4.
Ich hörte, wie meine Mutter meinen Namen rief und verließ sofort mein Zimmer.
Angekommen im Wohnzimmer stockte mir der Atem. Meine Mutter war komplett verheult und die Frau von Jugendamt sah einfach nur gestresst aus. Irgendwie war das beängstigend.
"Zitao, nun möchte ich dich über deine familiäre Lage befragen, bevor wir irgendwelche Entschlüsse ziehen."
Nein. Ich hasse Befragungen. Zumal meine Mutter hier dabei sitzt, was es nicht gerade einfacher macht.
"Okay.", das war das einzige, was ich in diesem Moment von mir geben konnte.
"Dafür möchte ich Sie, Frau Huang, bitten, den Raum zu verlassen."
Innerlich fühlte ich mich nun befreit von fast allem, doch kurz bevor meine Mutter den Raum verließ, warf sie mir noch einen warnenden Blick zu. Irgendwie beängstigte mich das.
"So, nun zu dir Zitao, oder willst du anders genannt werden?"
"Tao reicht auch.", hab ich kurz von mir.
"Nun gut, Tao..."
Diese Frau konnte reden wie ein Wasserfall, was es schwer machte, ihr zuzuhören.
Mir wurden alle möglichen Fragen gestellt, welche ich ehrlich beantworten sollte. Ich beantwortete nicht alle ehrlich, wie zum Beispiel, die Frage, in der ich nach dem Verhältnis zu meiner Mutter gefragt wurde.
Am Ende der Besprechung, fragte ich, ob ich kurz auf Toilette gehen könnte. Ich durfte.
Ich verließ das Wohnzimmer nicht um auf Toilette zu gehen, sondern um in mein Zimmer zu gehen und nachzuschauen, ob ich eine Nachricht hatte.
Tatsache.
Warum konntest du mir dann nicht antworten? Ich meine, wenn du nur verschlafen hättest, hättest du die Zeit gehabt mir zu antworten. Oder gibt es da noch etwas anderes, was du mir verschweigst?
Du kannst mir vertrauen Tao.
Irgendwie fühlte ich mich schlecht, wenn ich ihm nicht die Wahrheit erzählte, andererseits hätte ich Angst, dass er den letzten Satz nicht ernst meint.
Erkläre ich dir später, muss mein Handy jetzt verlassen. (;
Damit verließ ich auch den Raum wieder. Ich musste ihm später also die Wahrheit erzählen. Schließlich habe ich es ihm geschrieben, dass ich es ihm später erkläre und irgendwie ist er mir schon wichtig.
Wieder im Wohnzimmer angekommen erblickte ich meine Mutter, welche jetzt noch stärker weinte und eine Frau, welche nun noch gestresster aussah. Was ist hier passiert, in der kurzen Zeit, in der ich nicht da war?
"Uhm, was ist hier passiert?", fragte ich etwas unbeholfen.
"Nun ja, ich bin zu einem Entschluss gekommen, welcher für alle Beteiligten sinnvoll ist.", irgendwie machte die Frau mir damit Angst.
"Der wäre?", hab ich ungeduldig von mir.
Irgendwie interessierte es mich schon, warum meine Mutter so zerstört und die Frau so fertig aussah.
"Also, du, Zitao, packst einen Großteil deiner Sachen und wirst heute noch zu deinem Vater kommen, ich habe gerade mit ihm gesprochen. Du wirst diese Woche nicht mehr in die Schule gehen. Für einen Schulwechsel werde ich noch sorgen.", sie machte eine große Pause.
Bitte was? Nein! Ich will nicht zu meinem Vater! Außerdem wollte ich Kris noch einmal sehen! Das kann diese Frau doch nicht einfach so tun?!
Sie sprach weiter: "Deine Mutter, Frau Huang, wird in eine Entzugsklinik kommen."
Meine Mutter war einfach nur still.
Nun war ich derjenige, der weinte.
Kann nicht einmal etwas in meinem Leben nicht schief laufen?
"Bis wann muss ich meine Sachen gepackt haben?", fragte ich mit zittriger Stimme.
"Bis neunzehn Uhr. In der Zwischenzeit wird deine Mutter zu ihrem Wohnort gebracht, ihre Sachen werden später dort hin gebracht.
Versuch in der Zwischenzeit, in der du alleine bist, ja nicht abzuhauen oder sonstiges."
Ich sah auf die Uhr. Es war inzwischen um sechs. Noch eine Stunde also.
"Frau Huang? Stehen sie auf und verabschieden Sie sich von ihrem Sohn.", nach der Aussage der Frau stand meine Mutter sofort auf und lief auf mich zu. Ich stand auch auf. Nicht um meine Mutter zu umarmen, sondern um ihr auszuweichen.
Sie ist daran Schuld, dass ich jetzt zu meinem ach so tollen Vater muss.
Ich wich aus, verabschiedete mich von der Frau, welche mich noch einmal warnte, dass, wenn ich abhauen würde schlimmere Maßnahmen ergriffen werden müssten und verschwand dann auch in mein Zimmer.
Ich wollte Kris noch einmal sehen.
Also rief ich ihn an.
"Kris?", fragte ich mit zittriger Stimme.
