einen ganzen Monat zusammen. Es ist wirklich ein Wunder, dass meine Semester- und deine Tourpause fast direkt aufeinander fallen.« Shawn vergrub seine Hände in die Hosentasche und schaute auf den Boden. »Leider ließen sich zwei Termine nicht absagen.« Fragend schaute ich ihn an. »Und die wären?«
»Ein Fotoshooting morgen früh und Ende der Woche die VMAs*.« Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass letzteres eine Preisverleihung war. »Würdest du dort wieder bitte meine bezaubernde Begleitung spielen?«, bat er mich und Ich verdrehte die Augen. »Und ich dachte damals die Gala würde mein letzter Roter Teppich Auftritt werden. Aber na gut.« Shawn strahlte über das ganze Gesicht. Eigentlich machte mir die Vorstellung eher Angst, wenn ich darüber nachdachte, wie die Benefizgala ausgegangen war. Aber ich wollte die gute Stimmung nicht ruinieren.
»Da wir das jetzt geklärt hätten...« Bevor ich mich versah, hatte Shawn mich wieder zu sich herangezogen.
Und in diesem Moment fühlte ich mich so glücklich wie lange nicht mehr.
Alles war perfekt.
Vielleicht hätte ich damals schon ahnen müssen, dass bei uns beiden nie lange Zeit etwas gut ging.
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*Die VMAs sind eigentlich eher immer Mitte bis Ende August, allerdings habe ich mir die Freiheit genommen, sie Anfang September stattfinden zu lassen.
Ich bin momentan kräftig am vorschreiben. Kaum zu glauben, es gibt nur noch fünf weitere Kapitel. Allerdings habe ich beschlossen, dass die letzten drei Kapitel als eine Art „Special" alle am selben Tag bzw. Abend herauskommen, in einem Zeitunterschied von etwa einer halben Stunde. Wann genau das sein wird, kann ich aber noch nicht festmachen :)))
- Holunderlimonade xx
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