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Eine Übernachtung mit Folgen
Jahr 2021, April - Seoul
„Was willst du jetzt eigentlich von mir?", frage ich nun, wohlwissend, dass das mit meinen acht Stunden Schlaf heute nichts mehr wird.
„Also..."
Johnny PoV:
Wie konnte ich bitte nur so naiv sein?
„Wie bitte, 04:00 Uhr morgens?!." Geschockt lege ich mein Handy leise auf meinen Nachttisch, schließlich will ich Mark ja nicht wecken.
Er sieht so niedlich aus, wenn er schläft.
Stop. Schluss mit der Schwärmerei. Ich sollte mich jetzt wirklich auf die zwei realisierbaren Stunden Schlaf konzentrieren.
Leichter gesagt als getan. Denn als ich meinen Kopf wieder vorsichtig auf meinem Kissen platziere, fängt mein Herz plötzlich wieder ganz stark an gegen meine Brust zu schlagen. Er liegt mit seinem Kopf zu nah an meinem. Aber was soll ich denn tun, ihn jetzt zu verschieben würde ihn mit Sicherheit wecken.
„Warum er? Warum ausgerechnet mein bester Freund?", frage ich flüsternd, während ich mich hinter meinem linken Handrücken verstecke. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ich auch auf Typen stehe. Nein, Gott musste mir noch einen reinwürgen, in dem ich mich in meinen besten Freund verliebe.
Wieso musste ich ihm denn auch anbieten auf meinem Bett zu schlafen? Klar, wäre es komisch rüber gekommen, ihn auf einer Matratze auf dem Boden schlafen zu lassen, nachdem ich seine Versuche bei mir zu schlafen für ein ganzes Jahr erfolgreich abgeblockt habe. Bevor ich auf ihn stand, hielt ich es schließlich auch für selbstverständlich, den Jüngeren auf meinem Bett schlafen zu lassen.
Warum es mir dieses Mal nicht gelang seine Anfrage abzulehnen?
Normalerweise würde ich behaupten keine Zeit zu haben. Nun ja. Meine Mum ist schuld. Als Mark letztens bei uns zu Besuch war, kam plötzlich meine Mutter in mein Zimmer hinein geplatzt und wollte wissen ob Mark nicht mal wieder übernachten wollen würde, da ich ja am Mittwoch auf Donnerstag in der kommenden Woche Zeit hätte. Mark war natürlich ganz Feuer und Flamme bei der Idee nach einem Jahr mal wieder bei mir zu übernachten. Weshalb ich es dem Kleinen auch nicht mehr ausschlagen konnte.
Tja, und jetzt hab ich den Salat.
Ich hätte vielleicht einfach anbieten sollen, dass ich anstatt ihm auf dem Boden schlafe.
Aber dass mich seine Nähe so nervös machen kann, hätte selbst ich nicht erwartet. Ich meine, das ist doch nicht normal. Wenn er wach ist bin ich doch auch nicht so nervös in seiner Gegenwart. Selbst für eine sehr verknallte Person ist das absurd. Jeder andere wäre nach spätestens zwei Stunden eingeschlafen.
Man, ich bin wirklich nicht der für den man mich hält. Was bin ich nur für ein Lappen? Ich bin sogar noch nach einem Jahr zu feige, ihm meine Gefühle zu gestehen, dabei kennen wir uns seit unserer Kindheit und ich weiß ganz genau, dass er mich nicht für etwas so unkontrollierbares wie Gefühle verurteilen würde.
Wieso aber, traue ich mich dann nicht?
Ist es vielleicht weil ich denke, dass es so oder so nichts bringen würde, weil er meine Gefühle ganz sicher nicht erwidert? Oder ist es vielleicht die Angst, dass sich dadurch etwas an unserer freundschaftlichen Beziehung ändern- und die Gegenwart des jeweils anderen unangenehm werden könnte. Ist es vielleicht die Angst davor ihn nicht richtig einschätzen zu können und quasi die Furcht davor, von ihm verspottet zu werden? Und dass ich daran zu Bruch gehen könnte?
Was auch immer es ist wovor ich mich fürchte-, es hält mich davor zurück mich möglicherweise selbst zu verletzen.
