Besuch in der Nacht
Aurelia steckte den Schlüssel ins Schloss. Noah hasste es, wenn sie die Tür einfach mit Alohomora öffnete. Lass mir wenigstens meine Illusion, dass nicht jeder einfach hereinspazieren kann, pflegte er zu sagen. Aurelia fand das am Anfang ihrer Beziehung zwar albern (ihrem Muggel-Vater hatte es nie gestört) aber inzwischen verstand sie, dass er einfach das Gefühl brauchte der ganzen Magie nicht schutzlos ausgeliefert zu sein und die Kontrolle in seinem Leben zu verlieren.
Sie zog ihre Schuhe und den Umhang aus und es war als würde sie damit auch ihre ganze Anspannung ablegen. Mit einem Mal war die Müdigkeit da und sie musste herzhaft gähnen. Kein Wunder, es war bereits 3.15 Uhr. Sie wollte nur noch ins Bett, ehe sie sich in nicht einmal 4 Stunden ihrem Chef stellen musste.
Wieder gähnte sie und ging ins kombinierte Wohn- und Esszimmer. Es war modern eingerichtet und in warmen, erdigen Tönen gehalten. Gegenüber einem großen, gemütlichen Ledersofa stand der Fernseher, der noch immer lief. Viel zu aufgeregte überschminkte Verkäufer hielten darin billige Ware in die Kamera und riefen einmalige Angebote, die nur noch 20 Minuten galten, aus.
Auf dem Sofa schlief friedlich Noah. Die Fernbedienung war ihm aus der Hand gefallen und Aurelia bückte sich, um sie aufzuheben. Der Fernseher reagierte nicht auf Magie.
Durch ihre Bewegung schreckte Noah auf und blickte sie aus schlaftrunkenen Augen an.
"Wie spät ises?" nuschelte er, fuhr sich mit den Fingern durch seine kurzen, dichten Löckchen und setzte sich auf. Aurelia schaltete den Fernseher aus.
"Fast 4." sagte sie
Noah richtete sich auf.
"Und du wars bis jetzt weg? Wars was Ernstes?"
Aurelia nickte.
"Jemand wurde vergiftet."
Noah war nun hellwach und betrachtete sie mit neugierigen, aufmerksamen Augen.
"Absichtlich?"
Aurelia zuckte die Schultern.
"Das kann ich noch nicht beurteilen. " Sie unterdrückte ein weiteres Gähnen.
"Dann hast du also einen echten Fall?" Er sah sie mit aufrichtiger Begeisterung und einem Lächeln, das seine Grübchen zum Vorschein brachte, an. Aurelia tat es für ihn beinahe genauso leid wie für sich selbst, ihm sagen zu müssen, dass ihr Chef ihr wohl in der Früh den Fall entziehen würde.
Noahs Augenbrauen zogen sich erbost zusammen. Seine ohnehin dunklen Augen verdunkelten sich noch weiter.
"Aber das kann er doch nicht machen! Dich erst an Silvester die Drecksarbeit erledigen zu lassen und dann Bam, Tschüss." Er knallte seine Hände aneinander.
Aurelia schüttelte nur müde den Kopf.
"Du weißt doch, ich bin auf Bewährung. Hör mal, ich bin hundemüde. Lass uns ins Bett gehen." Lächelnd streckte sie ihm die Hand entgegen und zog ihn mit sich ins Schlafzimmer. Sie würde später noch genug Zeit haben sich über ihren Chef zu ärgern. Jetzt wollte sie erstmal nur schlafen.
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Marie knallte die Tür hinter ihnen zu.
"Was fällt dieser Person eigentlich ein?" fragte sie ohne eine Antwort zu erwarten. Tony war sowieso schon wieder in ihrem kleinen Wohnzimmer verschwunden. Es war nicht viel mehr als eine Kammer. Nur die von ihr selbst designten Möbel brachten etwas Farbe in das ansonsten triste Zimmer, dessen verschlissener Holzboden zum Glück unter einem blau-grün gemusterten Teppich verschwand. Im Buchregal standen Tonys Quidditchauszeichnungen. Die meisten davon noch aus Hogwartszeiten. Seitdem war, außer einer "Wertvollster Spieler des Spiels" Plakette, nichts mehr dazu gekommen, dachte Marie gehässig.
Sie folgte ihrem Mann und stemmte die Hände in die Hüfte.
"Hast du eigentlich gar nichts dazu zu sagen?" sagte sie vorwurfsvoll. Tony hockte zusammengesunken auf dem Sofa und Marie blickte auf seinen hervorgewölbten Bauch. Bei Merlin, er hatte sich wirklich gehen lassen. Seit er nicht mehr Quidditch spielte war er mehr und mehr aufgegangen. Dabei war er einst ein solch attraktiver Mann gewesen. Groß, breit und strahlend. Mit ihr als kleiner, rotbraunhaariger Schönheit an seiner Seite waren sie das beneidenswerteste Paar in Hogwarts gewesen. Was war nur seitdem aus ihnen geworden? Jetzt hockten sie hier in einer kleinen Mietwohnung über dem Quidditch Zubehörgeschäft, in dem Tony arbeitete. Dabei hatte er ihr einmal die schönsten Luftschlösser gebaut. Sie würden in einer Villa wohnen, zu den angesagtesten Partys gehen und mit den wichtigsten Persönlichkeiten der Zaubererwelt verkehren.
