2. Kapitel
Den restlichen Tag über war nicht sonderlich viel los, was mich aber in keinster Weise störte. Die Weihnachtssaison war wie jedes Jahr sehr intensiv gewesen und daher mit unglaublichem Stress und wenig Freizeit verbunden gewesen. Zum aktuellen Zeitpunkt war unser Hotel auch nicht wirklich stark besucht, was zu dieser Zeit, unmittelbar nach Weihnachten, aber gänzlich normal war – zu unser aller Erleichterung. Die meiste Zeit half ich Sophia dabei, eingehende Reservierungen zu bearbeiten oder mich mit den bürokratischen Notwendigkeiten auseinanderzusetzen. Heute war in der Tat ein gänzlich angenehmer Tag, was sich jedoch schnell ändern konnte und auch tat.
Es war später Nachmittag, als ein in vollständiger Businessmontur gekleideter Gast mittleren Alters aus dem Fahrstuhl trat und ohne jegliche Umschweife mit strammen Schritt auf uns zusteuerte. Ich erkannte ihn als wütend dreinblickenden Mr. Blake, der unser Haus erst vor wenigen Minuten wieder betreten hatte. In diesem Job war es definitiv wichtig, ein gutes Namensgedächtnis zu haben. Ich hatte ihn während seiner bereits zahlreichen Aufenthalte in unserem Hotel als sehr strengen Mann kennengelernt, dem man besser keinen Anlass dazu gab, einen nicht zu mögen. So wie sich seine Nasenflügel blähten und wie wildes Feuer aus seinen Augen sprühte, gab es dazu allerdings bedauerlicherweise einen Anlass. Ich schluckte schwer und richtete mich umgehend zu meiner vollen Größe auf, um ihn sofort beschwichtigend anzulächeln.
„Guten Abend, Mr. Blake", begrüßte ich ihn aufmerksam und rechnete bereits mit dem Schlimmsten, als er bei mir und Sophia angekommen war, energisch seine Unterarme auf dem Tresen abstützte und sich so weit in unsere Richtung lehnte, dass ich am liebsten ein Stück nach hinten ausgewichen wäre.
„Das hier ist doch ein The Ritz-Carlton oder etwa nicht?", begann er, während sich sein starrer Blick in den meinen bohrte und ich mein bestes gab, um diesem standzuhalten. Ich wusste, dass nun wieder einer der Dinge folgen würde, die meine jahrelange Erfahrung als Managerin in einem renommierten Hotel fordern würde.
„Selbstverständlich, Sir. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?", entgegnete ich in meinem üblichen Business-Tonfall und wartete nur darauf, dass er sich erklärte.
„Gut und wie kommt es dann, dass in einem derart weltbekannten, fünf Sterne Hotel geklaut wird?", verlangte Mr. Blake aufgebracht zu wissen, wobei er schon deutlich seine Stimme erhob und seine Stirn bedeutungsvolle Falten vorwies.
Ich hatte befürchtet, dass es irgendetwas in dieser Richtung sein würde, dementsprechend überraschte mich das nicht sonderlich. Sophia neben mir zog allerdings für mich hörbar scharf die Luft ein, was Mr. Blake aber wohl nicht aufgefallen war, nachdem er sich permanent auf mich fokussierte, da ich natürlich auch die richtige Ansprechpartnerin für solche Angelegenheiten war.
„Dürfte ich erfahren, was Sie vermissen, Sir?", fragte ich den aufgebrachten Gast vor mir sachlich.
„Meine sündhaft teure Rolex mit Gravierung, die mir meine Frau vor einiger Zeit zum Hochzeitstag geschenkt hat", erklärte er und gestikulierte dabei nun wild mit den Händen. Ich kannte diese Art von Hotelgast nur allzu gut. Mit großer Wahrscheinlichkeit war er seiner Frau nicht einmal treu und tat so, als ob sie das Wichtigste auf der Welt für ihn war.
