Klatsch und Kuchen
Zum Glück hatte die Reporterin ihren Posten geräumt und war nirgends mehr zu sehen. Mit neuem Elan machte Aurelia sich auf zu Madam Pudifoots.
Das Café lag in einer kleinen Seitenstraße und war bekannt für seine leckeren Kuchen und Kekse. Und dafür, vor allem bei Hogwartsstudenten, ein beliebter Ort für ein Date zu sein. Aurelia erinnerte sich daran, auf ihrem allerersten Date mit einem Jungen namens Charlie Podmore so nervös gewesen zu sein, dass sie ihren heißen Tee so schnell hinuntergekippt hatte, dass sie sich von Madam Pomfrey einen Eisungszauber auf die Zunge und den Rachen hatte geben lassen müssen. Sie schmunzelte bei der Erinnerung und war gleichzeitig froh nicht mehr 14 zu sein. Das Café sah noch genauso kitschig aus wie damals, mit kleinen runden Tischchen, rosa Decken, Vorhängen und weißen rüschigen Kissen auf den Stühlen. Auf den Tischen standen Blumenvasen mit zarten blauen Vergissmeinnichts und im Hintergrund sang Celestina Warbeck ihren neuesten Hit „Liebestränke brauchst du nicht".
Im Moment waren die meisten Tische leer, nur in der Ecke saß ein älteres Pärchen die angeregt in ein Gespräch vertieft waren. Aurelia trat an den Tresen heran. In der Auslage waren Kuchen in allerlei bunten Farben und Formen präsentiert. Aus einer runden Torte mit goldener Creme und Kirschen brachen passend zu Neujahr kleine bunte Gummischnüre hervor, die wie ein Feuerwerk über die Torte hinabregneten. Auf einer weiteren Torte, die wie ein schneebedeckter Berg geformt war, rieselten Zuckerkristalle wie Flocken hinab und ein goldener Schnatzkuchen flatterte mit den Flügeln. Daneben lagen Kekse mit allerlei bunten Motiven verziert, deren glänzender Zuckerguss Aurelias Magen begehrlich knurren ließ. Es war bereits weit über Mittag und seit sie die Wohnung heute früh verlassen hatte, hatte sie nichts mehr gegessen.
"Na auch ein Stück?"
Eine Hexe mit freundlichem Gesicht, das blonde Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, war hinter der Auslage erschienen.
"Ich kann Ihnen ganz besonders unseren Apfelkuchen empfehlen." Sie deutete auf einen eher unscheinbaren runden Kuchen, dessen Kruste appetitlich goldbraun glänzte.
"Nicht so spektakulär wie unsere Ausstellungsstücke aber mindestens genauso lecker"
Aurelia nickte.
"Ich nehme gerne ein Stück und falls Sie die Besitzerin sind würde ich mich freuen, wenn Sie sich kurz Zeit nehmen könnten, um sich zu mir zu setzen und ein paar Fragen zu beantworten. Ich bin Aurelia Winter von der magischen Strafverfolgungspatrouille."
Die blonde Frau hob erstaunt ihre perfekt gestutzten Augenbrauen und nickte.
"Ja, ich bin Grace Willowby, die Enkelin von Madam Pudifoot und ich führe inzwischen den Laden. Setzen Sie sich doch, dann bin ich gleich bei Ihnen."
Aurelia suchte sich einen Tisch in der anderen Ecke des Cafés aus, damit sie weit genug weg von dem Pärchen saßen, um nicht belauscht zu werden. Ihr waren durchaus die verstohlenen neugierigen Blicke der älteren Frau aufgefallen, die sich immer wieder zu ihr umdrehte.
Grace kam mit einem Teller und stellte das leicht dampfende Apfelkuchenstück vor ihr auf den Tisch. Die Äpfel verströmten einen himmlischen karamelligen Duft und zum krönenden Abschluss hatte ihr Grace noch eine Kugel Vanilleeis auf den Kuchen gepackt, die nun langsam über das Gebäck schmolz.
Aurelia lief das Wasser im Mund zusammen. Begierig stach sie ein Stück ab und steckte es sich in den Mund. Die Äpfel waren warm aber nicht zu heiß und der Boden ein buttriger Genuss. Aurelia konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zuletzt einen so guten Kuchen gegessen hatte. Sie musste an ihre Mutter denken, wie sie summend in ihrer Küche von einem Holzlöffel den Teig mixen ließ.
