Frösche und andere Sorgen
Noah war noch nicht zuhause und somit hatte Aurelia die Wohnung für sich alleine.
Am liebsten wollte sie nur die Füße auf der Couch hochlegen und sich irgendeine Muggel-Reality-TV Serie anschauen, bei dem attraktive, aber dumme oder unsympathische Muggel versuchten Liebe, Sex, Geld, oder Häuser zu finden. Aurelia liebte es den Leuten bei ihren Problemen zuzusehen, es lenkte sie von ihren eigenen ab.
Aber ihr Problem namens Bullfrog ließ sich nun mal nicht verdrängen und anstatt die Füße hochzulegen, schrieb sie noch schnell einen Brief an die Woolers, in dem sie sie um die Name und Adresse Frederics Hauslehrers bat. Der Vollständigkeit halber wollte sie ihn morgen auch noch einen Besuch abstatten. Dann ging sie ihre Notizen nochmal durch, wobei sie ein Lied der „Magischen Brüder" summte. Sie konnte sich so immer am besten konzentrieren und viel hing davon ab. Sie musste ihren Chef davon überzeugen, dass es kein Unfall, sondern Mord und eine Aufklärung wert war.
Was wusste sie?
Erstens Frederic war tot, aber außer Faye kannte ihn niemand zuvor und niemand schien ein Motiv zu haben ihn zu töten.
Zweitens. Er war gestorben an einem Herzstopp Trank, der so stark war, dass er das ganze Aurorenbüro hätte auslöschen können.
Drittens. Sanjit hatte zugegeben die anderen Tränke gebraut zu haben. Diese waren auch aufs genaueste abgestimmt. Er war ein außergewöhnlicher Tränkebrauer, der vermutlich auch einen Herzstopp Trank perfekt hinbekommen hätte. Aber wo sollte sein Motiv liegen? Und wenn er es nicht war, wie war dann der Trank in das Spiel gekommen?
Hatte seine Schwester, die auch eine ganz passable Tränkebrauerin war, etwas damit zu tun?
Aurelia untersuchte noch schnell den Eselsfellbeutel, aber fand wie erwartet keinerlei Manipulation.
Das brachte sie zu viertens. Der Feuerkelch war manipuliert worden. Und zwar so, dass der Dritte in der Reihe auf alle Fälle den giftigen Trank mit der Nummer 6 bekommen würde. Marie Thompson hatte den Feuerkelch verzaubert, bestritt aber für die Manipulation verantwortlich zu sein.
Fünftens. Der eigentliche Dritte wäre Marie Thompsons Ehemann Tony gewesen, der jedoch aus noch nicht geklärten Gründen die Party plötzlich verließ und somit Frederic nachrücken ließ. Wenn er das eigentliche Opfer hätte sein sollen, wer hätte dann ein Motiv?
Seine Ehefrau, die laut einer Aussage wohl nicht so glücklich mit dem Umzug nach Hogsmeade gewesen war? Tony schien Geldsorgen zu haben. Wollte Marie sich deswegen ihres Ehemannes entledigen?
Oder steckte Tony gar in größeren Schwierigkeiten mit einer kriminellen Bande?
Hatte einer der anderen Freunde ein Motiv von dem sie noch nichts wusste?
Laut Aussage des Professors schienen sie nicht einmal sonderlich eng miteinander befreundet gewesen zu sein.
Wieso hatten sie sich dann überhaupt wieder zusammengefunden?
Es gab noch so viele Fragen zu klären, nur eines stand fest: Ein Mensch war tot und jeder von ihnen schien ihr etwas verheimlichen zu wollen, dessen war sich Aurelia sicher.
Und jetzt war es an der Zeit auch ihren Chef davon zu überzeugen. Mit geordnetem Kopf schritt Aurelia zur gegenüberliegenden Wand und reiste per Flohpulver ins Zaubereiministerium.
Ihr Herz pochte genauso heftig wie beim letzten Besuch. Aber dieses Mal würde Bullfrog sie nicht wieder abwimmeln. Mit den neuen Beweisen musste er erkennen, dass es sich nicht um einen bloßen Unfall handelte.