Ha, dass ich nicht lache, dachte Marie. Nicht nur hatte er es nicht geschafft seine Quidditchkarriere aufrechtzuerhalten, nein er hatte es noch nicht mal geschafft heute Abend, der eine Abend seit langem auf den sie sich gefreut hatte, mehr als 5 Sätze mit den andern zu wechseln. Wie hatte sie sich vor Faye geschämt. Tony war richtiggehend unverschämt gewesen. Er brauchte nicht glauben, dass sie seine abschätzigen Blicke und Augenrollen nicht bemerkt hatte. Er war unmöglich gewesen.
"Und dann hast du es noch nicht mal für nötig gehalten mich vor dieser unmöglichen Person zu verteidigen!" führte sie ihren Gedankengang laut weiter.
"Sie hat mich sozusagen angeklagt, diesen Jungen getötet zu haben!" rief sie und baute sich vor Tony auf. Dieser blickte mit steinernem Gesicht zu ihr auf und griff nach ihren Händen, die sie ihm aber entzog.
"Kannst du vielleicht auch mal was dazu sagen?"
"Mach dir keine Sorgen, ich bringe alles in Ordnung. Ich verspreche es dir," sagte Tony und sie konnte eine gewisse Verzweiflung in seinen Worten hören. Ein Teil von ihr wollte ihn in den Arm nehmen und ihn trösten wie sie es so oft nach einem verlorenen Spiel getan hatte, wenn er sich mal wieder selbst geiselte, aber der andere verhärmte Teil in ihr, schnaubte abwertend.
"Du kannst mal damit anfangen mir zu sagen, wo du hinwolltest als du einfach so verschwunden bist."
Tony straffte seine Schultern und sah ihr in die Augen.
"Mach dir keine Sorgen" wiederholte er.
Sie sah ihn herausfordernd an und er hielt ihrem Blick nicht stand.
"Lass uns ins Bett gehen." murmelte er
"Ich weiß, dass du nicht auf der Toilette warst. Und wenn du mir nicht vertraust, wird diese Frau schon herausfinden wo du tatsächlich abgeblieben bist, aber glaube bloß nicht, dass ich dich dann noch schützen werde."
Mit diesen Worten drehte sie sich um und marschierte in ihr Schlafzimmer, das sie schon seit einiger Zeit alleine bewohnte.
Tony blieb zusammengesunken auf dem Sofa zurück.
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Sameena erkannte die schwarze Kapuzengestalt, die ihr durch den Eberkopf nach oben folgte. Sie hatte niemanden erzählt, dass sie hier über dem staubigen Pub wohnte, das bekannt dafür war, schäbige Gestalten anzuziehen.
Es war nicht gerade die Adresse mit der man vor Faye Zabini angab.
Sie stand nun mit der Kapuzengestalt vor ihrer Zimmertür. In den Drei Besen wollte sie keine Sekunde länger bleiben, jetzt, wo dort jemand ermordet worden war. Auch nicht in einem anderen Zimmer, das ihr Madam Rosmerta angeboten hatte.
"Ist es nicht ein bisschen spät für einen Besuch?" fragte sie den Mann nonchalant, obwohl ihr Herz in ihrer Brust wie ein eingesperrter Vogel flatterte.
"Lass uns das drinnen besprechen", sagte er knapp.
Sie ließ den Mann ein, der sich die Kapuze vom Kopf streifte. Hervor kam ein Gesicht mit einer Narbe, die sich längs über seine linke Wange zog. Angeblich hatte er sie sich im Kampf um Hogwarts zugezogen, aber Sameena hielt das für Angeberei. Sie sah ihr vielmehr nach einer Tierverletzung aus, vielleicht von einem Kniesel. In ihrer Laufbahn in St. Mungos hatte sie unzählige davon gesehen und ebenso viele Geschichten über angebliche Heldentaten gehört.
Der Mann mit der Narbe blickte sich amüsiert im Raum um, der zugleich Ess-,Wohn- und Schlafzimmer war. Zahlreiche leere Fläschen lagen verstreut im Zimmer, dazwischen ihre Kleidung und altes Geschirr. In den Regalen standen kleine Aufbewahrungsgläser mit ihren Zaubertrankzutaten. Von getrockneten Kräutern, glitzernden Flüssigkeiten bis zu sich windenden Würmern und Augen toter Tiere, war hier alles dabei. Ein besonders großes Exemplar eines Seefrosches schien sie und ihren Besucher anzustarren und Sameena drehte bewusst ihren Rücken zum Regal.