"Tao?", er klang geschockt.
"Kris, hast du Zeit?"
Ich hoffte es einfach nur. Meine Sachen können jetzt warten.
"Nein, also ja, was ist überhaupt los?", im Hintergrund hörte ich jemanden reden. Die Stimme, welche ich hörte, konnte ich Jongin, beziehungsweise Kai zuordnen.
"Das erkläre ich dir dann, kannst du irgendwie raus?"
"Ja, ich bin im Moment sogar in der Nähe, deiner Wohnung."
Was? War er bei Kai? Kai ist die einzige Person, bei der er sein könnte, welche hier in der Nähe wohnt.
"Komm her.", damit legte ich auf, rannte zur Tür, zog mir Jacke und Schuhe an und sah nochmal auf mein Handy, als ich ein Vibrieren wahr nahm.
Bin gleich da.
Ich rannte die Treppen herunter und lief aus dem Gebäude. In der Richtung zu Kais Wohnung sah ich jemanden rennen.
Ich lief der Person entgegen.
Diese Person war Kris.
Als er bei mir angekommen war, nahm er mich sofort in seine Arme.
Ich musste erneut weinen, da das hier das erste und warscheinlich auch letzte mal war, dass wir uns so nahe waren.
"Hey, ruhig. Alles wird gut."
Er strich mir über den Rücken. Das beruhigte mich ein wenig. Wir lösten uns.
"Kris, nichts wird gut."
Ich hatte sowieso schon jede Hoffnung aufgegeben ihn nach diesem 'Treffen' noch einmal zu sehen.
"Erzähl mir erstmal was los ist, warum du weinst und warum du mich so plötzlich sehen wolltest."
Seine Stimme hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Ich hätte niemals gedacht, dass mich jetzt noch irgendjemand oder irgendwas beruhigen könnte; aber Kris schaffte es. Wie auch immer er das machte.
Ich fing an ihm alles zu erzählen, von dem Zustand meiner Mutter , der Trennung meiner Eltern, dass meine Mutter jetzt weg ist und, und, und. Nur ein was ließ ich bis jetzt aus; dass ich jetzt gehen muss.
"Kris? Ich habe dir bis jetzt den Grund, warum ich dich jetzt sofort sehen wollte und warum ich eigentlich weine verschwiegen. Ich werde hier wegziehen."
Kris stockte der Atem. Er sah mich ungläubig an.
"Das war ein Witz, oder?"
"Nein.", mir stiegen erneut die Tränen auf.
"Wir... wir, ich...du- wann? Es wird doch bestimmt noch ein wenig Zeit sein, oder?"
Ich schüttelte meinen Kopf und sah auf die Uhr.
"In zwanzig Minuten."
"Was?!"
Ich zuckte zusammen, als er schrie.
"Ich werde in zwanzig Minuten zu meinem Vater gebracht."
"Wo wohnt er?"
Kris' Stimme war zittrig.
"Irgendwo anders in Seoul glaube ich."
Er kann inzwischen ja auch schon wo ganz anders leben. Das wurde mir erst jetzt bewusst.
"Kann ich dich dann irgendwie sehen? Bitte. Auch wenn wir uns nicht wirklich kennen, du bist mir wichtig.", nun weinte auch er. Den letzten Teil sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen. Auf seinen wunderschönen Lippen.
Er zog mich in eine innige Umarmung, welche aber kurz darauf gelöst wurde.
"Kris? Was wird das hier?"
Kai.
Warum? Kann dieser Typ nicht woanders sein und jemand anderen nerven?
"Ich hab ihn nur umarmt.", Kris sah mich entschuldigend und auch irgendwie leidend an?
Warum sah er aufeinmal so leidend aus? So gezwungen, etwas zu tun.
Diese Frage wurde mir beantwortet, als Kai ihn zu sich zog und ihn küsste.
In diesem Moment rutschte mein Herz tiefer, als es schon war. Wenn das überhaupt noch möglich war.
Tränen bahnten sich den Weg über mein Gesicht. Es fühlte sich an, als würde ich von innen aufgefressen werden, langsam und qualvoll. Seit gerade eben.
Seitdem Kai Kris geküsst hatte.
Nicht seit vorhin, als ich erfahren hatte, dass ich zu meinem Vater musste, nicht, seitdem ich Kris gesagt hatte, dass ich wegziehe, seit gerade eben.
Aus meinem Gedanken erwacht, starrte ich geradeaus. Kai schliff Kris, mehr oder weniger, zu seiner Wohnung.
Nun ging auch ich wieder zu der Wohnung, welche ich gleich verlassen werde.
Ich packte den Großteil meiner Sachen in meinen Koffer, welchen ich noch nie benutzt hatte, und trug ihn die Treppe hinunter.
Ich verließ das Gebäude heute zum zweiten Mal. Das erste mal war grausam, das zweite mal, jetzt, war nicht besser.
Ich stieg in das Auto ein, mein Koffer wurde in den Kofferraum gepackt.
Nachdem die Leute, welche mich zu meinem Vater bringen sollten, mich darüber informierten, das mein Vater wieder einmal woanders wohnte, durfte ich endlich meine Kopfhörer in meine Ohren stecken und der Musik lauschen.
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