Mittlerweile habe ich bemerkt, dass das mit dem Einschlafen nichts mehr wird. Die Matratze jetzt raus zu kramen wäre erstens, zu spät und zweitens, würde ich mit großer Sicherheit Mark damit wecken und das will ich auf keinen Fall.
„Uh, you think ya big boi, throwing three stacks
I'ma show you how to ball you a mismatch", murmelt Mark auf einmal aus dem Nichts, während er sich in meine Richtung dreht. Völlig aus meinen Gedanken gerissen schrecke ich zurück und falle deshalb fast vom Bett.
„M-Mark?", frage ich mit zittriger Stimme. Ok gut, er schläft. Aber was war das denn? Hat er gerade im Schlaf gerappt? „Was eine seltsame Schlafgewohnheit", schmunzle ich leise zu mir selber, während ich mich langsam wieder von meinem Schreck erhole.
Da er sich zu mir gedreht hat, habe ich jetzt eine viel bessere Aussicht auf sein niedliches Schlafgesicht. „Süß", schwärme ich flüsternd und streiche dem deutlich Kleineren eine seiner blauen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
Auch wenn ich seine Nähe echt genieße, hoffe ich, in Deutschland kein Zimmer mit ihm teilen zu müssen. Denn ich kann es mir echt nicht leisten zwei Wochen lang, jede Nacht vor Nervosität wach, in dem wahrscheinlich eh schon ungemütlichen Bett der Jugendherberge oder des Hotels zu liegen und an die Decke zu starren. Vor allem nicht auf einer Klassenfahrt, bei der wir wahrscheinlich den ganzen Tag durch die Gegend wandern.
Für jetzt sollte es reichen, wenn ich den ganzen Tag über Kaffee trinke und etwas auf Energiesparmodus gehe.
Ten PoV:
Mit verschränkten Armen stehe ich jetzt meinem Ex gegenüber und mustere ihn mit einer Augenbraue nach oben gezogen. „Alsooo?!", gebe ich nun gespannt auf das, was er mir um 03:00 Uhr unter der Woche erzählen möchte wieder.
„Ich habe keinen Platz mehr, wo ich bleiben kann. Lass mich bitte so lange bis ich etwas gefunden habe bei dir wohnen!", bettelt er plötzlich völlig energetisch.
„Sag mal, spinnst du?!", erwidere ich, sichtlich geschockt über seine plötzliche Bitte. „Erst schreibst du mir monatelang mit verschiedenen Nummern irgendwelche Drohnachrichten. Und noch vor ein paar Minuten hättest du um 03:00 Uhr morgens mein Auto kaputt geschlagen, wenn ich nicht sofort runter gekommen und mit dir „geredet" hätte und dann erwürgst du mich auch noch fast, obwohl du mir zuvor per Text versichert hast, dass mir nichts passieren wird." Völlig ungläubig wende ich mich von ihm ab und schlendere wieder in Richtung des Wohnkomplexes.
„Mach von mir aus den Schrotthaufen kaputt, ich komm' auch öffentlich ganz gut klar!", rufe ich ihm noch einmal zu, bevor ich dann entschlossen über die Türschwelle trete.
„Bitte!", fleht er noch einmal, was ich gekonnt ignoriere. „Ich versuche auch so viel Miete zu zahlen, wie ich irgendwie Geld auftreiben kann." Interessiert drehe ich mich nun um. Denn mir ist eingefallen, dass ich die Wohnung während dem Deutschlandaufenthalt ja irgendwie finanzieren muss.
„Hmm... was ist mit deinen Eltern?", frage ich gefälscht interessiert, um ihn noch ein wenig aufzuziehen. „Man, das weißt du doch, die haben mich verstoßen nachdem, sie wussten, dass ich in den Knast musste weil ich dich... naja" „Weil du was?", unterbreche ich ihn nun amüsiert und gespannt auf seine Aussage. „Naja, weil ich dich... schlecht behandelt habe", sagt er beschämt aus.
„Mhm, und wie es scheint hat sich dies seitdem kein Stück verbessert", murre ich und verschränke wieder meine Arme vor der Brust.