"Ratzeputz" murmelte sie beschämt. Sie hatte nicht mit einem Gast gerechnet. Der einzige, der sie einfach mal nur so besuchte war Sanjit.
"Ich habe gehört, die magische Strafverfolgungspatrouille hat deiner kleinen Party heute einen Besuch abgestattet." Ihr Gast fläzte sich in einem Sessel, neben dem ein bepackter Karton stand. Aus diesem zog er nun ein kleines Fläschchen, welches mit einer grünlich schimmernden Flüssigkeit gefüllt war, hervor. Er drehte es locker in seinen Händen.
Sameena zuckte betont lässig die Schultern.
"Ihr habt nichts zu befürchten." sagte sie selbstbewusster, als sie sich fühlte .
Ihr Gast lachte abfällig.
"Das wollen wir auch hoffen. Sieh zu, dass du die Falkin loswirst. Wir können es uns nicht leisten, dass sie hier rumschnüffeln, kapiert?"
"Glaub mir, das will ich genauso wenig wie ihr."
Der Mann mit der Narbe stand auf und steckte sich lässig das Fläschchen in den Umhang.
"Als kleine Aufmerksamkeit" sagte er und verließ sie mit einem sarkastischen Grinsen.
Sameena schloss die Tür kraftvoll hinter ihm zu.
Colloportus, murmelte sie. Sie konnte heute keine weiteren ungebetenen Gäste gebrauchen.
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Faye Zabini lag in ihrem luxuriösen Kingsize Bett und starrte an die verzauberte Decke ihres Schlafzimmers, welche den Nachthimmel zeigte, genau wie die Decke in Hogwarts. 700 Galleonen hatte sie allein dieser Spaß gekostet. Decken verhexen war nämlich alles andere als einfach, hatte ihr ihr Architekt damals gesagt. Faye hatte ihm geglaubt und ohne mit der Wimper zu zucken den geforderten Preis gezahlt.
Nun starrte sie in den Nachthimmel mit den funkelnden Sternen und dachte an den unglücklichen Frederic. Er hätte sie wohl besser nie getroffen. Oder sie ihn, da war sie sich noch nicht ganz sicher.
Denn jetzt würde diese Ermittlerin sicher nochmal mit ihr sprechen wollen. Es sollte eigentlich kein Problem darstellen, aber es war ihr lästig.
Faye seufzte genervt. In ihrem Kopf schwirrten die Gedanken und es wollte ihr trotz später Stunde nicht gelingen einzuschlafen. Es ärgerte sie, dass diese Sache jetzt so viel Raum einnahm, eigentlich wollte sie sich endlich wieder um die angenehmen Seiten des Lebens kümmern, wie zum Beispiel das Internet nach Dingen zu durchsuchen, die sie noch haben wollte.
Aber leider funktionierte die beste aller Muggelerfindungen nicht in ihrem Haus. Zu viel Magie. Sie musste immer extra in die Muggelstadt fahren, was ziemlich lästig war und im Allgemeinen beinhaltete, das Gedächtnis mindestens eines Muggels löschen zu müssen. Aber die Ankunft eines neuen Paketes mit den schönsten Kleidern, den neuesten Massagegeräten oder den exklusivsten Kunstwerken und Skulpturen entschädigte sie für den Aufwand.
Und davon hatte sie in letzter Zeit wirklich mehr als genug gehabt. Nicht nur war ihr Frederic nach kurzer Zeit als Gast auf die Nerven gefallen, nein, seit sie zurück war, hatten die anderen sie ständig mit irgendeiner ihrer trivialen Probleme belästigt und sie quasi als Kummerkastentante missbraucht, der man ungefragt die größten Geheimnisse anvertrauen konnte. Ganz egal wie desinteressiert sie auch tat.
Faye seufzte und zauberte sich ein Glas Weißwein. Das Getränk lief ihr wohlig die Kehle hinunter und sie goss sich sofort nach.
„Auf dich, Freddie" sagte sie in den leeren Raum hinein und prostete dem Toten zu.
Doch auch der Alkohol konnte ihren rasenden Gedanken nicht zur Ruhe bringen. Eines nach dem anderen tauchten die Geheimnisse der anderen wieder an die Oberfläche, wo sie ihr zuwinkten und zuschrien wie kleine Kinder ihren Eltern im Muggelfreibad.
Sie war sich nicht sicher, was sie mit ihnen anfangen sollte. Sollte sie sie herausziehen und der Ermittlerin präsentieren oder lieber wieder ins Wasser tauchen? Das Klügste wäre wohl so wenig wie möglich zu sagen. Sie musste schließlich aufpassen, dass ihre eigenen Geheimnisse nicht mit an die Oberfläche gezerrt wurden. Obwohl in Sameenas Fall ein paar Andeutungen bestimmt nicht schaden konnte. Sie ging ihr mit ihrem anbiedernden Verhalten wirklich auf die Nerven.
Zufrieden mit sich und ihrem Plan genehmigte sich Faye noch einen letzten Drink und schlief dann fest und traumlos ein.
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