„Ich verstehe. Wann und wo haben Sie ihre Uhr denn das letzte Mal gesehen, Mr. Blake?", antwortete ich verständnisvoll nickend und blieb dabei vollends professionell.
„Ich hatte sie heute Morgen auf meinem Nachtisch liegen und jetzt ist sie weg", entgegnete unser Gast wie aus der Pistole geschossen und wurde dabei plötzlich so laut, dass ich aus den Augenwinkeln Josephs besorgte Blicke auf mir spürte. „Jemand aus der Putzkolonne hat sie wohl mitgehen lassen. Diese Uhr ist unersetzlich!", schimpfte Mr. Blake und wurde schlussendlich im Gesicht so rot wie ein Krebs.
„Sind Sie sich sicher, dass Sie die Uhr in der Hektik des Morgens nicht doch noch wo anders verwahrt haben?", spulte ich auch weiterhin mein standartmäßiges Verfahren in solch einem Fall ab, wobei sich mein Stresspegel zugegebenermaßen aber um ein Vielfaches erhöhte.
„Was glauben Sie denn? Denke Sie etwa, dass ich nicht schon überall nach ihr gesucht habe?", brauste der Mann vor mir immer weiter auf und das Feuer in seinen Augen gefiel mir ganz und gar nicht.
„Selbstverständlich glaube ich Ihnen das Sir, aber in den meisten Fällen, wenn wir auf solche Anliegen aufmerksam gemacht werden, finden die Gäste ihre Habseligkeiten in kürzester Zeit wieder, nur eben an einem vollends anderen Ort, als angenommen", führte ich weiter aus und versuchte mich wieder in einem ehrlichen Lächeln, allerdings ging unser Gast überhaupt nicht darauf ein. Viel mehr wirkte er nur noch aggressiver. An seinem Hals trat seine Halsschlagader immer deutlicher hervor, wie ich aus den Augenwinkeln heraus feststellen konnte.
„Anscheinend werde ich hier nicht ernst genommen. Für wie blöd halten Sie mich eigentlich? Ich lasse mich doch von Ihnen hier nicht verarschen!", herrschte Mr. Blake mich an, doch ich zeigte darauf äußerlich absolut keine Regung.
„Haben Sie auch in Ihrem Safe nachgesehen, Sir? Normalerweise sollten Sie derartige Wertsachen unbedingt dort verwahren, auch wenn ich Ihnen mit absoluter Sicherheit sagen kann, dass wir niemanden hier beschäftigen, der sich an der Habe anderer bereichern würde", sagte ich mit absoluter Überzeugung und versuchte dabei, ihn irgendwie zu beruhigen, doch Mr. Blake schüttelte nur energisch den Kopf.
„Wollen Sie mir jetzt ernsthaft weismachen, dass ich die Uhr meiner Frau schlichtweg verschlampt habe? Und dass ich selbst schuld bin, wenn sie geklaut wurde, weil ich sie nicht in den Safe getan habe? Was für ein verfluchter Scheißladen seid ihr eigentlich hier? Ist das die Art und Weise, mit der man jahrelange Stammkunden behandelt?"
„Sir, ich kann Ihnen...", versuchte ich irgendwie in seine Schimpftirade reinzugrätschen, ohne es rüpelhaft wirken zu lassen, doch er ließ mich nicht.
„Ich will Ihre dümmlichen Ausreden und Floskeln nicht hören! So einen unfähigen Haufen wie euch habe ich ja noch nie erlebt! Verfickte Scheiße, wie soll ich das bitte meiner Frau erklären, wenn euer diebisches Personal alles verschwinden lässt! Ich will mit Ihrem Vorgesetzten sprechen, sofort!", steigerte sich der Mann immer weiter in die Sache rein und trieb somit meinen Puls immer weiter in die Höhe, auch wenn ich solche unangenehmen Gäste und Situationen schon zu Hauf erlebt hatte – inklusive der Beleidigungen. Man musste sich in diesem Job auf alle Fälle zügig ein dickes Fell zulegen.
