Kapitel 49
Hannah
Ein paar Stunden sind jetzt vergangen seitdem Emmas Familie hier eingetroffen ist. Ihre Mutter weint andauernd und ihr Vater weiß nicht mehr was er machen soll, weil sie sich nicht von ihm trösten lassen will. Und mittlerweile ist es Daniel, der hier unruhig den Gang auf und ab läuft.
»Alles wird gut«, flüstere ich ihm zu und er nickt nur, als plötzlich eine Krankenschwester um die Ecke biegt.
»Entschuldigen Sie bitte«, spricht Daniel sie sofort an. »Können Sie mir etwas zu dem Zustand von meiner Freundin sagen?« Er sieht die Dame erwartungsvoll an, doch sie sieht nur unsicher zwischen uns hin und her. »Gehören Sie zu Emma?«, fragt sie. »Ja«, antworten wir alle fast wie im Chor.
»Okay. Ich darf Ihnen leider keine Auskunft darüber geben, aber es wird bald ein Arzt vorbeikommen. Der kann Ihnen dann weiterhelfen.« Gerade will sie weitergehen, als Daniel sie am Arm festhält. »Bitte! Wir wollen doch nur wissen, ob sie überhaupt noch lebt!« Einen kurzen Moment denke ich, dass die Krankenschwester Erbarmen mit uns hat und Informationen preisgibt, aber sie seufzt nur. »Das darf ich Ihnen leider auch nicht sagen. Und ich muss jetzt auch weiter. Ich wünsche Ihnen viel Kraft für die nächste Zeit. Bleiben Sie stark, okay?« Daniel lässt sie los und sie verschwindet am Ende des Ganges um die Ecke.
»Was hat sie damit gemeint?«, wendet sich Daniel an uns. Ich zucke mit den Achseln und Emmas Mutter schluchzt jetzt noch mehr, als davor. »Hat sie uns etwa gerade durch die Blume gesagt, dass es Emma nicht geschafft hat? Oder was sollte das mit dem ‚bleiben Sie stark'?« Ich merke, wie glasig Daniels Augen werden und auch in mir lösen diese Worte etwas aus. Aber das darf einfach nicht sein.
Emma kann nicht tot sein. Sie hat doch vorher noch gelebt, als wir sie gefunden haben. Sie darf sich nicht selber umgebracht haben. Sie ist doch gerade mal 18 Jahre auf dieser Welt. Sie hat noch ihr ganzes Leben vor sich. Wieso wollte sie es wegwerfen?
Einzelne Tränen laufen mir über die Wangen. »Nein. Das hat sie bestimmt nicht so gemeint«, versucht Lukas uns aufzumuntern, obwohl man ihm ansieht, dass er seinen eigenen Worten keinen Glauben schenkt. »Die Krankenschwester hat gesagt, wir müssen jetzt stark bleiben. Und sie hat recht. Was anderes bleibt uns nicht über, während wir hier auf weitere Infos warten«, wirft Emmas Vater ein.
Wir versuchen alle unsere Tränen unter Kontrolle zu bringen, als sich eine Tür öffnet und ein Arzt hervorkommt. »Sind Sie die Familie Grabner?«, fragt der Mann im langen, weißen Kittel und kommt auf uns zu. Emmas Eltern nicken.
»Und wer sind Sie?«, fragt der Arzt und sieht Daniel und mich an. »Ähm.. ich bin ihr beste Freundin und Daniel ist ihr fester Freund.« »Sollen die beiden dabeibleiben?«, fragt er wieder an Emmas Familie gerichtet. »Ja, bitte. Sie gehören schon fast zur Familie«, sagt ihre Mutter sofort. »Okay...« Der Arzt klappt die schwarze Mappe, die er in seinen Händen hält auf, scheint etwas nachzulesen und klappt sie dann wieder zu.
»Wollen Sie sich setzen?«, fragt er. Warum sollen wir uns denn jetzt setzen? Sagt man so etwas nicht nur, wenn einem eine Hiobsbotschaft überbracht wird?
»Ich weiß, die ganze Situation ist bestimmt unerträglich schwer für Sie–« Oh mein Gott. Will er uns jetzt etwa sagen, dass Emma tot ist...? »Ihre Tochter Emma hat eine Überdosis an Beruhigungstabletten genommen. In Verbindung mit Alkohol. Und das nicht in geringen Mengen.«
Emmas Mutter schnappt nach Luft.
»Ich weiß nicht, warum Sie das getan hat. Aber es muss etwas mit Ihnen zu tun haben.« Jetzt schluchzt sie wieder und Lukas nimmt sie beschützend in den Arm.
»Wie kommen Sie darauf?«, presst Daniel hervor. Seine Unsicherheit ist ihm anzuhören. »Sie will nicht mit Ihnen sprechen. Sie hat mir ausdrücklich gesagt, dass sie alleine sein möchte und keinem sehen will.« »Was?«, entfährt es mir. »Heißt das, dass sie lebt?«, schreit Lukas gradeaus heraus. Der Arzt lächelt. »Ja, sie hat es geschafft. Wenn auch nur ganz ganz knapp. Das sollte definitiv ein Warnschuss sein.«
Erleichterung macht sich in unseren Gesichtern breit. Mir laufen erneut die Tränen über die Wangen, aber dieses Mal vor Freude. Erst umarmen sich Daniel und ich und dann auch noch alle anderen. Das ewige Warten und Hoffen hat sich gelohnt. Emma lebt. Sie hat es geschafft. Und ich werde nie wieder zulassen, dass sie so etwas schreckliches tut.
»Aber warum will sie uns nicht sehen?«, fragt Daniel und sieht den Arzt erwartungsvoll an.
»Das weiß ich leider auch nicht. Sie wollte es mir nicht sagen. Und da sie volljährig ist, kann ich sie nicht dazu zwingen. Tut mir leid.« »Und wie geht es dann jetzt weiter?«, mische ich mich ein. »Ich meine, wir müssen doch jetzt für sie da sein und uns um sie kümmern.
Immerhin ist sie wahrscheinlich immer noch selbstmordgefährdet.«
»Ich kann Sie sehr gut verstehen. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Wir schauen rund um die Uhr auf sie, da kann nichts passieren. Und wir haben auch schon eine Psychologin zur Hilfe gezogen, die mit Emma reden wird. Vielleicht lenkt sie dann ein und Sie können zu ihr. Aber für den Moment ist es wahrscheinlich am Besten, wenn Sie nach Hause gehen, vielleicht ein paar Sachen für Emma zusammenpacken und dann morgen in Ruhe wiederkommen, in Ordnung? Die Situation muss sich auch erstmal beruhigen.« »Okay«, sage ich und sehe dabei Emmas Eltern an, die zustimmend nicken. »Danke, dass Sie meine Tochter gerettet haben«, bedankt sich Emmas Mutter noch bei dem Arzt, bevor wir allesamt das Krankenhaus verlassen.
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