"Mit dem Holzlöffel wird er besonders mürbe", hatte sie gesagt, "ein Trick von Oma".
Und auch diese hatte später mit ihr in der Küche gestanden, singend und backend. Eine Welle der Sehnsucht zerrte an Aurelias Herz, doch sie schüttelte sie ab, sie musste sich konzentrieren.
"Du musst dich immer darauf fokussieren, was direkt vor dir liegt" hatte ihr ihre Großmutter immer eingeschärft, wenn sie sie mal wieder zu einem kleinen (zugegebenermaßen unerlaubten) Zaubererduell Probekampf herausgefordert hatte.
Grace betrachtete Aurelia mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht.
"Ein altes Familienrezept" sagte sie stolz.
Aurelia steckte noch immer kauend, den Daumen nach oben.
Aus der Küche sah sie nun Marie in einer weißen Schürze und mit einer dampfenden Kanne hervortreten, die ihr einen finsteren Blick zuwarf, und sich beeilte dem Pärchen einen neuen Kaffee einzuschenken. Dann verschwand sie wieder im Hinterzimmer.
Grace war Aurelias Blick gefolgt und fragte nun:
"Geht es um Marie? Sie hat mir bereits erzählt, was gestern Abend passiert ist. Ich weiß aber nicht, wie ich Ihnen da behilflich sein kann."
Aurelia schob den leeren Teller von sich und wischte sich den Mund an einer Serviette ab.
"Sie können mir mit Ihrer Einschätzung zu Ihrer Angestellten weiterhelfen. Wie lange arbeitet Marie schon für Sie?"
"1 Jahr und 3 Monate."
"Und Sie sind zufrieden mit ihr?"
Grace nickte enthusiastisch.
"Aber ja, sie ist fleißig, pünktlich und hat ganz wundervolle Ideen. Der Feuerwerkskuchen war zum Beispiel ihr Einfall."
"Hatten oder haben Sie den Eindruck Marie wäre unglücklich hier in Hogsmeade? Tonys Chef hat da so etwas angedeutet, dass Sie wohl nicht so zufrieden war."
Grace schürzte die Lippen.
"Ich denke" sagte sie vorsichtig, "dass sie und Tony natürlich ursprünglich andere Pläne hatten und es für Marie schon erstmal schwer gewesen ist, sich auf die neue Situation einzustellen, aber inzwischen denke ich, ist sie gut hier angekommen."
"Wissen Sie denn, wie sie ihre Freizeit so verbringt?"
"Sie hat glaub ich noch Freundinnen aus Tonys Quidditch Zeiten, mit denen sie sich gelegentlich trifft. Ansonsten..."
Grace überlegte.
"Sie designt glaube ich auch Möbel. Sie hatte mir mal vorgeschlagen das Café umzudekorieren, aber die Kunden kennen und lieben Madam Pudifoots seit Jahrzehnten so wie es ist. Es ist gemütlich."
Aurelia nickte. Es hatte sich wirklich nichts verändert, seit sie das letzte Mal da gewesen war und wahrscheinlich würde sich auch in den nächsten 10 Jahren nichts ändern.
"Und sie und Tony? Die beiden waren seit der Schulzeit ein Paar, richtig? Wissen Sie, ob es vielleicht Streitigkeiten gab oder Unstimmigkeiten?"
"In welcher Ehe gibt es denn bitte nicht mal Streitereien oder Unstimmigkeiten?"
Gace sah sie irritiert an.
"Wieso fragen Sie mich das?"
"Nun ja" Aurelia beschloss ihre Karten auf den Tisch zu legen.
"Bis jetzt deutet einiges darauf hin, dass vielleicht Tony das Opfer hätte sein sollen und da ist es ja nur natürlich..."
"Dass Sie seine Ehefrau verdächtigen" beendete Grace den Satz und verschränkte die Arme.