Langsam aber sicher musste ich mir einen Schlachtplan überlegen, wie ich Mr. Blake beruhigen konnte. Bisher hatte bis auf uns Angestellte noch niemand den tumultartigen Zustand bemerkt, der sich hier gerade abspielte und genau dabei wollte ich es auch tunlichst belassen.
„Ich bin die diensthabende Managerin in der aktuellen Schicht, Sir. Ich würde Sie bitten..."
„Sie?! Das wird ja immer besser! Wenn ein Hotel nur solche verblödeten Leute einstellt, wundert mich natürlich nichts mehr! Ich rufe jetzt..."
„Sir", unterbrach ihn auf einmal eine kräftige Stimme unmittelbar hinter ihm in seiner fortgeführten Schimpftirade auf mich und das Hotel und Sekunden später tauchte eine große Hand auf der Schulter des Mannes vor mir auf.
Als sich Mr. Blake zu der Person umdrehte, zu der die Hand gehörte, nutzte ich ebenfalls die Gelegenheit und ließ meinen Blick hinter den vor mir stehenden Mann wandern. Niemand von uns hatte ihn vorher bemerkt, aber hinter Mr. Blake stand nun unser neuester Gast – Mr. Cumberbatch. Nun doch etwas erleichtert und dankbar für diese kurze Verschnaufpause, holte ich erst einmal tief Luft und begutachtete wachsam die Szene unmittelbar vor mir.
„Finden Sie es in Ordnung, so mit dieser Dame zu sprechen?", wollte der Gast der Premier Suite von Mr. Blake wissen, sobald er sich seiner vollen Aufmerksamkeit sicher war.
„Ich wüsste nicht, was Sie das angehen sollte", konterte Mr. Blake, allerdings war mir nicht entgangen, wie er kurz gezögert hatte und plötzlich deutlich ruhiger klang. Es machte den Eindruck, als ob er den Schauspieler kannte. Anders konnte ich mir nicht erklären, woher dieser spontane Gemütsumschwung kam.
„Es geht mich nichts an, weswegen Sie sich beschweren, das ist richtig. Allerdings geht es mich sehr wohl etwas an, wenn Sie derart ungehobelt mit dem Personal umgehen. Diese Menschen machen auch nur ihren Job und das Verhalten, welches Sie hier gerade an den Tag legen, ist definitiv nicht angemessen in diesem Umfeld", antwortete Mr. Cumberbatch gelassen, aber bestimmend und machte durch sein autoritäres Auftreten rasch klar, dass er keine Widerworte dulden würde – auf einen Schlag hin wurde mir dieser Mann äußerst sympathisch.
„Mr. Blake", sprach ich den jetzt zögernden Gast vor mir direkt an, ehe er durch Mr. Cumberbatch weiter in Verlegenheit gebracht werden konnte. Sobald er wieder zu mir sah, redete ich nach wie vor in einem ruhigen Tonfall weiter. „Ich schlage vor, dass Sie noch ein letztes Mal alle möglichen Plätze, an denen Ihre Rolex sein könnte, durchschauen. Ich versichere Ihnen, dass wenn solche Beschwerden auftreten, die Gegenstände meist doch noch gefunden werden. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, werde ich selbstverständlich alle nötigen Schritte einleiten, damit wir Ihre Uhr wiederfinden. Ist das so in Ordnung für Sie, Sir?"
Der Mann nickte ein paar Mal etwas abwesend, aber offenbar hatte er verstanden, was ich ihm gesagt hatte. Während ich sprach, spürte ich Mr. Cumberbatchs Blick auf mir ruhen, der mittlerweile wieder etwas Abstand zwischen sich und Mr. Blake gebracht und die Arme vor der Brust verschränkt hatte.