Sie trat vor seine Bürotür, doch bevor sie überhaupt Klopfen konnte, hörte sie hinter sich schon stapfende Schritte und die bellende Stimme Bullfrogs.
"Was machen Sie hier schon wieder und wieso sitzen Sie nicht hinter ihrem Schreibtisch und sortieren Briefe."
Aurelia drehte sich zu ihrem Chef um.
"Bitte Sir, ich habe neue Beweise, die sie sich unbedingt..."
"Neue Beweise? Neue Beweise wofür? Dass sie Anweisungen eindeutig nicht befolgen können? Ich dachte ich hätte mich gestern klar ausgedrückt. Es gibt nichts zu ermitteln, schon gar nicht von Ihnen."
Damit ging er ohne sie eines Blickes zu würdigen in sein Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Einige Mitarbeiter streckten den Kopf, um zu sehen, was da los war.
Aurelia spürte die Blicke auf sich und hätte am liebsten einen Tarnumhang besessen.
Sie straffte ihre Schultern und atmete tief ein. Dieses Mal würde sie sich nicht so einfach geschlagen geben. Sie betrat sein Büro und Bullfrog blickte ihr entnervt entgegen. Auf seiner faltigen Stirn traten blaue Äderchen hervor.
"Winter. Wenn ich es Ihnen jetzt noch einmal..."
Doch dieses Mal unterbrach Aurelia ihn und hielt ihm ihre und Carinas Notizen von gestern Nacht entgegen.
"Bitte, wenn sie es sich doch nur durchlesen wollen! Der Feuerkelch war manipuliert, sodass der Dritte in der Runde immer die Nummer 6 bekam und der Trank war hochpotent. Er hatte die vierfache Menge des Belladonnaessenz in sich! Das hätte niemand überleben können! Bitte sie müssen doch sehen, dass das kein Unfall sein konnte!"
Für einen kurzen Moment meinte Aurelia echtes Interesse und ein neugieriges Funkeln in seinen Augen wahrzunehmen, aber der Moment war so schnell verflogen wie er gekommen war. Stattdessen drangen seine Augen immer weiter aus den Höhlen hervor. Er richtete sich auf, wobei er sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch abstützte.
"Wie können Sie es wagen?" schrie er und Aurelia befürchtete seine Augen würden ihm vollkommen aus dem Kopf fallen.
"Ich hatte Ihnen eine glasklare Anweisung gegeben sich fernzuhalten! Und dann muss ich von West erfahren, dass Sie ohne meine Zustimmung Sanjit Kahn befragt haben! Sanjit Kahn! Wissen Sie überhaupt wer mir da alles die Hölle heiß macht! Und als wäre das nicht genug, rennen Sie weiter durch Hogsmeade und führen irgendwelche ungenehmigten Befragungen durch!
Wissen Sie eigentlich, was das für einen Schaden anrichten kann? Sogar der Tagesprophet hat mich schon kontaktiert und nach einer Stellungnahme gebeten, wieso wir die Ermittlungen doch wieder aufgenommen haben!
Ich muss am Ende dafür geradestehen, ich!"
Er hatte sich jetzt in Rage geredet und sein ganzes Gesicht war so rot angelaufen und angeschwollen, dass Aurelia schon befürchtete er könne keine Luft mehr bekommen.
" Und nicht nur haben Sie meine Anweisungen ignoriert und mich lächerlich gemacht, nein Sie manipulieren hinter meinem Rücken auch noch irgendwelche Beweise!"
"Nicht manipulieren, untersuchen," versuchte sich Aurelia zu verteidigen, doch Bullfrog gab ihr keine Gelegenheit sich zu erklären.
"Schweigen Sie ehe ich mich komplett vergesse! Sie können von Glück reden, wenn ich Sie nicht auf der Stelle entlasse!"
Am liebsten hätte Aurelia ihm ein "Machen Sie doch!" entgegen geschleudert, aber soweit wagte sie doch nicht zu gehen.
