F Ü N F
Auch sechs Wochen später sollten dieses Gespräch
und diese gemeinsam verbrachte Pause der erste und letzte echte Kontakt sein,
den Ivy und Matt hatten.
Sie lebten beide, als gäbe es die andere nicht.
Zumindest wollten sie sich das weismachen.
Aber eigentlich sah Ivy jeden Morgen sehnsüchtig zum Fenster hinaus und atmete erleichtert auf,
wenn Matt hereinkam.
Eigentlich trödelte Matt absichtlich, um im selben Bus zu landen wie Ivy.
Und eigentlich begegneten sich ihre Blicke viel öfter, als sie es sich beide eingestehen wollten.
Und dann, endlich, kam der Tag, an dem sich alles änderte.
Derek's Todestag.
Schon morgens wusste Ivy, dass heute ein ganz besonderer Tag war.
Derek hatte immer gesagt:
»Ich will, dass du glücklich bist.
Vergiss mich und lass mich alleine, aber werde glücklich.«
Also beschloss Ivy, genau das zu tun.
Glücklich zu werden.
In der Pause ging sie zu Matt,
die wie immer ganz alleine auf der Mauer des Schulgeländes hockte und einen Apfel aß.
»Hey.« murmelte sie und setzte sich neben sie.
»Hallo.« Matt sah nicht auf. Aber dort, wo Ivy sie versehentlich gestreift hatte, war eine Gänsehaut.
Sie schwiegen eine Weile.
»Sag mal, findest du es eigentlich komisch, wenn Mädchen auf Mädchen stehen?« fragte Ivy.
»Ich habe zwei Väter.«
»Soll heißen?«
»Natürlich finde ich es nicht komisch.«
Ivy atmete tief durch.
»Weil ich dachte, du und ich... wir könnten es vielleicht einmal miteinander versuchen.
Du weißt schon. Wenn du auch...«
Sie verstummte.
»Wissen die anderen, dass du...?«
»Nein. Ich will es geheim halten.«
»Okay.«
Wieder herrschte eine Weile Stille.
Dann nahm Ivy ihren ganzen Mut zusammen.
»Also?«
»Ich schätze, wir können es versuchen.«
Und das war das erste Mal, dass Ivy sah, wie Matt lächelte.
Es war ein strahlendes Lächeln, auch, wenn sich ihre Mundwinkel nur minimal verzogen.
Es war wie eine Sonne in der kalten Dezemberluft.
Als wenn etwas warmes in einem aufgeht,
wie wenn man eine Tasse heiße Schokolade trinkt, nachdem man zwei Stunden im Schnee war.
»Sollen wir uns nach der Schule in der Stadt treffen?« fragte Matt.
»Gerne.« Ivy lächelte schüchtern
»Aber ich würde es gerne... du weißt schon. Geheim halten.
Ich glaube, ich bin nicht bereit dafür, dass alle es wissen.«
»Hast du Angst davor, nicht mehr so beliebt zu sein?«
»Nein.« sie sah sehnsüchtig in die Ferne. »Eher davor, dass meine Lügen auffliegen.«
Genau genommen trugen sie beide eine Maske.
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