"Ich kann Ihnen versichern, dass Marie Tony niemals etwas antun würde. Sie würde nie irgendjemand etwas antun, egal wem. Waren die beiden immer glücklich? Nein, natürlich nicht und Tony hatte in letzter Zeit auch seine eigenen Probleme mit seiner Karriere und so, das belastet eine Beziehung natürlich auch. Aber Marie stand immer hinter ihm und mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen. Bitte entschuldigen Sie mich, das Geschäft ruft."
Sie stand auf und nahm das leere Geschirr vom Tisch.
Aurelia tat es ihr gleich, näherte sich dem Tresen und rief nach Marie.
„Mrs. Thompson? Ich würde gerne auch nochmal mit Ihnen sprechen. Hätten Sie kurz Zeit für mich?"
Marie kam mit hochrotem Gesicht aus der Küche und starrte sie abweisend an.
„Nein. Wie Sie sehen, muss ich arbeiten." Sie ging hinüber zu dem älteren Pärchen, das sie zu sich herangewinkt hatte und nun zahlen wollte. Aurelia folgte ihr.
„Es dauert auch gar nicht lange." Aurelia bemerkte die neugierigen Blicke der alten Dame, die nun ihr Wechselgeld wieder in ihrer Handtasche verstaute.
„Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich Ihnen nichts zu sagen habe und jetzt lassen Sie mich gefälligst in Ruhe."
Mit dem Geschirr in der Hand drückte sie sich an Aurelia vorbei und verschwand wieder in der Küche. Aurelia seufzte. Ihr würde wohl nichts anderes übrigbleiben als Marie offiziell als Zeugin vorzuladen. Dafür müsste allerdings Bullfrog zustimmen. Hoffentlich hatte sie bis zum Ende des Tages genug Informationen gesammelt, um ihn doch nochmal umzustimmen, was die Ermittlung betraf.
Aurelia wandte sich zum Gehen, da sprang die alte Dame so schnell hoch, dass der Stuhl polternd zu Boden fiel.
„Mrs Winter! Warten Sie einen Augenblick!" Innerlich stöhnte Aurelia genervt auf. Sie konnte sich schon ausrechnen, was jetzt kam. Auch Grace warf einen versteinerten Blick in Ihre Richtung.
„Gut, dass ich Sie noch erwische. Ich wollte sowieso noch mit Ihnen sprechen." Die Dame mit dichten weißen Löckchen und auffällig rotem Lippenstift sah sie mit vor Begeisterung glänzenden Augen an.
„Ich bin Agatha Smith und habe ganz wichtige Informationen für Sie. Oder besser gesagt meine Freundin Maureen, aber die ist ja nicht mehr so gut zu Fuß seit der Knallrümpfige Kröter sie angefallen hat. Also auf alle Fälle wollten wir beide ja, Maureen und ich, dringend mit Ihnen sprechen. Sie ermitteln weiter, ja?"
Aurelia lächelte ihr unverbindlich zu.
„Sie können der Patrouille gerne eine Eulenpost mit Ihren Tipps schicken. Wir sind immer dankbar für Hinweise. Aber ich muss jetzt leider weiter."
Aber Agatha ließ sich nicht beirren und fasste sie am Arm.
„Oh es dauert wirklich nicht lange und da Sie ja nun weiter ermitteln... Was ich Ihnen nur sagen wollte."
Sie sah sich verschwörerisch um, bevor sie in einem lauten Flüsterton fortfuhr.
„Meine Freundin Maureen hat Marie Thompson vor kurzem im Tropfenden Kessel getroffen. Mit einem grauhaarigen Mann, der garantiert nicht Tony war." raunte sie.
„Maureen ist natürlich sofort hinüber und hat Hallo gesagt, was Marie sichtlich unangenehm war, sagt Maureen. Sie hat so getan als kenne sie sie nicht. Dabei ist Maureen, wie ich, ein Stammgast in Madam Pudifoots. Wie auch immer sie und der grauhaarige Mann sind dann schnell aufgestanden und verschwunden."
Agatha sah sie mit erwartungsvoll geweiteten Augen an, als hätte sie ihr gerade eröffnet sie wisse, wo sich der untergetauchte Neu-Todesser Amatus Carrow befinde.
Aurelia nickte höflich, ging jedoch nicht weiter darauf ein. Agathas Mann, der den Stuhl wieder hochhob, lachte.