„Okay, das werde ich tun. Ich melde mich dann gleich nochmal bei Ihnen", sagte er auf einmal wieder so ruhig, als ob nichts passiert wäre und wandte sich zum Gehen, bis er wieder zu unserem anderen Gast sah, der immer noch stumm hinter ihm stand. Für einen Moment starrten sich die beiden Männer an, doch dann seufzte Mr. Blake hörbar und drehte sich nochmals halb zu mir um, ehe er erneut das Wort an mich richtete. „Bitte entschuldigen Sie mein Benehmen. Wir finden eine Lösung für das Problem." Erstaunlicherweise klang das gar nicht mal so sehr aufgesetzt und halbwegs aufrichtig.
„Das werden wir, Mr. Blake", erwiderte ich und schenkte dem Mann vor mir das ehrlichste Lächeln, was ich in dieser obskuren Situation aufbringen konnte.
Damit wandte sich Mr. Blake endgültig zum Gehen und verschwand wenig später bei Jackson im Lift und ich verlor ihn somit endgültig aus meinem Blickfeld. Erst dann bemerkte ich, dass Mr. Cumberbatch nach wie vor unverändert vor uns am Tresen stand, wobei er mittlerweile ein kleines Stückchen nähergekommen und seine Hände nun in den Hosentaschen seiner Anzughose vergraben hatte. Generell war er jetzt deutlich formeller gekleidet, als noch am Morgen. Ein schwarzer, langer Mantel würde ihm dieses Mal deutlich mehr Wärme schenken, sobald er ins Freie trat. Darunter bemerkte ich ein ebenfalls schwarzes Sakko und darunter wiederum ein blütenweißes Hemd. Um seinen Hals war eine dunkle Krawatte geknotet, die ihn in seiner generellen Aufmachung viel mehr wie einen Banker wirken ließ und nicht wie einen Schauspieler. Es war mir neu, dass sich Menschen aus seinem Tätigkeitsbereich für Meetings, zu eben einem solchen er wohl auf dem Weg war, so herausputzten. Seine rötlich schimmernde Mähne wirkte jetzt deutlich mehr gebändigt und ich fragte mich unwillkürlich, ob das seine natürliche Haarfarbe war oder nicht. Ich kannte ihn eigentlich nur mit bräunlich oder gar schwarzer Haarpracht. Auch jetzt trug er wieder seine Sonnenbrille und wirkte dadurch sehr ernst, was gänzlich im Kontrast zu seinem Auftreten vom Morgen stand. Als sich plötzlich ein durchaus zaghaftes Lächeln auf seine Lippen stahl, bemerkte ich, dass ich regelrecht eingefroren war und ihn anstarrte.
„Bitte entschuldigen Sie, Sir", bemerkte ich peinlich berührt und ärgerte mich über mein unprofessionelles Verhalten. Dieser ganze Vorfall hatte mich wohl sichtlich aus dem Konzept gebracht.
„Wofür? Dass Sie dieser einfältige Typ belästigt hat?", fragte er, wobei sich seine Gesichtszüge sichtlich entspannten und er wieder eher so wirkte, wie noch vor wenigen Stunden.
„Danke, dass Sie etwas gesagt haben, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen, Mr. Cumberbatch", entgegnete ich ausweichend und schaffte es erstaunlicherweise nicht, ihm während ich das sagte, in die Augen zu sehen.
„Und ob es das war, Miss Adair. So ein Verhalten ist absolut inakzeptabel und wenn ich so etwas mitbekomme, ist es meine Pflicht als britischer Gentleman, in die Bresche zu springen. Erst recht bei so einer zauberhaften Lady", stellte der Schauspieler deutlich klar und trieb mir damit mit Sicherheit deutlich Farbe in die Wangen. Vor allem war ich aber darüber verwundert, dass er sich wirklich an meinen Namen erinnern konnte – vielleicht hatte er aber auch einfach nochmal kurz auf mein immer präsentes Namensschild gelinst. Solche Sprüche waren nichts Neues für mich, aber üblicherweise kamen diese oft nur von irgendwelchen schmierigen Typen. Ich lächelte ihn höflich an.