„Hör zu, wenn du mich vorübergehend bei dir wohnen lässt, verspreche ich, dass ich nie wieder Hand an dich lege." „Siehst du, du erpresst mich schon wieder indirekt. Wie soll ich dir bitte vertrauen, wenn alles was du sagst deinen Taten widerspricht und andersrum?
Außerdem interessiert es mich nicht ob du die Miete mit bezahlen willst. Viel lieber würde ich doppelt so viele Stunden in diesem räudigen Café mit schlechter Bezahlung arbeiten, als dich auch nur für einen Tag bei mir aufzunehmen", raune ich mit einem schadenfreudigen Lächeln auf den Lippen.
Während ich so mit ihm rede, suche ich in meinem Kopf nach einer Lösung für mein Problem-, während der Klassenfahrt an Geld für die Miete zu kommen. Insgeheim habe ich schon vorher darüber nachgedacht und da es ja jetzt so scheint als gebe es keine bessere Lösung schlage ich ihm jetzt meine Idee vor.
„Ehm... hör zu! Ich hab' eigentlich keine Lust dich in meine Bude zu lassen. Das Problem ist nur, mir ist vorhin eingefallen, dass ich ja bald diese letzte Klassenfahrt habe, die ihr ja auch letztes Jahr hattet. Und in der Zeit kann ich natürlich nicht arbeiten gehen, um für meine Miete zu sorgen. Eine Woche würde gerade noch so gehen, aber wie du weißt, dauert der Aufenthalt im Ausland zwei Wochen und da wird es schwierig die Miete rechtzeitig zu bezahlen." „Was willst du mir damit sagen?", entgegnet der Ältere plötzlich.
Kurz überdenke ich nochmal, ob das wirklich die beste Lösung wäre. „Na gut", lege ich los. „Du kannst meinetwegen nach dem Wochenende hier einziehen, aber erwarte nicht, dass ich hier mit dir bleibe. Bis Montag finde ich mir einen Platz zum vorübergehend Wohnen. Die Klassenfahrt ist in circa zwei Monaten, und wenn ich zurückkomme, möchte ich, dass du bereits verschwunden bist. Wie du das anstellst, ist mir egal. Such dir einen Job oder so, aber bis dahin bist du wieder weg."
„Gut, und wo soll ich bis Montag pennen, es ist erst Donnerstag", raunt er. „Ist mir völlig gleich. Schlaf bis dahin auf der Straße, oder so. Und sei froh, dass ich dir dieses Angebot überhaupt gemacht habe. Ich hätte auch einfach die Polizei rufen können", knurre ich, von seiner Undankbarkeit gereizt.
„Das machst du doch nur aus reinem Eigennu-" „Nimmst du das Angebot jetzt an oder nicht?", unterbreche ich ihn.
Kurz darauf nimmt er eine nachdenkliche Pose ein und schaut dabei in den dunklen Himmel. „Hmm, na gut. Noch vier weitere Tage auf der Straße werd' ich schon noch aushalten", antwortet er endlich.
„Na gut, dann wäre das geklärt. Verschwinde! Ich möchte dich bis Montag nicht mehr sehen müssen." Ohne den Größeren eines weiteren Blickes zu würdigen, drehe ich mich nun um und laufe mit einer kleinen an ihn gerichteten Winkbewegung endlich zurück in das Wohngebäude, wobei ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen lasse.
Bevor ich durch die Tür meines kleinen Apartments gehe, hebe ich meinen linken Arm, um die Uhrzeit an meiner Armbanduhr ablesen zu können. „Schon nach 04:00 Uhr", hauche ich erschöpft, während ich meine dreckigen Schuhsohlen an der Fußmatte unter mir abstreife.
Bevor ich mich endgültig in mein Bett lege, um wenigstens noch die letzten zwei Stunden auszuruhen, wende ich meinen Blick noch kurz meinem Mäusekäfig zu. „Ein Tier wie du es bist könnte mir nie so auf die Nerven gehen."
Mit einem enttäuschten Lächeln schalte ich nun mein Licht aus und kuschele mich anschließend völlig fertig in meinem Bett ein.
„Gute Nacht Jan, oder eher, guten Morgen", knurre ich noch sarkastisch bevor ich vor Erschöpfung schließlich einschlafe.
Fortsetzung folgt...
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