„Also bitte, Agatha, dieser Tratsch interessiert doch die Detektivin nicht. Und außerdem ist deine Freundin Maureen die größte Klatschtante der Welt. Erst letzte Woche wollte sie Cilian McIntosh mit Ginny Potter zusammen gesehen haben, bis sich herausstellte, es war seine Cousine. Und davor hat sie Gilderoy Lockhart in der Winkelgasse gesehen "
Agatha presste zornig die Lippen aufeinander.
„Ich denke Mrs. Winter kann ganz gut alleine entscheiden, was für sie wichtig ist und eines sage ich Ihnen", wieder lehnte sie sich verschwörerisch zu Aurelia vor, sodass Aurelia ihren Kaffeeatem riechen konnte, „diese Marie hat den armen Tony gar nicht verdient, sie sieht immer so aus, als wäre es unter ihrer Würde hier im Café zu bedienen. Die sollten sie sich mal genauer ansehen, sage ich Ihnen. Da ist Tony ja ganz anders. Er ist immer so nett und zuvorkommend im Quidditchladen." Agatha kicherte und Aurelia meinte einen roten Ansatz unter ihren Haaren zu erkennen.
„Obwohl Maureen ja nicht viel von ihm hält. Er hat sie einmal richtig rüde angepampt, sagt sie, dabei wollte sie nur fragen welches Trikot sie ihrem Enkelsohn kaufen sollte. Berühmte Menschen sind oft so, sagt Maureen"
Aurelia nickte wieder höflich, innerlich jedoch trat sie von einem Bein aufs andere und hätte der Frau am Liebsten einen Silencio verpasst.
„Ich muss jetzt wirklich weiter" versuchte sie Agatha abzuwimmeln, aber die war so in ihren Ausführungen gefangen, dass sie sie gar nicht zu hören schien.
„Maureen hat ja sowieso schon die berühmtesten Leute getroffen. Einmal sogar Ron Weasley. Sie schwört, er ist in Wahrheit viel kleiner, als man denken könnte. Heathcote Barbary von den Schwestern des Schicksals hat sie auch schon mal gesehen und im September hat sie auch noch Faye Zabini getroffen. Eine ganz liebe Hexe, sagt Maureen. Aber nun scheint sie ja auch in diesen grässlichen Vorfall verwickelt zu sein. Also wenn Sie mich fragen, hat sie damit nichts zu tun. Genauso wenig wie der arme Sanjit Kahn. Ein so höflicher, zuvorkommender Junge. Habe ihn vor Silvester öfter hier vor dem Café gesehen. Seine Schwester hingegen ist ja eine ganz grässliche Person, hat den armen Jungen einmal richtig angefahren, ich habe es mit eigenen Ohren gehört. Hat hier vor dem Café auf sie gewartet und mir sogar noch die Tür aufgehalten. Wissen Sie, das ist heutzutage auch nicht mehr selbstverständlich. Die Jugend kümmert sich ja nicht mehr um uns alte Menschen."
Sie seufzte theatralisch und sah sie mit erwartungsvoll geweiteten Augen an. Aurelia ging jedoch nicht auf ihre Bemerkung ein.
„Wie gesagt, sie können uns gerne einen Brief mit Ihren Hinweisen schreiben. Aber jetzt muss ich wirklich los."
Sie ging zur Tür und die Augen der Frau leuchteten auf, als wolle sie vorschlagen sie doch zu begleiten.
„Oh, wen müssen Sie denn noch befragen?" fragte sie sensationslüsternd.
„Das darf ich Ihnen nicht sagen" antwortete Aurelia knapp angebunden. Sie öffnete die Tür und hoffte inständig die Frau hatte nicht vor sie noch den ganzen Weg zu begleiten. Sie konnte nicht noch mehr Geschichten von ihrer Freundin Maureen ertragen.
„Agatha, jetzt lass die Detektivin in Ruhe Ihre Arbeit machen. Wir gehen." Agathas Mann griff die alte Dame am Arm und lächelte Aurelia entschuldigend zu.
Er führte seine sichtlich enttäuschte Frau hinaus und Aurelia atmete erleichtert aus. Noch von weitem konnte sie Agatha schimpfen hören, dass Maureen ja schon immer gesagt habe er sei ganz unmöglich.
Aurelia grinste in sich hinein und verließ das Café.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro