Kapitel 41
Ich schlief wieder für ein paar Stunden ein und als ich wieder wach wurde, war das Zimmer immer noch leer. Die Schmerzen waren schon fast unerträglich. Doch es störte mich nicht. Ich wollte diesen Schmerz spüren und versuchte mich zu bewegen, um ihn noch schmerzlicher zu machen. Ich drehte und wälzte mich von einer auf die andere Seite, immer und immer wieder. Jedesmal durchfuhr mir ein fast unerträglich Schmerz. Ich will ihn spüren, diesen Schmerz. Der Schmerz, der mir zeigte, das ich noch lebte. Auch wenn ich mich nicht so fühlte. Kurz danach kam eine Schwester rein um nach mir zu schauen. Sie fragte, wie es mir geht und ob ich irgendwas brauch. Doch ich drehte mich nur weg. Sie soll wieder gehen. Lasst mich alle alleine. Haut ab und lasst mich einfach hier liegen. Mich und meinen Schmerz.
2 Tage später
Die Schmerzen wurden weniger und das störte mich. Ich brauchte ihn doch. Bleib hier. Der Arzt kam zur Visite und fragte mich paar Sachen, doch ich hörte kaum zu. Wollte keinen sehen, keinen hören, keinen in meiner nähe haben. Wollte nur meine Ruhe. Er erzählte irgendwas davon, das mein Freund seit 2 Tagen draussen im Flur saß und sich keinen cm von da weg rührte. Pech, er sollte doch gehen, wenn er das nicht macht, nicht mein Problem. Ich hörte, wie er zur Schwester sagte, das ich noch nicht entlassen werde und dann waren sie wieder weg. Ruhe, Schmerz, alles da, was ich brauchte.
Weitere 2 Tage später wurde ich entlassen und Riku und Jessi (die mich mehrmals besucht hatten, ich aber nicht sehen wollte) holten mich ab und brachten mich nach Hause. Dort stand Samu geknickt in der Eingangstür und sah einfach nur traurig an. Seine Augen waren rot vom stundenlangem weinen und schlafmangel. Wie ein häufchen Elend stand er da. Ich ging an ihn vorbei, ohne ein weiteres Wort. Ich ging nach oben ins Schlafzimmer, schloss mich ein und setzte mich aufs breite Fensterbrett und schaute raus. Ich bekam nicht mit, das Samu zusammenbrach, das er weinte und weinte und sich lange nicht beruhigen konnte. Das er um Hilfe bat, nicht wusste was er machen soll. Von seiner Angst, seiner Trauer, seiner Verzweiflung, seiner Hilflosigkeit, von alle dem bekam ich nichts mit. Weiß auch nicht, ob das was geändert hätte. Klopfen. Irgendjemand klopft an der Schlafzimmertür.
"Tessa? Tessa bist du wach? Mach bitte die Tür auf. Ich bins, Jessi. Süsse, bitte mach die Tür auf" sagte sie, doch ich reagierte nicht. Blieb starr auf der Fensterbank sitzen und rührte mich nicht.
Die Tage zogen an mir vorbei, doch ich merkte davon nicht viel. War in meiner eigenen Welt gefangen. Wollte hier auch nicht raus. Es kamen neue Gefühle. Schuld, Angst, Verzweiflung und Trauer. Warum ich? Ich liebe Kinder über alles. Wollte immer welche haben. Warum musste ausgerechnet mir das passieren? Ich verstand es nicht. Egal wieviel ich darüber auch nachdachte. Hätte ich irgendwas anders machen können? Hätte ich das verhindern können? Hätte ich mein Baby retten können? Wäre ich doch gleich zum Arzt gegangen. Doch wer rechnet den mit sowas. Hab nicht mal in Erwähnung gezogen, schwanger sein zu können. Nehme doch die Pille. Aber ob Samu es auch gewollt hätte? Sicher nicht. Ich blieb in meiner Starre und fand keinen Weg heraus. Ich war gefangen in meiner eigenen Trauer, Verzweiflung und Schuld. Ich aß immer weniger und ich wusste, das Samu sich Sorgen um mich machte, doch das war mir egal. ich fühlte nichts mehr. Auch Samu gegenüber nicht. Ich weiß, ich hätte mir ihm reden müssen. Aber wie sollte ich ihm das verständlich machen? Wie sollte ich ihm was erklären, was ich selber nicht verstand? Wie soll er das dann verstehen? Ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts mehr.