"Sie sind mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert und wehe Sie kommen noch mal nur in die Nähe von Hogsmeade!"
Er hieb mit seiner Faust auf den Tisch und Aurelia zuckte zusammen. Sie musste sich fest auf die Lippen beißen, um nicht sofort hier und jetzt entweder loszuschreien oder loszuheulen. Eine Flamme aus Scham und Wut fraß sich durch ihren ganzen Körper. Wie konnte er sie nur so behandeln?
"Und jetzt händigen Sie mir ihr Abzeichen aus und verlassen sofort das Ministerium. Sie erhalten eine Eule mit dem Termin Ihrer Wiedereinstellungsanhörung."
Aurelia riss sich das Abzeichen ab und schmiss es ihm auf den Schreibtisch.
Sie sah Bullfrog fest in die Augen. Sie würde erhobenen Hauptes hier hinaus gehen.
"Ich freue mich schon darauf, wenn Sie zugeben müssen, sich geirrt zu haben," sagte sie mit erstaunlich fester Stimme, obwohl sie innerlich zitterte.
Dann drehte sie sich um und stolperte blindlings aus dem Büro und in den Aufzug. Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen und brannten in ihrer Kehle. Suspendiert. Sie war gerade wirklich suspendiert worden. Die Aufzugstüren öffneten sich und Aurelia rannte mit verschwommenem Blick auf die Kamine zu. Dort hatte sich zum Feierabend bereits eine kleine Schlange gebildet, aber Aurelia achtete nicht darauf und drängte sich an den Wartenden vorbei in den nächsten freien Kamin. Nur noch weg hier.
Sie schaffte es ihre Adresse deutlich zu sagen und stolperte in ihre Wohnung. Dort saß Noah mit Lupe auf der Nase über einer seiner Modellschiffe gebeugt und klebte irgendwelche Teile zusammen. Er sah überrascht von seiner Arbeit auf.
„Komm mit!"
Aurelia schnappte ihn an der Hand und ehe er reagieren konnte, waren sie disappariert. Sie kamen auf einem kleinen Berg zum Stehen, von dem man aus normalerweise einen schönen Blick in das umliegende Tal hatte. Heute jedoch war es unter einer dichten Wolkendecke verborgen. Ein schneidender Wind riss an ihrem Umhang und zerzauste ihre Haare.
Noah, der noch immer seine Pinzette in den Händen hielt, starrte sie teils besorgt, teils verärgert an.
„Was soll das?" fragte er.
Aurelia antwortete nicht und ließ sich auf den kalten, harten Boden unter einer alten Eiche plumpsen, deren dicke Äste knarrten.
Tränen strömten ihr ungehindert über das Gesicht, wo sie vom schneidenden Wind sofort wieder weggewischt wurden. Es fühlte sich an, als hätte Bullfrog ein Dämonsfeuer in ihrem Inneren angezündet, das alles verschlang. Wie konnte er nur so mit ihr sprechen? Als wäre sie ein kleines, ungezogenes Kind. Und sie hatte es sich auch noch gefallen lassen. Warum hatte sie ihm nicht gesagt: Stopp. Hören Sie mir zu.
Ihre Großmutter hätte sich so etwas nie gefallen lassen. Sie hätte ihm auf der Stelle ein Silencio verpasst.
Noah, der nur in ein schwarzes T-Shirt gekleidet war, setzte sich neben sie und schlang seine Arme um sie. Trotz seiner Wärme spürte Aurelia wie er zitterte und sie zauberte ihnen eine dicke Decke, die sich wie ein Kokon um die beiden spannte. Aurelia ließ ihren Kopf auf seine Schulter sinken und er strich ihr sanft eine Strähne aus dem Gesicht. Seine Gegenwart ließ das brennende Dämonsfeuer in ihrem Inneren schrumpfen und langsam versiegten ihre Tränen.
„Was ist passiert?" fragte er erneut.
Aurelia schniefte und blinzelte die letzten Tränen aus ihren Augen.