„Was kann ich für Sie tun, Sir?", fragte ich und war erleichtert darüber, dass sich mein Herzschlag mittlerweile wieder deutlich beruhigt hatte und ich somit wieder klar denken konnte.
Ehe er etwas erwidern konnte, klingelte das Telefon neben mir, doch Sophia, die absolut stumm immer noch neben mir an ihrem Computer arbeitete, reagierte sofort und nahm ab. Mr. Cumberbatch zögerte und beobachtete Sophia. Ich folgte schlussendlich seinem Blick, bis sie kurz darauf wieder aufgelegt hatte und mich fast schon grinsend ansah.
„Mr. Blake lässt ausrichten, dass er seine Rolex gefunden hat", offenbarte sie mir, unterdrückte sich weitere Gesichtsregungen vor unserem Gast und widmete sich wieder ihrem Computer.
„In Ordnung, dann ist das auch geklärt", erwiderte ich und widmete mich wieder Mr. Cumberbatch, der lediglich – immer noch lächelnd – nickte. „Bitte verzeihen Sie. Womit kann ich Ihnen behilflich sein?"
„Ich bräuchte Ihre Hilfe mit dem U-Bahn-Netz hier. Ich war schon länger nicht mehr in dieser Stadt und frage darum sicherheitshalber nochmals nach", erklärte er und zog schließlich einen fein säuberlich zusammengefalteten Zettel aus seiner Hosentasche hervor. „Das ist die Adresse, zu der ich muss, allerdings habe ich auch nach meiner Online-Recherche immer noch nicht ganz verstanden, wo genau ich umsteigen muss", meinte er und zuckte dabei fast entschuldigend mit den Schultern, ehe er mir den Zettel auffaltete und entgegenhielt. Seine Schrift war zwar etwas krakelig, aber durchaus schön für eine männliche Handschrift.
„Ich helfe Ihnen dabei gerne, Sir. Selbst für New Yorker ist das Schienensystem oft nicht so einfach zu verstehen", antwortete ich und hatte kurz darauf schließlich alles entziffert – ich zögerte. „Soll ich Ihnen nicht lieber einen Fahrer an die Seite stellen, Mr. Cumberbatch? Diese Adresse befindet sich in keiner wirklich empfehlenswerten Gegend für Touristen", offenbarte ich ihm und sah ihn dabei fragend an, doch er schüttelte umgehend den Kopf.
Es wunderte mich sowieso schon, wieso jemand mit seinem Bekanntheitsgrad überhaupt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren wollte und dann auch noch in die Bronx. In ausgerechnet diesen Teil der Bronx. Dort würde nicht einmal ich hingehen, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Unser Gast schien sich der möglichen Gefahr allerdings nicht richtig bewusst zu sein, zumindest war das mein Eindruck.
„Manchmal tut es gut, wenn man sich einfach mal wie ein ganz normaler Bürger fortbewegt", sagte Mr. Cumberbatch und ich meinte für einen kurzen Moment einen dunklen Schatten über seine entspannten Züge wandern zu sehen. „Das klang nicht sonderlich höflich, bitte entschuldigen Sie", setzte er umgehend nach, doch ich nickte lediglich lächelnd.
„Hören Sie, Mr. Cumberbatch. Ich möchte Sie natürlich nicht bei Ihren Plänen in jedweder Form behelligen, aber Sie sollten unbedingt wissen, dass gerade dieser Teil der Bronx sehr gefährlich ist. Vor allem in der Nacht", versuchte ich ihm vorsichtig zu erklären, ohne ihm zu nahe zu treten und schaute dabei unwillkürlich nach draußen, wo bereits wieder die pechschwarze Dunkelheit eingekehrt war.