Samu versuchte alles, um mit mir zu reden, mich zum essen zu bringen, mich aufzuheitern oder wenigstens, damit ich überhaupt ein Zeichen von mir gab. Er klopfte ständig an die Tür, versuchte mit mir zu reden, schrieb mir Briefe und steckte sie unter die Tür durch, schrieb SMS, rief an, wenn er unterwegs war. Stand sogar einmal mit der Gitarre unten am Fenster und sang mir was vor. Ich kannte das Lied nicht, doch hörte ich auch nicht wirklich zu. Er gab nicht auf.
Mitlerweile war fast ein Monat rum und ich ignoriere weiter hin alle. Egal, wer sich meldet, ich ging nicht ran, schrieb nicht zurück, sprach mit keinem auch nur ein einziges Wort. Wenn ich schlief, schlief ich tief und fest und traumlos. Doch diese Nacht war anders. Ich träumte wirres Zeug. Da war ein Auto, das ziemlich schnell fuhr. Ich erkannte niemanden in dem Auto. Es war alles schwarz. Irgendwann Blaulicht, Sirenen, Stimmen die wild und schnell durcheinander sprachen. Krankenhaus. Operationssaal. Viele Ärzte und Schwestern, die um den Operationstisch herumwirbelten. Ich versuchte näher zu kommen. Irgendwas zu erkennen, doch ich sah nur Umrisse. Lautes Piepen. Irgendein Apperat zeigte nur noch einen geraden Strich, der durch den Bildschrim lief, zusammen mit einem langen anhaltenem Piepen. Sie versuchten, die Person wieder zu holen, doch es klappte nicht. Irgendwer sagte "Zeitpunkt des Todes 13:35Uhr". Mit einmal waren alle Ärzte und Schwestern verschwunden und ich konnte zu dem Tisch gehen. Ich ging langsam darauf zu und mir stockte der Atem. Nein, das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. Nicht er. Nicht heute. Nicht jetzt. Warum nur? Was habe ich getan. "Bleib hier. Bleib bei mir" versuchte ich ihn anzuschreien, doch es kam kein Ton über meine Lippen. "Bleib hier bei mir, ich liebe dich doch Samu" hörte ich mich flüstern und saß mit einmal schweißgebadet in meinem Bett. Ich war total unruhig und sah mich verzweifelt um. 06:59Uhr zeigt die Uhr und draussen war es schon hell. Was für ein Traum, dachte ich nur und wollte unter die Dusche, als es wild an der Tür klopfte.
"Tessa? Bist du wach? Mach dir Tür auf, es ist wichtig. Samu hatte einen Unfall und wurde ins Krankenhaus gebracht. Komm bitte mit mir mit" schrie Riku verzweifelt durch die Tür durch.
Mir fiel sofort mein Traum wieder ein und ich fiel wieder in meine Starre zurück. Mit einmal prasselten alle Gefühle auf einmal auf mich ein und mich über kam ein Heulkrampf. Ich sackte auf den Boden und weinte. Ich versuchte mich zu beruhigen und wieder aufzustehen. Zwang mich regelrecht dazu.
"Tessa bitte, Samu braucht dich jetzt. Komm bitte raus" rief er weiter.
Ich zog mir schnell irgendwas über und ging zur Tür und machte auf. Ich sah Riku in die Augen und brachte nur ein geflüstertes "Samu" raus.
"Komm, ich bring dich zu ihm. Er muss jetzt wissen, das du da bist. Er braucht dich Tessa. Es sieht nicht gut aus. Er ist sehr schwer verletzt und braucht dich mehr denn je" erklärte er mir leise.
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