„Bullfrog hat mich suspendiert". Die Worte wollten ihr kaum über die Lippen kommen. Es auszusprechen, machte es real. Vom jetzigen Moment an war sie tatsächlich kein aktives Mitglied der Patrouille mehr. Ihre Kehle schnürte sich zu und ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen.
Noah sah sie mitfühlend an und strich ihr sanft übers Haar.
„Wegen des Falls?" fragte er stirnrunzelnd.
Aurelia nickte matt.
„Ich habe mich seinen Anweisungen widersetzt. Er hatte mir ausdrücklich gesagt ich solle den Fall ruhen lassen."
Noah schnaubte.
„Es ist schon erstaunlich, dass ihr überhaupt etwas zustande bringt in eurem Ministerium, wenn es anscheinend üblich ist Mitarbeiter, die als einzige ihren Job machen, zu suspendieren."
Aurelia lächelte schwach und ließ ihren Kopf auf seine Brust sinken. Sie schloss die Augen und genoss es einfach nur sich an ihm anlehnen zu können.
"Kannst du dich nicht bei Potter höchstpersönlich beschweren?"
Aurelia öffnete die Augen und seufzte.
"Ich weiß nicht mal, wann und ob er überhaupt im Büro ist. Er ist eigentlich ständig außer Haus und außerdem, wieso sollte es Harry Potter, den Leiter der Abteilung für Strafverfolgung interessieren, was ich mache?"
Sie lachte tonlos.
"Na, weil du wahrscheinlich eine seiner besten Mitarbeiterinnen bist, darum sollte es ihn interessieren," sagte Noah leidenschaftlich.
Aurelia lächelte ihm zu. Es war schön zu wissen, dass er immer auf ihrer Seite stand.
"Du wirst doch jetzt nicht einfach kampflos aufgeben, oder?"
Sie schüttelte den Kopf.
"Jetzt bin ich sowieso schon suspendiert, dann kann ich gleich weitermachen. Mehr als feuern kann Bullfrog mich nicht und ich werde auf keinen Fall zu dem Schreibtisch mit den Briefen zurückkehren."
Noah gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Wusste ich doch, dass du nicht einfach aufgibst. Wollen wir einen Plan machen wie es weitergeht?"
Aurelia schüttelte den Kopf.
"Heute nicht mehr" sagte sie matt.
Sie schwiegen und blickten stumm auf das graue Wolkenmeer. Aurelia war früher oft hierher mit ihrer Mutter und ihrem Vater gekommen. Ihre Mutter hatte es geliebt oft ganz spontan in die Natur zu reisen, Kräuter zu sammeln und Aurelia den Berg hoch und runter zu jagen. Hinterher hatten sie sich zusammen unter die Eiche gesetzt, ihre Mutter hatte ein Picknick gezaubert und aus den abgefallenen Eicheln kleine Männchen, die mit wichtiger Miene auf ihrer Picknickdecke auf und ab patrouillierten.
Aurelia unterdrückte ein Schluchzen und ihr Herz zog aus ihrer Brust als versuchte es aus ihrem Körper zu der Vision ihrer Mutter zu fliehen.
Wenn sie doch nur hier sein könnte. Aurelia wünschte sich nichts sehnlicher, als die Arme ihrer Mutter zu spüren.
Noah zog sie enger an sich. Er kannte den Ort und wusste wieso Aurelia ihn hierhergebracht hatte.
„Sie hätte bestimmt auch gewollt, dass du weitermachst," sagte er bestimmt.
Aurelia lächelte. Sie hoffte Noah hatte Recht. Wie gerne hätte sie ihre Mutter selbst um Rat gefragt.
Noah streckte sich und Aurelia bemerkte seinen linken großen Zeh, der aus einem Loch in seiner Socke schaute.
"Reparo" murmelte sie und das Loch schloss sich. Amüsiert grinsend strich Noah mit der Hand darüber.
Wenn Reparo doch auch für gescheiterte Karrieren wirken würde, dachte Aurelia.
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