„Ich weiß Ihre Sorgen um meine Person sehr zu schätzen, Miss Adair", offenbarte mir Mr. Cumberbatch, wobei der vermeintliche Schatten in seinem Gesicht wieder gänzlich verschwunden zu sein schien. Dennoch wirkte er jetzt ziemlich müde, obwohl er eigentlich ja hatte schlafen wollen. Bestimmt der Jetlag. „Ich weiß aber, was ich tue", sagte er weiter, was in mir sofort die Alarmglocken hell ertönen ließ, auch wenn er dabei nicht so klang, als ob er sich in irgendeiner Form angegriffen fühlte.
„Ich wollte zu keiner Zeit...", begann ich mich unverzüglich bei dem Mann vor mir zu entschuldigen, da ich ernsthaft die Sorge hatte, ihm mit meinem Rat auf den Schlips getreten zu sein, doch er winkte lediglich ab.
„Nichts passiert", antwortete Mr. Cumberbatch und nickte dabei nochmals bestätigend, während wieder dieses warme Lächelnd auf seinen geschwungenen Lippen lag.
„Passen Sie bitte einfach auf sich auf, Sir", sagte ich abschließend zu diesem Thema, während ich bereits die Schublade zu meiner Linken geöffnet hatte, um einen Metroplan hervorzukramen und meinem Gast zu erklären, wie er am schnellsten zu der gewünschten Adresse kam.
Nachdem ich mit meiner Erklärung geendet und ihm die passende Reihenfolge der verschiedenen Linien und Namen der Stationen, an denen er umsteigen musste auf der Rückseite des Plans vermerkt hatte, hatte er sich nochmals bedankt und versprochen, vorsichtig zu sein. Danach hatte er sich ohne ein weiteres Wort umgedreht, aus seinem langen Mantel eine ikonische Baseball Cap der New York Yankees hervorgekramt, die er wohl noch von einem seiner vorherigen Besuche besaß, und auf seine kurzen, rot-bräunliche Haare gesetzt. Wenn er sich diese weit genug ins Gesicht zog, würde ihn womöglich niemand auf den ersten Blick erkennen, zumindest vermutete ich eben jene Intention hinter dieser Maskerade.
„Britischer geht es wohl nicht oder?", durchbrach Sophia auf einen Schlag hin die plötzlich aufgetretene Stille, nachdem Mr. Cumberbatch durch die Tür in die eisige Kälte getreten und schließlich aus meinem Blickfeld verschwunden war.
Ich zuckte als Reaktion auf ihre Feststellung nur knapp mit den Schultern, weil ich einfach nicht wusste, was ich Sinnvolles dazu sagen könnte. Dieser kleine Zwischenfall hatte durchaus etwas Besonderes an sich gehabt, aber ich schenkte dem Ganzen wohl nicht so viel Bedeutung wie meine Kollegin, die ganz aus dem Häuschen zu sein schien.
„Hannah, komm schon! Auch du musst doch zugeben, dass dieser Kerl verdammt heiß ist! Sein Auftreten, sein Charisma..."
„Sophia!", entfuhr es mir anprangernd, wobei ich sie mit nun großen Augen anstarrte und sie schließlich verstummte, mich aber weiterhin breit grinsend ansah.
„Es ist doch gerade niemand hier und ich habe doch vor ihm nichts gesagt oder getan", brummte sie spielerisch beleidigt, woraufhin ich nur seufzend mit dem Kopf schütteln konnte, ehe ich mich wieder an die Arbeit machte.
*
Wow, ich danke euch für den hohen Zuspruch beim ersten Kapitel letzte Woche! Das hat mich wirklich sehr gefreut. Klar dauert es etwas, bis diese Geschichte an Fahrt aufnimmt, aber ihr werdet es garantiert nicht bereuen, wenn ihr dranbleibt ;) Und macht euch keine Sorgen: Diese Geschichte wird auf jeden Fall anders verlaufen, als die davor und kein Abklatsch!
Ich wünsche euch noch einen schönen Tag <3
Fabienne
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro