Chapter Four
Ich holte mir einen Kaffee aus der Teeküche und riskierte einen Blick auf die Uhr, bevor ich mich wieder auf meinen Schreibtischstuhl setzte. Es war kurz nach halb Zwei. Meine Frau würde mich umbringen, wenn sie wüsste, was ich hier tat.
Mit einem Doppelklick öffnete ich die Datei, die ich zuvor mindestens eine Viertelstunde gesucht hatte. Eine Videoaufnahme von der Show. Ich spulte vor bis auf den Leinwänden die Blitzerbilder von Chris erschienen. Ab diesem Moment schaute ich mir das Video an. Ich wusste nicht, was ich hoffte, zu entdecken, aber ich achtete auf jedes Detail, dass vielleicht wichtig sein konnte.
Es schien alles wie immer: Ich schoss mit dem Flammenwerfer einen Feuerstrahl ab, ließ einen Goldbarren in einen Topf fallen, aus dem Nebel quoll, animierte das Publikum zum Klatschen und stieg anmutig die Leiter zum Gerüst hoch, von der ich gleich das goldene Gebräu über den roten Golfklumpen gießen würde. Gleich danach würde der Pyroeffekt hochgehen und der Lambo erscheinen.
Dann erkannte ich etwas. Eine versetzte Bewegung in der ersten Reihe.
Marie, die Freundin meines Bruders, sprang auf, noch bevor der Pyroeffekt zündete. Es wirkte fast so, als hätte sie gewusst, was passiert.
Erst als der Lambo ohne jegliche Pyroeffekte erschien, wodurch jeder im Publikum sehen konnte, wie der Trick funktionierte, setzte sie sich wieder auf ihren Platz.
Mein Bruder, der immer auf dem Fahrersitz mit dem Lamborghini erschien, stieg aus dem Auto aus. Ich sah, dass er ansetzte um etwas zu sagen, vermutlich wollte er sich für den schiefgegangenen Trick entschuldigen, doch da diese Aufnahme ohne Ton war, konnte ich nicht verstehen, was er sagen wollte. Ich wusste es bis heute nicht. Denn dazu kam es dann auch nicht mehr.
Gerade als Chris Luft holte um zu sprechen, ging der Pyoreffekt los, der eigentlich als Ablenkung für die Erscheinung des Lamborghinis geplant gewesen war. Die Explosion warf meinen Bruder ein paar Meter nach hinten und ließ sämtliche Stellen an seiner Kleidung und seinem Körper in Flammen aufgehen. Er krachte mit dem Kopf auf die Bühne und blieb liegen. Das Publikum schreckte hoch, Marie saß nur mit offenem Mund da, als hätten wir gerade die krasseste Illusion aller Zeiten aufgeführt. Leute mit Feuerlöschern rannten auf die Bühne. Dann fiel der Vorhang.
Mein Herz schien wieder in tausende Teile zu zerspringen als ich mir diese Szene angeschaut hatte. Plötzlich hatte ich Tränen in den Augen. Das hätte so anders ausgehen können. Mein Bruder konnte von Glück sprechen, dass er das überlebt hatte.
„Marie...", murmelte ich. Das, was ich da gerade gesehen hatte, warf ein ganz schlechtes Bild auf sie.
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Der Kaffee war schon leer als ich damit anfing, den Dienstplan für die Pyro an diesem Abend durchzugehen.
Nils, Bernd, Markus, Antonio und mein Bruder selbst hatten sich um die Effekte gekümmert und alles mehrmals kontrolliert. Eigentlich die gleiche Gruppe wie immer. An den Namen konnte ich schon einmal nichts feststellen.
Chris konnte ich auch schon einmal ausschließen. Denn, warum sollte er sich selbst in Flammen aufgehen lassen wollen? Es wäre schon etwas gestört, wenn ich das von meinem Bruder glauben würde. Außerdem nahm er das mit dem Pyroeffekten sehr genau. Für ihn musste das alles perfekt sein. Je länger ich darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher wurde es, dass er dahintersteckte. Es machte einfach noch weniger Sinn als ohnehin schon.
Somit blieben nur noch vier Namen übrig. Bei keinem fiel mir etwas Besonderes ein. Ich würde also alle vier bei der Arbeit zur Rede stellen.
Und Marie natürlich. Sie war mir bisher das größte Rätsel.
Eine Frage blieb mir aber: Warum sollte jemand meinen Bruder so in Gefahr bringen wollen? Er hätte, er hätte... fast hätte ich die Tasse umgeworfen als mir das bewusst wurde.
Er hätte sterben können.
Mein Bruder.
Zählte das schon Mordversuch?
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Ich zog den Schieber mit der Maustaste ganz nach rechts, zum Ende der Aufnahme. Durch die Autoplay-Funktion startete das Video wieder von Vorne. Ich wollte das Fenster schon schließen, da sah ich etwas, was ich vorhin mit dem Spulen übersprungen hatte.
Nils und Antonio standen Backstage neben dem Lamborghini. Durch die wilde Gestikulation schien es so, als würden sie diskutieren. Bis Nils die Steuerung für die Pyro auf den Boden donnerte und davon stampfte. Was auch immer das war, es war merkwürdig.
Sehr merkwürdig.
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